FCB-Verteidiger Michael Lang – «Natürlich waren Granit Xhakas Äusserungen ein Thema»
Mit drei Toren aus den letzten drei Spielen nähert sich Michael Lang seiner alten Form an. Doch nach dem 2:4 im Klassiker gibt es andere Themen für den 31-Jährigen.
Michael Lang, wie sah Ihr Sonntagabend nach dem 2:4 gegen den FC Zürich aus?
Ich war ziemlich froh, als ich am Abend nach Hause kam und meine Familie sehen konnte – auch wenn mein Sohn schon im Bett lag. Mir tut es nach so einem Spiel gut, wenn ich mich ablenken und abschalten kann.
Wie gut funktioniert das nach so einem Nachmittag?
Ganz klappt es nicht, das ist unmöglich. Du nimmst gewisse Szenen mit nach Hause und driftest in Gedanken immer wieder zum Spiel zurück. Aber es ist auch gut so, dass man die Partie nach und nach verarbeitet und nicht einfach zur Seite schiebt.
Woran mussten Sie besonders oft denken?
An den Start, die erste halbe Stunde.
Nach dem Spiel sagten Sie: Der FCZ hat uns überfahren.
Es gab eine Szene, kurz nach dem Penalty zum 0:1, da habe ich gedacht: Was passiert hier eigentlich gerade? Wir kommen nicht ins Spiel und setzen überhaupt nicht das um, was wir uns vorgenommen haben.
Sind das auch die Themen, die man als Team im Anschluss bespricht?
Ja, natürlich. Das passiert direkt nach dem Abpfiff auf dem Rasen, in der Kabine. Das passiert auf der Heimfahrt im Bus. Am nächsten Tag im Training. Es wäre das falsche Zeichen, wenn wir nach so einem Spiel über andere Dinge sprechen würden.
Wie war die Stimmung am Sonntag auf der Rückfahrt?
Jeder hat einen anderen Weg, mit so einem Spiel umzugehen. Manche reden, andere sind ganz ruhig.
Granit Xhaka kritisierte den FCB auf Instagram. Man habe Spieler eingesetzt, die nicht wissen, um was es geht, schrieb Xhaka. Waren diese Kommentare im Team ein Thema?
Ja, natürlich waren Granits Äusserungen ein Thema. Jeder von uns hat ein Handy, jeder hat Instagram. Diese Sätze sind nach dem Spiel überall rumgegangen. Ob es nun gut ist oder schlecht, darüber muss sich jeder selbst seine Gedanken machen.
Was war Ihre erste Reaktion?
Das ist Granits Meinung. Aber was soll ich jetzt noch mehr dazu sagen? Ich sehe das eher so: Über den FCB wird viel geschrieben. Er ist ständig ein Thema. Das zeigt mir, dass er noch immer der grösste Club der Schweiz ist.
Sie kennen Granit Xhaka persönlich. Haben Sie sich anschliessend mal bei ihm gemeldet und gefragt: Muss das sein?
Nein, ich habe mich nicht bei ihm gemeldet. Das bringt uns bei der Aufarbeitung des Spiels auch nicht weiter.
Haben Sie mit zwei Tagen Abstand denn inzwischen eine Erklärung?
In den ersten 30 Minuten waren wir … (überlegt) gehemmt. Das hatte mit der Qualität der Zürcher zu tun, aber genauso viel mit uns. Wir haben einfache Fehler gemacht. Wir haben uns zu wenig bewegt. Wir waren zu wenig aggressiv. Ousmane Doumbia hat ja gefühlt jeden Ball im Zentrum gewonnen. Wir waren zu wenig mutig. Wir hatten nicht das nötige Selbstvertrauen.
Lag es an den taktischen Umstellungen?
Nein, das wäre viel zu einfach. Natürlich haben wir einige Sachen verändert. Wir haben ein System gewählt, das für uns in dieser Form neu war, manche Spieler haben auf ungewohnten Positionen gespielt. Aber das darf keine Ausrede sein. Wir haben in der Woche vor dem Spiel so trainiert, uns dabei gut gefühlt und unser Okay zu den Änderungen gegeben.
Können Sie uns die Ideen hinter den Umstellungen erklären?
Wir haben in einem System vier-Raute-zwei gespielt. Wir wollten das Zentrum überladen und dort eine Überzahl kreieren. In der Offensive wollten wir mit unseren zwei Stürmern ihre drei Verteidiger binden und gleichzeitig in der Defensive kompakt stehen.
Ein Punkt, den auch Granit Xhaka angesprochen hat, ist die fehlende Erfahrung in einem Klassiker. Haben Sie das Gefühl, jedem Spieler war bewusst, was diese Partie bedeutet?
