Der eine - Helguera - kaut auf der Ersatzbank Sonnenblumenkerne, während sich seine Teamkollegen auf dem Rasen abmühen. Ein anderer - Ronaldo - weint öffentlich darüber, dass die eigenen Fans ihn nicht mehr gut leiden können und holt sich dadurch einen nicht minder öffentlichen Rüffel seines Kapitäns ab. Ein dritter - Sergio Ramos - fragt sich, nachdem er ein Tor erzielt hat, verwundert, ob er denn ins eigene Netz getroffen hätte. Zur Gratulationskur kam jedenfalls kaum einer seiner hoch bezahlten Mitspieler vorbei.
Drei Beispiele, die zeigen, dass beim spanischen Renommierklub Real Madrid derzeit bei weitem nicht alles rund läuft. Es stimmt nicht in der Mannschaft und es stimmt nicht in der sportlichen Leitung. Diese schraubt seit Jahren an einem mit Stars gespickten Ensemble. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht mag dieses "galaktische" Projekt durchaus erfolgreich sein, schließlich stammen 45 Prozent der Einnahmen aus dem Marketing-Sektor und die Marke Real mit ihren Protagonisten Beckham (Foto), Zidane oder Ronaldo ist weltweit ein Begriff.
Aus sportlicher Sicht ist das Ganze, zieht man vor allem den Aufwand in Betracht, ein ziemliches Desaster! Seitdem der erfolgreiche, nach Meinung des inzwischen zurückgetretenen Klubchefs Florentino Perez ("Ich bin ein Stöpsel, der gezogen werden musste") jedoch zu wenig charismatische Trainer Vicente del Bosque nach dem 29. Meistertitel 2003 fortgejagt wurde, wird Real seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht und sorgt vielmehr für Schadenfreude bei der Konkurrenz, allen voran beim Anhang des katalanischen Edelklubs FC Barcelona.
Vier Trainer verschliss Perez seither mit Carlos Queiroz, Jose Antonio Camacho, Mariano Garcia Remon und Wanderley Luxemburgo. Und auch der für den Brasilianer installierte Juan Ramon Lopez Caro wird nicht als königliche Trainerlegende in die Klubgeschichte eingehen. Sportdirektor waren es mit Valdano, Sacchi und nun Benito Floro beinah ebensoviele.
Viel Rauch um nichts, kann man flapsig zusammenfassen. Zwar kamen (und gingen) zahlreiche Weltstars - die Herren Figo, Zidane, Ronaldo, Beckham, Owen und Robinho kosteten zusammen 422 Millionen Euro -, doch eine gesunde Teamstruktur kaufte sich Real damit nicht ein.
So liest man meist eher etwas über Beckhams Rechenkünste oder Ronaldos respektive Cassanos Gewichtsprobleme denn über glänzende Vorstellungen auf dem Rasen. Und schwärmt einer über Real, so ist meist das legendäre Team um Alfredo Di Stéfano und Francisco Gento aus den 50-er Jahren gemeint.
Die kritischen Fans im Bernabeustadion zeigen ihren Unmut mit lautstarken Pfeifkonzerten oder unterstützen gar den Gegner mit Beifall. Wie zuletzt im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Arsenal, als die "Königlichen" mit 0:1 unterlagen und sich erneut auf ein frühes Aus auf europäischem Parkett einstellen müssen.
Da auch im Pokal schon Feierabend ist und Barça in der Liga vorausmarschiert, bleibt Real Madrid, so sieht es aus, im dritten Jahr in Serie ohne Titel. Und das gab es seit 1953 nicht mehr.
Immerhin gelang die Generalprobe für den wichtigen Auftritt im Highbury Park am Mittwoch (ab 20.45 Uhr im LIVE!-Ticker bei kicker online). Gegen den Stadtrivalen Atletico erkannten die Real-Profis die Bedeutung der Partie und siegten knapp aber verdient mit 2:1. Damit bleibt der Rekordmeister wenigstens innerhalb der Stadtgrenzen die Nummer eins.
Und bei den Toren von Cassano und Julio Baptista bildeten sich förmlich Jubeltrauben. Ganz zu schweigen von Ivan Helguera, der diesmal keine Sonnenblumenkerne kaute. War auch schwer möglich - denn diesmal durfte der 30-jährige Dauerbrenner wieder mal mitspielen.
http://www.kicker.de