Mundharmonika hat geschrieben:Das ist für mich genau der Punkt. Man ist grundsätzlich nicht vorbereitet auf eine Pandemie. Es gibt keinen Plan. Es wird alles kurzfristig improvisiert. Und genau das laste ich den Behörden an. In den letzten zwanzig Jahren durften wir schon SARS, Hühnegrippe und Schweinegrippe erleben. Daraus hätte man doch seine Lehren ziehen, einen Notfallplan erstellen und Absprachen mit den Nachbarländern treffen müssen, wie man dies auch für andere Notsituationen (Testen der Alarmsirenen für Wasseralarm, Flugzeugabsturzsimulationen, trinationale Feuerwehrtest für Chemiebrände usw.) kennt. Ob damit die Verbreitung des Corona-Virus massgeblich hätte verhindert werden können, weiss man natürlich nicht, aber zumindest wäre alles ein wenig geordneter und die Leute nicht so verunsichert ab den täglich ändernden Massnahmen.
Ausgehend vom gleichen Mass an Erkenntnis und Vernunft wären dynamische Massnahmen effizienter, als das Befolgen einer festgeschriebene Struktur. Denn jede Eventualität im Voraus über einen Plan zu berücksichtigen, grenzte an die Unmöglichkeit. Da in einer Krise, aber die Beurteilung schneller ausfallen muss, Zeit für Differenzierung (und somit Vernunft) also abnimmt, ist es gut, sich an einen Plan halten zu können, der in einer ruhigeren, vernünftigeren Zeit entwickelt wurde. Aber es wäre genauso unvernünftig, sich an einen Plan zu halten, wenn neue Erkenntnisse die Lage als nicht-durch-den-Plan-abgedeckt offenbaren.
Kritisierst du nun, dass in der Zeit der Vernunft, aus einer unendlichen Anzahl an Möglichkeiten dieses eine explizite Szenario nicht berücksichtigt wurde?
Ich würde mir das niemals anmassen. Hingegen stelle ich fest, dass die kurzfristig improvisierten Massnahmen mit mehr Ruhe und Vernunft hätten beschlossen werden können.
Die Verunsicherung der Bevölkerung entsteht nicht durch sich rasch verändernde Massnahmen, sondern durch Unverständnis für die Massnahmen. Wenn eine Bevölkerung jede Massnahme verstehen würde, könnte sie auf rasche Veränderungen ohne Verunsicherung reagieren. Daher lege ich so hohen Wert auf die Kommunikation, weil diese zum Verständnis beitragen kann.
Noch ein Detail zum Pandemieplan. Dieser beruhte vornehmlich auf einer Influenza-Pandemie. Für die Massenproduktion eines Influenza Wirkstoffes, gibt es Strukturen, welche sich innert kürzester Zeit an einen neuen Virus hätten anpassen lassen. Somit ist die Planung jeweils von einem absehbaren Zeithorizont für grossflächige Impfmöglichkeiten ausgegangen. Ausserdem gibt es mit Tamiflu auch ein Medikament, welches gegen neue Influenza Viren wirksam sein könnte. Beim SARS-CoV-2 müssen die Strukturen für die Massenproduktion erst bereitgestellt werden und ein wirksames Medikament ist noch unbekannt. Diese beiden Faktoren führen zu mehr Ungewissheit und entsprechend kürzerer Reaktionszeit (Möglichkeit zu mehr Unvernunft).
Somit könnte man sagen, dass das Sich-auf-einen-Plan-Verlassen oder -Abstützen zu der aktuellen dir unvernünftig scheinenden Handlungen führte. Ist das Abstützen auf Pläne also die beste Variante, sich auf Unvorhersehbares vorzubereiten?