SN, Mittwoch 26. April 2006, Diverses
Gewalt von Fans eindämmen
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Zur Wahrung der inneren Sicherheit
Ausgerechnet Fussball- und Eishockeyfans wollen das Referendum gegen das vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Gewalt bei Sportveranstaltungen) ergreifen. In die Phalanx der Referendumsbefürworter wollen sich auch grüne Politiker einreihen, was schwer verständlich ist, zumal sie sonst normal reagieren. Dabei geht es doch mit diesen Bundesmassnahmen darum, den Feuerbrand von Gewalt und Zerstörung, wie er von fanatisierten Fans immer häufiger inszeniert wird, einzudämmen. Es geht mit anderen Worten um den Schutz der sich normal verhaltenden Fans. Wer das nun zu negieren versucht, fördert die Spirale der Gewalt und lässt es am Verantwortungssinn mangeln. Der Schlüssel hin zur Normalität rund um die Sportarenen besteht nun einmal darin, Massnahmen zur Befreiung zu ergreifen. Dass wir uns in einer gesellschaftspolitischen Krise befinden, ist Realität. Daraus wieder herauszufinden muss unser aller Ziel sein.
Arthur Müller,Schaffhausen
Gegenbrief
Herr Arthur Müller enerviert sich in seinem SN-Leserbrief vom 26.04. darüber, dass u201Eausgerechnetu201C Fussball- und Hockeyfans das Referendum gegen die Änderung des BWIS (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit) ergreifen. Lieber Herr Müller, wer denn sonst? Schon während der Vernehmlassung wurde die Revision von linker Seite heftig kritisiert u2013 zu Recht, gibt doch selbst Bundesrat Blocher zum Thema Verfassungsmässigkeit zu: u201ESie ist heute nicht gegeben, sie ist nicht eindeutig gegeben.u201C Zum Referendum kam es trotzdem nicht, da die politischen Traktanden der Parteien offenbar bereits gesetzt sind u2013 vielleicht aber auch nur, weil mit einem Referendum gegen ein Gesetz, das als Gipfel der Unkorrektheit u201EHooligan-Gesetzu201C genannt wird, kaum Sympathie-Punkte gesammelt werden können. Zu sehr stehen breite Teile der Bevölkerung unter dem Einfluss der Medien, welche jeden Lausbubenstreich in einem Stadion zu Machenschaften Schwerstkrimineller hochstilisieren. So sind auch sie der Meinung, es komme u201Eimmer häufigeru201C zu Gewalt an Sportveranstaltungen. Tatsächlich gibt es aber nicht eine einzige Studie, welche solche Behauptungen untermauert.
Gewalt muss aus den Stadien verschwinden, daran besteht kein Zweifel.
Fakt ist aber: Bereits heute können Gewalttäter in den Stadien genauso bestraft wie jeder andere Verbrecher auch: Anklage wegen Körperverletzung, Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz, Hausfriedensbruch. Dazu können von den Vereinen und vom Verband Stadionverbote ausgesprochen werden.
Dies scheint jedoch noch nicht zu reichen. Warum nicht? Abgesehen vom Stadionverbot sind die erwähnten Massnahmen ganz normale Anklagen und gehen den üblichen Weg über die Gerichte. Dabei ist für die Kläger vor allem eines nötig: Beweise. Schliesslich beruht doch jeder anerkannte Rechtsstaat auf dem Grundsatz u201EIm Zweifel für den Angeklagtenu201C u2013 sieht man von einigen zweifelhaften amerikanischen Machenschaften in Guantanamo mal ab. Wer also nichts getan hat, kann auch nicht bestraft werden.
Dies ändert sich mit dem neuen BWIS. Die Präventiv-Massnahmen (Datenbankeintrag, Rayonverbot, Meldeauflage, Ausreiseverbot, 24-stündige Polizeihaft) können alleine aufgrund eines Verdachtes ausgesprochen werden. Dazu reicht eine u201Eglaubwürdigeu201C Aussage des privaten Sicherheitspersonals. Aussage gegen Aussage? In dubio pro reo? Nichts da! Zweiklassengesellschaft! Wer erst einmal in der Datenbank eingetragen ist, muss seine Unschuld beweisen u2013 eine denkbar schwierige Aufgabe.
Fraglich ist auch, wie sinnvoll es ist, bereits 12- bzw. 15-jährige (Polizeihaft) solchen Massnahmen zu unterwerfen, sie sogar der Gefährdung der inneren Sicherheit zu bezichtigen. Statt Kriminalisierung von Kindern wäre genau hier eine integrative Fanarbeit angebracht, die zwischen Verein und Fan vermittelt, wie sie beispielsweise in Deutschland schon seit Jahren üblich ist, in der Schweiz aber nur gerade vom FC Basel praktiziert wird.
Man mag einwenden: u201ENatürlich gibt es Mängel, aber man wird schon gesunden Menschenverstand walten lassen. Im Hinblick auf die EM 08 müssen wir etwas tun.u201C Eine optimistische Einstellung, denn gerade Erfahrungen mit Stadionverboten, welche ebenfalls keiner Beweislast unterliegen, und Berichte aus Deutschland zeigen, dass Willkür in solchen Fragen immer noch ein Dauerthema ist.
Dass die EM 08 mit diesem Gesetz besser geschützt werden kann, ist ohnehin aus der Luft gegriffen. Vielmehr kommt es gerade rechtzeitig, um die immer steigenden Sicherheitskosten zu rechtfertigen und angebliche Lösungen zu präsentieren. Kam es denn in letzter Zeit zu Zwischenfällen mit Schweizer Fans an Spielen der Nationalmannschaft? Hörte man Negatives über die Schweizer an der EM 04? Nein, Gefahr geht 2008 nicht von den Schweizern aus. Vielmehr sind es doch Engländer, Holländer oder Türken, welche für Gewalt an Länderspielen bekannt sind. Ob gegen diese Massnahmen wie ein Ausreiseverbot etwas nützen werden, ist doch mehr als nur sehr fraglich.
Die echten Hooligans schliesslich, von denen es laut offiziellen Angaben schweizweit noch etwa 200 gibt, werden sich ins Fäustchen lachen. Mit einem solchen Gesetz können sie nämlich wieder bequem in der Masse der Bagatell- und Grenzfälle untergehen.
Lieber Herr Müller, wenn auch ihnen etwas an einem fairen Rechtsstaat Schweiz gelegen ist, wenn auch sie wollen, dass die EM im eigenen Land wirklich sicher ist, wenn auch sie die echten Hooligans aus den Stadien haben wollen, dann unterschreiben auch sie auf einem meiner Unterschriftsbogen das Referendum, so wie es bereits Dutzende Leute u2013 Fussballfan hin oder her u2013 jeden Alters und jeder politischen Gesinnung getan haben.
Markus Bührer, Thayngen