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TYPISCH BLICK
«We are the Champions» soll morgen kurz nach 22 Uhr im St-Jakob-Park nach dem Meisterschafts-Endspiel FC Basel vs. BSC Young Boys aus den Lautsprecher-Boxen erklingen. Egal, ob Basler oder Berner Kicker zu den Klängen von Queen ihren Meistertanz aufführen, sollte der Stadion-DJ als zweite Scheibe einen Ohrwurm des italienischen Star-Tenors Andrea Bocelli auflegen. «Time to Say Goodbye». Zeit, um auf Wiedersehen zu sagen. Goodbye, Chrigel. Und viel Glück im Ausland!
Gäbe es einen idealeren Zeitpunkt für Gross, als morgen abzutreten? Kaum.
Die ganze Fussball-Schweiz fragt sich: Ist die Finalissima am Samstag das letzte Spiel von Christian Gross?
Geht die Basler Trainer-Legende nach neun Jahren FCB als gefeierter Meistertrainer?
Oder wird Gross gegangen werden, weil er zum dritten Mal in Folge mit dem teuersten Kader der Liga nur zweiter Sieger geworden ist?
Der für das Basler Selbstverständnis unrühmliche Hattrick als Vize-Meister wäre für Geldgeberin und Präsidentin Gigi Oeri wohl Grund genug, um Gross mit mehr oder weniger sanftem Druck aus seinem bis 2009 laufenden Vertrag zu entlassen. Drei Jahre in Folge ohne Meistertitel würde beim Liga-Krösus Basel (Umsatz: 50 Mio. Fr.) auch die Institution Gross nicht überleben.
Neun (!) lange Jahre hatte er dem FCB den Stempel aufgedrückt. Motivationskünstler nannten ihn die einen, Diktator andere. Er hat es geschafft, im Klub fast die ganze Macht an sich zu reissen. Bestes Beispiel: Mit Frau Oeri hat er eine Frau als Transferchefin neben sich. Vier Cupsiege und drei Meistertitel trugen seine Handschrift. Einmal führte er die Rot-Blauen in der Champions League bis in die Zwischenrunde. Steigerungspotenzial ist (fast) keines mehr vorhanden. Bis an die Honigtöpfe der Champions League zu kommen, wird für Schweizer Klubs immer schwieriger. Den Cupsieg hat Gross diese Saison bereits in der Tasche, mit dem zweiten Double nach 2002 könnte er Gigi Oeri mit gutem Gewissen bitten, ihn vor Ablauf seines Vertrages (für eine Ablösesumme) zu einem anderen Klub wechseln zu lassen. Time to Say Goodbye. Acht Titel mit dem FCB, zuvor zwei Meistertitel und ein Cupsieg mit GC. Was will Gross in der Schweiz noch erreichen?
Die Nachfolge von Köbi Kuhn hat ihn ganz bestimmt gereizt, auch wenn das Gross in der Öffentlichkeit nie so zugegeben hat. In der internen Ausscheidung belegte er beim Schweizerischen Fussballverband Rang 2 u2013 hinter Ottmar Hitzfeld. Der Lörracher, unter anderem Champions-League-Gewinner mit Bayern und Dortmund, steht Gross bei der Nati mindestens bis 2010 vor der Sonne.
Macht eigentlich nichts. Denn Gross hat in seiner Karriere noch eine nicht kleine Scharte auszuwetzen. Nur einmal in seiner beeindruckenden Trainerkarriere, die ihn als Amateur-Spielertrainer des damaligen Zweitliga-Klubs Wil im Eilzugstempo bis in die Champions League mit GC führte, wurde er entlassen. Obwohl er den Londoner Nobelklub Tottenham vor dem Abstieg gerettet hatte, war am 5. September 1998 nach nur zehn Monaten in London fertig lustig für Gross. Der «Swiss Army Chief», so nannte ihn die englische Boulevard-Presse, hatte als Schweizer im Mutterland des Fussballs nie eine wirkliche Chance. Die Freistellung war ein Rückschlag, den Gross monatelang nicht wegstecken konnte.
Bei Basel konnte er vergessen. Und wurde zum Titelhamsterer. Er war beim FCB 2002 der Vater des ersten Meistertitels seit 1980 oder 22 Jahren Durststrecke. Das Ausland begann wieder neidisch nach Basel zu schauen. Schalke 04 wollte Gross 2005, der Hamburger SV vor wenigen Monaten. Bei Borussia Dortmund ist Gross als möglicher Nachfolger von Thomas Doll im Gespräch. Die Zeit ist reif, die einzige Scharte in der Karriere auszuwetzen. Time to Say Goodbye, Chrigel.