WM-Frechheit!

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Gauchos
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WM-Frechheit!

Beitrag von Gauchos »

Alle 603 Bundestagsabgeordneten haben Post bekommen. Inhalt: Ein Brief der beiden Sportausschuß-Vorsitzenden des Bundestages Peter Rauen (CDU) und Peter Danckert (SPD).
In dem Schreiben, dessen Existenz die u201ESaarbrücker Zeitungu201C enthüllte, wird den Politikern in Aussicht gestellt, Eintrittskarten für die Fußball-WM 2006 in Deutschland reservieren zu können.

In dem Brief (liegt BILD vor) heißt es: u201ESehr verehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter, vom 09. Juni bis zum 09. Juli 2006 findet die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen wissen wir, daß großes Interesse an Karten für die Begegnungen bei diesem Fußballturnier besteht. Wir haben geprüft, inwieweit Möglichkeiten bestehen, für die Mitglieder des Deutschen Bundestages Kaufkarten verfügbar zu machen. Auch im Namen der Obleute der im Sportausschuß vertretenen Fraktionen können wir ihnen heute mitteilen, daß das Organisationskomitee Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 beabsichtigt, die Gelegenheit einzuräumen, für die Vorrundenspiele jedem Mitglied des Deutschen Bundestages zwei Kaufkarten verfügbar zu machen.u201C


Anbei liegt ein Bestellschein, auf dem die Abgeordneten je eine Karte für zwei Vorrunden-Spiele vorreservieren können. Der Brief: u201EBei Interesse bitten wir Sie daher, dem Sekretariat des Sportausschusses auf dem beigefügten Antwortbogen bis Mittwoch, den 19. Januar 2005, 11 Uhr, mitzuteilen, für welches Spiel Sie Kaufkarten vorbestellen möchten."


Die Politiker könnten sich z. B. jetzt schon für die begehrten Spiele der deutschen Mannschaft eintragen. Diese Daten stehen als einzige schon fest: Das Eröffnungsspiel am 9. Juni in München, dann am 14. Juni in Dortmund und schließlich am 20. Juni in Berlin.

Schnappen deutsche Politiker den normalen Fans die begehrten Tickets vor der Nase weg? OK-Vize Wolfgang Niersbach ist total verwundert: u201EDieses Schreiben ist mir ein Rätsel. Es gibt keine Zusagen für Frei- oder Kaufkarten. Es gibt keinerlei Absprachen. Ich kenne lediglich eine Anfrage des Sportausschusses, wie man mit Kartenwünschen der Abgeordneten umgehen soll.u201C

Für den normalen Fan ist es schwer, eine der drei Millionen WM-Karten zu bekommen. Der Verkauf beginnt am 1. Februar 2005. 955 000 Karten gehen vorab weg an Sponsoren, Verbände und Reisebüros. Die restlichen Karten gehen in den Verkauf. Auf jede Karte kommen aber mindestens 10 Bewerber. Darum wird ausgelost u2013 wobei deutsche Interessenten nicht bevorzugt werden. Die Preise beginnen bei 35 Euro (für ein Vorrundenspiel) und enden bei 600 Euro (fürs Finale).
http://www.muehliraideufel.de



Alla Boneur


Basel und Der BTSV


Do Ohni I.D. und doch V.I.P.

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zul alpha 3
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Beitrag von zul alpha 3 »

WM-Karten für Bundestagsabgeordnete

Notbremse vor der Strafraumgrenze

Von Yassin Musharbash, Quelle http://www.spiegel.de

Der Sportausschuss des Bundestages hat versucht, WM-Karten für Parlamentarier zurücklegen zu lassen. Alle 601 Abgeordneten erhielten einen Brief mit Reservierungs-Coupon. Die Empörung über diese Privilegierung gegenüber gewöhnlichen Fußballfans zeitigt nun erste Folgen: Die SPD will von dem VIP-Deal nichts mehr wissen.

Berlin - "Ich bitte Euch - nein, ich fordere Euch auf-, von diesem Angebot des Sportausschusses keinen Gebrauch zu machen!", schrieb Wilhelm Schmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, heute Vormittag ebenso so hastig wie flehentlich an seine 249 Parlamentarier. Fast zeitgleich lenkte die Fraktion auch öffentlich ein: Sie distanziere sich "von jeder Idee, für Bundestagsabgeordnete ein Sonderverfahren für den Erwerb von Eintrittskarten für die Fußball-WM 2006 zu regeln", ließ sie per Pressemitteilung verlauten. Zu groß war der öffentliche Ärger über die versuchte Vorzugsbehandlung der Abgeordneten geworden - da wollte die Regierungspartei wenigstens die Erste sein, die sich von der Mauschelnummer lossagt.

