Seit drei Monaten lebt und arbeitet der erfolgreichste Goalie der Schweizer Fussball-Nati in Birmingham. Bei West Bromwich Albion gefällt es dem Thurgauer. Doch gibts auch Gewöhnungsbedürftiges, wie etwa weisse Bohnen...
von Martin Wiesmann
Ohne gleich Aufmerksamkeit zu erregen, lässt sich mit Pascal Zuberbühler «Zubi» durch Birmingham spazieren. «Hier kann ich mich ungestört hinsetzen und die Leute beobachten.» In der Schweiz dagegen gehörte Pascal selber zu den Beobachteten. Wenn man ihn hier, im Zentralwesten Englands, erkennt, dann hat es mit der makellosen Bilanz des Schweizer Keepers an der Fussball-WM diesen Sommer zu tun: Kein Tor kassiert in der Vorrunde ? das Bild des Torhüters mit charakteristischer Mimik und Gestik blieb in einigen Köpfen haften. Kommt aber das Gespräch auf Fussball ? so im Pub, das der anzeiger mit Zubi extra für uns besucht-, dann gibts Stimmung: Denn nur schon in dieser einen Stadt gibts weitere gute Fussballclubs, wie Aston Villa und Birmingham City. Die Fans foppen und necken sich ? und den überraschend im Pub anwesenden Torhüter der «Throstles» erst recht. Zubi klärt uns sogleich lachend auf: «Der Vogel im Wappen von West Bromwich Albion (WBA) ist eine Drossel, deshalb der Spitzname ?Throstles?.» In fliessendem Englisch unterhält sich der 35-Jährige hier bestens. Die Achtung vor den Akteuren und der hohe Stellenwert von Fussball gefallen ihm sichtlich. Zubi muss in Birmingham weitgehend ohne seine Gattin Bea auskommen, «die bisher nur elf Tage lang hier sein konnte». Die Spanierin, welche fünf Sprachen spricht, kümmert sich nach dem kurzfristig zustande gekommenen Wechsel Zubis vom FC Basel zum englischen Zweitligisten WBA ums Haus in Muttenz und um ihr eigenes geschäftliches Engagement in Dubai. Jeweils um 7.45Uhr steht Pascal auf und genehmigt sich im wunderschön gelegenen Appartement im Neubauquartier «The Mailbox» ein Schokoladegetränk und Cornflakes. Von Natur aus eigentlich Frühaufsteher, sass Zubi in der Schweiz um diese Zeit bereits im Kaffee, «aber hier sind die Leute später dran».
Das eigene Bett muss her
Spät dran zu sein, ist seine Sache aber nicht. Nach der zwanzigminütigen Fahrt zum Trainingsgelände und Clubhaus von WBA kann Pascal dort bei Kaffee, Toast, Konfitüre und Zeitung nur staunen, wie sich englische Profis ernähren, so sie denn nicht erst wenige Minuten vor Trainingsbeginn hereinstürmen. Da werden nicht nur Ham, Eggs und Saucages gefuttert, «sondern das Ganze auch noch mit weissen Bohnen an scharfer Sauce und Ketchup garniert», erzählt Zubi staunend. So wie er im positi- ? ? ven Sinn bewundert, dass Spielerkollegen ohne Warmlaufen «den Schalter auf ?On? kippen können», wundert sich Zubi anderseits über solche Essensgewohnheiten. Anpassen wird er sich nicht, denn er braucht seinen morgendlichen Rhythmus. Nach dem gut anderthalbstündigen Training sind weitere Einheiten wie Massage, Krafttraining und Videostudium der Gegner angesagt. Bevor die «Drosseln» am späteren Nachmittag eigene Wege gehen, geniessen sie gemeinsam das reichhaltige Buffet im Clubhaus von WBA. Zubi als «Freund der echten italienischen Küche» lobt die Künste des clubeigenen Kochs und seiner Mitarbeiterin. Er meint dabei Pasta und anderes Feines, aber nicht die Bohnen! Was aber macht Pascal nachmittags und abends, wenn seine Teamkollegen bei ihren Familien sind? Manchmal legt er sich hin, um die Füsse zu strecken, «nicht aber um zu schlafen», wie er präzisiert. Bei ihm müsse immer etwas laufen ? auch wenn das zur Entspannung manchmal nur der Fernseher ist oder er Filme anschaut. Denn geschlafen wird nachts, «sieben bis acht Stunden», sagt Zubi. Nicht so richtig gewöhnt hat sich der Zweimetermann bisher ans Bett seines möblierten Appartements: Also muss in den nächsten Wochen sein Bett aus der Schweiz her, «damit ich nachts wieder durchschlafe». Zeit verbringt Pascal auch mit der Aufdatierung seiner Homepage
