Rhyyläx hat geschrieben:Das Thema dieses Thread ist der "Befreiungsschlag". Und dort steht auf Seite 3: "Bis heute drehen sich unsere Kontroversen hauptsächlich um zwei Rituale….: das Abbrennen von Feuerwerkskörpern und die Auseinandersetzungen unter gleichgesinnten Fans: Pyrotechnik soll in erster Linie dem Ausdruck von Freude dienen und Auseinandersetzungen finden in fairen Zahlenverhältnissen und ohne Beihilfe von Gegenständen statt".
Wo ist da Polemik, wenn ich genau das hier aufgreife?
Ich gehe einfach aus völlig anderen Gründen zu einem Fussballspiel. Ich möchte den Sport sehen. Warum sich Fangruppen aufs Maul hauen müssen und das dann Fankultur ist, erschliesst sich mir nicht.
Du möchtest den Sport sehen, was ja Sinn macht. Es gibt sicher solche die einfach, die gehen weil's cool ist oder weil sie Valentin Stocker süss finden, aber die sind wohl so 13 - 16 Jahre alt. Aber neben dem Sport gibt es eben schon noch etwas anderes. Fussball ist nicht Reiten und auch nicht Eislaufen. Seit jeher wird bei Fussballspielen getrunken, gesungen und viel geredet, oder auf Schweizerdeutsch "dumm gschnurrt". Man trifft seine Freunde und seit ich zu Fussballspielen gehe ist es auch die gesamte Gesellschaft, die in einem Stadion zusammentrifft. Anwälte und Arbeitslose, Männer und Frauen, Rentner und Kinder usw. Ich glaube früher war der Anteil Männer prozentual schon um einiges höher, aber das können die älteren Semester bestätigen oder widerlegen. Es gab immer Raufereien, die gegnerischen Fans wurden beleidigt, man fuhr in fremde Städte ein und sang so laut man konnte um Präsenz zu markieren. Das ist nicht nur in der Schweiz so und vorallem auch nicht erst seit der Schützenmatte. Dieses Fansein gibt es schon sehr lange und gleich lange gibt es wohl auch Leute die sich dagegen aussprechen. Es ist davon auszugehen, dass unsere Grossväter keine Fackeln gezündet haben, aber die Fäuste sind wohl schon gelegentlich geflogen.
Was hat das mit Sport zu tun? Nicht viel, aber das Raue am Fussball gehört seit jeher dazu, das schreien, das ausrasten und Gleichgesinnte trafen sich nach dem Match für eine Schlägerei. Fussball lebt doch von den Emotionen oder wieso machen wir uns lustig über die englische Liga, wo alle nur noch sitzen? Ich weiss, auch da gibts laute Fangesänge und das kann schon sehr imposant sein, aber dennoch sah es vor 30 Jahren noch ganz anders aus. Und zu Emotionen gehören ganz verschiedene Facetten, nicht nur der Freudeschrei. Jetzt ist es halt so, dass Fussball Familienkompatibel ist und möglichst alles ruhig und gesittet zu und her gehen sollte und die Sponsoren in ruhe ihre Botschaften verbreiten können. Das finde ich persönlich auch nicht schlecht, ich habe nicht unbedingt den Drang diese Idylle zu zerstören. Aber was ist denn der Unterschied zwischen 20-Jährigen vor 50 Jahren und jetzt? Genau gleich treffen die Freunde, die Freunde kennen die zum FCB gehen oder der Vater nahm sie mit und irgendwann gingen sie dann in die Muttenzerkurve. Und zu dieser gehört nunmal einfach nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen wie zu Graffiti nicht nur die schönen Bilder am Schänzli gehören. Man kann nicht erwarten, dass immer nur die schöne Seite präsentiert wird. Und Fussball ist einfach nicht der Sport bei dem das Publikum gesittet auf dem Platz sitzt und 90 Minuten lang konsumiert. Wenn es so wird, dann habe ich ein Problem damit.
Jetzt geht es wieder um Pyro, die stören alle und man sollte davon ablassen. Aber mittlerweile sind fast alle Lieder Kinderzimmerkonform, auf Fanmärschen wird darauf geachtet dass niemand Sachbeschädigungen begeht, es gibt keine Rassistischen Gesänge mehr und man sieht auch praktisch nie eine Schlägerei und wenn dann ist meisten die Polizei dazwischen. Der Rest geschieht auf den Wiesen oder im Wald und wir wissen nichts davon. Aber wenn sich die Fankurven auf der ganzen Welt so anpassen, dass sie gar nichts wildes mehr ausstrahlen dann sind sie tot. Und jetzt denkst du dir natürlich dann sollen sie halt aussterben, diese Fankurven. Aber das läuft in einer Liga wie in der Schweiz nicht. Jugendliche suchen immer irgendwelche Abenteuer. Sicher nicht alle, aber es gibt genügend junge Männer und sicher auch Frauen die sich davon angezogen fühlen. Aktuell ist die ganze Geschichte doch einigermassen Organisiert, wie ich oben schon erwähnt habe. Aber denkt ihr wenn man die aktuelle Muttenzerkurve oder halt die aktuelle Fankultur zerstört, dann kommt nichts anderes mehr? Wenn die Preise so hoch werden dass es sich jugendliche nicht mehr leisten können, dann ja. Aber willst du das? Und die geforderte Grauzone ist doch einfach nicht wirklich möglich. Dass man sich in Zukunft bei europäischen Spielen mit Fackeln zurückhält, okay weshalb nicht? Ich weiss ja nicht wie die das orchestrieren. Aber schlussendlich ist es auch da ein Zeichen wenn man einbricht. Das was man aufgebaut hat geht langsam, langsam verloren, wenn man es überall zurechtstutzt. Und wenn es dann wirklich kaputt ist, dann kommt wieder etwas neues und wenn es dann wieder Jugendliche aus der Region sind, dann werden auch die wieder die Auseinandersetzung mit den Zürchern suchen oder halt mit der Polizei. Jetzt ist es übrigens recht friedlich, zieh dir das mal bei FCB Heimspielen rein. Das was bei Schalke passierte könnte auch jedes Wochenende passieren, zack rüberrennen und den Konflikt suchen. Oder vor dem Spiel warten und provozieren bis es eskaliert. Aber was passiert? Nichts, man geht ruhig ins Stadion. Oder Lieder wie U-Bahn singen, Arschloch, Wichser, Hurensohn... nichts!
Über was wir hier diskutieren entwickelt sich eigentlich in eine Grundsatzdiskussion. Es gibt meiner Meinung nach nichts lebendiges dazwischen. Entweder wir löschen den emotionalen Teil, den jungen wilden, der gelegentlich über Grenzen geht und Diskussionen wie die jetzige auslöst komplett aus und bewegen uns in die Richtung, dass alles ruhig ist, ein Fanpass eingeführt wird, Stehplätze verboten sind und man auch sitzen muss, Ordner in der Muttenzerkurve. Oder wir akzeptieren die jetzige Situation und lassen sie sich entwickeln und sehen dann wo es hinführt. Aber ich denke die Entwicklung in den letzten zehn Jahren war eher in die Richtung die dir gefällt, als in eine wildere Richtung, wo man sich nicht an Regeln hält und rebelliert. Durch die eigene Entwicklung, gegeben halt auch durch äussere Einflüsse wie das gesamte Publikum und Organisationen wie die UEFA passiert schon einiges, aber von heute auf morgen eine graue Lösung zu finden halte ich echt nicht für möglich.