Roonaldo hat geschrieben:Wirst du mir aber sicher gleich erklären können, steht bestimmt in deinen einschlägigen Propagandablättchen die du dir zum mitreden besorgt hast...
Mein "Propagandablättchen" heisst übrigens Konstantinos Boulouchos. Er ist wohl einer von denen, die am meisten Ahnung von solchen Dingen haben in der Schweiz. Ich habe schon sehr viele Stunden in seinen Vorlesungen zu diesem Thema verbracht und ich hoffe, dass du mir nicht böse bist, wenn ich seinen Rechnungen mehr glaube als deinen "Fakten".
Zu sein Person:
Quelle:NZZ
Energieforscher
Konstantinos Boulouchos ist ordentlicher Professor am Institut für Energietechnik der ETH Zürich, wo er das Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme leitet. In der Forschung befasst sich seine Gruppe mit Null-Emissions-Verbrennungskraftmaschinen und mit Strategien für das Energiesystem der Zukunft. Daneben steht er dem Leitungsausschuss des Energy Science Center der ETH vor, an welchem 34 Professuren aus 11 Departementen zusammenarbeiten.
Und weiter:
«Der Verkehr wird weiter wachsen»
Der Ausstoss von Treibhausgasen lässt sich durch bessere Gebäudeisolierungen reduzieren. Auf das Wasserstoffauto werden wir dagegen vergeblich warten, sagt ETH-Forscher Konstantinos Boulouchos
NZZ am Sonntag: Laut dem Weltenergieausblick der Internationalen Energieagentur, der diese Woche publiziert wurde, könnte der weltweite Energieverbrauch bis 2030 um 53 Prozent steigen. Um knappe Ressourcen müssen wir uns also keine Sorgen machen?
Konstantinos Boulouchos: Vorläufig nicht. Allerdings ist der Zeithorizont 2030 ein bisschen knapp bemessen. Kohle, Gas und Öl sind zurzeit aber ausreichend vorhanden, auch wenn hohe Preise spätestens Mitte des Jahrhunderts zu einem Problem werden.
Damit wird sich das Klimaproblem durch den CO2-Ausstoss verschärfen.
Richtig: Fossile Brennstoffe haben wir genug. Das Problem sind aber die Begleiterscheinungen ihrer Nutzung. Der Klimawandel ist ein grösseres Problem als die Verfügbarkeit von Öl und zwar schon kurzfristig.
Was muss man jetzt also tun? Der Beitrag des Verkehrs zu den Treibhausgasen steigt seit Jahrzehnten an. Müsste man ihn nicht limitieren?
Natürlich: Der Verkehr trägt aber weltweit nur zu gut 20 Prozent zu den CO2-Emissionen bei. Knapp 50 Prozent gehen auf das Konto der Elektrizität, und gut 25 Prozent sind Heizung, Wärme und Industrieprozesse. Das heisst, der Verkehr steigt zwar. Aber er steigt von einem niedrigen Niveau. Die grosse Frage für mich lautet: Was machen wir mit den 50 Prozent Elektrizität, die sogar schneller wächst als der Verkehr? 10 Prozent mehr Effizienz dort bringt mehr als 10 Prozent mehr Effizienz im Verkehr.
Dabei hat uns die Industrie doch schon längst das Wasserstoffauto versprochen.
Unsere Berechnung der Energiebilanzen zeigt:
Das Wasserstoffauto ist keine sinnvolle Lösung. Für Teile der Industrie war es eine
voreilige, marketingorientierte Strategie. Denn das Problem ist: Wo bekomme ich Wasserstoff her? Zumeist geht man davon aus, dass man den Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wasser herstellt. Dazu braucht man sehr viel elektrischen Strom, den wir CO2-frei produzieren müssen. Alle Berechnungen zeigen aber, dass es aus Sicht des Klimaschutzes viel effizienter ist, mit diesem Strom alte Kohlekraftwerke zu ersetzen, statt Wasserstoff zu produzieren.
Weil man bei Wasserstoffherstellung grössere Verluste hat?
Genau. Man müsste den CO2-neutralen Strom verwenden, um Wasserstoff zu gewinnen, der dann in der Brennstoffzelle eines Autos wieder zu Strom gewandelt wird. Das bringt zu grosse Verluste]Hybridantriebe, eine Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor also, bringen heute ein Drittel Benzinersparnis.[/B] Auch leichtere Autos und Biokraftstoffe können einen Beitrag leisten, aber das Potenzial ist beschränkt. Maximal 20 Prozent des weltweit benötigten Kraftstoffs könnten aus Biomasse gedeckt werden. Insgesamt halte ich innerhalb von dreissig Jahren eine Halbierung des fossilen Kraftstoffverbrauchs pro Auto für möglich.
Aber es wird mehr Autos geben!
Ja, richtig. Wir rechnen weltweit mit einer Verdoppelung in dreissig Jahren. Das heisst, wir können schon zufrieden sein, wenn uns eine Stabilisierung der CO2-Emissionen des weltweiten Verkehrs gelingt. Schon dieses Ziel ist sehr ambitiös.
