Serj hat geschrieben: 19.08.2025, 17:29
Als Angehöriger der Generation Z fehlt mir der Erfahrungsschatz, um die momentane Situation mit derjenigen der 80er zu vergleichen. Zusätzlich fällt es mir auch schwer, zu sagen, inwiefern sich die Situation im letzten Jahrzehnt verändert hat. Aus eigener Erfahrung lässt sich aber sagen, dass Substanzkonsum (vor allem von Stimulantien) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchaus prävalent und akzeptiert ist, auch wenn ich behaupten würde, dass er grossmehrheitlich noch immer im Rahmen von grösseren Feierveranstaltungen stattfindet. Gründe dafür sehe ich vor allem in einem ausgelebten Eskapismus, dem eine zunehmende Desillusionierung mit der momentanen Weltlage zugrunde liegt. Das lässt sich auch anhand der Darstellungen in der Popkultur beobachten.
Interessant finde ich aber vor allem die zunehmende Entstigmatisierung derartigen Konsums. Ich denke es wäre zu kurz gedacht, diese einfach auf die (gefühlte) Zunahme der Konsumierenden zu schieben. Viel mehr habe ich den Eindruck, dass die arbiträre Grenze zwischen legalen und illegalen Drogen in der Wahrnehmung vieler zunehmend verschwimmt. Damit einher geht auch eine Abnahme des Alkoholkonsums der Generation Z, der medial schon des Öfteren thematisiert wurde. Viele sehen keinen Unterschied zwischen den gesundheitlichen Konsequenzen und moralischen Implikationen des Konsums von Substanzen wie Wodka oder Kokain. Dies darf man natürlich durchaus kritisch sehen, da der organisierte illegale Drogenhandel besonders in benachteiligten Ländern wahnsinnig viel Schaden anrichtet. Leider ist dies ein Aspekt, der gerne ausgeblendet wird.
Ebenfalls problematisieren lässt sich der öffentliche Konsum, da dieser potentiell zu einer gesellschaftlichen Normalisierung und Verharmlosung von schädlichem Verhalten führen kann. Nichtsdestotrotz ist einer zunehmende Entstigmatisierung m.E. eher positiv gegenüber zu stehen. Die meisten Todesfälle ereignen sich in Situationen, in denen Konsumierende an den Rand der Gesellschaft gedrängt und dämonisiert werden. Eine erhöhte Sichtbarkeit sorgt für gesellschaftlichen Diskurs, welcher im besten Fall wirksame Verbesserungsvorschläge nach sich ziehen kann.
Ein verstärktes "Beäugen" der konsumierenden Jugend seitens der Polizei halte ich in diesem Kontext für alles andere als zielführend. Prohibition und Repression hält erwiesenermassen niemanden davon zu konsumieren und führt im schlechtesten Fall zur erheblichen Verschlimmerung der Situation vieler Betroffenen.
Aus diesem Grund würde ich mich für die komplette Entkriminalisierung des Konsums aller Drogen und für eine geregelte Legalisierung bestimmter Drogen aussprechen. Durch einen geregelten Verkauf könnten die grössten Probleme mit dem Konsum von Substanzen m.E. am effektivsten bekämpft werden (schnellere Identifikation und Bekämpfung problematischen Konsums, Verhinderung von gefährlichen Verunreinigungen und unklaren Dosierungen, kein Verkauf an Minderjährige, kein Abrutsch in kriminelle Milieus durch Beschaffung, etc.). Dem illegalen Handel würde dadurch ausserdem seine Lebensgrundlage entzogen werden und die Gelder, die in die hoffnungslose Verfolgung von Konsumierenden gesteckt wird, könnten in die Bereitstellung effektiverer Aufklärung und prophylaktischer Massnahmen gesteckt werden.
Dieser Vorschlag ist natürlich nicht an allen Stellen komplett wasserdicht und müsste auf jeden Fall äusserst sorgfältig ausgearbeitet werden. Ich denke aber, es ist klar ersichtlich, dass der Drogenkrieg, der zur Zeit geführt wird, auf verlorenem Posten steht. Tatsächliche Verbesserung konnte im In- und Ausland in der Geschichte stets nur durch die Einführung liberalerer Massnahmen erzeugt werden.
