
Gegen den Gestaltungsplan fürs neue Letzigrundstadion ist kein Rekurs eingegangen. Damit können 2008 vermutlich doch Spiele der Fussball-EM in Zürich stattfinden. Ein Gespräch mit Kathrin Martelli.
Mit Kathrin Martelli sprachen Adi Kälin und Marc Zollinger.
Natürlich haben alle darauf gehofft. Überraschend ist es am Ende doch, dass kein Rekurs gegen den Letzigrund-Gestaltungsplan eingegangen ist. Immerhin hat die gleiche Etappe beim Hardturmstadion die Rekursinstanzen bis hinauf zum Bundesgericht beschäftigt. Das hat aber auch damit zu tun, dass zum Hardturmprojekt ein Einkaufszentrum, Büros, Läden und Restaurants als so genannte Mantelnutzung gehören. Der Letzigrund hingegen ist ein reines Stadion - mit entsprechend geringerem Bauvolumen und kleineren Kosten. Noch fahren aber auch beim Letzigrund die Bagger nicht auf: Zuerst muss jetzt der Gestaltungsplan offiziell in Kraft treten, dann folgt das eigentliche Baubewilligungsverfahren, und am 5. Juni muss noch das Volk Ja sagen. Kathrin Martelli, Vorsteherin des Stadtzürcher Hochbaudepartements, ist dennoch überzeugt, dass jetzt eine wichtige Hürde geschafft ist.
Frau Martelli, gegen den Gestaltungsplan für den Neubau des Letzigrundstadions ist kein Rekurs eingegangen. Was bedeutet das für das Projekt?
Zunächst freuen wir uns darüber natürlich sehr. Ausserdem sind die Chancen massiv gestiegen, dass 2008 doch noch EM-Spiele in Zürich stattfinden können.
Darauf hätte im letzten Sommer niemand gewettet. Das Hardturmprojekt war wegen Rekursen in die Sackgasse geraten, und das Vorziehen des Letzigrunds beurteilte man lange als unmöglich. Warum wurde das Letzigrundstadion doch noch zur möglichen Variante?
Zuerst winkten tatsächlich alle Fachleute ab. Doch wir wollten uns einfach nicht von der halben Schweiz auslachen lassen, weil wir keine EM-Spiele zu Stande bringen. Ich betrachtete die Letzigrund-Lösung als Herausforderung - und auch als Trotzreaktion, das kann man ruhig sagen. Vor allem das Amt für Hochbauten leistete daraufhin einen ganz gewaltigen Effort, einzelne Leute verzichteten auf ihre Ferien, um die Lösung möglich zu machen.
Wenn der Gestaltungsplan in Kraft ist, folgt das Baubewilligungsverfahren. Auch da sind Einsprachen möglich, allerdings in eingeschränktem Mass.
Ja, richtig. Es geht nur noch um nachbarschaftliche Fragen. Wer einen Rekurs machen will, muss direkt betroffen sein. Ich bin aber sehr zuversichtlich, weil wir die Nachbarschaft immer offen informiert haben.
Keine allzu grosse Hürde scheint im Moment die städtische Volksabstimmung vom 5. Juni zu sein. Der Gemeinderat hat dem Kredit mit 116:0 zugestimmt. Warum betreiben Sie eigentlich noch einen so grossen Aufwand und werben mit Inseraten und Plakaten für ein Ja?
Es handelt sich um ein so wichtiges Projekt für Zürich, dass der Stadtrat beschlossen hat, sich in die Verantwortung nehmen zu lassen und auch für das Projekt hinzustehen. Bezahlt wird die Kampagne allerdings vom unabhängigen Komitee pro Letzigrund, nicht von der Stadt. Wir haben zudem gemerkt, dass viele Leute nicht sehr gut informiert sind. Manche wussten gar nicht, dass der Letzigrund abgerissen und von Grund auf neu gebaut wird. Wir wollen breit informieren, damit nicht Missverständnisse entstehen und vielleicht noch kurz vor der Abstimmung eine negative Stimmung aufkommt.
In Zukunft sollen GC und FCZ im neuen Hardturm Fussball spielen. Bleibt fürs Letzigrundstadion das Leichtathletik-Meeting. Bauen wir ein neues Stadion für ein einziges Sportereignis?
Das Meeting ist wichtig. Es ist der Anlass in Zürich, der weltweit am meisten beachtet wird und das Bild von Zürich in die ganze Welt hinausträgt. Aber das Stadion wird natürlich viel breiter genutzt. Zum Beispiel trainieren hier Hunderte von Junioren und Spitzenathleten des Leichtathletik-Clubs Zürich. Auch in Zukunft ist das Stadion die Homebase für den FCZ und die Blue Stars und ganz wichtig für den Juniorenfussball. Daneben gibt es die bekannten Grossanlässe wie zum Beispiel die Rockkonzerte. Der neue Letzigrund wird täglich genutzt werden - entweder für Trainings oder für Veranstaltungen.
