knapp daneben (Pascal Claude WOZ-fussball-kolumne)

Alles über Fussball, ausser FCB.
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Dave
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knapp daneben (Pascal Claude WOZ-fussball-kolumne)

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WOZ 26.10.2006

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Rangers

Manchmal spielt der Fussball mitten ins Leben hinein, und dann mag ich ihn besonders. Es war Mittag, ich war am Kochen, als es klingelte. Der Tag hatte nicht gut begonnen. Beim Lesen der Telegramme der vorabendlichen Uefa-Cup-Runde stiess mir ein Resultat besonders sauer auf: Livorno - Glasgow Rangers 2:3. So eine Begegnung ist mehr als ein Spiel, es ist ein Clash of Civilizations. Rangers, der Klub der englandtreuen Protestanten, der seit Jahren kaum mehr einen Schotten in seinen Reihen hat, steht für das Böse. Seine Anhänger haben sich auch in der Schweiz einen Namen gemacht, vor gut zehn Jahren in der Champions League gegen GC. Mit viel Alkohol angereicherter aggressiver Chauvinismus. Dagegen Livorno, rot leuchtender Stern am Himmel aller linken und halblinken Schwärmerinnen und Utopisten. Eine Hafenstadt, und der Kapitän ein Junge aus dem Quartier, der sich aus einem Millionenvertrag bei Torino herausgekauft hat, um eine Liga tiefer für seinen geliebten Verein, für sein Livorno zu spielen. Eine Fankurve, die ihre Spruchbänder gelegentlich in Kyrillisch abfasst und afrikanische Asylbewerber zu den Spielen einlädt. Und dann verliert dieses Livorno zuhause ausgerechnet gegen die Rangers.

Verdammte Rangers, dachte ich beim Rüsten, als es klingelte. Vor der Tür stand eine junge Frau mit einer grossen Cablecom-Mappe unter dem Arm. Ich sagte, «hören Sie, Sie sind jetzt schon die dritte Cablecom-Frau innert zehn Tagen, dazu ein paar Dutzend am Telefon, und unser Haus ist nicht einmal verkabelt.» «Ich habe ja noch gar nichts gesagt,» antwortete sie, «warum wissen Sie, dass ich von der Cablecom bin?» Es ist anzumerken, dass ich seit rund vier Jahren alle zwei Monate einen Werbebrief der Cablecom erhalte. Ich habe noch jeden unfrankiert zurückgeschickt, in der Hoffnung, den angeschlagenen Betrieb über die Portokasse in den Ruin zu treiben. Vergebens. Die Cablecom macht mich einfach ein bisschen aggressiv.

Dann kommt vom oberen Stock eine zweite Frau hinzu. «Gibt es Probleme?», fragt sie, «diese Frau ist in Ausbildung.» «Ja», sage ich, «ich habe ein kleines Problem, ich weiss nicht, warum die Cablecom sich ein so penetrant-verschwenderisches Marketing leisten kann und warum man mich nicht endlich aus dieser Datenbank löscht.» «Wir haben keine Datenbank», sagt die erste Frau. «Wir sind eben nicht direkt von der Cablecom», ergänzt die zweite. «Was sind Sie dann?», frage ich. Und dann sagt die zweite Frau, die schon ausgebildete: «Wir sind Rangers.»

Ich weiss nicht mit allerletzter Sicherheit, welche Tätigkeiten in diesem Fall der Begriff «Ranger» umfasst, und ich mag auch nicht der Cablecom telefonieren, um es zu erfahren. Aber ich kann es mir in etwa vorstellen. Hinter meiner zugeknallten Tür höre ich die zwei verstörten, halb zur Cablecom gehörenden, aber ganz für sie den Kopf hinhaltenden Frauen eilig die Treppe runter steigen. Die Cablecom gehört nicht zu meinen fünf Lieblingsunternehmen, und was ihr Logo bedeutet und wer es entworfen hat, wüsste ich auch irgendwann gerne. Trotzdem hatte ich dann doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Ich war schon etwas laut. Und das mit Livorno, das konnten die beiden Frauen einfach nicht wissen.
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Dave
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Beitrag von Dave »

WOZ 2.11.2006

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EM und Zivilschutz

Im Sportbund der «SonntagsZeitung», der von der Sportredaktion des «Tages-Anzeigers» betreut wird und deshalb selten überrascht, war am Sonntag etwas Überraschendes zu lesen. In einem Kommentar zur aussergewöhnlichen dreizehnten Runde der Super League, in der die sechs Ersten der Liga aufeinandertrafen und der jeweils schlechter klassierte Klub gewann, in diesem Kommentar also war zu lesen, die Spannung in der Super League sei «perfekt für die EM 2008» (für unsere Leserinnen und Leser aus dem Ausland: Mit Super League ist einfach die höchste Schweizer Spielklasse gemeint).

Es ist nicht ganz klar, was die Schweizer Super League mit der Europameisterschaft zu tun hat. Oder inwiefern die hiesige Liga geeignet ist, für das in zwei Jahren stattfindende Turnier Feuer zu entfachen. Die Fans in den Kurven, die nicht ganz unwesentlich dazu beitragen, dass es gegenwärtig eine Freude ist, ins Stadion zu gehen, nehmen die EM vor allem als Argument wahr, mit dem ihnen die neusten Bevormundungsmassnahmen schmackhaft gemacht werden sollen. So wird ab 1. Januar 2007 zum heiteren Fanfichieren geblasen, gesetzlich verankert im neuen Hooligangesetz, das ohne Damoklesschwert Euro 08 kaum oder kaum so reibungslos zustande gekommen wäre. In Basel wird das Joggeli um 10000 Plätze erweitert, obwohl die bestehenden 30000 mittlerweile nur noch zu zwei Dritteln benötigt werden. Und im neuen Letzigrund wird man das mit den Stehplätzen vorerst bleiben lassen; was nach der EM ist, wird sich zeigen.

Der Kommentierende der «SonntagsZeitung» lässt in seinem kurzen Text Krassimir Balakov, Trainer des Grasshopper Clubs, zu Wort kommen, der die Sache präzisiert: «Was jetzt läuft, ist perfekt für die Stimmung im Land vor der EM.» Als hätte jemand mit einem Stabilo Boss den Raum zwischen den Zeilen neongelb gefärbt, lesen wir sofort die versteckte Botschaft: Die Stimmung im Land vor der EM ist noch nicht gut genug! Im Gegenteil, sie ist eigentlich sehr schlecht! Wir erwarten führende Fussballnationen (zurzeit haben unter anderem Serbien, Finnland, Schottland, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Dänemark, Kroatien, Mazedonien, Israel und Nordirland gute Karten), sind Koveranstalter des drittgrössten Sportanlasses der Welt, wissen aber nichts Gescheiteres, als über Sicherheitskosten Marketingrechte und die Quellensteuer zu diskutieren. Wieso diese Miesmacherei? Wo bleibt der alles ausblendende Vorfreudentaumel?

Es ist jetzt November. Das Jahr hat uns seine letzten schönen Tage geschenkt, seine letzten wärmenden Sonnenstrahlen und in den schönsten Farben leuchtende Bäume. Es ist eine schöne Zeit, um eine Woche in den Luftschutzkeller zu gehen, in den Zivilschutz WK 11 Zusatzkurs Betreu San. Es ist schön, sich gegenseitig die Zähne zu putzen, die Arme zu waschen und Erwachsenenwindeln überzustreifen. Und es ist sehr interessant, wenn der Instruktor beim Referieren über Streetparade, Züri-Fäscht und andere Zivilschutz-relevante Themen plötzlich bei der EM landet. Und sich ins Feuer redet. «Es ist ganz klar gesetzlich geregelt, dass der Zivilschutz für Anlässe, die ausschliesslich gewinnorientiert sind, nicht aufgeboten werden kann», zischt der Mann, «und die Uefa kommt hierher mit dem Ziel, mehr als eine Milliarde zu verdienen.» Wir stehen da mit frisch geputzten Zähnen und staunen. «Und die zehn Millionen, die man uns weismachen will als Kosten für die 15000 Soldaten, die während des Turniers im Einsatz stehen werden? Da lache ich! Allein die Erwerbsersatzordnung macht für diese Anzahl Männer und diese Einsatzzeit 90 Millionen aus. Es wundert mich gar nicht, dass da gewisse Leute langsam kalte Füsse kriegen, wenn es darum geht, die Verträge zu unterschreiben.» Und dann das Schlussfurioso zur Quellensteuer: «Die Schweiz ist nicht Deutschland, meine Herren! Es darf in diesem Land nicht zweierlei Recht geben!»

Mein Zivilschutzinstruktor, das scheint mir an dieser Stelle wichtig, steht in keinster Art und Weise im Verdacht, Zyniker, Kabarettist, Hooligan oder linksgrüner Stadiongegner aus dem Hardturmquartier zu sein. Er ist ernsthaft, pflichtbewusst und vaterlandsliebend. Dass einer wie er der EM 2008 mit solcher Skepsis begegnet, kann nur einen Grund haben: Es läuft etwas schief.
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Beitrag von Dave »

WOZ 9.11.2006

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Antiautoritäre Pfeife

Der Philosoph und Publizist Klaus Theweleit hat vor zwei Jahren ein schönes Fussballbuch geschrieben, das «Tor zur Welt». Über seine Kindheitserinnerungen findet er darin zur Kritik des modernen Fussballs, und die zu lesen ist äusserst anregend. Bis auf einen Abschnitt. Der regt zwar auch an, aber zum Kopfschütteln.