Ich kann meinen Mitspielern nicht in den Kopf schauen. Aber ich gehe davon aus, dass sich jeder der Wichtigkeit bewusst war. Wir hatten es im Vorfeld angesprochen. Und spätestens im Stadion hat jeder gemerkt, dass es besonders ist. Die Fankurven waren 90 Minuten vor dem Anpfiff voll. Da weiss jeder, dass es nichts Alltägliches ist.
Und dann trotzdem dieser Start.
Wir haben nicht absichtlich schlecht gespielt. Und ich lasse auch den Vorwurf nicht gelten, dass wir nicht gekämpft hätten. Vielleicht wirkt das von aussen manchmal so. Aber jeder wollte das Spiel gewinnen. Uns ist vor der Halbzeit der Anschluss gelungen und in der zweiten Hälfte hatten wir durchaus auch gute Phasen. Mir ist schon klar, dass das nach einem 2:4 niemand hören will, aber darauf müssen wir aufbauen. Und wir müssen die Fehler abstellen. Wir haben Zürich ja teilweise wieder stark gemacht und sie zu Treffern eingeladen. Da kann ich den Frust und die Enttäuschung der Fans nachvollziehen.
Sie waren nach dem Abpfiff ganz vorne, als das Team vor der Kurve stand.
Ich bin jetzt insgesamt auch schon sehr lange beim FCB und lebe diesen Verein. Da will ich mich in so einer Situation nicht in der zweiten Reihe verstecken und schauen, ob ich auf der Tribüne irgendwo ein bekanntes Gesicht entdecke. Mir war wichtig, in dieser Situation zu vermitteln und nach einer Erklärung zu suchen.
Eine andere Erklärung für die schwache Leistung am Sonntag ist die Unruhe in der Woche zuvor, inklusive des Trainerwechsels. Hat das auch eine Rolle gespielt?
Natürlich nimmt man die Unruhe während der Woche wahr. Man sieht, was geschrieben wird. Man hört, was erzählt wird. Es steht ein neuer Trainer auf dem Platz und wir ändern gewisse Dinge.
Der erhoffte Effekt des Wechsels ist ausgeblieben.
Nach einem 2:4 kann ich nicht hier sitzen und sagen, dass alles perfekt gelaufen ist. Aber wir hätten auf dem Rasen dafür sorgen können, dass alles in eine andere Richtung kippt. Wir hätten mit neuem Schwung eine Serie starten können. Wir haben es leider verpasst, den Moment des Trainerwechsels zu unseren Gunsten zu nutzen.
David Degen hat im Anschluss an den Trainerwechsel die fehlende Mentalität angesprochen. Sind Sie einverstanden damit, dass dem FCB die Mentalität auf dem Rasen gefehlt hat?
Mentalität ist für mich immer auch eine Frage des Selbstvertrauens. Kann man sich ausleben auf dem Platz? Ist man unbeschwert? Du brauchst Ergebnisse, du brauchst die Bestätigung durch gute Spiele. So wie wir das zu Beginn der Saison gezeigt haben. Da hatten wir Selbstvertrauen und eine gute Mentalität, die grundsätzlich in dieser Mannschaft steckt.
Warum ist dieses Selbstverständnis abhandengekommen?
(überlegt) Das hat mehrere Gründe. Wenn man sich die Saison anschaut, dann ist klar, dass wir sehr viele Wechsel hatten. Das ist ein Teil des aktuellen Projekts beim FC Basel, Teil des nötigen Umbruchs und der Neuausrichtung. Nach dem starken Saisonstart waren wir uns alle im Klaren darüber, dass es auch anders laufen kann, weil das Konstrukt insgesamt noch sehr neu ist und sich einspielen muss.
Aus Ihrer Sicht muss das besonders sein, schliesslich kennen Sie den Club noch aus einer Ära, in der das Selbstvertrauen des FCB fast unendlich gross war.
Ja, ich kann mich an viele Spiele erinnern, in denen wir in der letzten Minute noch den Ball über die Linie gedrückt haben. Weil wir da eben das nötige Selbstvertrauen hatten. Da müssen wir wieder hinkommen, das müssen wir uns wieder erarbeiten.
Wir würden Sie Ihre Zeit in der Bundesliga rückblickend beschreiben?
Es gab einige Entscheidungen, die gegen mich liefen und mich viele Spiele gekostet haben. Bei Gladbach hatte ich einen guten Start mit viel Spielzeit. Dann kam ein neuer Trainer und mit ihm auch bald ein Spieler für meine Position. Ich habe mich dann am Deadline-Day für einen Wechsel nach Bremen entschieden, wo wir plötzlich im Abstiegskampf standen. Dann bin ich zurück nach Gladbach, wo klar war, dass ich nicht so plötzlich wieder Stammspieler werde. Dennoch war die Bundesliga eine tolle Erfahrung.
