Faniella Diwani hat geschrieben: 19.01.2022, 18:11
Aficionado hat geschrieben: 19.01.2022, 17:36
Tsunami hat geschrieben:
Da bin ich voll bei dir! Sowohl zu tiefe als auch zu hohe Steuern sind volkswirtschaftlich schädlich.
Die Frage ist nur, welcher Steuersatz "zu tief" und welcher "zu hoch" ist.
Ja, einverstanden.
In Ländern mit einer hohen Arbeitslosigkeit verstehe ich ja auch das Bestreben der Politik, Unternehmen anzulocken, sofern die Infrastruktur vorhanden ist und auch genügend Bauland zu Verfügung steht. Und nicht zuletzt natürlich genûgend qualifiziertes Personal.
Fall Schweiz
Wir haben hier einen Fachkräftemangel (das ist der Grundtenor der Unternehmen) und wollen noch mehr Unternehmen anlocken?
Wir sind eine Alpenrepublik und die nutzbare Fläche wird frûher oder später zu Neige gehen.
Wo setzen wir die Grenze?
Bei 10 Mio, bei 15 Mio EW?
Wollen das unsere Nachkommen?
Wo sollen neue bezahlbare Wohnungen gebaut werden (in Appenzell oder doch besser in den Städten wo es Arbeitsplätze gibt)? Unsere Stàdte lassen sich nun mal nicht beliebig weit ausdehnen. In die Höhe darf nicht gebaut werden. In den Agglos ist mittlerweile auch schon vieles zubetoniert.
Ein weiteres grosses Problem ist die Energieversorgung. Das klappt so knapp fûr 8.5 Mio EW. Wie soll diese Aussehen bei 15 Mio EW? Wo willst du noch zusätzliche Wasserkraftwerke bauen? Niemand möchte doch den Windpark im Garten. Windkraft kannst du also in CH schon mal knicken.
Jein.
Wir brauchen nicht nur Arbeitsplätze sondern Arbeitsplätze die eine hohe Qualifikation benötigen. Die Schweiz taugt nicht als Billigland. Wir gehören ins Hochlohnsegment denn nur so können wir unsere Hochpreisinsel am Leben erhalten. Und hier sehe ich unseren Standortvorteil. Darin politische Stabilität, rechtliche Sicherheit, öffentliche Sicherheit und gute Infrastruktur zu bieten. Das alles gibt es nicht gratis und dafür sollen die Firmen auch bereit sein ihren Steuerobolus zu leisten. Offensichtlich machen das ja auch einige Weltkonzerne gerne. Zumindest die welche Mitarbeiter mit hoher Qualifikation benötigen. Und die hochqualifizierten MA kriegen wir auch hin wenn wir dafür sorgen das alle dafür geeigneten Köpfe die passende Bildung erhalten. Dazu braucht es Unterstützung, gerade für die Secondokinder. Wir können es und nicht leisten, dass Kinder die nicht blöd sind schlecht gebildet bleiben nur weil die Eltern das Geld dafür nicht haben. (Und im Gegenzug können wir es auf Dauer nicht leisten das jedes Duubeligoof reicher Eltern durchs Gymer kommt wenn man nur die richtige Privatschukle bezahlen kann.)
Dem habe ich nirgends widersprochen. Vieles aus deinem ersten Absatz sehe ähnlich wie du (siehe diverse Beiträge von mir im Offtopic). Wenn schon, dann hochqualifizierte Expats. In Biotech hinken wir den Ostküsten Amis hinterher. Der LifeScience Bereich wird von US Amerikanern dominiert. Von denen brauchen wir die Besten und die dürfen dann auch was kosten. Es gibt so viele Gebiete in LS (auch viele Nischengebiete), welche ein kleines Land wie die Schweiz nicht ohne fremde Unterstützung bewerkstelligen kann. Ist mir bewusst. Ich hatte noch nie eine andere Meinung.
Die Amis holen sich übrigens die schlausten Köpfe aus Indien und China (Pharma).
Ich wiederhole mich auch gerne ein weiteres Mal btrf. Fachkräftemangel
Naturwissenschaftliche Berufe sind in der Schweiz nun einmal nicht gefragt. Der Hauptgrund dürfte bekannt sein. Es lohnt sich nicht. Um in einem Konzern wie Novartis nach oben zu kommen, musst du dich gegen die Besten der Welt durchsetzen. D.h. regelmässig in den fachüblichen Journals publizieren. Dann solltest du an einer Elite-Uni studiert oder mindestens ein Postdoc absolviert haben. Ohne PhD bist du ein Nichts. So läuft es zumindest in der Forschung. Als 0815 PhDler bist du dann halt einer von vielen. Bereits ab dieser Stufe herrscht ein Preiskampf. Und Acht von Zehn promovierte Biologen oder Chemiker kommen dann halt aus D oder F (das ist jetzt wirklich sehr grosszügig zugunsten der Schweizer gewertet). Für die Laborantenausbildung werden Abiturienten den Schweizern vorgezogen (zwei oder drei Jahre Vorsprung, d.h. älter und somit reifer als der Lehrling).