Theweleit stört sich sehr am Menschenschlag des Fussballschiedsrichters, hält dessen autoritäres Gehabe und Ironiefreiheit für völlig verfehlt und überholt. In einem Interview mit dem (empfehlenswerten) deutschen Fussballmagazin «RUND» bekräftigt er nun seine Haltung. Damit steuert er seinen Teil bei zur auch hierzulande entfachten Diskussion über die zunehmende verbale und körperliche Gewalt auf Fussballplätzen.

Wer gelegentlich an einem Wochenende ein paar Stunden auf einem Fussballplatz verbringt oder am Rand eines solchen, weiss, dass die Berichte über ausrastende Spieler, aufhetzende Betreuer und verängstigte Unparteiische mehr sind als mediale Hysterie. Nicht, dass es immer passiert. Aber wenn es passiert, schnürt es einem ein bisschen die Kehle zu. Eine halbe Mannschaft Halbwüchsiger, die hinter dem Schiedsrichter herrennt, der Richtung Garderobe flüchtet. Was hat er falsch gemacht, der arme Mann? War er einfach zu streng, zu wenig nett?

Klaus Theweleit findet: «Warum soll der eine Spieler den anderen nicht u2039Arschlochu203A nennen oder u2039Bratwurstu203A? Das entspannt doch.» Ein «Pfeifenheini» in Richtung des Schiedsrichters untergrabe dessen Macht doch nicht. Bratwurst, Pfeifenheini - in welcher Welt lebt der Philosoph? Oder in welcher Stadt? Gerne würde ich Fussballspiele austragen an einem Ort, an dem «Bratwurst» zur gezielten Beleidigung eingesetzt wird. Ich würde mir sogar die Blut- und noch lieber die Leberwurst (kalt oder warm) gern gefallen lassen. Ich fürchte aber, heute wird nicht mehr gewurstet. Heute wird gefickt. Deine Mutter, deine Schwester. Oder mit dem Tod gedroht. Ich bring dich um, Mann.

Schiedsrichter, die Karten verteilen für Beleidigungen, offenbaren laut Theweleit ein «Denken, das aus Erziehungsanstalten kommt, aus Militärischem, aus Befehl und Gehorsam.» Also keine Karten verteilen, nie. Nett bleiben, locker bleiben, antiautoritär pfeifen. «Das war, mein Junge, eine kleine Grätsche von hinten. Ich persönlich finde das nicht gut, und wenn du genauso denkst, entschuldige dich doch bei deinem Gegenspieler.»

Vor Jahren führte ich ein Interview mit zwei Spielern des FC Luzern, Ivan Knez und Ludwig Kögl. Knez spielte später für Basel und Rapid Wied und steht nun bei Augsburg unter Vertrag. Der Bayer Kögl, 1987 Torschütze im Meistercupfinal gegen Porto (1:2, danke Madjer), hat seine Karriere beendet. Im Gespräch ging es unter anderem um ein Tor, das Knezu2019 und Kögls Teamkollege Agent Sawu gegen den FC Zürich erzielt hatte. Sawu hatte dabei dem Zürcher Keeper Shorumnu den Ball aus den Händen geschlagen und ins Tor befördert. Keiner der drei Unparteiischen hatte die Szene gesehen, es wurde trotz heftiger Proteste der Zürcher auf Tor entschieden. Ich wollte von den beiden Spielern wissen, ob niemand im Team der Luzerner daran gedacht hätte, die Unsportlichkeit zuzugeben. Knez und Kögl lächelten mitleidig. Ein abwegiger Gedanke.

Jahre später sass ich mit einem Kollegen beim Gespräch mit einem Spieler des FCZ. Der Klub hatte sich teuer verstärkt, spielte aber schlecht. Als einer der Hauptschuldigen wurde Augustine Simo ausgemacht. Wer den Kameruner rund um die Trainings beobachtete, merkte damals zweierlei: Simo ging es schlecht, und Simo war immer allein. Darauf angesprochen, meinte Simos Mitspieler, es könne schon sein, dass es dem schlecht gehe. Aber ihm selber gehe es manchmal auch nicht so gut, und da suche er eben Halt bei seinen Freunden und Verwandten. Gut, antworteten wir, aber Simo hat ja vielleicht nicht so viele Freunde und Verwandte hier. Da wäre doch Hilfe aus dem Team gefragt. «Ja», kam es zurück, «aber im Fussball muss halt jeder auch für sich selber schauen.»

In seinem ganzen Ärger über den Menschenschlag Schiedsrichter vergisst Klaus Theweleit offensichtlich, mit welchem Menschenschlag es der Schiedsrichter zu tun hat. Wenn Minderjährige im Rudel pöbeln, beleidigen oder gewalttätig werden, wenn Profis bereit sind, dem eigenen Profit nahezu alles unterzuordnen, hat das vielerlei Ursachen. Mangelnde Lockerheit des Schiedsrichters gehört, wenn überhaupt, nur peripher dazu.
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WOZ 16.11.2006

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Kohäsives Fahnenmeer

In einer Unterführung eines grossen Schweizer Bahnhofs hängt ein Plakat, auf dem steht: «Bilaterale stützen. Schweiz stärken. Ja zum Osthilfegesetz». Beim Osthilfegesetz, besser bekannt als Kohäsionsmilliarde, handelt es sich kurz gesagt um jenes Geld, von dem der neogrüne Museumsdirektor C. Mörgeli glaubt, es stehe ihm selber eher zu als einer ostslowakischen Bäuerin am Existenzminimum. Aber darum geht es nicht. Es geht um das Bild auf dem Plakat. Darauf ist eine grosse Anzahl wild wehender Schweizer Fahnen zu sehen. Das von zu viel Fussball verdorbene Auge erkennt sofort: Schweiz-Türkei, WM-Barrage, Stade de Suisse, Herbst 2005. Auf dem Plakat steht auch noch: «Besser für unser Land. CVP»

Das wirft doch Fragen auf. Warum wirbt die CVP mit Fussballfans dafür, sich anderen Ländern gegenüber grosszügig zu zeigen? Sind Fussballfans Sympathieträger, stehen sie für Offenheit, für internationale Solidarität? Für Geben statt Nehmen? Marianne Binder, Kommunikationschefin der CVP, reagiert am Telefon etwas verdutzt auf all die Fragen. Sie habe, gesteht sie, mit Fussball leider gar nicht viel am Hut (ein Gütesiegel, Frau Binder, spätestens seit der letzten WM). Was das Fahnenfoto sagen wolle, weiss Marianne Binder trotzdem: «Es geht um das Bild der Schweiz. Die Fahnen stehen für Dynamik, fürs Fansein von diesem Land.» Und wo sonst, fragt sie, würden so viele Emotionen frei wie beim Fussball?

Die Kampagne setze laut Binder bewusst auf die Farben des Landes, um den patriotischen Zugang nicht ausschliesslich jenen zu überlassen, «die glauben, wir können es allein schaffen». Zum Beispiel Ulrich Schlüer, der in einem überraschend trockenen Nebensatz Binders kurz sein Fett weg kriegt. Es ist nicht ganz einfach, die Kommunikationschefin weg von der Politik und zurück zum Kern unseres Gesprächs zu bringen: zum fragwürdigen Instrumentalisieren des Fussballs und dessen AnhängerInnen für politische Ziele. «Sie sprechen von Dynamik, Frau Binder,» versuche ich den Wiedereinstieg, «doch die von Ihnen verwendeten Fähnchen wurden damals zu Zehntausenden auf den Sitzen verteilt. Die Leute wurden vom Stadionsprecher aufgefordert, sie zu schwenken.» «Sie meinen, ein Fake?», fragt Frau Binder.

Fake ist ein harter Begriff. Wobei, beim genauen Hinsehen vielleicht doch nicht ganz falsch. Die Fähnchen nämlich trugen den Aufdruck der fünf Hauptsponsoren der Schweizer Nati. Der CVP-Grafiker hat die Logos aber allesamt wegretuschiert. Ein dickes Ding, nüchtern betrachtet: Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz. Von der Brisanz her eine «Blick»-Schlagzeile, nur zu lang.

