BaZ, 3.12.05
Gruth und das Prinzip Hoffnung
Der EHC Basel empfängt heute Samstag die ZSC Lions (19.45 Uhr, St.-Jakob-Arena)
BENJAMIN MUSCHG
«Die Geschichte wiederholt sich immer.» Henryk Gruth, polnischer Rekordinternationaler und Trainer der ZSC Lions. Foto Keystone
Der einstige Meisterschaftsfavorit aus Zürich kämpft auch nach der Trainer-Rochade um die Playoff-Teilnahme. Ein Kampf, der wohl andauern wird.
«Wir haben diese Woche einen grossen Schritt vorwärts gemacht», sagt Henryk Gruth, «ich spüre, dass die Maschine wieder zu laufen beginnt.» Der 48-jährige Pole setzt vor dem heutigen Spiel in Basel, dem ersten seit seiner Ernennung zum Headcoach der ZSC Lions, auf das Prinzip Hoffnung.
Er begründet sie auch mit der Rückkehr einiger verletzter Spieler, mit dem Debüt des aus der Konkursmasse von B-Ligist Morges übernommenen tschechischen Stürmers Vladimir Vujtek oder mit der neuen Regelauslegung, von der sein Team profitieren sollte. Eigentlich befindet sich Gruth aber in einer fast hoffnungslosen Lage, sieht man einmal von der Hoffnung ab, dass es kaum mehr schlimmer werden kann.
TALFAHRT HÄLT AN. Gruth war nach Christian Webers so genanntem Timeout zunächst interimistisch vom Assistenten zum Chef an der Bande aufgestiegen und konnte bei seinem Einstand gegen Davos eine zuvor acht Spiele andauernde Zürcher Sieglosigkeit beenden.
Doch an den beiden folgenden Wochenenden vermochte er die Fortsetzung der Talfahrt mit zwei Niederlagen in Ambri und Zug auch nicht zu verhindern. Nach mehr als der Hälfte der Qualifikation liegt Gruth mit dem ZSC unter dem Trennstrich in der Tabelle und jedem, der das Team in den vergangenen Wochen beobachtet hat, ist klar, dass die Playoff-Qualifikation für diesen ZSC eine grosse Herausforderung wird.
Gemäss den ungeschriebenen Gesetzen der Branche hätte der Club längst einen neuen Trainer verpflichten müssen. Einen, der aufgrund seiner Erfahrung, seines Leistungsausweises und seines Charakters eine natürliche Autorität mitbringt. Einen, an dem sich das Team wie auch die Clubführung orientieren können. Einen wie Basels Kent Ruhnke etwa.
Die ZSC Lions erfanden stattdessen die grosse Trainer-Rochade: Christian Weber ersetzte Manuele Celio im NLB-Farmteam GCK Lions als Assistent von Beat Lautenschlager, während die beiden ursprünglich als Assistenztrainer vorgesehenen Gruth und Celio die Geschicke des Oerliker Fanionteams leiten.
«Immerhin herrscht jetzt einmal Klarheit», fasst Captain Mathias Seger die neue Situation aus Sicht der Spieler zusammen. Doch der klare Schnitt, zu dem sich die Clubleitung um Verwaltungsratspräsident Walter Frey und Sportchef Simon Schenk bisher nicht durchringen konnte, ist wohl nur aufgeschoben. Denn der degradierte Weber macht in Küsnacht gute Miene zum bösen Spiel, würde seinen neuen Job aber wohl lieber heute als morgen für ein neues Engagement in der NLA aufgeben. Und Henry Gruth bekommt bei den «grossen» Löwen eine erste Chance als NLA-Headcoach, die eigentlich keine ist.
COACH AUF BEWÄHRUNG. «Ob ich bleiben kann, hängt von den Resultaten ab», weiss auch der polnische Rekordnationalspieler. Während ein von aussen kommender Coach einige Spiele lang den Bonus des Neulings hätte beanspruchen können, ist Gruth faktisch seit seiner Ernennung nur Trainer auf Bewährung. Denn ganz neue Impulse kann man von Webers Freund und langjährigem Assistenten nicht erwarten, wenn Weber das Problem war, dann ist Gruth auch ein Teil des Problems. Um bis Ende Saison im Amt zu bleiben, müsste er wohl ab sofort von Sieg zu Sieg eilen.
