«SonntagsZeitung» vom 7.8.2005, Seite 27
« Wir wollen in den Schlagzeilen sein »
Manager KLAUS ALLOFS über die Strategie von Werder Bremen und die Europacupspiele gegen Basel
VON THOMAS SCHIFFERLE
Klaus Allofs, was ist das Besondere an Werder Bremen?
Dass wir uns in der Bundesliga etabliert haben, obwohl wir wirtschaftlich nicht so dastehen wie die Bayern oder Schalke. Vor einem Jahr wurden wir Meister und Pokalsieger, letzte Saison Dritter. Der sportliche Erfolg ging mit einer soliden Finanzpolitik einher. Darüber hinaus haben wir eine gewisse Kontinuität in der Personalpolitik, nicht bei den Spielern, da dreht sich das Rad schneller, aber was die handelnden Personen angeht. Der Trainer ist schon 30 Jahre im Verein, meine Kollegen in der Geschäftsführung sind teilweise über 20 Jahre dabei, ich bin auch schon 6 Jahre hier.
Entspricht das der nüchternen hanseatischen Art?
Die hanseatischen Prinzipien oder Grundsätze spielen sicher mit rein in unsere Politik. Dass man seriös wirtschaftet, kalkulierbare Risiken eingeht, nicht das Geld ausgibt, das man vielleicht einmal irgendwann einnimmt.
Das passt zum Understatement, das für Werder so etwas wie ein Markenzeichen geworden ist.
Ja und nein. Wir gehören sicher nicht zu denen, die lospoltern, die aus Prinzip den Mund zu voll nehmen. Dennoch haben wir in den letzten Jahren eine Offensive gestartet, die Marke Werder Bremen klarer herauszustellen. Vor einigen Jahren waren wir doch zu unerkannt, zu grau war das Image von Werder Bremen.
Was verstehen Sie unter dieser Offensive?
Wir wollen nach draussen gehen, wir wollen, dass Werder Bremen in den Medien vorkommt, wir versuchen auch, ihnen weitestgehend zur Verfügung zu stehen.
Nach draussen gehen heisst . . .
. . . dass wir viele Aktionen machen. Wir wollen unsere Fans binden, wir sind in nur zwei Jahren von 3000 auf 21 500 Mitglieder gewachsen. Wir gehen in die Schulen, in die Vereine und bieten Fortbildung an, die Spieler sind präsent und gehen zu den ganz Jungen, den Kunden von morgen, wir veranstalten Diskussionen.
Wie würden Sie das Image von heute beschreiben?
Wir sind keine Paradiesvögel . . .
. . . höchstens von den Farben der Leibchen her . . .
. . . genau, genau, und das gehört mit zu unserer Strategie. Wir standen damals vor der Entscheidung: Sind wir mutig genug und geben uns diesen bunten Anstrich? Ja, wir wollen auffallen, in erster Linie durch sportliche Leistungen, aber auch durch Dinge, die darum herum sind. Wir wollen in den Schlagzeilen sein, wir waren in den Schlagzeilen mit einem Spieler wie Ailton. Auch jetzt haben wir wieder viele Spieler, die Starpotenzial haben, wie Owomoyela, Frings, Micoud. Das macht Werder aus, dieser Mix: auf der einen Seite progressiv, auf der anderen der Tradition verbunden.
Beim Gewinn des Double im Frühjahr 2004 befand sich Bremen im Ausnahmezustand. Was ist von dieser Euphorie noch da?
Die ist unverändert.
Ja?
Natürlich ist sie nicht mehr so wie an diesem Tag, als wir mit dem Sieg bei den Bayern Meister oder als wir gegen Aachen Pokalsieger wurden. Aber dass es eine Werder- Euphorie gibt, sieht man schon an der Nachfrage nach unseren Saisonkarten. Im Grunde kann man für unsere Heimspiele kaum noch Karten bekommen. Bei 25 000 haben wir den Dauerkartenverkauf eingestellt, für die Logen gibt es eine Warteliste, genauso für die Business- Seats. Werder ist total ins Herz der Menschen geschlossen worden. Bremen ist ja eine Stadt und eine Region, die wirtschaftlich durchaus ihre Probleme hat. Der Erfolg von Werder ist fürs Selbstbewusstsein der Menschen ganz, ganz wichtig.
In Bremen sind 15 Prozent arbeitslos, in der Pisa- Studie ist Bremen überall Schlusslicht, der Werftenverbund Vulkan ist zusammengebrochen.
Wir sind doch etwas gebeutelt, die Pisa- Studie tut immer wieder weh, und es gab auch Projekte mit dem Space Park, das zum Riesenflop wurde. ( Wegen der Pleite des Weltraum- Erlebnisparks im letzten Herbst gingen allein 200 Millionen Euro an Steuergeldern verloren.) Da tun Erfolge auf anderem Gebiet gut.
Das sollte die Frage sein, wie identitätsstiftend Werder ist.
Wenn man mit fremden Leuten über Bremen redet, heisst es immer: Werder Bremen, kenn ich. Werder ist der Werbeträger der Stadt.
Zur Geschichte des Vereins gehört auch, dass er Spieler wie Rost, Ailton, Ismael, Pizarro, Krstajic, Ernst oder Herzog abgeben musste, weil er nicht die Finanzkraft von Bayern oder Schalke besitzt. Wie haben Sie es stets geschafft, diese Abgänge zu kompensieren?
