Die blaue Kraftmaschine und der Rest
DER FC CHELSEA GEHT WIEDER ALS GROSSER FAVORIT IN DIE NEUE SAISON DER PREMIER LEAGUE

Chelsea hebt ab. Andrej Schewtschenko (l), Torschütze im Community Shield, den sich allerdings der FC Liverpool als Herausforderer in der Liga sicherte. Foto Imago
Raphael Honigstein, London
Während der FC Chelsea mit grosser wirtschaftlicher Potenz den Titel-Hattrick anpeilt, liebäugelt auch der FC Liverpool zu Beginn der neuen Saison mit der ersten Meisterschaft nach 16 Jahren.
«Herr Mourinho», fragte vergangene Woche ein australischer Fernsehreporter, «sollen wir wirklich um zwei Uhr nachts aufstehen, um die Premier League zu schauen? Chelsea wird doch sowieso Meister, oder?» Der Kollege von Down under ist nicht der Einzige mit dieser Sorge. Auch Ligachef Richard Scudamore warnt bereits, dass es «nicht gesund ist, wenn Chelsea zehn Mal hintereinander den Titel gewinnt». Doch soweit ist es ja noch nicht. Die von nicht versiegenden Öl-Milliarden aus Russland zehrenden «Blues» setzen erst zum Hattrick an in einer Liga, die als die attraktivste der Welt gilt, und deren Spiele ab August 2007 den Fernsehsendern märchenhafte 1,2 Milliarden Euro wert sein werden. Jährlich.
Geld ist für Chelsea trotz eines Rekordverlustes von 205 Millionen Euro im vergangenen Jahr schon jetzt kein Thema. Kollektiv haben die englischen Clubs 273 Millionen Euro für Neuverpflichtungen ausgegeben; ein knappes Drittel davon, rund 80 Millionen, wurde allein in Westlondon für Andrej Schewtschenko (Milan), Salomon Kalou (Feyenoord) und John Obi Mikel (Lyn Oslo) investiert. Michael Ballack kam umsonst vom FC Bayern, verdient dafür aber um die 10 Millionen Euro im Jahr.
Chelseas Geschäftsführer Peter Kenyon will ab 2010 schwarze Zahlen schreiben. Das könnte gelingen - wenn unter dem Rasen von Stamford Bridge eine Ölquelle entdeckt wird.
Trotz dem exzessiven Geschäftsgebaren des Meisters gibt es Trost für die Konkurrenz. Auf den Aussenpositionen in der Viererkette ist Chelsea beispielsweise unterdurchschnittlich besetzt; Wunschkandidat Ashley Cole vom FC Arsenal soll für die linke Seite kommen, aber der etwa 30 Millionen Euro teure Deal ist längst nicht durch. Den von vielen Medien sehnsüchtig erwarteten Verdrängungswettbewerb zwischen Ballack und Frank Lampard wird es übrigens nicht geben. Beide werden Stammspieler sein, Mourinhos blaue Kraftmaschine spielt mit drei zentralen Mittelfeldspielern. So soll vor allem die Champions League gewonnen werden. Die Sehnsucht nach dem Triumph in Europa eröffnet anderen Chancen.
Benitezu2019 Mischung.
Liverpool, zum Beispiel. Rafael Benítez hat allmählich die richtige Mischung aus iberischem Flair und englischer Hartnäckigkeit raus. Der Chilene Mark Gonzales wird der interessanteste Flügelstürmer der Liga werden, dazu steht mit dem Holländer Dirk Kuyt endlich ein echter Torjäger zur Verfügung. Mit den «Reds» ist zu rechnen.
Fergusons 21. Jahr.
Manchester United werden weniger Möglichkeiten eingeräumt. Alex Ferguson hat den Kader wieder nicht entscheidend verstärken können. Michael Carrick alleine löst nicht das Problem im zentralen Mittelfeld, Hargreaves bleibt wohl in München, und vorne wird der geschasste Ruud van Nistelrooy fehlen. Der Kader ist nicht gut und breit genug; zu Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney gibt es keine Alternativen. Vielleicht aber zu Ferguson. Das 21. Jahr im Amt dürfte sein letztes sein, falls United keine Trophäe holt.
Fergusons Lieblingsfeind Arsène Wenger hat zwar ein neues, schönes Stadion mit 60000 Zuschauern, es aber auch nicht leicht. Ashley Cole und José Antonio Reyes wollen unbedingt weg, WM-Star Franck Ribéry (Marseille) will unbedingt kommen, darf aber wohl nicht, und Tomas Rosicky ist nicht die entscheidende Verstärkung. Wenger bleibt seinem Jugendstil treu. Langfristig ist das gut, kurzfristig jedoch problematisch. Das hat man in der abgelaufenen Spielzeit gesehen.
Tottenham (mit Dimitar Berbatow im Sturm) und Newcastle dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen, die Champions League zu erreichen. Die Aufsteiger sind wie immer die Abstiegskandidaten. Und ansonsten ist interessant, was in der Provinz, genauer gesagt beim FC Portsmouth und bei Aston Villa passiert. «Pompey» hat in Eigentümer Sacha Gaydamak einen Mini-Abramowitsch aus Moskau und in Trainer Harry Redknapp einen passionierten Transfereinfädler. Merkwürdigerweise hat ausser Sol Campbell bisher niemand an der Südküste unterschrieben. Wo bleiben die Millionen? Und wo kommen sie eigentlich her? Spannende Fragen.
In Birmingham verspricht man sich vom neuen Besitzer Randy Lerner, einem amerikanischen Millionär, auch viel Geld für Neuinvestitionen, doch auch dort sind bisher keine Spieler gekauft worden. Die Zeit ist knapp, wie immer in der schnellsten Liga der Welt.
Der australische Kollege bekam übrigens eine gute Antwort auf seine Frage. «Natürlich sollen sie die englische Liga anschauen, sie ist die beste der Welt», sagte Mourinho. «Was ist denn die Alternative? Cricket vielleicht?» Nein, wirklich nicht.
Die 1. Runde
Samstag:
Sheffield-Liverpool, Arsenal-Aston Villa, Everton-Watford, Reading-Middlesbrough, Newcastle-Wigan, Portsmouth-Blackburn, West Ham- Charlton, Bolton-Tottenham.
Sonntag:
Manchester United-Fulham, Chelsea-Manchester City.