Warum gelingt es eigentlich nicht, Wirtschaftswachstum und Verkehrszunahme zu entkoppeln?
Wirtschaftliche Entwicklung ist stark durch Handel und damit durch Transport gekennzeichnet. Und der Güterverkehr ist heute schon sehr effizient. Moderne Lkws und Schiffe haben die maximale Energieeffizienz fast erreicht im Unterschied zu Personenwagen, die, wie erwähnt, 50 Prozent Einsparpotenzial besitzen.
Warum gibt es diesen Unterschied?
Lastwagen sind ein Investitionsgut. Ein Spediteur kauft einen Lastwagen mit 400 Kilowatt Leistung, weil er genau diese Leistung braucht. Wir dagegen kaufen Autos mit 100 Kilowatt Leistung, von der wir in der Stadt 5 Kilowatt und auf der Autobahn 20 brauchen. Das Auto fährt daher ständig im ungünstigen Teillastbereich. Bei grossen Schiffen kann man noch weniger sparen die haben einen Wirkungsgrad von 50 Prozent. Die Prognose für den Güterverkehr lautet also: Er wächst schnell, die Einsparpotenziale sind niedrig, und es gibt keine technischen Alternativen.
Alle CO2-Einsparungen sollte sich also auf die Elektrizitätsversorgung konzentrieren, weil sie einen so grossen Anteil am Primärenergieverbrauch hat?
Nein, noch dringlicher ist der Wärmebereich. Bei Heizungen und der Isolation von Häusern ist das Potenzial am grössten, und Verbesserungen wären einfach umzusetzen. An zweiter Stelle erst steht die Elektrizität.
Was muss man im Wärmebereich tun?
Durch bessere Isolationen sinkt der Wärmebedarf von Häusern auf die Hälfte. Mit Solarwärme kann man zusätzlich Warmwasser erzeugen und dabei weitere 10 Prozent Energie sparen. Bleiben 40 Prozent übrig. Deckt man sie durch Wärmepumpen, spart man nochmals fossile Energie ein, weil die Geräte etwa drei Viertel ihrer Energie aus Umgebungswärme beziehen. Gegenüber einem durchschnittlichen Haus lassen sich so 80 Prozent Energie einsparen.
Aber woher kommt der Strom für die Wärmepumpe?
Wenn sich am bisherigen Schwei- zer Strommix nichts ändert, liefert CO2-freie Wasser- oder Atomkraft die nötige Energie. Aber selbst wenn zukünftig Gaskraftwerke gebaut würden, liesse sich der CO2-Ausstoss der Gebäudeheizungen senken, weil die Häuser besser isoliert und mit Sonnenkollektoren und Wärmepumpen versorgt würden.
Wären KKW nicht die bessere Lösung?
Optimal wäre natürlich eine CO2- freie Quelle. Auch die Kernenergie hat jedoch ihre Risiken, was der Gesellschaft eine Güterabwägung abverlangt. Gaskraftwerke könnten meiner Ansicht nach ein Kompromiss für eine Übergangszeit sein, bis erneuerbare Energiequellen in ausreichendem Mass vorhanden sind: Sie erhöhen zwar den CO2-Ausstoss der Schweizer Stromproduktion, in Verbindung mit dem forcierten Einsatz von Wärmepumpen würden sie aber trotzdem zu einer Entlastung der Umwelt führen.
Das funktioniert aber nur, wenn der Strombedarf nicht schneller wächst als die Einsparungen. Und langfristig dürfte das nicht funktionieren.
Ja, für mich ist die Versorgung mit CO2-freier Elektrizität langfristig die grosse Herausforderung. Im Wärmebereich kann man durch Abgaben und Bauvorschriften Einsparungen durchsetzen. Beim Transport gibt es beim Personenverkehr Einsparmöglichkeiten. Bei der Elektrizität ist es am schwierigsten. Denn laut den Prognosen wird der Bedarf schnell wachsen.
Gibt es eine Lösung?
Nebst der höheren Energieeffizienz sehe ich drei Pfade: fossile Kraftwerke mit CO2-Abscheidung, Kernkraftwerke und erneuerbare Energien.
Technisch kommt von diesen Möglichkeiten heute nur die Kernkraft in Frage
Die Erneuerbaren sind nicht so weit, dass sie schnell einen Beitrag leisten können. Aber wir müssen hier in die Forschung investieren. Bei der Kernenergie möchte ich die Erwartungen dämpfen. Denn die Frage ist, inwiefern man sie im weltweiten Massstab realisieren kann. Können wir uns eine Welt vorstellen, in der Kernkraftwerke auch in instabilen Entwicklungsländern betrieben werden? Die Kernkraft kann einen Beitrag leisten, aber sie wird das globale Problem nicht lösen.
Interview: Andreas Hirstein