Haben Sie zu lange nicht gespielt in dieser Zeit? War das letzte Jahr in Gladbach zu viel?
Ich würde es wieder gleich machen. Klar war aber auch, dass ich mir nicht noch mal ein Jahr ohne regelmässige Einsätze erlauben kann. Ich bin glücklich, dass es mit dem FCB geklappt hat.
Wie sehr hat sich der FCB verändert in der Zeit, in der Sie nicht da waren?
Ein grosser Unterschied ist sicher die Wahrnehmung der Leute. Zwar ist der FCB immer noch der Club, der die meiste Aufmerksamkeit generiert. Aber klar, am Ende fehlen die Titel, auch in diesem Jahr. Wir haben im Cup völlig unnötig die Chance auf einen Titel abgegeben, als wir gegen Etoile Carouge ausgeschieden sind. Und nach dem Spiel in Zürich muss man leider auch sagen, dass wir uns vom Kampf um die Meisterschaft frühzeitig verabschiedet haben.
Und wie hat sich Michael Lang verändert? Sie gehören jetzt zu den Alten.
Erfahren höre ich lieber. (schmunzelt)
Auf welchem Level waren Sie damals, als Sie den FCB verliessen?
In der Saison 2017/18 war ich bei 100 Prozent.
Besser wird es nie mehr?
Viel besser hätte es kaum werden können. Ich hatte viel Selbstvertrauen und Spielpraxis. Ich habe in meinen drei Jahren beim FCB sicher um die 125 Partien bestritten. Und dann hatte ich in meiner letzten Saison ja mehr als 15 Skorerpunkte, da ist viel mehr nicht möglich.
Wo stehen Sie jetzt?
Noch nicht bei 100. Aber auf dem Weg dahin. Ich fühle mich gut, auch wenn ich mit einer Verletzung und einer Erkrankung keine richtige Vorbereitung hatte. Durch die Spiele gegen Luzern, Sion und YB habe ich meinen Rhythmus gefunden.
Das hat in der Hinrunde noch nicht so funktioniert.
Ich hatte in der Hinrunde auch nicht die Regelmässigkeit, die ich in meiner ersten Zeit beim FCB hatte.
Einen Konkurrenzkampf, wie Sie ihn zuletzt mit Sergio Lopez hatten, haben Sie in den letzten Jahren nicht oft erlebt. Sie haben entweder gespielt oder auf der Bank gesessen.
In meiner ersten Zeit beim FC Basel waren Philipp Degen oder Omar Gaber die Konkurrenten auf meiner Position. Aber ja, ich habe eigentlich immer gespielt. Und auch in der Bundesliga gab es nie die Situation, wo man mal gespielt hat und dann wieder nicht. Es war immer recht eindeutig. Sergio oder auch Tomas Tavares bringen viel Qualität mit. Aber klar bin ich froh, dass ich in den letzten Spielen wieder regelmässiger zum Einsatz gekommen bin und mich so auch wieder stärker ins Team spielen konnte.
Und wie erklären Sie sich Ihre wiederkehrenden Skorerqualitäten nach zuletzt drei Toren in drei Spielen?
Auch da geht es wieder um Selbstvertrauen. Plötzlich kommen die Bälle zu dir und du stehst an der richtigen Stelle. Manchmal sind solche Dinge nicht zu erklären.
Was muss geschehen, damit der FCB diese Saison noch als zufriedenstellend oder sogar als Erfolg abbuchen kann?
(überlegt) Zufriedenstellend wäre, wenn wir eine Runde in der Conference League weiterkommen. Mit Marseille haben wir einen sehr schweren Gegner, ein grösseres Los hätten wir fast nicht bekommen können. Aber das werden zwei attraktive Spiele mit einer hoffentlich tollen Kulisse. Wenn uns das gelingt und wir in der Liga am Ende auf dem zweiten Platz stehen, ist es einigermassen zufriedenstellend. Ein grosser Erfolg wäre es, wenn wir Meister werden. Aber das ist jetzt nicht unser Thema.
Sie glauben nicht mehr dran?
Wenn es anders kommt, dann sage ich am Ende noch so gern: Anfang März lag ich komplett falsch. Aber wenn man sieht, wie wenig Schwächen der FCZ momentan zeigt, dann kann ich mir im Moment nicht vorstellen, wie wir bis zum Ende der Saison noch fünf Spiele mehr gewinnen als sie.