Nächste Etappe auf demWeg zur Marke
FÜR DEN EHC BASEL BEGINNT MORGEN IN DAVOS (19.45 UHR) DIE NLA-SAISON DER BESTÄTIGUNG
Oliver Gut
Die auffälligste Veränderung begegnet dem Besucher der St.-Jakob-Arena im kulinarischen Bereich: «Chicken Chaoticum» nennt sich das Stadion-Restaurant seit diesem Sommer. Die Lokalität wurde mit Chevrolet und Jukebox amerikanisiert, auf der Speisekarte finden sich viele verschiedene Hühner.
In der Gastronomie mag dieses Konzept funktionieren - im Eishockey ist mit einem Hühnerhaufen keinGewinn zu erzielen. Wenn der EHC Basel morgen in Davos in seine zweite aufeinanderfolgendeNationalliga-A-Saison startet, dann sind Disziplin auf und Kontinuität neben dem Spielfeld jene Attribute, die ihn zum Erfolg führen sollen.
Seit zweieinhalb Jahren wird ein klarer Kurs gefahren, der das schwarz-rot-weisse Schiffchen beständig näher an ruhige Gewässer bringt: Die sportlichen Entscheidungsträger, CEO Ueli Schwarz und Cheftrainer Kent Ruhnke, gehen bereits in ihre dritte gemeinsame Saison. Im aktuellen Kader stehen neun Spieler, die schon im April 2005 die Rückkehr in die Bel Etage des Schweizer Eishockeys feierten und dort in der vergangenen Spielzeit mit der überraschenden Playoff-Qualifikation für Schlagzeilen sorgten.
Erste Früchte. Das sind Resultate, die auch neben dem Eis erste Früchte tragen. Mit den Donatoren, dem 1932er-Club und den Hockey-Visionären wurden Gönner-Vereinigungen ins Leben gerufen, die zusammen bereits einen finanziellen Beitrag im höheren sechsstelligen Bereich leisten. Zudem konnten es sich die Basler im Sponsoring erlauben, die Tarife um 30 Prozent anzuheben - dass daraufhin ausgerechnet Novartis als einziger der Geldgeber ausstieg, spricht nicht gegen dieWeitsicht der EHC-Verantwortlichen, sondern für die Kurzsichtigkeit des Pharma-Riesen. Besser denn je verkauften sich überdies die Saisonkarten. Der EHC fand mehr als 300 Neu-Abonnenten. Wenn alle noch ausstehendenRechnungen bezahlt werden, dürften amEnde die anvisierten 2000 Abos erreicht werden.
Das sind erfreuliche Steigerungen, die es auch erlaubten, das Budget von 7,95 auf 8,5 MillionenFranken zu erhöhen. Doch noch immer hinkt der EHC Basel auf der Einnahmenseite der Konkurrenz hinterher und kann ohne Mäzen nicht überleben. Zwar ist der (nicht veröffentlichte) Beitrag imVergleich zum Vorjahr kleiner geworden, denRudolf Maag zum Budget leistet. Doch es werden noch immer mehr als 1 Million Franken sein, die demEHC aus der Privatschatulle des Mäzens zufliessen.
Der Weg zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit ist also noch weit - und er führt nur über die Zuschauer: Ein letztjähriger Schnitt von 3500 ist zu wenig, um von einem Boom zu sprechen. Der EHC Basel ist noch immer Projekt und nicht Marke, wie es in dieser Stadt der FCB oder die Davidoff Swiss Indoors sind. Zu jenen Events geht der Basler, weil er mitreden will, wenn im Büro darüber gesprochen wird. Der EHC ist nur ein Thema, wenn er Ausserordentliches leistet. Und nur dann kommen überdurchschnittlich viele Zuschauer.
Nicht im Bewusstsein. In der vergangenen Saison war dies wenige Male der Fall - in einer Spielzeit notabene, die für einenAufsteiger sensationell verlief. Das zeigt, wie viel es braucht, damit Eishockey sich im Bewusstsein der Basler Massen verankert. Hätten die SCL Tigers so erfolgreich gespielt, das Emmental wäre Kopf gestanden und die Ilfishalle mehrmals ausverkauft gewesen.
Deshalb ist es für denEHC Basel schon fast Pflicht, in seinem zweiten NLA-Jahr zum zweiten Mal die Playoffs zu erreichen. Eine Spielzeit, die unter dem Tabellenstrich stattfindet, würde sich stärker als in andern Clubs auf die Zuschauerzahlen auswirken und den EHC auf einem Weg bremsen, der auch so schon Geduld erfordert. Es ist viel schwieriger, jemanden anzulocken und zu begeistern, als ihn zu verärgern und zu vertreiben.
Fragezeichen Ausländer. Die EHC-Verantwortlichen wissen das. Und sie sind sich auch bewusst, dass sie mit dem letztjährigen Kader ein Optimum erreichten. Entsprechend wurde die Mannschaft verstärkt. Die Offensive erfuhr durch die Verpflichtung von Nationalspieler Patric Della Rossa, Régis Fuchs, Andreas Camenzind und Stefan Tschannen eine klare Aufwertung. Der Abgang des dominanten Verteidigers Olivier Keller soll durch die Verpflichtung von Lukas Gerber und Shawn Heins aufgefangen werden.
Der Kanadier Heins ist einer von drei neuen Ausländern und damit eines von drei Fragezeichen: Weder er noch die Stürmer Chris Bright und Jussi Tarvainen sind bekannte Grössen. CEO Schwarz verzichtete unter Berücksichtigung der Kosten auf namhaftere ausländische Verstärkungsspieler. ImVorjahr war das ähnlich. Die Basler erreichten die Playoffs, obwohl neben den weiterbeschäftigten Landry und Anger keiner der zwölf andern Ausländer NLA-Ansprüchen genügte. Geht dieRechnung nun nicht auf, muss sichSchwarz Vorwürfe gefallen lassen.
Unter demStrich besitzt der EHC Basel eine Mannschaft, die klar mehr Potenzial hat als das letztjährige Team. Eine Equipe, die aber auch jetzt nur durch defensive Disziplin und über das Kollektiv die Ziele erreichen wird. Denn der Bonus des Aufsteigers ist weg. Anders als imVorjahr wird der EHC von keinemGegner unterschätzt werden. Gestiegen sind dafür die Erwartungen. Deshalb wäre eine neuerliche Playoff-Qualifikation eingrosser Erfolg - und ein weiterer Etappensieg auf dem langen Weg zur Marke.
oliver.gut@baz.ch Nur wenn der EHC Ausserordentliches leistet, ist er in der Stadt einThema.