quelle:BaZ.ch
DER FC LIVERPOOL STEHT VOR DER ÜBERNAHME DURCH ARABISCHE SCHEICHS

Neue Geldgeber, altes Spiel. Steven Gerrard (l.) wird weiter für Liverpool treffen - nur sein Zahltag kommt bald von einem anderen Konto. Foto Keystone
RAPHAELHONIGSTEIN, London
Die «Reds» dürften demnächst in den Besitz einer Investmentfirma des Herrschers von Dubai übergehen - was bei den Supportern bisher noch keine Panik ausgelöst hat.
Der «Guardian» wollte wissen, wie es die vier englischen Vertreter in der Champions League - Arsenal, Chelsea, Liverpool und Manchester United - schaffen konnten, allesamt ihre Gruppen zu gewinnen. Mehrere Experten vom Kontinent wurden zu Rate gezogen; niemand zeigte sich überrascht von der englischen Dominanz, was wiederum den «Guardian» ein wenig überraschte. Man hat auf der Insel noch nicht begriffen, dass die Realität inzwischen zum globalen Hype um die aufregendste und schnellste Liga aufgeschlossen hat. Englands Clubfussball ist stärker als je zuvor. Und das wird auf Dauer so bleiben, weil immer mehr Geld in die Liga fliesst.
Mit dem FC Liverpool steht nun der dritte der «grossen Vier» kurz vor einer Übernahme durch ausländische Investoren. Falls sich in den Bilanzen des Traditionsvereins nicht noch unerwartet schwarze Löcher finden, dürfte die Investmentfirma Dubai International Capital (DIC) die «Reds» noch vor Weihnachten übernehmen.
Insgesamt 670 Millionen Euro wird die von Scheich Mohamed bin Rashid al Maktoum (Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate und Herrscher von Dubai) kontrollierte Gruppe das Geschäft kosten. Ein gutes Drittel der Summe geht als Kaufpreis an die bisherigen Eigentümer, dazu übernehmen die Araber 140 Millionen Euro Schulden und die Finanzierung des neuen Stadions (290 Millionen Euro).
Mit Liverpool fällt die letzte Bastion der Tradition auf der Insel. Seit über 50 Jahren besitzt die aus der Stadt stammende Moores-Familie die Mehrheit. Es gibt keine Demokratie, aber die räumliche Nähe zwischen den Vereinsbossen und den Fans gab Letzteren das Gefühl, mitreden zu dürfen. David Moores, 61, ist seit 1991 Vorsitzender und zugleich der grösste Fan. Die Meinung des Volkes beschäftigt ihn sehr, «zwei böse Leserbriefe im Liverpool Echo bringen ihn schon ins Grübeln», sagt ein Vertrauter.
chelsea enteilt. Moores sah, wie vor allem Chelsea mit russischem Geld der Konkurrenz enteilte, Arsenal mit Hilfe des Namenssponsors Emirates ein neues Stadion baute und United trotz der kontroversen Übernahme durch die Glazer-Familie den finanziellen Vorsprung weiter ausbaute: 76000 Fans passen ins ausgebaute Old Trafford, Anfields Kapazität beträgt nur 45000.
Geschäftsführer Rick Parry wurde bei Investoren in Thailand und den USA vorstellig, auch eine Gruppe lokaler Industriekapitäne zeigte Interesse. Aber allein DIC garantierte Gelder für Schuldentilgung und den Neubau einer Arena für 60000 Zuschauer, die den Reds helfen wird, das Einnahmendefizit dauerhaft zu verringern.
Die Anhänger zeigen sich bisher vorsichtig optimistisch, weil die neuen Eigentümer noch tiefere Taschen als Roman Abramowitsch haben. Scheich Al Maktoums Vermögen wird vorsichtig auf 21 Milliarden Euro geschätzt. Trainer Rafael Benítez wird allerdings nur bedingt Superstars verpflichten können - DIC will auf Dauer Geld verdienen, nicht nur investieren.
«Wir werden nicht das Spielzeug eines reichen Mannes sein», sagte Parry nach einem Treffen mit DIC diese Woche, «dafür wird Liverpools Zukunft auf 100 Jahre gesichert sein.» DIC besitzt bereits eine Hotelgruppe in Grossbritannien, das Unternehmen hinter Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett und das Londoner Riesenrad an der Themse. Über die Fluglinie Emirates ist man bei Arsenal und dem HSV engagiert. Und Maktoums Godolphin-Reitstall spielt eine herausragende Rolle im britischen Pferdesport.
«Wenn es schon ausländische Eigentümer sein müssen, dann ist man mit den Maktoums gut bedient», sagt der frühere Sportminister David Mellor. «Sie sind sehr professionell und arbeiten streng wissenschaftlich. Die glorreichen Zeiten könnten zu Liverpool zurückkommen».
Wengers Angst. Arsenals Trainer Arsène Wenger aber macht der Einstieg der Scheichs Angst. «Es ist gefährlich für uns, wenn die finanziellen Ambitionen eines Vereins nicht mehr in Relation zu seinen natürlichen Mitteln stehen.» Die Londoner sind noch nicht aufgekauft worden, sie finanzieren sich über Kartenverkäufe, Sponsoring und TV-Gelder. «In Moment hat nur Chelsea zusätzliche Mittel», sagt der Franzose, «aber wenn drei, vier Vereine sie haben, dann können wir nicht mehr konkurrieren. Dann sind wir tot.»
Bevor es soweit kommt, könnte Arsenal sich jedoch auch noch den einen oder anderen Milliardär ins Boot holen, Jammern allein hilft ja nicht, hat man in Liverpool erkannt: Wer nicht von den Wölfen gefressen werden will, muss auf der Insel selber einer werden.