Frankreich ist in Sache Life Science weiter als D (meine Einschätzung). Unglaublich, was die an jungen Akademikern in naturwissenschaftlichen Berufen (Biotech) hochzüchten. Die kommen dann auch nicht mehr aus dem Elsass sondern teilweise von weit her. Auch in der E-Autoentwicklung spielen die Frogs ganz vorne mit. Frankreich hat es nicht nötig, mit tiefen Steuern Unternehmen anzulocken.
Ausserhalb Basels musst du dann mit Lohneinbussen von bis zu 30% rechnen. Aber auch dort kommen die Chefs nicht aus der Schweiz. Es gibt zwischen BS und ZH auch sehr viele Pendler aus D. Für eine progressive Lohnentwicklung natürlich schlecht.
Ich kenne mehrere CH Chemiker, die sich in der Informatik weiterentwickelt haben und mit Chemie nichts mehr am Hut haben. Eigentlich schade.
In der Medizin sieht es ja nicht anders aus. Die meisten Ärzte (und auch Pflegepersonal) kommen aus D (die fehlen ja dann auch wieder in D. Die holen sie aus Polen, usw. und sofort) Psychologen, Psychiater, Chirurgen... eigentlich so alle mit Promovierung. Wenn man ein wenig die Medien verfolgt und in einem wissenschaftlichen Umfeld berufstätig ist, fällt das immens auf. Aber in der Medizin liegt das Problem bekanntlich nicht beim Nachwuchs sondern bei der nicht-Ausbildung (numerus clausus). Es fehlt wieder einmal das Geld.
Das hinterlässt bei mir manchmal den Eindruck, als wären wir zu doof für all die hochqualifizierten Jobs in diesen Bereichen. Wir profitieren also in erster Linie durch tiefe Steuern und "fremdem" geistigen Eigentums.
Wir sollten doch aber schauen, dass auf allen Ebenen genügend eigene Leute vertreten sind. Wenn es dann den einen oder anderen Schlaubi noch braucht, kein Problem. Wenn die Pharma (oder andere High-Tech Bereiche) die Besten braucht, dann sollen sie diese bekommen.
Das gelingt aber kaum, wenn wir bei der Bildung nicht einen Zacken zulegen.
Individuelle Förderung muss gefördert werden. Schon früh zeigen sich die Stärken eines Kindes. Und genau auf diese Stärken sollte dann der Fokus auch gerichtet werden. Wenn du Stand heute eine Pfeife in Deutsch bist, kann dir das die ganze Grundausbildung versauen. Also bringt es nichts, unnötig Zeit zu verschwenden und das Kind damit zu foltern. Dieses Kind wird in aller Regel nie ein Sprachlehrer.
Man muss eben versuchen, die Jugendlichen aufgrund ihrer Fähigkeiten ein wenig zu lenken. Wieso wollen so viele das KV besuchen? Ist da wirklich so interessant? Ich denke es sind die Aufstiegsmöglichkeiten (gutes Fundament) und natürlich das Gehalt. Auch diesbezüglich muss die Wirtschaft und Politik sich Gedanken machen. Wie kann man die Jugendlichen für vermeintlich unattraktive Jobs begeistern (Entlöhnung, Aufstiegsmöglichkeiten,...).
Was neue und bezahlbare Wohnungen angeht ist es vielleicht ebenfalls an den produzierenden Firmen hier Gegensteuer zu geben. Warum nicht selbst bauen lassen? Billigerere Wohnraum ist für produzierende Girmen kein Verlustgeschäft wenn die MA im Gegenzug nicht ganz so hohe Löhne benötigen bzw. wenn sie danach noch Geld für Konsum übrig haben. Billiger Wohnraum ist nur ein Verlustgeschäft für Firmen die nicht produzieren sondern nur Vermögen vergrössern wollen. Aber die wollen ja auch keine Produkte verkaufen... die wollen nur ihren Reibach.
Nun, die Unternehmen sind natürlich an einer hohen Lohndifferenz zwischen CH und den Nachbarländern interessiert. Ein stärkeres Gefälle bringt auch mehr Wettbewerb unter den Angestellten. Für CHF 500 mehr pro Monat kommt der Ossi nicht in die Schweiz. Die Unternehmen kaufen schon auch Immobilien, aber halt im Hochpreissegment und eher für die Gutbetuchten als Investment. Aber ja, ich denke schon auch, dass die Löhne fallen, die Reallöhne jedoch erhöht werden müssten (dies würde das Lohnpotential zwischen CH-F/D etwas ausgleichen).
Energieversorgung? Wenn wir auf die meisten geeigneten Dächer Solarzellen pappen und Speichertechnologien nutzen kriegen wir das hin. Es gibt nicht zuwenig erneuerbare Energie. Und ja, ein paar Windrädli braucht es. Aber ob wir weitere Grossspeicher in den Alpen brauchen? Es gibt interessante Ansätze mit Luftdruckspeicher in Seen. Beim Leman kommen wir auf maximal 345m Wassersäule, bei Lago die Lugano 288mm, beim Brienzersee 266m.
Solarzellen reichen vermutlich nicht aus. Und die Jammerei beim Rest (Windkraft, Wasserkraft) kennst du ja auch. Sicher ist, dass die Technologien sich noch am Anfang der Entwicklung befinden (Erneuerbare Energien ist ebenfalls ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig. Hier müsste die Schweiz eine Vorreiterrolle übernehmen).