http://www.zubi1.ch, der Beantwortung von Mails und SMS, Absprachen und mit einigen guten Freunden, die er hier fand. Zubi schlendert gerne durch die Stadt, «ich schliesse mich nicht in meinem Appartement ein». Pascal Zuberbühler gefällt es hier in Birmingham. Er, der sonst nicht aufs Maul sitzt und sich auch spontan äussert («das ist meine Art, zu der ich stehe»), begehrt nicht auf, wenn ihm WBA-Goalietrainer Joe Corrigan alles abfordert: «Der Mann mit seinen 600 Ligaspielen bei Manchester City ist eine Autorität und selber fast so gross wie ich», sagt Zubi. Er schaffe es, ihn «noch einen Zentimeter länger zu machen», was auch heisse, motiviert Bällen nachzuhechten, die sicher am Tor vorbeiflitzen. Der Torhüter-Legende gelingt es offensichtlich, Pascals Feuer im Job noch anzustacheln und ihn Weiteres zu lehren. Zubi hat in den vergangenen Monaten mit seinen Leistungen all jene Lügen gestraft, welche ihn als Nationalgoalie mit einer Kampagne demontieren wollten. Dass seine Zeit mal abläuft,weiss er trotzdem. «Wenn ich merken würde, dass es nicht mehr klappt, so gäbe ich von heute auf morgen meinen Rücktritt bekannt», sagt er. Noch aber freut er sich auf jedes Spiel ? oft zwei in der Woche ? und über gute Gesundheit und seine Leistungen. Die Kampagne sei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, sagt er. Während er sich selber nach einer schlechten Partie («dann verstehe ich sachliche Kritik der Medien») auf dem Feld rehabilitieren könne, seien die Familie und sein Umfeld Anfeindungen und Behauptungen schutzlos ausgeliefert gewesen. Zubi lebt aber nicht schlecht damit, zu polarisieren ? gewinnt dem in Birmingham sogar Positives ab: Bis zu 28000 Zuschauer wollen im WBA-Stadion «The Hawthorns» die Qualitäten und Markenzeichen von Zubi sehen, «auch wie ich ausdrucksstark Anweisungen gebe», sagt er.
Essbare Fanpost
Im Kühlschrank von Pascals Appartement lagert Trockenfleisch einer Fricktaler Metzgerei und die Guetzlibüchse ist mit Basler Läckerli gefüllt. «Schöne Zeichen von Fans», sagt Zubi, der bekennt, dass «mein Herz immer rot-blau (für Basel also) schlägt». Warum aber gelingt es dem nun erfolgreichsten Schweizer Nationalgoalie aller Zeiten nicht, in seiner wirklichen Heimat ? der Ostschweiz und dem Thurgau ? als erfolgreicher Spitzensportler wahrgenommen und entsprechend gewürdigt zu werden? So war er bisher bei der jährlichen Thurgauer Sportlerwahl weder unter Journalisten noch beim Publikum je ein Thema, geschweige denn Favorit. Zubi denkt nach ? und weiss eigentlich nur, dass er schon als Junior aus der Ostschweiz wegging. Leistung, Dialekt und Familiengeschichte (die Eltern und Geschwister wohnen in Frauenfeld, wo er aufwuchs und seine Karriere begann) stimmen. Und auch wenn er im Espenmoos aus der Fankurve oft ausgepfiffen wurde, gefällt ihm das altehrwürdige Stadion, wo nun Fringer wirkt. Zubi wurde unter ihm bei den Grasshopperns Meister. Bei der Niederlage gegen Österreich stand Pascal nicht im Tor. Umso mehr freut er sich auf das Spiel gegen Brasilien im November und die Vorbereitungstage im Hotel Panorama in Feusisberg. Dort gibt es bessere Kost als die weissen Bohnen?
Bericht aus einer Ostschweizer Wochenzeitung