Der FC Thun hat gut lachen: Schliesslich hat er Laura Gunti. Sie ist einer der grössten Fans des Teams. Man sagt, ohne sie wären die Spiele der Thuner nur halb so schön.
Die Thuner Kicker hätten bestimmt auch ohne Laura Gunti in dieser Saison schon viele Spiele gewonnen. Und auch ohne die 23-Jährige könnten sie ihre Heimspiele im «schönsten Stadion Europas» austragen, wie Gunti das «schnüselige» kleine Rund namens «Lachen-Stadion» in Seenähe bezeichnet.
Aber ohne ihren umtriebigen Superfan müssten die Thuner Jungs auf ihren zwölften Spieler - die Fans - verzichten. Immer dann nämlich, wenn David Thun auswärts einem der Goliaths ein Bein stellen will. Schliesslich ist die junge Coiffeuse im Fanprojekt, dem Dachverband der vier Thuner Fanclubs, verantwortlich für die Carreisen zu den Auswärtsspielen. Für ihren FC ist sie vor kurzem sogar von der Lenk nach Thun umgezogen.
Dank Eiger, Mönch und Jungfrau
Hannes Imboden, Vizepräsident des FC Thun, schätzt die Verdienste der Fanreisen-Managerin. «Ohne Laura wäre die Stimmung an unseren Spielen weniger gut. Und das würden die Spieler merken.»
Natürlich ist die quirlige junge Frau nicht bloss die Reiseagentin der Fangemeinde jenes kleinen Fussballclubs, der im Moment in Fussball-Helvetien fast alles schlägt: gegen oben die Gegner und gegen unten die Kosten. Laura wirbelt vor, während und nach dem Spiel. Sie ist immer auf Zack und fast immer am Handy - nur nicht während des Spiels: «Ich fordere von den Spielern 120-prozentigen Einsatz. Logisch, dass wir Fans die gleiche Leistung bringen müssen.» Mit dem kleinen Unterschied, dass sich die Spieler in der Pause mit ein paar Bechern Tee oder isotonischen Getränken begnügen müssen. Da habens die Fans besser: Sie erlaben sich am Anblick des altehrwürdigen Berner Oberländer Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau.
Dieser Anblick macht es für Laura Gunti vielleicht ein bisschen leichter, wenn sie - wie am Tag der Arbeit - mit anschauen muss, wie die ehemaligen Latour-Boys (aus Thun) von den aktuellen Latourianern (aus Zürich) 2:5 abserviert werden. Dennoch: «Es war schon bitterer, gegen dieses Team zu verlieren als gegen eine Mannschaft mit einem anderen Trainer.»
Dennoch: In Thun schaut man vorwärts und schlägt zur Wiedergutmachung ein paar Tage später Angstgegner St. Gallen. «Ist ja logisch, haben wir zugeschlagen. Da gabs ja nicht einmal Senf zu den Bratwürsten», kommentiert Laura Gunti spöttisch.
Die Mäzenin vom Kiosk
Thun ist halt ein bisschen anders als die anderen. Der FC Thun hat das kleinste Budget und das kleinste Stadion der Liga. Aber dafür hat er die grossartigste Aussicht aus dem Stadion und schiesst in der Super League vermutlich die meisten Tore pro investierten Franken. Thun ist wirklich anders: Thuns Gigi Oeri arbeitet nämlich im Thuner Stadtpark. Da gibt es die Kioskfrau, von der Ex-Thun-Trainer Latour dem «Tages-Anzeiger» diese Geschichte zu Protokoll gab: Während eines Trainings sei er mit dem Team im Park joggen gegangen. Als Dank für die Leistungen habe er die Spieler zu einer Runde Kaffee am Kiosk eingeladen. Allerdings habe er seinen Geldbeutel nicht dabei gehabt. Er, Latour, sei dann aber nach dem Training zurückgegangen in den Stadtpark, um die Zeche zu begleichen. Doch die Frau wehrte ab: «Nichts da. Das ist mein Sponsoring-beitrag. Die Basler müssen sich gar nicht meinen mit ihrer Gigi Oeri!»
Nicht nur das Budget ist beim FC Thun anders als bei anderen Fussballclubs. Die Fans sind es auch. Laura Gunti: «Wir sind absolut gegen Gewalt. Klar gehen während des Spiels schon mal die Emotionen hoch, und gleichzeitig wandern die Sprüche und Gesten langsam unter die Gürtellinie. Aber Gewalt liegt bei uns nicht drin!»
Grillieren statt Prügeln
Am Thunersee zieht man vor dem Spiel nicht randalierend durchs Städtchen, sondern man wandert friedlich zum gemeinsamen Wurstbraten an den See und auf die Grunderinsel. Dort gibts eine gedeckte Bratstelle mit Tischen und Bänken, und dorthin bringt auch der Wirt des Restaurants Lachen, dem Stammlokal aller Fanclubs des FC Thun, diverse Schüsseln mit Salat. Dazu gibts etwas Bier. O-Ton Gunti: «Aber mit Mass. Wir haben ja schliesslich noch 90 Minuten Fussball vor uns.»
Dass die Würste schliesslich etwas trocken sind, kann Frohnatur Gunti erklären: «Die Glut war hundsmiserabel. Wir vergassen die Anzündwürfel und mussten mit Karton und Kosmetiktüchlein einfeuern.» Laura und ihre Fan-kameraden lachen über die Panne: «Es braucht wirklich mehr, um uns Thun-Fans das Lachen zu verderben.»