Zuerst einmal arbeiten wir mit der Überzeugung, dass jeder Spieler zu ersetzen ist und dass auch ein Verlust, mag er noch so gross sein, eine neue Chance für einen neuen Spieler ist. Dann schauen wir uns nach Spielern um, die Trainer Schaaf und mir gefallen und von denen wir sagen: Jawohl, sie möchten wir haben. Damit sind wir gut gefahren.
Alles eine Frage der guten Nase, Klasnic bei den Reserven von St. Pauli zu finden oder Micoud in Parma zu entdecken?
Natürlich muss man auch ein glückliches Händchen haben. Aber in Bremen herrscht wohl ein Klima, in dem sich die Spieler verbessern können. Fabian Ernst holten wir vom HSV, wo er kein Stammspieler mehr gewesen war, bei uns machte er eine steile Entwicklung, wurde Nationalspieler und ging jetzt zu Schalke. Claudio Pizarro kam als junger Spieler zu uns und blieb, bis er reif für die Bayern war. Oder Charisteas, der Europameister wurde. Oder Ismael, der in Frankreich keinen besonderen Stellenwert besass.
Wo andere Klubs versuchen, den Klub zu erkaufen, wie Schalke, wie Dortmund u2013 hat ihn sich Bremen erdacht?
Ich will uns da nicht den Heiligenschein aufsetzen. Ich weiss, dass in den anderen Klubs, auch in denen, die Sie genannt haben, fähige Leute arbeiten. Aber die Gefahr besteht, das kalkulierbare Risiko aus den Augen zu verlieren, wenn der Druck von aussen zu gross wird.
Das kann bei Werder nicht passieren?
Unsere Konstellation ist ganz gut. Das kann man am Beispiel Miroslav Klose festmachen. Ich sagte: Diesen Spieler müssen wir unbedingt kaufen. Meine Kollegen sagten: Nein, fünf Millionen Euro können wir nicht bezahlen. Der Aufsichtsrat sagte das auch. Die Führung ist so gestrickt, dass man mit Argumenten einiges bewegen kann, mit Visionen und Ideen, wie das nötige Geld wieder hereinzuholen ist. Aber wir haben dieses Regulativ, das es schwer macht, aus einer Laune heraus Geld auszugeben, das man gar nicht hat.
Macht es das Bremer Klima auch möglich, mit Ailton oder Micoud zu leben, die kompliziert sind?
Durchaus, wir brauchen diese Spieler sogar. Das hat sich über die Jahre entwickelt. Hier ist nicht mehr diese Oase, wo sich kein Journalist aufhält und wir unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren. Ich guck gerade runter auf den Trainingsplatz, da sehe ich 600, 700 Leute, das an einem Donnerstag. Wir legen schon Wert darauf, dass wir die richtigen Typen haben. Das heisst nicht, dass sie stromlinienförmig sein müssen.
Nur unter dem Strich muss stehen, dass sie bereit sind, sich den Interessen der Gruppe unterzuordnen. Darüber hinaus kann man viele verrückte Dinge machen.
Ailton . . .
( unterbricht) Und man muss guten Fussball spielen.
Ailton oder Micoud passen also perfekt zur Vermarktungsoffensive des Vereins.
Wir wissen ja, wie der Boulevard funktioniert. Es ist keine Mel- dung, wenn wir in der Vorbereitung 16: 0 gewinnen, aber es ist eine Meldung, wenn Ailton zu spät kommt. Wenn man eine Gruppe von 25 Spielern hat, tanzen einige aus der Reihe, das gehört dazu, das darf auch mal sein. Aber es darf nicht zum Prinzip werden, dass einer links rum läuft, wenn alle anderen rechts rum laufen. Wer das zum Selbstzweck werden lässt, gehört nicht zu uns.
Was sind nun die Ziele Werders in der neuen Saison?
Zuerst einmal und aus aktuellem Anlass die Qualifikation für die Champions League. Wir haben in Bremen einen Standortnachteil, was die Sponsoren- und Zuschauereinnahmen betrifft. Um zu den grossen Klubs nicht weiter an Boden zu verlieren, benötigen wir das Geld aus der Champions League, das waren allein letzte Saison rund 17 Millionen Euro.
Das ist das erste Ziel. Dauerhaft wollen wir uns unter den ersten drei der Bundesliga etablieren, um eben die Möglichkeit zu haben, wieder Champions League zu spielen.
Wäre es für Sie kommunizierbar, wenn Werder gegen einen Schweizer Klub scheiterte?
Kommunizierbar ist es, wenn wir alles versucht haben und man zum Schluss dennoch einsehen muss, dass Basel die bessere Mannschaft war. Dazu würde gehören, dass Basel zweimal sehr gut spielt und wir einige Fehler machen. Wir wissen, dass wir mit Basel auf eine Mannschaft treffen, die gut ist, die heimstark ist, die ein gutes Stadion mit guter Atmosphäre hat. Aber sollten wir zweimal gut in Form sein, müssten wir Basel eigentlich besiegen.
Das ist keine Arroganz, sondern eine nüchterne Einschätzung.
Dass Werder seinen Gegner unterschätzt, weil er aus der Schweiz kommt . . .
( unterbricht energisch) Da müssen Sie sich keine Hoffnungen machen. Ne, ne, diesen Gefallen werden wir Basel nicht machen.
Eine Mauer mit buntem Anstrich: Werder Bremen hat sich in der Bundesliga an der Spitze etabliert und will sich gegen den FC Basel für die Champions League qualifizieren FOTO: BONGARTS/ GETTY IMAGES
« Wir müssten Basel eigentlich besiegen » : Klaus Allofs, 48, seit 1999 Sportdirektor von Werder