«Sind Sie sicher, dass da Logos drauf waren?», fragt Marianne Binder zum Schluss. «Ja, denn oben rechts, da hat Ihr Grafiker welche vergessen. Man sieht noch die blauen Kästchen vom Sporttip», antworte ich. «Stimmt, ja. Bei mir am Computer sehen die aber grün aus.» «Das wäre dann Carlsberg. Aber es ist blau, ganz sicher. Es ist der Sporttip.»
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Beitrag von Dave »

WOZ 23.11.2006

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Wegwerfzubi

Nach der letzten Kolumne äusserten sich einige Leute zu den gesponsorten Schweizer Fahnen. Jemand meinte, der Satz «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz» müsste heissen «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von manipulierten Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz». Jemand anderes ging noch weiter und schlug vor: «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von manipulierten Menschen, die sich zwei Stunden lang aufführen, als wären sie Fussballfans, für ein Ja zum Osthilfegesetz». Es ist ein schöner Zug der deutschen Sprache, dass sie solche Ergänzungen bis ins Unendliche zulässt. Und ich unterstütze die beiden Änderungsvorschläge. Nach dem Länderspiel gegen Brasilien bin ich geneigt zu sagen: vor allem den zweiten.

«Weggis zu Gast in Basel», hiess das Motto der Begegnung im ausgebauten St. Jakob-Park. Lässige Leute aus allen Landesteilen waren gekommen, wie damals im Frühsommer am Vierwaldstättersee. Und wie damals waren sie bereit, tief in die Tasche zu greifen. Der SFV und die Schweizer Sportmedien hatten Spektakel versprochen. Sie konnten ihr Versprechen nicht halten. Das Spiel geriet zur Katastrophe. Die Brasilianer kümmerte es wie so oft wenig, dass man von ihnen Sambafussball erwartete, denn was Sambafussball ist, wissen nur wir hier in Europa. Die Brasilianer möchten einfach ihre Spiele gewinnen, so wie alle Mannschaften dieser Welt, und sie verfolgen ihr Ziel mit den Mitteln, die ihnen gerade zur Verfügung stehen. Aus der Hüfte kommt das immer seltener.

Die lässigen Leute im St. Jakob-Park wurden nun leider gleich doppelt enttäuscht. Denn auch die Schweizer Nati ist nicht mehr das, was sie vor kurzem noch war. Sie muss nun bis Juni 2008 kein Spiel mehr gewinnen, das schafft Platz für Hahnenkämpfe und sieht unansehnlich aus. Als Torhüter Pascal Zuberbühler irgendwann in der ersten Hälfte auf frivole Art einen Gegentreffer verschuldete, hatten die Sponsorenfahnenschwinger endlich eine Projektionsfläche für ihren Unmut: Zubi raus.

Zubi ist nicht Zoff. Aber Zubi hütete während Jahren das Tor von GC, dem FCB und der Nati. Wenn er wirklich so schlecht ist, wie er jetzt gemacht wird und wie seine missratenen Auslandeinsätze nahe legen, so heisst das vor allem etwas: Die andern sind noch schlechter. Der FCB hätte sich in seiner Champions-League-Umnachtung sofort einen besseren Schweizer Hüter geholt, gäbe es denn einen. Fabio Coltorti? Im Cupspiel gegen YF Juventus führte GC mit 4:0, ehe der Challenge-League-Schwanzklub noch dreimal traf und den Ausgleich nur wegen eines knappen Abseits verpasste. Beim ersten Tor schlug Coltorti über den Ball, die zwei andern landeten in der kurzen Ecke. Dino Benaglio? Wer kann glaubhaft versichern, ihn schon oft genug spielen gesehen zu haben beziehungsweise das Niveau der portugiesischen Liga fundiert einschätzen zu können?

Zubi ist ein Opfer eines Event-Mobs, der zahlt, um unterhalten zu werden, und wird er nicht unterhalten, rastet er aus. Als der FCB im Frühjahr bei YB 2:4 verlor und damit dem FCZ erst jenes denkwürdige Meisterschaftsfinale ermöglichte, sah Zubi wieder einmal nicht gut aus. Er begleitete einen Freistossball Hakan Yakins streichelnd ins Lattenkreuz. In der Pause auf dem Pissoir winselte ein stark betrunkener Basler Anhänger ein ergreifendes Klagelied auf den eigenen Goalie: «Es wird nie was mit ihm». Das war auch eine Zubi-Kritik. Aber sie war leise, verzweifelt, von Herzen. Sie war typisch für einen Klub-Fan. Die Baslerinnen und Basler haben viel gelitten mit ihrem Schlussmann, trotzdem gehörte er immer und entschieden zu ihnen. Ähnlich wars mit Pascolo beim FCZ. Was stand den Leuten das Herz still. Aber Pascolo war ihr Torhüter. Damit hatten sie zu leben.

Der klassische Fussballfan ist ein Anachronismus. Er trägt seit Jahren den selben Schal, statt sich jedes Jahr den neuen offiziellen zu kaufen. Er will lieber stehen für fünfzehn statt sitzen für fünfzig Franken. Er will nicht jede Saison 22 neue Spielernamen auswendig lernen. Er will am liebsten Stillstand, mindestens aber Kontinuität und Vertrautheit. Dafür ist er bereit, etwas zu geben: Geduld. Der lässige Sponsorenfahnenfan mit Weggiserfahrung hingegen ist der Fan von heute. Er kauft alles, was sie ihm anbieten, und wirft es schnell wieder weg. Auch wenns der eigene Goalie ist. Der Fan von heute konsumiert, Bo-Katzmann-Chor, Spacedream, Schweiz-Brasilien, Hauptsache mega. Das sieht man gern, in Muri bei Bern. Und dass der Fan von heute keine Leuchtfackeln reinschmuggelt, das sieht man noch lieber.
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Beitrag von Dave »

WOZ 30.11.2006

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Die Runde spricht zum Eckigen

Vergangenen Dienstag war in einer grossen Zürcher Buchhandlung Vernissage von «Die Nati. Die Geschichte der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft». Zur Lancierung des eben erschienenen Buches fand ein Podiumsgespräch statt: René Botteron, Nationalspieler in den siebziger und achtziger, Georges Bregy, Nationalspieler in den achtziger und neunziger, Paul Wolfisberg, Nati-Trainer in den achtziger und Gilbert Gress, Nati-Trainer in den neunziger Jahren bildeten die Runde. Es wurde ein heiterer Abend. Vor allem dank Gilbert Gress.

Der Elsässer, der Schweizer ist, war gekommen, die Leute zu unterhalten. Der Mann hat einen in der Szene dünn gesäten Witz, und es ist allen Berufsfussballern zu wünschen, dass er nie mehr an einer Seitenlinie steht, dafür umso öfter in Talkrunden sitzt. Vom Freundschaftsspiel Schweiz-Brasilien, so Gress, sei er sechzig Minuten lang enttäuscht gewesen: «Keine Ideen, kein Risiko ging von den Schweizern aus. Da muss man doch mal in die gegnerische Verteidigung reingehen, Freistösse rausholen, damit der Georges mal einen reinmacht.» Dann der Blick nach rechts, «oder hast du gegen Brasilien nicht gespielt, Georges?»

Georges schmunzelt. Und erzählt von USA u201994. Ob das stimme, dass der Roy Hodgson so ein gnadenloser Schleifer gewesen sein. «Nein, ich finde nicht. Aber einige im Team haben damals einfach nicht begriffen, dass wir an einer WM sind.» Und dann bringt Georges den mit dem Frühstück: «Am Abend assen die Frauen bei uns im Hotel. Als nach dem Essen die Pflege anstand, wollte Hodgson, dass die Frauen gehen. Es gab ein Riesentheater. Ich fand: Es ist WM, jetzt müssen die Frauen halt gehen, was solls. Die andern sahen das anders. Also blieben die Frauen. Am nächsten Morgen wollten sie mit uns frühstücken, doch es hatte nur Platz für das Team. Die Frauen mussten in die Bar zum Frühstück, und schon gabs wieder Terror. Am Ende mussten sie es dann noch selber bezahlen.» Bregy findet, man hätte für Deutschland 2006 viele Lehren ziehen können aus USA u201994 und Portugal 2004. Das sei eventuell nicht vollumfänglich geschehen. Später, beim Gläschen, erzählt er noch von denen, die 1994 vier Stunden in der Detroiter Mittagssonne gelegen und sich die Köpfe verbrannt hätten, «nur weil sie wussten, dass sie am nächsten Tag sowieso nicht spielen». Hodgson verbot darauf allen die Sonne. Bregy regt sich noch heute auf.

Botteron und «der Wolf» redeten etwas weniger, und es war nicht klar, ob sie sich an gewisse Momente nicht mehr erinnern konnten oder nicht mehr erinnern wollten. Ihre Analysen waren dafür angenehm sachlich. Botteron: «Man muss auch sehen, dass die Schweiz an dieser WM sehr viel Glück hatte. Gegen Togo hätten dem Gegner beim Stand von null zu null zwei Elfmeter zugesprochen werden müssen. Die Anzahl Punkte war gut an dieser WM, das fussballerische Niveau weniger.» Und der Wolf zu den Gründen für die stets verpasste Qualifikation: «Es gab damals nur ein Russland, nur ein Jugoslawien. Sowas wie Lettland gab es damals noch nicht. Und es kam nur einer pro Gruppe weiter.» Das stimmt, aber einer wie der Wolf muss sich nicht rechtfertigen. Er ist der einzige Natitrainer, der mittels Unterschriftensammlung von der Bevölkerung zum Rücktritt vom Rücktritt bewegt werden konnte.

