Das friedliche Scheitern von Bern
BASLER FANS UNTERLAUFEN ERFOLGREICH DAS NEUE SICHERHEITSDISPOSITIV IM SCHWEIZER FUSSBALL
Unregistriert. Die FCB-Fans in Bern: Ohne Fanpass und nicht im offiziellen Basler Sektor. Foto Siegert
CHRISTOPHKIESLICH, Bern
Die neuen Richtlinien, mit denen die Swiss Football League (SFL) der Gewalt in den Stadien begegnen will, sind gestern in Bern weitgehend ad absurdum geführt worden. Die Basler Fans trugen 67 Tage nach dem Schwarzen Samstag im St.-Jakob-Park zu einem friedlichen und entspannten Fussballspiel bei.
Gegen 18.35 Uhr, als der Extrazug die Station Wankdorf erreichte, war bereits absehbar, dass die Strategie der FCB-Fans aufgehen würde. Rund 500 Basler Anhänger pilgerten, von einem Dutzend Polizisten eskortiert, die Sempacherstrasse hoch und hatten ein fröhliches «Ohne Fanpass sind wir alle da!» auf den Lippen. Vor den Kassen bildete sich rasch eine Traube, offenbar hatten die meisten Bern-Fahrer darauf verzichtet, im Vorfeld irgendeine Karte zu erstehen. Um Viertel vor Sieben wedelte der erste mit einem gelb-schwarzen Ticket zu 30 Franken für den Block B und triumphierte: «Das ist ein schönes Gefühl.»
Am Aufgang zum Gästesektor standen sich derweil die Stewards die Beine in den Bauch. Auf einem Flugblatt («An den 12. Mann vom FCB») begrüssten die Betreiber des Stade de Suisse ihre Gäste im Wankdorf, wünschten ein «sportlich emotionales» und «sicheres» Spiel und solidarisierten sich mit den Boykottierenden: «Die neuen Fanbestimmungen sind nicht zufriedenstellend.»
schwitzende polizei. Um 19.15 Uhr zogen die Berner Polizisten bei 30 Grad im Schatten ihre Helme auf, Gummischrot und Tränengas waren parat, und auf der Flaniermeile zwischen Morgarten- und Papiermühlestrasse war die YB-Wurst bereits ausverkauft, während sich an den Kassen lange Schlangen von Kurzentschlossenen bildeten. Weit und breit nicht zu erkennen: Ein Grund für den gar martialischen und schweisstreibenden Aufzug der Polizei.
Vor Block B West erklärte ein FCB-Fan im Rossi-Trikot und mit Bier im Plastikbecher höflich in das Mikrofon eines Lokalradios, warum er die Bestrafung des FCB unverhältnismässig findet, warum er nicht verstehen will, warum eine Kurve härter bestraft wird als andere. Und einen Vorschlag, wie man den Einlass in ein Schweizer Fussballstadion geschickter regeln könnte, hatte er auch nicht. Bloss ein Gefühl: Nicht den Stress beim Ticketverkauf, wie er jetzt veranstaltet wird.
Pünktlich um 19.45 Uhr wird die neue Saison von den FCB-Fans mit einer Rauchbombe eröffnet. Es hätte auch verwundert, wenn die Eingangskontrollen in Bern besser geklappt hätten als in Basel. Die Verteilung der Basel-Supporter entspricht den Prognosen: Exakt 68 Fans, die beim Ticketkauf ihre Personalien registrieren liessen, verloren sich im Gästesektor, gut 1500 hatten sich auf dem Balkon hinter dem Tor der Westseite eingerichtet, ohne ihre Identität preisgegeben zu haben, und sie verliehen ihrem Protest auf einem grossen Transparent Ausdruck: «Deheim verbote - uswärts nit zu2019stoppe».
Als Abgrenzung zum Family-Corner war ein grünes Netz installiert, und ein über zwei Meter hoher Zaun, so wie man ihn sich im Nachhinein auch für den 13. Mai in Basel gewünscht hätte, trennte Fans hinter beiden Toren vom Spielfeld.
alles ruhig. Mit sieben Kräften, angeführt von Sicherheitschef Gerold Dünki, hat der FC Basel versucht, in Bern den Überblick über seine Fans zu behalten. Die neue Formel der SFL lautet: zwei Sicherheitsleute und zwei Fan-Begleiter pro 50 verkaufter Tickets für den Gästesektor, und für 50 weitere Zuschauer jeweils eine zusätzliche Kraft mehr. Am Ende eines lauen Fussballabends zog Dünki aus FCB-Warte erleichtert Fazit: Alles blieb ruhig, die Fans, ein Resultat im Gepäck, «mit dem alle leben können» (Dünki), wanderten friedlich ab. Gespannt ist er nur, wen die Liga für die drei bengalischen Fackeln büsst, die von FCB-Fans gezündet wurden. Die Kausalhaftung des Gastclubs beschränkt sich auf den gestern verwaisten Gästesektor.
Stefan Niedermaier lobte gleich nach Abpfiff die «hochanständigen FCB-Fans». Der CEO des Stade de Suisse unterrichtete allerdings unmittelbar nach dem Spiel auch die SFL von seinen grundsätzlichen Bedenken. Neben dem hohen personellen und finanziellen Aufwand fürchtet er, dass eine Durchmischung von Gast- und Heimfans grundsätzlich nicht verhindert werden kann. Für ihn war die Nagelprobe der Beweis, «dass die Massnahmen der Liga gescheitert sind».