Dem Spiel in Basel kommt daher wegweisende Bedeutung zu, umso mehr als die beiden Heimniederlagen gegen den EHC zu den Meilensteinen der Zürcher Krise zählten. Am 19. September siegte Basel als erste Gastmannschaft im umgebauten Hallenstadion, beim 1:4 vom 3. November bestritt der ZSC sein letztes Heimspiel unter Coach Weber. Gruth verbindet die Reise nach Basel dennoch mit guten Erinnerungen: In der St.-Jakob-Arena gelang den Zürchern vor über zwei Monaten der einzige Auswärtssieg. «Die Geschichte wiederholt sich immer», sagt Gruth. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
*******************************
Zwei Premieren, ein Name
EHC Basel will bis zum Jahresende sechs Punkte holen
OLIVER GUT/REMO MEISTER
Der Aufsteiger wird heute Samstag im Heimspiel gegen die ZSC Lions (19.45 Uhr) erstmals mit zwei ausländischen Verteidigern spielen: Der kanadische Abwehrspieler Mike Wilson kommt zu seinem NLA-Debüt.
Besinnliche Adventszeit? Nicht für die Spieler des EHC Basel: Die Trainingseinheiten unter Headcoach Kent Ruhnke sind intensiver als auch schon. Der Kanadier ist sich bewusst, dass die Basler in den fünf ausbleibenden Partien bis Weihnachten auf Punkte angewiesen sind, wenn sie auf einem Playoffplatz ins neue Jahr rutschen wollen.
Entsprechend hoch ist das Ziel, das der Trainer bis dahin formuliert: «Wir wollen noch sechs Zähler holen.» Erste Gelegenheit, das Punktekonto zu äufnen, bietet sich am Wochenende, wenn der Aufsteiger heute Samstag die ZSC Lions empfängt (19.45 Uhr, St.-Jakob-Arena) und tags darauf beim HC Genf-Servette (15.45 Uhr, Les Vernets) antritt, gegen dessen Stürmer Yorick Treille gestern von der Nationalliga ein Verfahren eröffnet wurde. Es wird geprüft, ob der Kanadier am 29. November in der Partie gegen Fribourg einen Regelverstoss beging, als er Laurent Müller checkte und dieser sich dabei verletzte.
LEHTERÄ ODER TAMBIJEW. Am Samstag wird es auf Basler Seite zu zwei Premieren kommen, die mit einem Namen zusammenhängen: Mike Wilson (vgl. «sagen sie mal», Seite 35). Der Kanadier, der als Ersatz für den verletzten Nationalspieler Olivier Keller verpflichtet wurde, wird für den EHC sein Debüt in der NLA geben. Was auch bedeutet, dass die Basler erstmals mit zwei ausländischen Verteidigern aufs Eis gehen. Während der kanadische Angreifer Druken weiter am Knie verletzt ist, wird sich Coach Ruhnke in der Frage des überzähligen Ausländers zwischen den Stürmern Lehterä (Fi) und Tambijew (Lett) entscheiden. Im Tor steht Daniel Manzato.
*******************************
Sagen Sie mal
Mike Wilson
Der Kanadier gibt heute Samstag im Heimspiel gegen die ZSC Lions (19.45 Uhr) sein Debüt für den EHC Basel.
baz: Mike Wilson, Sie wurden vergangene Woche in Linz entlassen. Was war der Grund für die Trennung?
Ich war den Österreichern mit meinen zwei Metern zu klein (lacht). Im Ernst: Die Linzer dachten, sie hätten in mir jenen Offensiv-Verteidiger, der stark im Powerplay ist und den sie gesucht hatten. Das ist ein Irrtum. Meine Stärken liegen im defensiven Bereich, im Tore verhindern, im Zweikampf.
Wie kam es zum Wechsel nach Basel?
Ich hatte Kontakte nach Italien, als sich der EHC bei mir meldete. Da fiel mir die Entscheidung leicht, auch wenn mein Vertrag vorerst nur bis Weihnachten läuft. Schliesslich ist die Nationalliga A eine der besten Ligen Europas. Und Basel war anders als Linz an einem Spieler meines Typs interessiert. Ich will mich hier in den verbleibenden fünf Partien zeigen, gute Leistungen bringen und mich damit für eine Weiterverpflichtung empfehlen.
Sie sind Verteidiger. Was sagt Ihnen der Begriff «Null-Toleranz»?
Ich weiss schon, was das ist. Denn diese Regelauslegung wurde ja auch in der NHL eingeführt, wo ich früher spielte. Erfahrungen mit der Null-Toleranz habe ich allerdings keine, weshalb EHC-Coach Kent Ruhnke in den bisherigen Trainings ein besonderes Auge auf mich geworfen und mich einige Male zurechtgewiesen hat. Grundsätzlich begrüsse ich, dass Haken, Halten und Blocken konsequent gepfiffen werden. Denn durch den Einsatz des Stockes oder durch Schubser gibt es oft dumme Verletzungen. Ich bin ohnehin mehr der Typ, der den Gegner checkt.
Was wissen Sie von der Schweiz? Mehr als die Klischees von hohen Bergen und köstlicher Schokolade?
Ich bin erst seit zwei Tagen hier und weiss tatsächlich nicht viel mehr als diese Klischees. Und ich kenne einige Spieler in der NLA wie den Genfer Goran Bezina aus seiner Zeit in Nordamerika.