Das steht in «Die Nati», und vieles mehr. Aufgrund einer gewissen Befangenheit kann ich mich nicht wertend zum Buch äussern. Ich kann es jedoch vorbehaltlos empfehlen, denn es ist das wohl beste je erschienene Schweizer Fussballbuch, eine umfassende historische Aufarbeitung und eine mit zahlreichen unbekannten Details ausgeschmückte kritische Würdigung der populärsten Sportmannschaft des Landes.

Die letzte Frage in die Runde war: Wer wird Nachfolger von Köbi Kuhn? Botteron: «Ich weiss es nicht.» Wolfisberg: «Keine Ahnung. Es gibt viele Anwärter.» Gress: «Georges und ich, wir sind zu haben.»
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Beitrag von Dave »

WOZ 7.12.2006

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Der Flächenbrand

Am 1. Januar 2007, also bald, tritt in der Schweiz das «Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit» in Kraft. Gewahrt werden muss die innere Sicherheit vor den Hooligans. Da wäre es sicher hilfreich, wüsste man, was ein Hooligan so treibt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte «20minuten» einen Text zu den geplanten neuen «Haftanstalten für Hooligans» im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008. Der Text war auf der einen Seite schräg abgefräst von einer wohl zum Rausreissen gedachten Anzeige für mietbares Wintersportmaterial, auf der andern bebildert mit einer Szene vom Meisterschaftsspiel FCZ - FCB vom 26. November. Auf dem Bild ist der Gästesektor im Stadion Hardturm zu sehen. Grob geschätzte dreizehn Leuchtfackeln lassen die Basler Kurve in einem grellroten Licht erscheinen. Fahnen werden geschwenkt. Auf einem Zaun, der die Tribünen vom Spielfeld trennt, sitzen zwei Menschen, die selber je eine Fackel in der Hand halten. Die Bildlegende lautet: «Die EM-08-Organisatoren wollen solche Szenen verhindern.» Daneben, klein gedruckt: Keystone.

Bei der Fotoagentur Keystone gibt man mir freundlich Auskunft auf die Frage, unter welchen Schlagwörtern das betreffende Bild abgelegt ist: Fussball, Fans, Petarden, FCZ, FCB, Axpo Super League. Der «Hooligan» gehört nicht dazu. «20minuten» ist demnach selber auf die Idee gekommen, dieses Bild untermale den Inhalt des Textes am besten.

Ich frage den zuständigen Bildredaktor, ob jene, die auf diesem Bild zu sehen sind oder deren Werk das Bild zeigt, Hooligans seien. Sie gehörten ganz sicher dazu, antwortet er. Sind also Hooligans solche, die Feuerwerk zünden? Diese Fackeln seien in Fussballstadien verboten, kommt es zurück. Sind denn die Leute, die diesen Sommer im Kanton Zürich trotz Feuerwerkverbot Feuerwerk zündeten, auch Hooligans? Auf diese Frage antwortet der Bildredaktor, der dieses Bild ausgewählt hat, nicht mehr. Er erklärt dafür, er habe keine Zeit, mit mir zu telefonieren. Das kann man nachvollziehen, denn es hat wirklich viele Bilder in «20minuten», da ist ein Bildredaktor gefordert, Tag für Tag. Er klang aber nicht nur so, als hätte er keine Zeit, sich eingehender zu erklären, sondern auch keine Lust.

Ich habe immer gedacht, ein Hooligan sei einer, der zuschlage. Aber wahrscheinlich war das früher so. Heute muss man nicht mehr zuschlagen, um ein Hooligan zu sein. Heute ist es viel leichter, Hooligan zu werden, und darum gibt es auch immer mehr. Kein Wunder, liest man nun dauernd von ihnen in der Zeitung. Sie füllen ja inzwischen ganze Gästesektoren. So aberwitzig viele sind es, dass wir neue Gesetze brauchen, um der Lage Herr zu werden. Sorry Feinstaub, die Hools zuerst!

Wenn ab Januar 2007 Fussballfans, die sich knapp oder völlig daneben verhalten, in der Hooligandatenbank HOOGAN landen, gehören nun auch Feuerwerklerinnen und Zeuseler dazu. Im Gesetzestext wird «gewalttätiges Verhalten» explizit auf das «Mitführen oder die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen oder ähnlichem in geschlossenen Räumen wie Stadien oder Sporthallen ausgedehnt.» Die Fackeln sind heiss, und wer sie trotz Verbot aus kurvenästhetischen Gründen zünden will und dabei erwischt wird, kassiert Busse und Stadionverbot. Und braucht sich nicht zu beklagen. Steht er deswegen aber auf einer Stufe mit jemandem, der einem am Boden Liegenden ins Gesicht tritt? Gehören die beiden in die selbe Datenbank? In den selben EM-Knast? Neben den selben «20minuten»-Text?

Kommentare und Reaktionen zu dieser Kolumne bitte an: sport@woz.ch
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nogomet
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Beitrag von nogomet »

Dave hat geschrieben: Die letzte Frage in die Runde war: Wer wird Nachfolger von Köbi Kuhn? Botteron: «Ich weiss es nicht.» Wolfisberg: «Keine Ahnung. Es gibt viele Anwärter.» Gress: «Georges und ich, wir sind zu haben.»
hilfe!!!
Der Kapitalist ist nicht mehr der einsame Geizhals, der sich an den verbotenen Schatz klammert und ab und zu im stillen Kämmerlein hinter der fest verschlossenen Tür einen verstohlenen Blick darauf wirft, sondern ein Subjekt, welches das grundsätzliche Paradox akzeptiert, dass die einzige Art und Weise, den eigenen Schatz zu bewahren und zu vermehren, darun besteht, ihn auszugeben.

[RIGHT]Slavoj Zizek[/RIGHT]

John_Clark
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Beitrag von John_Clark »

nogomet hat geschrieben:hilfe!!!
Gress und Bregy.. könnte was werden..

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moulegou
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Beitrag von moulegou »

John_Clark hat geschrieben:Gress und Bregy.. könnte was werden..
Weiss nicht. Frag mal Taratonga.

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Gryff
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Beitrag von Gryff »

moulegou hat geschrieben:Weiss nicht. Frag mal Taratonga.
sektion "samichlous"... :D
AN DIE SÄCKE!

mimpfeli
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Beitrag von mimpfeli »

Gryff hat geschrieben:sektion "samichlous"... :D
...Chlapf an Chübu :D

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Gryff
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Beitrag von Gryff »

mimpfeli hat geschrieben:...Chlapf an Chübu :D
do kunnt mr dä alti fred in sinn - wie isch das scho wieder gange: spermachübu, oder? :D
AN DIE SÄCKE!

mimpfeli
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Beitrag von mimpfeli »

Gryff hat geschrieben:do kunnt mr dä alti fred in sinn - wie isch das scho wieder gange: spermachübu, oder? :D
Jo genau :D :D

Rotblau
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Beitrag von Rotblau »

Dave hat geschrieben: der Kapitän ein Junge aus dem Quartier, der sich aus einem Millionenvertrag bei Torino herausgekauft hat, um eine Liga tiefer für seinen geliebten Verein, für sein Livorno zu spielen.
Wieder ein typischer Bericht der WoZ, die sehr gerne die Wahrheit verdreht. Es ist ja rührend, wie Luccarelli, der Junge aus dem Quartier, sich 10 Jahre lang mit der A.S. Livorno Calcio identifiziert hat.

Wer an meinen Worten zweifelt, hier gibt's Infos über ihn:
http://www.lequipe.fr/Football/Football ... r5729.html

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Dave
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Beitrag von Dave »

WOZ 14.12.2006

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Endlich ist Winterpause, endlich ist es kalt. Die «Schweden-Schnitte» Freddie Ljungberg (O-Ton die «Bunte») lächelt uns in den Unterhosen unter einer Frau liegend von Plakatwänden entgegen. Zeit, den Ernst des Ligaalltags hinter uns zu lassen und uns dem Leichten zuzuwenden.

Ein befreundeter Musikjournalist mit einer Schwäche für Leeds United erzählte mir neulich von Half Man Half Biscuit. Die seit den frühen achtziger Jahren bestehende Band aus Birkenhead, England, habe einst einen prestigeträchtigen Auftritt in einer grossen englischen TV-Musiksendung abgesagt, weil am selben Abend ihr Verein, die Tranmere Rovers, ein Heimspiel hatte. Nachforschungen zu dieser Legende ergaben, dass der Sender Channel 4 der Band sogar angeboten hatte, sie nach dem Auftritt per Helikopter von London nach Birkenhead zu fliegen. Half Man Half Biscuit lehnten ab.

Birkenhead liegt bei Liverpool, am andern Ufer des Mersey. Für die Tranmere Rovers interessiert sich in der Regel kaum jemand ausserhalb Birkenheads, mit Ausnahme einiger Leserinnen und Leser von Hooliganbüchern, die selbst bei niederschwelligen Leseangeboten Wert auf ein Mindestmass an Qualität legen (Kevin Sampson: Awaydays/Auswärtsspiele). Half Man Half Biscuit halten zu ihrem Verein, mit allen karrieretechnischen Konsequenzen. Was jenseits des Mersey in Anfield oder Goodison gespielt wird, geht sie nichts an.