Erstmal danke für den gut geschriebenen und differenzierten Post! Bin grösstenteils damit einverstanden und greife mal - ohne spezifischen Bezug zu Basel - ein paar Punkte zur Diskussion raus. Habe der Übersicht halber deinen Absätzen Nummerierungen gegeben, die ich in meinem Post aufnehme. (und ja mir ist klar, dass du die genannten Positionen nicht unbedingt verteidigst, sondern nach Gründen für das veränderte Konsumverhalten suchst).
1. Geht mir ähnlich, gehöre noch knapp zu den Millennials (obwohl mich diese Generationenbezeichnungen nicht gänzlich überzeugen, aber das ist ein anderes Thema) und erlebe es ähnlich, dass der Konsum doch relativ salonfähig ist, allerdings erlebe ich es auch eher an "grösseren Feierveranstaltungen" wie du es nennst und mit einer gewissen Zurückhaltung was öffentlichen Konsum angeht (ist ja oft auch verboten, wohl nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen für die Veranstalter). Zum Eskapismus habe ich gemischte Gefühle: Einerseits ist er für mich verständlich (ja die Weltlage ist beschissen), andererseits sehe ich darin auch ein überpessimistisches Weltbild, welches zynisch betrachtet aus meiner Sicht manchmal etwas als Ausrede dient (denn wann war die Weltlage schon nicht beschissen?). Vielleicht spielen hier auch die Informationsflut und die damit einhergehende zunehmende Unmöglichkeit die Augen vor der Weltlage zu verschliessen eine entscheidende Rolle.
2. Die Zunahme des Konsums ist nicht nur "gefühlt", sondern wird in den letzten Jahren immer wieder in Studien belegt (mag keine Suchen, aber ist immer wieder Thema in den Medien insbesondere bei Kokain habe ich es im Kopf). Die arbiträr gezogene Grenze zwischen Alkohol und anderen Substanzen zu kritisieren finde ich durchaus berechtigt. Allerdings dient auch dies oft als Vorwand um den eigenen Konsum zu rechtfertigen (in einer Art Whataboutismus) und gerade Kokain halte ich für eine enorm schädliche Droge (so ziemlich die schlimmste für's Herz und verwandelt oft Männer mit schlechtem Selbstwertgefühl in unsägliche Arschlöcher [bei Frauen beobachte ich dies weniger, aber ist nur eine unbelegte persönliche These von mir, dass Kokain bei Männern den Charakter noch eher versaut als bei Frauen], hinzu kommen noch die von dir genannten gesellschaftlichen Folgen durch Kriminalität in den Herkunfts- und Konsumländern). Speed ist ebenfalls alles andere als gesund für's Herz. MDMA ist stark neurotoxisch oder anders gesagt, kann bei übermässigem Konsum dumm machen. Psychedelika halte ich bei den meisten "gestandenen Persönlichkeiten" für relativ harmlos (körperlich), aber bergen halt doch je nach Individuum und Dosierung Gefahren für die Psyche. Man könnte noch x-fach weitere Beispiele bringen. Was ich damit sagen will ist, dass es für mich doch einige dieser nun weniger stigmatisierten Substanzen gibt, bei denen ich stark in Frage stellen würde, ob ich diese z.B. bei wöchentlichem Konsum für gesundheitlich unschädlicher (körperlich und psychisch) als Alkohol halten würde (je nach Droge gerade auch für Jugendliche, die halt von Natur aus eher gerne Drogen ausprobieren). Natürlich bleibt Alkohol aber eine sehr schädliche Droge.
3. Einverstanden.
4. Einverstanden.
5. und 6. Grundsätzlich einverstanden. Für mich stellt sich aber hier zumindest bei gewissen Substanzen die Frage wie man die kriminellen Milieus effektiv entmachten könnte, da sie aktuell das know-how und die Infrastruktur in diesem Business besitzen.