Mätzli hat geschrieben:(...)Ich verweise auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wenn Nichtraucherbeizen ein klares Bedürfnis sind, wird sie der Markt noch vermehrter anbieten als bisher schon. Wenn ein Wirt mir sagt: "Hier wird nicht geraucht", muss und werde ich das ja auch akzeptieren. Er ist der Eigentümer des privaten Raumes,]nicht[/B].
Nun wenn ein von mir derart geschätzer Verfechter dieses Prinzips im vorliegenden Fall und direkt an mich adressiert noch einmal darauf verweist, werde ich - trotz Gewissheit mich zu wiederholen und der Gefahr zu langweilen - darauf eingehen.
Das Prinzip von Angebot und Nachfrage ist, wie jedes Prinzip der Volkswirtschaftlehre, eine Modellannahme, bei der störende Aspekte der Realität ausgeblendet werden, um die Zusammenhänge zwischen den modellimanenten Grössen besser untersuchen zu können. So lässt sich denn unter Modellbedingungen auch genau berechnen, um wieviel sich das Angebot, beispielsweise bei einer Erhöhung der Nachfrage, verändert. Wie du weisst, liegt eine Archillesverse des Modells darin, dass man dabei von vollständig informierten Anbietern und Nachfragern ausgeht. Die Wirte verhalten sich in meinen Augen nicht wie vollständig informierte Marktteilnehmer.
Die Realität zeigt leider auch, dass trotz der richtigen und wichtigen Erkennung der Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage nicht alle Probleme dieser Welt gelöst wurden. Den Begriff des Marktversagens habe ich im Laufe dieser Diskussion ja auch schon verwendet. Das grösste Beispiel von Marktversagen ist wohl das, was wir zur Zeit bei der Entwicklung des Weltklimas beobachten können. Ob jedoch im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Angebot an Nichtraucherplätzen in den hiesigen Restaurants von Marktversagen gesprochen werden kann, lässt sich anhand der mir bekannten Definitionen des Begriffs allerdings bezweifeln. Dennoch bin ich aus folgenden Gründen überzeugt, dass wir es hier mit einer Erscheinungsform dieses Phänomens zu tun haben:
Wie das Problem mit der Klimaerwärmung zeigt, sind die Gründe einerseits in der
(Trittbrettfahrerei), also der Sozialisierung der Umweltkosten und Privatisierung der Gewinne, als auch in der immer noch verbreiteten
(Kurzfristiger Focus der Bewertungsmethoden) wirtschaftlicher Perfomance zu suchen. Der Velofahrer trägt Umweltkosten mit, die der Autofahrer verursacht. Den grössten Teil der Kosten werden jedoch die Kinder der Beiden zu tragen haben. Der Autofahrer ist sich trotz hartnäckiger
Verdrängung und dem Verweis auf wissenschaftliche Unzulänglichkeiten bei der Feststellung der Zusammenhänge inzwischen der Problematik bewusst, kann oder will sein Verhalten jedoch nicht ändern. Gewisse Exemplare machen sich sogar in Internetforen damit wichtig, wie sie mit ihrem Auto der Gesellschaft aufgrund von Autoritätskomplexen schaden. Dies ist zwar eine andere Geschichte, aber die ersten Parallelen zur vorliegenden Rauchverbotsdiskussion sollten jetzt erkennbar sein.
Klar ist jedenfalls, dass auch der Raucher für seinen vermeintlichen Genuss eine Schädigung des Nichtrauchers in Kauf nimmt. (
Trittbrettfahrerei.) Klar ist auch, dass der Raucher sogar bereit ist, seinen eigenen Kindern dafür zu schaden und damit die Reproduktion der eigenen Erbmasse für zukünftige Generationen zu gefährden, was ja unmöglich im objektiven Interesse seiner evolutionären Bestimmung liegen kann. (
Kurzfristige Bewertung.) Beispiele dafür sind täglich zu sehen, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht. Klar ist auch, dass diese Schädigung von der Tabaklobby längstmöglich verleugnet und
verdrängt wurde. Klar ist auch, dass viele Raucher ihr Verhalten nun für genau so unverzichtbar ansehen wie die Autofahrer ihre Mobilität und sogar damit angeben, wie dieser Thread ja wieder mal beweist.
Irgendwie sind es doch schon erstaunlich, wie viele Parallelen zwischen dem eindeutigsten Beispiel von Marktversagen und der vorliegenden Diskussion auszumachen sind, nicht? Nun kannst du natürlich auch beim Klima sagen, dass der Markt die Dinge schlussendlich regeln wird. Klar ist, ohne Markt wird's nicht funktionieren. Aber Druck und Regulierungen braucht's auch, denn noch immer lassen sich zuviele Teilnehmer nur von kurzfristigen Überlegungen leiten, als dass die Wende alleine aufgrund des Prinzips von Angebot und Nachfrage herbeigeführt werden könnte. Genau so verhält es sich beim zweifelsohne kleineren Problem der Raucher. Manchmal muss die Menschheit eben vor sich selbst geschützt werden, ob dies jetzt mit den quasireligiösen Grundsätzen einiger Neoliberaler vereinbar ist oder nicht. Dass dies im Interesse gut funktionierender Märkte nur in wichtigen Angelegenheiten und dringenden Fällen erfolgen sollte, ist klar. Die Volksgesundheit ist ein solch wichtiges Anliegen, schliesslich müssen den Märkten ja gerade aufgrund der demographischen Entwicklung solch qualifizierte Arbeitskräfte wie du noch längstmöglich erhalten bleiben. Und was die Folgen einer Regulierung für den Gastronomiemarkt angeht, so kann bei bei einem generellen Rauchverbot ja überhaupt keine Wettbewerbsverzerrung entstehen, weil alle Teilnehmer mit den gleichen Voraussetzungen konfrontiert sind. Der Markt kann also im grossen Ganzen sicherlich genau so spielen wie bisher.
Dass all die positiven Berichte aus dem Ausland nur Propagandalügen sind, glaub ich jedenfalls nicht. Eher glaube ich schon an unterschiedliche Wahrnehmungen von Rauchern und Nichtrauchern bei Auslandsaufenthalten. Ich jedenfalls war in diesem Jahr zweimal abends in einer schweizerischen Hotelbar mit Raucherlaubnis. Die war auch ziemlich leer. Der vollständig informierte Wirteverband argumentiert nach meiner Auffassung in dieser Frage einfach immer ziemlich reflexartig.