Die Verbindung von Pop und Fussball auf der Insel ist verblüffend. Und ergreifend, handelt es sich bei den meisten von Popgrössen umgarnten Vereinen doch um ewige Verlierer oder traurige Unterligisten. Robbie Williams liebt Port Vale (derzeit Zwölfter der dritthöchsten englischen Spielklasse), weigert sich aber, beim Club als Geldgeber einzusteigen, weil er fürchtet, so sein Fandasein aufs Spiel zu setzen. Fatboy Slim ist mit seinem Plattenlabel Skint seit Jahren Trikotsponsor von Brighton & Hove Albion, wo als Stadionsprecher der Punkpoet Attila the Stockbroker amtet. Dass Elton John nicht Chelsea, sondern Watford und die Gallagher-Brüder von Oasis nicht ManU, sondern ManCity unterstützen, ist bekannt.

Geradezu legendär ist die Hingabe des Iron-Maiden-Bassisten Steve Harris für West Ham United, für die er einst als Junior spielte. 1986, im Palais de Beaulieu in Lausanne, wollte ich selber eines der beiden West-Ham-Schweissbänder ergattern, die Harris nach den Konzerten jeweils in die Menge warf. Kiloweise Nieten und meterlanges ungepflegtes Haar standen dem Vorhaben damals im Weg. Iron-Maiden-Konzerte weisen überdies eine erstaunliche Parallelität zu Fussballspielen auf: Während wir im Stadion auf ein Tor warten und es auf keinen Fall verpassen dürfen, denn vielleicht fällt ja nur eines, warten Iron-Maiden-Fans ein Konzert lang auf Eddie, das Bandmonster, bekannt von unzähligen Plattencovern und schwarzen T-Shirts. Eddie betritt irgendwann in Übergrösse die Bühne, an jedem Konzert, auf jeder Tournee. Doch niemand weiss, bei welchem Song. Da gilt: ausharren. Ein guter Freund und einstiger Metal-Weggefährte war dabei, als Iron Maiden vor wenigen Tagen im ausverkauften Zürcher Hallenstadion spielten. Ich fragte ihn: «Wann kam Eddie?» Seine Antwort: «Ich habe ihn nicht gesehen, ich war gerade auf der Toilette.» Das ist Pech, und wer in Fussballangelegenheiten etwas zum Phänomen der Toilettentore lesen will, dem sei Roddy Doyles «Republic Is a Beautiful Word» empfohlen. Es war 1990, und wenn Irland nicht traf, schickten sie Roddy pinkeln.

In der Schweiz will sich der Pop nicht die Finger verbrennen am Fussball. Zwar wurde in den vergangenen zwei Jahren viel zum Thema gesungen, aber stets gings um die Nati. Ob bei Plüsch («I setze alls», 2004), Baschi oder Gimma, die Songs sind für alle da, so man sie denn erträgt. Unverhohlen für einen Club einzustehen, getrauen sich in der Schweiz nur lokale Grössen (Radio 200000 für den FCZ, Vanilla Muffins für den FCB, Jack Stoiker für den FCSG). Die einzige Band von städteübergreifender Ausstrahlung, die zu einem Verein steht und ihn sogar besingt, ist Züri West («Hütt hei sie wieder mau gwunne»). Der Rest schweigt. Vielleicht fürchtet man sich, beim Bejubeln der einen die Fans der andern zu vergraulen. Oder der Schweizer Klubfussball interessiert die hiesigen Showgrössen zu wenig. Das würde auch erklären, weshalb im Hardturm vor wenigen Jahren Hubert Kah («Sternenhimmel») per Lautsprecherdurchsage als Tribünengast begrüsst wurde. Wer so tief in der Mottenkiste der Neuen Deutschen Welle wühlen muss, dem fehlt es wohl an einheimischem Glamour.

Es müssen ja nicht alle dem Beispiel des wendigen Unterhaltungsmusikers Nöggi folgen, der das Kunststück fertig brachte, eine Single für den FC Zürich-Affoltern («Mir sind vom FCA») und eine für GC («GC günnt») aufzunehmen, um danach an der Cupfeier des FCZ aufzuspielen. Aber etwas mehr Pop in den verstaubten Ehrenlogen wäre durchaus wünschenswert. Und sollte sich Sina dereinst ihrer Sion-Schweissbänder entledigen, ich stünde bereit.

(Hinweise auf hier nicht genannte Musikerinnen und Musiker, die sich klar zu einem Schweizer Klub bekennen, bitte per Mail an sport@woz.ch.)
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Beitrag von Dave »

WOZ 21.12.2006

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Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen erhalte ich jedes Jahr zu Weihnachten von der Fifa eine Neujahrskarte. Diesmal stand drauf: «2006 - Make the world a better place». Während andere sich etwas vornehmen fürs neue Jahr, blickt die Fifa zurück aufs alte. Würde ich vielleicht auch, wenn ich von mir sagen könnte, die Welt verbessert zu haben. Unterschrieben ist die Karte von Joseph S. Blatter, President, und Urs Linsi, General Secretary. Pfundskerle. Die tun was!

Sepp Blatter ist mir diesen Herbst begegnet. Wir hatten eben Platz genommen in diesem guten, kleinen Restaurant in Chisinau, Moldawien, vier Männer an Hackbrett, Klarinette, Geige und Akkordeon spielten sehr gute Musik, da blickte ich hoch zur Wand, und da war er. Eingerahmt und hinter Glas stand er am besten Tisch des Lokals, stiess genüsslich den Rauch einer Zigarette oder Zigarre aus, versuchte sich gar in einem Rauchringlein, und seine Stirn und Wangen leuchteten rot. Der Wirt stand neben ihm, stolz und glücklich über den prominenten Gast, und am Tisch sass Guido Tognoni, damals Blatters rechte Hand, und blickte bewundernd zu seinem Chef hoch. Ein Bild der Freude, der Ausgelassenheit. Sepp in Moldawien. Wer die Welt verbessert, kann auch mal eine rauchen, zwischendurch.

Zwei Tage vorher waren wir mit Nicoletta und Oleg, einem Paar aus Chisinau, am EM-Qualifikationsspiel Moldawien-Bosnien. Ein gutes Spiel, 2:2, Moldawiens erster Punkt. In der Pause auf der Toilette stand ich neben einem Mann in roter Wintersportjacke. Als er ging, las ich auf seinem Rücken «Ski- und Snowboardschule Lenk». Die Texaid-Sektion Bern erfüllt ihre Pflicht gewissenhaft. Nach dem Schlusspfiff führten uns die Einheimischen aus, zu Bier, Auberginen und Käse, und erklärten uns den moldawischen Fussball.

Moldawien, einst Sowjetrepublik, steckt seit der Unabhängigkeit in Sezessionswirren. Die Teilrepublik Transnistrien hat sich abgespalten, fährt einen ultrakommunistischen Kurs, der ultrakapitalistische Blüten treibt, und geniesst den Feuerschutz Russlands. Transnistriens Wirtschaft wird vom russischen Smirnoff-Clan kontrolliert, dessen Firma - Sheriff - sich so ziemlich alles unter den Nagel gerissen hat, was Geld und Ruhm verspricht. Sheriff heissen die Tankstellen, Sheriff heisst der Supermarkt, Sheriff heisst der Fussballklub, Sheriff heisst das Stadion (wer es fotografieren will, braucht die Bewilligung des Direktors, wer die Bewilligung des Direktors will, einen Termin). Der FC Sheriff spielt, aus Mangel an ernst zu nehmender transnistrischer Konkurrenz, in Moldawiens Liga und ist Serienmeister. Dem Moldawischen Verband waren lange die Hände gebunden. Weil das Nationalstadion in Chisinau zwar wunderschön, aber nach Fifa-Richtlinien veraltet ist, mussten die Spiele des Nationalteams im modernen Sheriff-Stadion in Tiraspol ausgetragen werden. Im Gegenzug machte sich der FC Sheriff in der Liga des verhassten Moldawien breit.

Erst seit April 2006 steht nun auch in der Hauptstadt Chisinau ein Stadion nach Fifa-Norm. Es könnte überall in Europa stehen, wären da nicht die Wohnsilos sowjetischer Prägung, von deren Fenstern aus die Bewohner einen tadellosen Blick aufs Geschehen haben. Oleg und Nicoletta zuckten mit den Schultern auf die Frage, wie es weitergeht. Der Fussball ist nicht Moldawiens zentrales Anliegen. Viel schwerer wiegt Russlands Importstopp für moldawischen Wein, angeblich aufgrund hygienischer Mängel, tatsächlich aber ein Druckmittel in der Transnistrienfrage. Das nationale Weinfest, das am Tag des Länderspiels stattfand, sei diesmal eine triste Angelegenheit, meinte Oleg. Verkaufen könne ja sowieso keiner was. Dem versuchten wir entgegenzuwirken, so lange wir dort waren, und kauften von den besten Tropfen viele Flaschen. Es half aber natürlich nichts.