Im Herzen der jungen Coiffeuse lodert ein grosses Feuer. Dabei stiess sie erst kurz nach dem Aufstieg des FC Thun in die Super League im Jahre 2002 zur Fangemeinde. Und das noch nicht einmal ganz freiwillig: «Eigentlich wollte ich ja wirklich nicht meine Freizeit mit Fussball verbringen.» Aber ihrem guten Kollegen René Knechtle gelang es, die Freizeit-Snowboarderin an einen Match zu locken. Und es war um Laura Gunti geschehen: «Ich weiss nicht mehr, gegen wen wir spielten. Aber es war warmes Wetter, eine super gemütliche Atmosphäre, und da waren so viele gute Leute ...»
Zwei der faszinierendsten dieser vielen guten Leute sind Röbi Wyss und Sanel Moratti. Röbi und Sanel sind die «Capos». Sie würdigen das Spiel keines Blickes. Denn Röbi und Sanel dirigieren die Fans, ihre Gesänge, Gesten und Tänze - mit dem Rücken zum Spielfeld.
«Halt irgendwie ini grütscht»
«Ein FC Thun-Match ist einfach eine geile Show», schwärmt Laura Gunti. Deshalb ist das Berner Oberländer Mädchen damals vor bald drei Jahren «halt irgendwie ini grütscht». Das eigentliche Rutschen begann schon kurz nach ihrem ersten Spiel. Laura traf sich mit acht eingefleischten FC Thun-Fans. Gemeinsam schwärmten sie und träumten davon, was man als Fans alles für die anderen Fans und den FC tun könnte, sollte, müsste. Und weil man so vieles hätte tun können, sollen und müssen, gründeten sie kurz entschlossen das FC Thun-Fanprojekt, das heute die vier offiziellen Fanclubs und deren Bedürfnisse koordiniert. «Thun ist schön. Nichtstun ist schöner.» Diesen Spruch zitieren Thuner gern, wenn sie von ihrem Städtchen schwärmen. Aber FC Thun-Fans sind anders. Sie tun eine Menge für ihren FC. Während Laura und ihre Freunde zu Beginn noch irgendeinen Stofffetzen und eine Spraydose für ihr erstes Transparent verwendeten, rüsten sie sich heute im grossen Stil aus: «Andi Haueter, unser Chef Choreografie, ist im Zürcher Oberland auf eine Stofffirma gestossen, die uns für wenig Geld rollenweise guten Stoff überliess.» Und daraus lässt sich dann zum Beispiel eine etwa 20 mal 15 Meter grosse Blockfahne fertigen, unter der alle Fans Platz finden (natürlich nur bis Spielbeginn, sonst sehen sie ja nichts). Und dazu noch ein Transparent, auf dem die Fans schwärmen: «We Tröim wahr wärdä ...»
Siegeszug durch die Reeperbahn
Wenn Träume wahr werden, kann es schon mal vorkommen, dass bei Laura Gunti das Handy klingelt, und am anderen Ende nicht ein anderer Fan ist, der eine Carfahrt ans nächste Auswärtsspiel buchen möchte, sondern - wie vor einem Jahr - der Vizepräsident des FC Thun, der sagt: «Wir haben im Flugzeug noch zwei Plätze frei. Diese möchten wir als Dankeschön zwei grossen Fans zur Verfügung stellen. Willst du mit der Mannschaft nach Hamburg zum Spiel fliegen?»
Zwar verloren die Thuner Kicker den Match gegen die Deutschen. Doch das hinderte die Berner Oberländer Fangemeinde überhaupt nicht daran, abends bester Stimmung durch die Reeperbahn zu ziehen und zu singen: «Hurra, hurra, die Thuner sind da.» (
Text Roland Linder und Beat A. Stephan Bilder Sandro Diener
In der Provinz habens Prügelknaben schwer
«Im Gegensatz zu anderen Clubs hat der Fussballclub Thun die Sicherheit und seine Fans gut im Griff.»
Dieses positive Zeugnis stellt kein Geringerer aus als Odilo Bürgi, Präsident der Disziplinarkommission der Swiss Football League.
Den Fans bestätigt Bürgi, dass sie zwar durchaus auffallen - das aber auf positive Art.
Dass dies etwa bei Clubs mit grossen Einzugsgebieten wie Basel und Zürich anders sein kann, ist für Bürgi erklärbar: «Hier kennt nicht mehr jeder jeden. Da können sich leichter Leute unter die Menge mischen, die nicht wegen des Fussballs ins Stadion kommen.» Und bedauerlich daran ist laut Bürgi, dass es einige wenige Extremisten schaffen, für negative Schlagzeilen zu sorgen. Diese wenigen seien oft für Verletzte verantwortlich - und letztlich auch für Spielabbrüche.
Laura Guntis Top 5
Das sind Laura Guntis FC Thun-Favoriten:
1. Fabio Coltorti, Torhüter: «Mich fasziniert seine Entwicklung in den zwei Jahren, seit er beim FC Thun ist.»
2. Mauro Lustrinelli, Stürmer:«Er schiesst ganz einfach die geilsten Tore.»
3. Armand Deumi, Verteidiger: «Armand ist unsere Lebensversicherung.»
4. Michel Renggli, Mittelfeld: «Er seklet u seklet u seklet u seklet ...»
5. Pascal Cerone, Verteidiger: «Weil er definitiv einer der Besten ist; darum wollen ihn ja auch alle.»