Spannende Ansichten von Jacques Herzog.
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Ist ein Baz Abo Artikel. Darf den ja nicht einfach so komplett hier reinstellen. Aber einzelne Passagen gerne:
Welche Gefühle beschleichen Sie, wenn Sie heute am St.-Jakob-Park vorbeifahren?
Das Joggeli hat einen wunderbaren Innenraum, eine wahre Bühne. Es bietet ein räumliches Erlebnis wie in
einem Konzertsaal. Die Zuschauer sind nah am Spielfeld und spüren die Akteure. Die Arena ist geschlossen, kein Durchzug wie in anderen Stadien. Das kräftige Rot verstärkt die Wahrnehmung des grünen Rasenfelds. Das alles stimmt perfekt. Aber von aussen sieht das Joggeli erbärmlich aus.
Wie meinen Sie das?
Die Kunststoff-Fassade sollte dringend renoviert werden. Sie war schon vor zwanzig Jahren ein schwieriges Thema. Der Generalunternehmer Marazzi wollte beim Stadion sparen, wo er konnte. Nur unter dem grossen Einsatz von Stephan Musfeld und dem damaligen Regierungsrat Ueli Vischer, der bei Marazzi Druck aufsetzte, wurde die Arena entsprechend fertig erstellt.
Was muss sonst alles saniert werden?
Es braucht neue Fluchtwege im Gästesektor, die direkt zum Bahngleis hoch führen. So bräuchte es keine
Absperrungen mehr auf der Strasse. Die Begegnungszonen innerhalb des Stadions im Food-Bereich könnten
verbreitert werden, damit die Fans mehr Platz haben. Ausserdem gibt es interessante Ideen für eine neue, unterhaltsarme Fassade, die das Bild einer Heimstätte, einer Burg für Fans und Club, verstärken soll. Es gibt aber noch keinen Entscheid, was die Finanzierung und den Zeithorizont betrifft.
Die Königsfrage: Wer bezahlt?
Es geht um ein ganzes Paket von einzelnen Massnahmen. Entscheidend ist, welche davon realisiert werden
sollen: nur die Fluchtwege – oder auch die Fassade? Ausgehend davon, ergeben sich dann weitere Fragen.
Sprechen Sie die komplizierten Besitzverhältnisse an?
Der Boden gehört der Bürgergemeinde Basel, das Joggeli der Stadiongenossenschaft. Die finanziell attraktiven Nebenbereiche wie Tertianum, Shoppingcenter oder St.-Jakob-Turm haben nochmals andere Besitzer, der Turm beispielsweise gehört zum Portfolio der UBS. Nun fehlt das Geld, um die nötigen Renovationen durchzuziehen, die Einnahmen der Stadiongenossenschaft aus dem Sportbetrieb reichen nicht aus, um die Arena zu unterhalten und zu sanieren. Aus Sicht des FCB sind diese Abgaben an die Genossenschaft aber zu hoch, was man verstehen kann, weil kein anderer Club in der Schweiz so viel Miete bezahlen muss. Der FC Basel wird sich aber kaum an den Sanierungskosten beteiligen, ohne selbst Eigentümer zu sein. Vor einer Sanierung braucht es wohl eine Auslegeordnung und ein neues Modell, das die Finanzierung und die Nutzung des St.-Jakob-Parks den heutigen Realitäten anpasst.
FCB-Besitzer Bernhard Burgener äusserte vor zwei Jahren die Absicht, das Joggeli zu verkleinern. Was halten Sie davon?
Nichts. Viel besser wäre, man würde rund um den FCB wieder eine Begeisterung schaffen, sodass alle froh wären um ein grosses Stadion. Eine Verkleinerung wäre aus diversen Gründen unsinnig und zu teuer. Und denken sie an die internationalen Spiele – da ist Basel mit einem tollen Stadion ein idealer Standort.
Sollte der FCB mit Bernhard Burgener das Stadion kaufen?
Das Joggeli ist das Zentrum der Fans, ihre Heimat, für einige gar eine Art Lebensmittelpunkt. Bei einem so seriös und erfolgreich geführten Club wie dem FC Bayern München macht es Sinn, wenn das Stadion dem Club gehört. Die Allianz-Arena ist ein echtes Geschäft für die Münchner! Dieser Verein hat seit Jahrzehnten einen fantastischen Vorstand, der mit Weitsicht, Empathie und Verstand den Takt vorgibt. Basel hatte genau dies bis vor vier Jahren auch.
Heute steht der FC Basel durch ein nie da gewesenes Missmanagement vor dem Abgrund. Stellen Sie sich vor, auch das Stadion könnte in die finanziellen Verschachtelungen des Clubbesitzers eingebracht werden!
Eine vernichtende Einschätzung, Herr Herzog!
Aber sie entspricht der Wahrheit. Leider! Nur wer in einer Blase lebt, erkennt das nicht. Wenn die Krise einen Vorteil hat, dann diesen: Die Menschen hier spüren, was sie an einem erfolgreichen FC Basel haben – und wie schnelllebig der Erfolg ist und wie zerbrechlich das Glück. Es geht nicht nur um Siege. Es geht um die Kultur eines Vereins, um das Lebensgefühl in einer Stadt, um Freude am Spiel. Zämme stark – diese Verbundenheit hat Basel über Jahre geprägt. Nun empfinde ich die Atmosphäre rund ums Joggeli als lähmend und vergiftet. Alles, was uns am FCB freute, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Das betrübt mich sehr.
Ich habe nichts persönlich gegen Bernhard Burgener, aber er hat diesen verheerenden Niedergang zu verantworten. Nur er. Er ist der Boss und möchte es – Stand heute – fatalerweise auch bleiben. Genau deshalb sollte ein Stadion unabhängig von einer Clubleitung funktionieren. Die erwähnten Verbesserungen der Stadioninfrastruktur könnten den Auftakt bilden für einen neuen Aufbruch, wie vor 20 Jahren. Und ein solcher wird nötig sein, um aus den heutigen Trümmern wieder aufzustehen.