Die Zeitung «Sport plus» berichtete am Tag nach dem Spiel, der FC Sheriff ziehe seine Spieler nun aus dem Nationalteam ab. Die Gründe: schleierhaft. Russland lockerte einige Wochen später die Importbestimmungen auf moldawische Agrarprodukte, doch die Drohung bleibt.

Sepp Blatter hat es nicht gerne, wenn die Politik in den Fussball greift, dann wird er ranzig. Das mussten die Türkei, Iran und Griechenland in diesem Jahr erfahren, und sicher waren sie dankbar für die Zurechtweisung, denn schliesslich verbesserte es die Welt. Den moldawischen Fussball berührt die Politik nicht. Der moldawische Fussball ist Politik. Das hat Sepp vielleicht noch nicht gemerkt, obwohl er da war, in Moldawien, in diesem Restaurant. Was auch immer er da geraucht hat.
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Beitrag von Dave »

WOZ 4.1.2007

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Neujahr, mittags um Viertel vor zwei. Im kleinen Pub im Zürcher Niederdorf sitzen zwei junge englische Paare, die Frauen trinken Alcopops, die Männer Lager. An der Bar stehen zwei junge Engländer, ebenfalls Lager. Am Ecktisch sitzt ein grauhaariger Engländer um die fünfzig, Lager, bei ihm eine jüngere osteuropäische Frau, Kaffee, mit ihrer kleinen Tochter, die etwas malt und nichts trinkt. Draussen regnet es. Der ältere Engländer wird sich im Verlauf der nächsten zwei Stunden sehr oft erheben und sich wieder setzen, gestikulieren und rüde Schimpfwörter von sich geben. Dazwischen wird er in Rekordtempo einen Teller Fish and Chips essen und mit dem letzten Bissen im Mund einen Kaffee bestellen. Und dann schnell eine rauchen. Auf vier im Lokal verteilten Bildschirmen pfeift der Schiedsrichter die erste von acht Neujahrspartien der Englischen Premierleague an: Liverpool - Bolton Wanderers. Bei Liverpool spielte einst der Schweizer Stéphane Henchoz an der Seite Sami Hyypiäs in der Innenverteidigung. Hyypiä durfte bleiben. Für Henchoz spielt jetzt Jamie Carragher.

In England werden auch dann Vollrunden gespielt, wenn der Rest der Welt seinen Kater ausschläft. Liverpool und Bolton sind meine zwei Teams auf der Insel. Liverpool seit dem Meistercupfinale 1984, als Torhüter Bruce Grobbelaar im Penaltyschiessen mit seinen «Spaghetti-Beinen» die Römer zum Wahnsinn trieb (was Grobbelaars Nachfolger Jerzy Dudek 2005 gegen die AC Milan erfolgreich kopierte). Auf einer Reise nach London durfte ich mir kurz darauf bei Marks and Spencer ein Liverpool-Trikot kaufen, das mir dank Umbros Stretch-Fasern heute noch passt.

Die Bolton Wanderers tragen «Wanderers» im Namen, weil sie zur Gründungszeit noch kein Stadion hatten und deshalb stets auf der Suche waren nach einem eignen Spielfeld. Bolton packte mich wegen ein paar Freunden, die dort wohnen und die ich seit fünfzehn Jahren regelmässig besuche. Bolton ist eine grosse Stadt, die niemand kennt und gemäss meinen Freunden auch niemand kennen muss. 2001 war ich kurz davor, die Wanderer zum ersten Mal live zu sehen, auswärts bei Crewe Alexandra. Wir verweilten kurz an Crewes Bahnhof, der damaligen «Station of the year», und dachten, was für eine lobenswerte Auszeichnung das doch sei - Bahnhof des Jahres -, und dass Winterthur diesen Preis wohl nie gewinnen würde. Dann machten wir uns bei strömendem Regen auf zum kleinen Stadion des alten Eisenbahnervereins. Es war niemand da, dafür alles sehr nass. Der unerhört seltene Fall war eingetreten, dass in England ein Spiel wegen Regens abgesagt wurde. Wir fanden auf dem Rückweg dann die Bolton Fans, ebenfalls vergebens angereist, dumme Lieder singend in einem Pub. Ich fühlte mich nicht sehr verbunden.

Zwei Jahre später war es so weit, das FA-Cup-Spiel gegen Sunderland im heimischen Reebok-Stadium, einem der frühesten Beispiele für den Verkauf des Stadionnamens zu kommerziellen Zwecken. Es war ein furchtbares Spiel für rund sechzig Franken mit kaum Heimfans, dafür eine rot-weisse Wand aus Sunderland, die bei jedem Pieps der vierzehn Bolton-Ultras sangen «What the fucking, what the fucking, what the fucking hell was that?» - eine Demütigung sondergleichen. Am Ende stand es 1:1, was im FA-Cup ein Wiederholungsspiel bedeutet. Die Leute hatten sechzig Franken bezahlt für eine sinnlose Partie. Es schien niemanden zu kümmern. Ich hielt trotz allem zu Bolton, dem traurigsten Verein aus der überflüssigsten Stadt.

Das Neujahrsspiel gegen Liverpool ist lange ein Graus, bis zur Pause hat Liverpool einmal aufs Tor geschossen, Bolton nie (laut Statistikeinblendung), bis dann nach einer Stunde Liverpool mit zwei Toren innert 60 Sekunden alles Vorherige vergessen macht. Zweimal leistet der im Pub sehr unbeliebte Holländer Kuyt grossartige Vorarbeit, zweimal vollenden Crouch und Gerrard volley. Die zwei Engländerinnen und fünf Engländer jubeln, die Osteuropäerin und ihre Tochter lachen. Als Kuyt noch ein drittes Tor schiesst, raunzt mich der ältere Engländer an: «Für welches Team bist du?» Ich spüre eine gewisse Unbehaglichkeit in mir aufkommen und eine plötzliche Unvereinbarkeit der zwei Herzen in meiner Brust. Und verrate mein Bolton, auch ohne zu lügen: «Liverpool». «Brillant», sagt der Mann, «Iu2019m Jamie Carragheru2019s Dad.» Ich hatte zwei Stunden geschlafen und schaute kurz in mein zweites leeres Glas Guinness. Dann wieder zum Engländer. «Glaubst du mir nicht? Du kannst jeden fragen hier drin.» Alle nicken. Was er denn in Zürich mache, frage ich ihn. Sein Akzent ist die Hölle, doch es hat mit der Frau zu tun, so viel steht fest. Am 3. Januar fliege er heim, sagt er. Wohin heim, nach Liverpool? «Sicher, wohin denn sonst? Und übrigens: Ich bin Philly. Gib mir deine Adresse, und ich schicke dir was von meinem Sohn.» Zu Hause durchstöbere ich Jamie Carraghers Biografie. Vater Philly führte einst ein Pub in der Nähe der Liverpooler Docks. Vorbestraft, Knasterfahrung. Ein Bild finde ich nicht.


Anmerkung der Redaktion: Jamie Carragher, 28, ist englischer Nationalspieler und spielt seit seiner Jugend beim FC Liverpool.
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STEVIE GERRARD
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Beitrag von STEVIE GERRARD »

geiler artikel. soviel ich weiss hat carra's dad in england mal stadionverbot gehabt.

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Supersonic
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Beitrag von Supersonic »

Hat er immer noch, aber das kümmert ihn nicht. Ist bei (fast) jedem Spiel dabei.
Was Bolton betrifft kann ich nur zustimmen. Eine wirklich überflüssige Stadt mit einem verdammt überflüssigem Verein. Aber in dieser Gegend trägt sowieso jeder blau oder rot...
ZANNI RAUS

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Falcão
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Beitrag von Falcão »

Dave hat geschrieben:WOZ 21.12.2006

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Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen erhalte ich jedes Jahr zu Weihnachten von der Fifa eine Neujahrskarte. Diesmal stand drauf: «2006 - Make the world a better place». Während andere sich etwas vornehmen fürs neue Jahr, blickt die Fifa zurück aufs alte. Würde ich vielleicht auch, wenn ich von mir sagen könnte, die Welt verbessert zu haben. Unterschrieben ist die Karte von Joseph S. Blatter, President, und Urs Linsi, General Secretary. Pfundskerle. Die tun was!

Sepp Blatter ist mir diesen Herbst begegnet. Wir hatten eben Platz genommen in diesem guten, kleinen Restaurant in Chisinau, Moldawien, vier Männer an Hackbrett, Klarinette, Geige und Akkordeon spielten sehr gute Musik, da blickte ich hoch zur Wand, und da war er. Eingerahmt und hinter Glas stand er am besten Tisch des Lokals, stiess genüsslich den Rauch einer Zigarette oder Zigarre aus, versuchte sich gar in einem Rauchringlein, und seine Stirn und Wangen leuchteten rot. Der Wirt stand neben ihm, stolz und glücklich über den prominenten Gast, und am Tisch sass Guido Tognoni, damals Blatters rechte Hand, und blickte bewundernd zu seinem Chef hoch. Ein Bild der Freude, der Ausgelassenheit. Sepp in Moldawien. Wer die Welt verbessert, kann auch mal eine rauchen, zwischendurch.