Ausgelöst hatten die Empörung die "Saarbrücker Zeitung" und die "Bild", als sie heute berichteten, der Sportausschuss beabsichtige, Tickets für WM-Spiele 2006 für Abgeordnete des Bundestages reservieren zu lassen. Die Meldungen bestätigten sich im Laufe des Tages: Mit Datum vom 15. Dezember hatten Peter Rauen (CDU), der Vorsitzende des Sportausschusses, und sein Stellvertreter Peter Danckert (SPD) einen gemeinsamen Brief an die 601 Abgeordneten des Bundestages geschrieben. Das Schreiben liegt SPIEGEL ONLINE vor.

Darin teilen Rauen und Danckert mit deutlich spürbarem Stolz mit, dass "das Organisationskomitee Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 beabsichtigt, die Gelegenheit einzuräumen, für die Vorrundenspiele jedem Mitglied des Deutschen Bundestages zwei Kaufkarten verfügbar zu machen". Beigelegt ist ein selbst auszufüllender Antwortbogen: "Ich bitte um Vorreservierung folgender Kaufkarten." Zurückzusenden an die Bundestagsfaxnummer 36006, und zwar bis spätestens 19. Januar 2005, 11 Uhr. Sogar einen Spielplan sendeten Rauen und Danckert mit.

Angesichts der medialen und öffentlichen Empörung lenkten die beiden heute Mittag dann ebenfalls, wenn auch vorsichtiger, ein: Sie veröffentlichten eine abgestimmte Pressemitteilung, in der sie klarstellten, dass der Sportausschuss mit dem Schreiben lediglich versucht habe die Wünsche nach Karten zu "bündeln". Ansonsten verwiesen sie auf die Äußerung von Wolfgang Niersbach, dem Vizepräsidenten des Organisationskomitees, der bereits erklärt hatte, es gebe "keine Zusagen" über Reservierungen für Bundestagsabgeordnete.

Dass viele gewöhnliche Fußballfans es schon für eine VIP-Behandlung halten dürften, wenn Abgeordnete sich mit Ticketwünschen direkt an die Organisatoren wenden, dafür legten die beiden Ausschussvorsitzenden kein Gespür an den Tag. Auch andere Mitglieder des Sportausschusses konnten heute nichts Verwerfliches darin erkennen, von ihrem direkten Zugang profitieren zu wollen.

Bernd Heynemann etwa, langjähriger Bundesligaschiedsrichter, heute Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Sportausschusses für die CDU, rechtfertigte das Vorgehen im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE damit, dass "wir als Politiker die WM nicht nur vorbereitet und begleitet, sondern auch abgesichert haben. In geringem Ausmaß sollte man dieses Vorkaufsrecht den Abgeordneten deshalb zugestehen". Heynemann verwies auch darauf, dass er derzeit versuche, weitere frei verkäufliche Karten für die Tourismusbranche zu organisieren, um deren Geschäfte ankurbeln zu helfen.

Abgeordneter Heynemann: "Ich setze mich in den Fanraum"
Alles in allem habe man es deshalb nicht mit einem Privileg, sondern mit einer "Geste" für die Abgeordneten zu tun. Abgesehen davon, so Heynemann weiter, habe die Kartenreservierung auch eine politische Bedeutung. So sei nämlich die ursprüngliche Idee gewesen, dass die Abgeordneten vor allem die Möglichkeiten erhalten sollten, in der Nähe ihres Wahlkreises ein WM-Spiel zu besuchen. "Ich selbst werde mich auf jeden Fall im Stadion in Leipzig blicken lassen. Und zwar nicht auf der VIP-Tribüne. Ich setze mich in den Fanraum", kündigte er an.

Er könne darin "keinerlei Privilegierung" erkennen, erklärte auch ein weiteres Mitglied des Sportausschusses gegenüber SPIEGEL ONLINE. Andere Verbände und Vereine gingen in ähnlicher Weise vor, da hätten sich die Abgeordneten lediglich "eingereiht". Schließlich sei es im Bundestag ja wie in der Bevölkerung: "Alle wollen Karten und freuen sich auf die WM." Im Übrigen müsse man "auch die Relationen sehen": Maximal ginge es hier bei zwei Karten pro MdB um 1202 Tickets. Und denkbar sei ja auch, dass man die Karten für wohltätige Zwecke versteigere.

Dass die Selbstsicherheit zumindest dieses Abgeordneten im Laufe des Tages allerdings zusehends schwand, zeigt seine eine Stunde nach dem Gespräch nachgereichte Bitte, seinen Namen nun doch nicht mehr zu nennen.

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