FCB-Vizepräsident Dr. Bernhard Heusler zum "Forfaitfall" vom 22. April 2007
Im folgenden Interview mit der Web-Redaktion nimmt Dr. Bernhard Heusler, Vize-Präsident des FCB und Jurist, Stellung zum Forfaitentscheid im "Fall Muntwiler", gemäss dem das 0:0 aus dem Meisterschaftsspiel FCZ - FC St. Gallen in ein 3:0 umgewandelt wird, womit der Vorsprung des FC Zürich auf den FCB neu fünf Punkte beträgt.
Bernhard Heusler, was sagen Sie grundsätzlich zum Forfait-Urteil im Fall Muntwiler?
Bernhard Heusler:
Den Urteilsspruch erachte ich als falsch. Der Entscheid ist das Ergebnis eines unzutreffenden Selbstverständnisses eines Sportgerichts. Wer die Rechtsprechung der Disziplinarkommission analysiert, kommt um die Feststellung nicht herum, dass das jüngste Urteil insofern konsequent ist, als es die Reihe rechtlich fragwürdiger und nicht nachvollziehbarer Urteile dieser Kommission fortsetzt.
Wie sehen Sie den Fall regeltechnisch, also juristisch?
Bernhard Heusler: Entscheidend ist die Frage, wann die Sperrfrist für den Spieler Muntwiler nach seinem Ausschluss in einem 1. Liga Spiel mit der U-21 Mannschaft zu laufen begann. Dazu lässt sich den Reglementen keine eindeutige Antwort entnehmen. Erschwert wird die Auslegung durch die uneinheitliche Verwendung der Begriffe "Suspension", "Sperrperiode" und "Sperrfrist". Entscheidend ist aber aus meiner Sicht, dass bei einem Ausschluss wegen zweier gelben Karten - im Gegensatz zu einem direkten Feldverweis mit roter Karte - die Suspension nicht automatisch erfolgt. Entsprechend beginnt die Sperrfrist für den gelb-rot ausgeschlossenen Spieler erst mit der Eröffnung des Entscheides.
Für den Spieler Muntwiler bedeutete das, dass er "erst" während der Sperrperiode Dienstag bis Donnerstag für alle Spiele des FC St. Gallen gesperrt war. Am Sonntag des 1. April 2007 aber durfte er (noch) eingesetzt werden.
Um das Fehlen der Spielberechtigung bereits am Sonntag begründen zu können, muss man aus den Reglementen eine Art "Vorzeitige Suspension" konstruieren. Der ausgeschlossene Spieler müsste danach sofort für alle Spiele seines Klubs gesperrt sein, unabhängig davon, ob die für ihn anwendbare Sperrfrist schon zu laufen begann. Dieser argumentative Gedankengang besticht nicht gerade durch seine zwingende Logik. Und zudem bliebe damit völlig im Dunkeln, weshalb die Reglemente wiederholt betonen, dass die gelb-rote Karte - im Gegensatz zum direkten Feldverweis - eben keine automatische Suspension zur Folge hat. Kurz: mit sog. semantischer Auslegung nach dem Wortlaut des Reglementes lässt sich das Urteil nicht begründen - und zwar deshalb nicht, weil die Reglemente die massgeblichen Begriffe eben nicht eindeutig verwenden.
Was folgern Sie aus dieser Analyse der Reglemente?
Bernhard Heusler: Darf ich zurückfragen? Ist Ihnen die Rechtslage nun klar? Wissen Sie nun mit Sicherheit, was die Reglemente wollten? Nein? Ich auch nicht. Und damit kommen wir zum entscheidenden Punkt: Es geht doch allein um die Frage, ob die Reglemente eine hinreichend klare Grundlage bieten für die Einmischung in den sportlichen Wettbewerb durch Verbandsinstanzen. Diese Grundlage liegt offensichtlich nicht vor.
Für die Juristen wäre deshalb grösste Zurückhaltung geboten gewesen - genauso wie im leidigen Fall des unbespielbaren Terrains in La-Chaux-de-Fonds, als dasselbe Gericht mangels klarer Reglementsgrundlage statt eine Forfait-Niederlage nur eine Busse gegen Neuchâtel Xamax aussprach. (jo hösch, WORD!)
Was halten Sie von der Geschichte aus der Optik des durch diese Einmischung in den Wettbewerb betroffenen Klubs?
Bernhard Heusler:
Einmal mehr stellt die Art und Weise der Rechtspflege durch das Verbandsgericht das Vertrauen der Klubs - und vor allem des FC Basel - auf eine harte Probe. Die Tatsache, dass ein Spezialgericht zur Beurteilung eines den Wettbewerb beeinflusseneden Falles, dessen Sachverhalt nicht einfacher sein könnte, über drei Wochen benötigt, macht jeden Kommentar überflüssig. Allerdings mag die dadurch zum Ausdruck gebrachte Haltung des Gerichts erklären, warum die Klubs den Glauben in die Rechtsprechung des Verbands, dem sie angehören, Schritt für Schritt verlieren. Die Klubs sind aber selbst gefordert. Die Klubs sind die Liga und damit sind sie alle auch mitverantwortlich für die Rechtsprechung der Liga.
Sie sprechen von einem "falschen Selbstverständnis" - was meinen Sie damit?
Bernhard Heusler: Das liegt auf der Hand. Wenn Verbandsrichter über drei Wochen brauchen, um sich ein Bild zu verschaffen, ob ein U-21 Spieler am besagten Spiel des ASL spielberechtigt war oder nicht, dann spricht das für sich. Wenn sie nach Wochen des Interpretierens der Reglementsbestimmungen, die sich ja eigentlich an Nicht-Juristen wenden, zum Schluss kommen, ein Forfait-Urteil fällen und damit in den Wettbewerb eingreifen zu müssen, dann stellt dies eine Kompetenzausübung zum Nachteil des Sports dar und zeugt von einem unzutreffenden Verständnis der Aufgabe eines Sport- und Disziplinargerichts.
Und wie weiter?
Bernhard Heusler: Für den FC Basel gibt es sportlich nur eine Devise. Die Intervention von Aussen durch die Fortsetzung der Aufholjagd auf dem grünen Rasen wieder wettzumachen. Auch wenn der FC Basel an dieser ganzen Geschichte nicht beteiligt war, stellt sich mit der aktuellen Betroffenheit die Frage nach weiteren Massnahmen.
Wesentlich ist, dass der Entscheid, der verbandsrechtlich "endgültig" ist, dem Internationalen Schiedsgericht für Sport (TAS/CAS) zur Überprüfung vorgelegt werden wird. Ich bin überzeugt, dass der FC St. Gallen als direktbeteiligter und -betroffener klub diesen Schritt tun wird. Und auch wir können den Eingriff in die Meisterschaft durch die Disziplinarkommission
nicht einfach tatenlos akzeptieren, ansonsten müssten wir uns als verantwortliche Organe des FC Basel den Vorwurf gefallen lassen, nicht alles im Interesse und zum Wohl unseres Clubs, seiner Anhängerinnen und Anhänger, seiner Fans, seiner Trainer und Spieler unternommen zu haben. Aber schade ist es, dass es so weit kommen muss.
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http://www.fcb.ch
Weiss nicht, ob das schon jemand gepostet hat. Finde das Interview aber gut!