Zwei Tage vorher waren wir mit Nicoletta und Oleg, einem Paar aus Chisinau, am EM-Qualifikationsspiel Moldawien-Bosnien. Ein gutes Spiel, 2:2, Moldawiens erster Punkt. In der Pause auf der Toilette stand ich neben einem Mann in roter Wintersportjacke. Als er ging, las ich auf seinem Rücken «Ski- und Snowboardschule Lenk». Die Texaid-Sektion Bern erfüllt ihre Pflicht gewissenhaft. Nach dem Schlusspfiff führten uns die Einheimischen aus, zu Bier, Auberginen und Käse, und erklärten uns den moldawischen Fussball.

Moldawien, einst Sowjetrepublik, steckt seit der Unabhängigkeit in Sezessionswirren. Die Teilrepublik Transnistrien hat sich abgespalten, fährt einen ultrakommunistischen Kurs, der ultrakapitalistische Blüten treibt, und geniesst den Feuerschutz Russlands. Transnistriens Wirtschaft wird vom russischen Smirnoff-Clan kontrolliert, dessen Firma - Sheriff - sich so ziemlich alles unter den Nagel gerissen hat, was Geld und Ruhm verspricht. Sheriff heissen die Tankstellen, Sheriff heisst der Supermarkt, Sheriff heisst der Fussballklub, Sheriff heisst das Stadion (wer es fotografieren will, braucht die Bewilligung des Direktors, wer die Bewilligung des Direktors will, einen Termin). Der FC Sheriff spielt, aus Mangel an ernst zu nehmender transnistrischer Konkurrenz, in Moldawiens Liga und ist Serienmeister. Dem Moldawischen Verband waren lange die Hände gebunden. Weil das Nationalstadion in Chisinau zwar wunderschön, aber nach Fifa-Richtlinien veraltet ist, mussten die Spiele des Nationalteams im modernen Sheriff-Stadion in Tiraspol ausgetragen werden. Im Gegenzug machte sich der FC Sheriff in der Liga des verhassten Moldawien breit.

Erst seit April 2006 steht nun auch in der Hauptstadt Chisinau ein Stadion nach Fifa-Norm. Es könnte überall in Europa stehen, wären da nicht die Wohnsilos sowjetischer Prägung, von deren Fenstern aus die Bewohner einen tadellosen Blick aufs Geschehen haben. Oleg und Nicoletta zuckten mit den Schultern auf die Frage, wie es weitergeht. Der Fussball ist nicht Moldawiens zentrales Anliegen. Viel schwerer wiegt Russlands Importstopp für moldawischen Wein, angeblich aufgrund hygienischer Mängel, tatsächlich aber ein Druckmittel in der Transnistrienfrage. Das nationale Weinfest, das am Tag des Länderspiels stattfand, sei diesmal eine triste Angelegenheit, meinte Oleg. Verkaufen könne ja sowieso keiner was. Dem versuchten wir entgegenzuwirken, so lange wir dort waren, und kauften von den besten Tropfen viele Flaschen. Es half aber natürlich nichts.

Die Zeitung «Sport plus» berichtete am Tag nach dem Spiel, der FC Sheriff ziehe seine Spieler nun aus dem Nationalteam ab. Die Gründe: schleierhaft. Russland lockerte einige Wochen später die Importbestimmungen auf moldawische Agrarprodukte, doch die Drohung bleibt.

Sepp Blatter hat es nicht gerne, wenn die Politik in den Fussball greift, dann wird er ranzig. Das mussten die Türkei, Iran und Griechenland in diesem Jahr erfahren, und sicher waren sie dankbar für die Zurechtweisung, denn schliesslich verbesserte es die Welt. Den moldawischen Fussball berührt die Politik nicht. Der moldawische Fussball ist Politik. Das hat Sepp vielleicht noch nicht gemerkt, obwohl er da war, in Moldawien, in diesem Restaurant. Was auch immer er da geraucht hat.
Sensationell geschrieben

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Falcão
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Beitrag von Falcão »

Supersonic hat geschrieben:Hat er immer noch, aber das kümmert ihn nicht. Ist bei (fast) jedem Spiel dabei.
Was Bolton betrifft kann ich nur zustimmen. Eine wirklich überflüssige Stadt mit einem verdammt überflüssigem Verein. Aber in dieser Gegend trägt sowieso jeder blau oder rot...
blau-weiss hast du vergessen.
Blackburn ist auch dort, eine weitere überflüssige stadt beim grossen Liverpool.

PS: war Papa Carra auch an der Zeugung eines gewissen Craig B. beteiligt ?
Gewisse wutausbrüche auf dem feld liessen fast darauf schliessen ;)

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Supersonic
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Beitrag von Supersonic »

Falcão hat geschrieben:blau-weiss hast du vergessen.
Blackburn ist auch dort, eine weitere überflüssige stadt beim grossen Liverpool.
Ääh ich glaub du verwechselst da was. Bolton ist in der Region um Manchester. Mit Blau und Rot meinte ich City respektive United. ;) Wobei es in der Region auch noch andere kleiner Clubs mit rel. grosser Anhängerschaft gibt.
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Shanks
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Beitrag von Shanks »

Dave hat geschrieben:«Und übrigens: Ich bin Philly. Gib mir deine Adresse, und ich schicke dir was von meinem Sohn.»
Hat er mir auch schon versprochen... aber vermutlich die Adresse verloren... lernte ihn mal auf einer Auswärtsfahrt nach Nottingham kennen. JC's Dad geniesst Kultstatus bei den Kopites, nicht zuletzt, weil er Johnny Cashs "Ring of Fire" unter den Supporters populär machte - spätestens in Istanbul im Mai 2005.
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Beitrag von Supersonic »

Shanks hat geschrieben:Hat er mir auch schon versprochen... aber vermutlich die Adresse verloren...
Oder aber er hatte schlichtweg keinen Bock drauf. Wäre mal wieder typisch Scousers. ;)
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nobilissa
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Beitrag von nobilissa »


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Beitrag von IP-Lotto »

nobilissa hat geschrieben:11.Jan.07
http://www.woz.ch/dossier/knapp_daneben/14334.html
Merci nobilissa, aber das gehört unbedingt hier reinkopiert!
Pascal Claude, WoZ vom 11.1.2007 hat geschrieben: Der Hausbesuch

Der englische «Guardian» pflegt auf seiner Online-Fussballseite eine sehr sinnlose und sehr schöne Rubrik namens «The Knowledge». Hier sammelt sich das unnütze Wissen von Britanniens und oft auch Europas Fussballgemeinde. Leserinnen und Leser senden der Redaktion Fragen, Leserinnen und Leser antworten. Vor einiger Zeit war einem Fussballfan aus Cardiff während der Partie Wales - Russland aufgefallen, dass die im Fernsehen eingeblendeten Abkürzungen WAL-RUS zusammen ein Tier ergeben, das englische Walross. Er fragte nun via «The Knowledge», ob jemand noch weitere Beispiele für Tiernamen kenne, die sich aus den Abkürzungen von Länderspielgegnern ergeben. Und bekam tatsächlich eine Antwort: «Sollten Belgien und Uganda je gegeneinander antreten, hätten wir den BEL-UGA».

Aktuell wird in «The Knowledge» die Frage behandelt, ob Fussballfan zu sein gesundheitsschädigend ist. Vom fragenden Iren und den Antwortenden werden diverse seriöse Studien zitiert, die allesamt zum Ergebnis kommen: Ja - zumindest auf die Dauer. In den Regionen Newcastle/Sunderland und Leeds wurde nach Niederlagen des Heimteams eine deutliche Zunahme von Herzattacken festgestellt. In Florenz kommt es nach Niederlagen der Fiorentina zu einer signifikanten Häufung von Magenbeschwerden, betroffen sind grösstenteils Männer. Nach dem WM-Finale 1994 zwischen Italien und Brasilien stiegen die Testosteronwerte der Brasilianer um 20 Prozent, während jene der italienischen Anhänger um den gleichen Wert sanken. Ein englischer Arzt hat festgestellt, Fussball zu schauen schade den Augen.

Nachdem ich all dies erfahren hatte, freute ich mich über die Schlagzeile in der Sonntagspresse, wonach man Fussballfans in der Schweiz fortan Hausbesuche abstatten will. Doch dann malte die Druckerschwärze dunkle Wolken an den Himmel. Es geht gar nicht um die Gesundheit der Fans. Und es werden auch keine Ärztinnen und Ärzte sein, die plötzlich vor der Tür stehen, zuhause oder am Arbeitsort. Sondern die Polizei.

In Deutschland, so ist zu lesen, hätte man sehr gute Erfahrungen gemacht mit der «Gefährdeansprache», wie es im Fachjargon heisst. Polizisten in Zivil besuchen Fussballfans, die in einer zentralen Datei gespeichert sind, und sagen ihnen vor ihren Eltern, Ehefrauen, Kindern oder ArbeitgeberInnen: «Hallo Hans. Wir kennen dich. Pass auf, was du tust an der WM.» Das will man in der Schweiz nun auch tun auf die Euro 2008 hin, jetzt, wo man mit der HOOGAN-Datenbank das nötige Instrument dazu hat.

