IP-Lotto hat geschrieben:Merci für den Artikel, bulldog. Der ist interessant.
Es geht aber nicht um das Höligengesetz (BWIS1) sondern um das Antiterror-Spitzelgesetz (BWIS2).
Die Aufhebung der Unschuldsvermutung und die Beweisumkehr gelten mit diesem Entwurf für alle "unbequemen" Mitbürger, nict nur für Hooligans.
Pressemitteilung von morgen Donnerstag (Entwurf):
Stellungnahme von grundrechte.ch zur Teilrevision des u201EBundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheitu201C
Grundrechte.ch lehnt die Vorschläge des EJPD zur Verschärfung des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit) samt und sonders ab, weil damit staatliche Willkür rechtlich verkleidet wird. Die Staatsschutzbehörden würden mit diesem Entwurf all jene Befugnisse zu schweren Grundrechtseingriffen zurück erhalten, die sie vor dem Fichenskandal ohne gesetzliche Grundlage beansprucht haben.
Im Vordergrund steht dabei die u201Ebesondereu201C Informationsbeschaffung durch die Überwachung von Telefonen und das Setzen von Wanzen in privaten Wohnungen, was notwendigerweise auch den staatlichen Einbruch in diese Räume voraussetzt. Dieser war im ersten Entwurf, der im vergangenen Jahr durch eine Indiskretion an die Presse gelangte, noch ausdrücklich vorgesehen, wurde aber jetzt wegen der offensichtlichen Peinlichkeit zurückgezogen.
Telefonüberwachungen sind heute nur im Rahmen eines Strafverfahrens möglich. Jährlich ordnen die Untersuchungsbehörden etwa 7 000 Überwachungsmassnahmen an. Möglich ist dies auch heute schon, wenn es um strafbare Vorbereitungshandlungen oder um eine kriminelle bzw. terroristische Organisation geht. Die strafrechtlichen Überwachungsbefugnisse bewegen sich also schon jetzt weit im Vorfeld konkreter strafbarer Handlungen. Die zusätzliche Überwachungsbefugnis für den Staatsschutz würde sich deshalb notwendigerweise gegen Personen richten, gegen die nicht einmal ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht. Grundrechte.ch hält dies in einem demokratischen Rechtsstaat für untragbar. Daran ändert auch die Einschaltung des Bundesverwaltungsgerichts nichts, denn das Gericht kann nur überprüfen, ob die Eingriffsvoraussetzungen gegeben sind. Da diese aber praktisch keine Hürde darstellen, wird die richterliche Kontrolle zum reinen Alibi.
Genauso wenig akzeptabel sind Einsätze von u201EInformantInnenu201C oder verdeckten Ermittlern des Staatsschutzes, die der Entwurf unter die Formen der u201Eallgemeinen Informationsbeschaffungu201C einreiht und damit in sämtlichen Bereichen staatsschützerischer Tätigkeit zulassen will. Praktisch wird hier auch die Überwachung von Berufsgeheimnisträgern (RechtsanwältInnen) oder Medienschaffenden möglich, die im Nachbarland unlängst zu einem Skandal geführt hat und nun von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss begutachtet wird.
Nach dem vorliegenden Entwurf soll der EJPD-Vorsteher Personen oder Organisationen die Wahrnehmung bestimmter Tätigkeiten für fünf Jahre mit einer Verländerungsmöglichkeit um weitere fünf Jahre verbieten können. Welche Tätigkeiten dies sein sollen, ist aus dem Text des Entwurfs nicht zu erkennen. Der erläuternde Bericht macht allerdings deutlich, dass diese Möglichkeit genau da in Frage kommt, wo sich konkrete Beweise für strafbare Handlungen nicht finden liessen. Praktisch wäre es damit möglich, beispielsweise Organisationen, die zum Protest gegen das WEF in Davos aufrufen, das Betreiben einer Homepage oder den Druck von Flugblättern zu verbieten. Zwar können die Betroffenen dagegen das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Jedoch sind hier nicht der EJPD-Chef (und sein Staatsschutz) beweispflichtig, sondern die Betroffenen, die darstellen müssen, dass sie keine u201EGefahr für die innere Sicherheitu201C der Schweiz darstellen.
Grundrechte.ch fordert den Rückzug dieses Entwurfs. Statt der darin vorgesehenen massiven Einschränkungen verfassungsmässiger Rechte ist es dringend notwendig, das Recht auf Einsicht in Staatsschutzakten, das mit der Inkraftsetzung des BWIS im Juli 1998 abgeschafft wurde, wiederherzustellen und die bisherigen Tätigkeiten des Staatsschutzes einer systematischen Überprüfung zu unterziehen.