Dann wird es also eher mehr Veranstaltungen geben - mit entsprechend höherer Belastung fürs Quartier?
Nein, im Gegenteil. Das Quartier wird entlastet, weil keine Fussballspiele der Super League mehr stattfinden werden. Die sonntäglichen Aufläufe, die nicht immer friedlich waren, entfallen in Zukunft. Das Quartier profitiert zudem von neuen Treffpunkten und Begegnungsorten. Als Belastung nimmt die Nachbarschaft die grossen Konzerte wahr. Ich verstehe das auch, weil da jeweils das ganze Quartier richtiggehend dröhnt. Die Konzerte haben wir allerdings auf vier pro Jahr beschränkt.
Wer garantiert, dass dies eingehalten wird?
Das ist im Gestaltungsplan festgeschrieben. Wir können also gar nicht mehr Bewilligungen erteilen. Neben den vier jährlichen Konzerten darf allerhöchstens eines zusätzlich alle drei Jahre stattfinden. Wir sind ja zum Konzert der Rolling Stones gekommen, weil wir sehr kurzfristig reagieren konnten. So etwas soll auch in Zukunft ausnahmsweise möglich sein.
Der Neubau des Stadions kostet 110 Millionen Franken. Das ist viel Geld. Eine typische Zürcher Luxuslösung?
Typische Zürcher Luxuslösungen gibt es gar nicht (lacht). Ich glaube, es ist eine typische Zürcher Lösung, weil es ein architektonisch sehr sorgfältig gemachtes Stadion sein wird. Es ist sicher kein billiges Stadion, aber vergleichbar mit andern Stadien dieser Grössenordnung. Ausserdem sind die 10 Prozent Reserven darin enthalten, mit denen die Stadt seit dem Kongresshausdebakel immer kalkulieren muss. Wir erwarten überdies Beiträge von Bund und Kanton in der Grössenordnung von 15 bis 20 Millionen. Das Stadion wird uns also weniger als 100 Millionen Franken kosten. Auch das ist noch viel Geld. Wenn man aber bedenkt, dass wir eine gute Anlage erhalten, die für die nächsten fünfzig Jahre halten soll, ist der Betrag relativiert und zu vertreten.
Damit tatsächlich EM-Spiele stattfinden können, braucht es am 5. Juni auch ein Ja zu den gut 11 Millionen Franken, mit denen der Bau beschleunigt und angepasst werden soll. Auch hier die Frage: Drei Vorrundenspiele für elf Millionen Franken. Ist es das wert?
So einseitig darf man das nicht betrachten. Sie müssen den volkswirtschaftlichen Nutzen von Europameisterschaften berücksichtigen. Hotels, Restaurants, Läden werden profitieren. Es gibt Berechnungen, dass die EM 20 bis 30 Millionen Franken an Wertschöpfung auslösen dürfte. Ausserdem gibt es eine nicht zu unterschätzende Werbewirkung für Zürich. Auch Portugal hat mit der letzten Fussball-EM einen grossen Image- und Sympathiegewinn verbucht. Aber auch hier muss man noch unterscheiden: Ungefähr die Hälfte des Geldes brauchen wir für bauliche Anpassungen, und der andere Teil ist für die eigentliche Durchführung des Anlasses. In diesem Bereich wird es auch wieder Einnahmen geben.
Ganz sicher ist die Durchführung der EM-Spiele immer noch nicht. Was geschieht mit den elf Millionen, wenn es doch nicht klappen sollte?
Der Gemeinderat hat für die zusätzlichen Massnahmen einen Projektierungskredit von 700 000 Franken bewilligt. Dieses Geld wird im Moment ausgegeben. Von den 11 Millionen wird hingegen nichts ausgegeben, bevor wir nicht eine gültige Baubewilligung haben.
Noch immer geistert auch die Idee herum, dass auch das neue Hardturmstadion rechtzeitig für die EM 2008 fertig werden könnte. Wenn es nun wirklich so wäre, wenn kein Rekurs gegen die Baubewilligung eintreffen würde, könnte man dann im letzten Moment noch umschwenken?
Bis August könnte man das theoretisch wohl noch. Die Baubewilligung wird vermutlich bereits im Mai erteilt, dann folgt die dreissigtägige Rekursfrist. Natürlich habe ich die Hoffnung, dass es keine Rekurse geben wird. Wenn man aber realistisch sein will - und das sollte man ja als Politikerin -, dann muss man wohl mit Rekursen rechnen, die den Bau des Hardturms weiter hinauszögern.
Zurück zum Letzigrund. Hier folgt nun als nächster Schritt die Abstimmung vom 5. Juni. Stadtpräsident Elmar Ledergerber wettet darauf, dass es 80 Prozent Ja-Stimmen geben wird. Was sagen Sie?
Ich bin ebenfalls überzeugt, dass es eine deutliche Zustimmung geben wird. Aber ich bin jetzt mal etwas vorsichtiger und sage 72 Prozent.
Quelle TA