In einer der schätzungsweise 134 Reportagen zum Thema Sicherheit im Vorfeld der WM 2006 begleitete ein Team der ARD zwei Berliner Polizisten auf einen solchen Hausbesuch. «Hallo Heiko. Wir kennen dich, BFC Dynamo, du weisst schon. Bleib zuhause an der WM.» Heiko nickte. Als die Polizisten weg waren, fragten die Reporter nach. «Auf keinen Fall bleib ich zuhause. So was wie u2019ne WM vor der Haustür lass ich mir nicht entgehen», sagte Heiko. Und seine Frau: «Was solls. Heiko ist nun mal Hooligan, das ist sein Hobby. Das kann ich ihm nicht verbieten.» Nebenan spielte der Sohn.

Klar, Heiko hatte vielleicht wirklich was vor im letzten Sommer. Und so eine Reportage ist nicht repräsentativ. Dennoch irritiert der euphorische Ton, den Martin Jäggi, Schweizer Sicherheitschef der Euro 2008, anschlägt. Solche Hausbesuche erinnerten an den Pranger, gab der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür auf Radio DRS zu bedenken, so was sei in der Schweizer Rechtssprechung nicht vorgesehen. Ausserdem ist noch vollkommen offen, wer hierzulande in die Datenbank aufgenommen wird und also für Hausbesuche in Frage kommt: «Hallo Jürg, wir kennen dich, du bist registriert. Wir wissen, was du getan hast, tu das an der EM besser nicht noch mal», heisst es dann vielleicht an einer Haustür in Bern. «Aber ich habe doch nur Schneebälle aufs Feld geworfen, damals im Espenmoos. Und die EM ist im Sommer», sagt dann Jürg. Und es muss nicht einmal ein Witz sein.

Die EM 2008 dient seit fünf Jahren als Katalysator einer repressiven Vorwärtsstrategie, die das WEF vor Neid erblassen lassen könnte. Plötzlich ist alles möglich, alles erlaubt, alles nötig. Damit sich die Uefa mit Sitz im schönen Nyon ordentlich die Kassen füllen kann, biegen wir unser Rechtssystem im Wochentakt zurecht. Sportminister Schmid, der mal drei Champions-League-Heimspiele lang Thun-Fan war, feiert derweil Geburtstag. Fussballfan zu sein kostet Nerven dieser Tage, und ein bisschen schmerzt es auch. Bloss: Die Hausbesuche werden kaum von der Krankenkasse übernommen. Da blättert einmal mehr die Steuerzahlerin. Oder der Steuerzahler.

"Ich muss heute wieder einen Glückstag haben. Polizisten sind das Beste, was ich kenne - gleich nach Rhabarbergrütze."
P.V.R.P.E. Langstrumpf

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Beitrag von IP-Lotto »

Pascal Claude, WoZ vom 18. Januar 2007 hat geschrieben: Stadionstar

Brügglifeld, oh Brügglifeld, du bist es wert, das viele Geld, das du den Gästefans abknüpfst. Umarmt wirst du von Einfamilienhäuschen, deren Vorgärten Spieltag für Spieltag frisch gedüngt werden, seit Menschengedenken. Geduckt stehst du da, bescheiden, klein und schön. Deine Würste sind gut, und du hast den Mut, sie von Frauen verkaufen zu lassen, die Tätowierungen tragen für den Staatsschutz. Niemand braucht eine Mittellandarena, denn mehr Mittelland als du ist niemand. Du bist nah bei den Menschen, und wir sind nah bei dir - du kriegst eine 9,2.

Joggeli, oh Joggeli, mal ohne jede Ironie, in dir findet der Fussball statt. Doch ist er dir vielleicht etwas schnell zu Kopf gestiegen. Ein paarmal warst du wirklich voll, und das ist ja auch dein Zweck, und schon streckst und reckst du dich, hebst dein Dach aus den Angeln und machst dich grösser als du bist. Warum? Deine Mutter war anders, bescheiden, tolerant. Sie erlaubte den Gästen Spaziergänge durchs Rund und Ziegelhof einen Bierstand. Heute sagst du allen, wo sie hingehören, und der Zapfhahn wird aus Kopenhagen ferngesteuert. Besinne dich deiner selbst, sei nicht schneller als die Zeit - eine 8,5.

Hardturm, oh Hardturm, gegen dich läuft das Quartier Sturm, nein, nicht gegen dich, sondern für dich! Du sahst der Abrissbirne ins Gesicht, ehe ein Schattenwurf dich rettete. Und vielleicht ein Fahrtenmodell. Viel hast du erlebt, hast nicht nur Gäste empfangen aus Kroatien, Nordirland, Albanien oder Leningrad, du hast dich als Heimat auch immer ausgeliehen, an Basel, Wil, St. Gallen und gar an den FCZ. Am Zaun in deinem Gästesektor steht, es sei verboten, am Zaun zu stehen, doch lässt dein Manager so viele Menschen rein, dass sie nicht anders können. Du warst der Erste mit Logen, heute wirkst du alt - alt und erfahren. Für dich eine 9,3.

Allmend, oh Allmend, wer dich richtig kennt, weiss: Du hattest es nicht leicht. Du warst besetzt von Meuterern, Hochstaplern und Stuhldieben, und der Freudenschrei blieb dir oft im Halse stecken. Nirgendwo ist die Sicht aufs Feld schlechter als in deiner Horwer Kurve, und doch ist es gemütlich dort und gar nicht weit zum Stand mit Kafi Schnaps. Deine Haupttribüne versammelt vierundzwanzig Stuhlmodelle, und vom Stehplatz zum Pilatus ist es nur ein rascher Blick. In dir ist die Innerschweiz, und sie wird es auch sein, wenn du nicht mehr bist - doch wird sie weinen um dich. Eine 9.

Breite, oh Breite, auf deiner einen Seite steht ein Zaun, und der tut weh. Wer in dir spielt, lässt Schweiss und Tränen und ab und zu den Finger, am Zaun, mit Ring, aua. Es ist ein Marsch zu dir, die Gass hinauf mit Schnauf, doch einmal oben belohnst du alle. Bäume säumen deinen Rasen, und von all deinen Plätzen sind nur dreizehnhundert zum Sitzen. Dein Bier ist ein Vogel, gebraut im Ort. Man will dir an den Kragen mit dem FCS-Park, doch du machst dich ganz gut in deinem Flickwerk aus Stahlrohr und Plastik. Bleib wie du bist - eine 8,8.

Tourbillon, oh Tourbillon, du Stolz der kleinen Stadt Sion. Platte Reime hast du nicht verdient, du Schmuckstück an der Rhone. Bist in allen Ecken offen und lässt deine Gäste das Wallis sehen, und doch schützt du dein Feld auf allen vier Seiten und lässt den Lärm die Spieler begleiten, wie man es sich wünscht. Du lässt den Weissen fliessen und den Käse auch, nur zäher, und wer in dir war, hatte Urlaub einen schönen Sonntag lang. Nun knabbert ein Nager an deinem Gebälk - die Tollwut vielleicht? - und will dich nach Martigny zügeln. Doch das reimt sich nicht auf dich. Hab keine Angst - 9,4.

Espenmoos, oh Espenmoos, was soll einst ohne dich sein bloss? Im Schatten deines Muscheldachs findet Wunderbares statt. Spieler, Pflügen gleich, beackern deinen Rasen für die nächste Anbauschlacht. In dir geht es um den Biss. Selbst die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb, statt von Zuschauerzahlen, von der Anzahl abgesetzter Bratwürste. Stadionrekord, hiess es, und du dampfst stolz vor dich hin. Unter deinen Behelfstribünen beginnt die Unterwelt, aus Dreck, Bier und Matchprogrammen, und die Untoten Hutter und Mock röcheln leise: Wir wollen Fussball, keine Einbauküchen - eine 9,7.

Lachen, oh Lachen, in deinem kleinen Rachen ruhen viele Millionen. Was tun damit? Es weiss es weder du noch er. Vielleicht brauchst du das Friendshipticket gegen Ende der Saison, um nicht als reicher schöner Rasen Amateurtrübsal zu blasen. Den See vor dir, den kalten, und die Jungfrau fest im Blick, bliesest du den Gästen steif die Brise um die Ohren, früher. Für die richtig grossen Feste warst du deinen Herren aber niemals gut genug. Weine, Lachen, denn du hast viel Grund, macht zu allem Übel eine Rennbahn dich zum Rund. In Anteilnahme - eine 8.

Wankdorf, oh Wankdorf, kein andres Wort passt als amorph. Und es passt ganz gut. Mit einem Erbe reich beschenkt, hast du ihn abgeschüttelt, deinen ganzen Ballast, entsorgt in der Mulde der Geschichte. Nun stehst du da, von einer Migros nicht zu unterscheiden. So sehr scheust du Erdverbundenheit, dass selbst der Rasen nicht mehr sein darf, dafür nun Eishockey und Williams. Du bist alles und nichts, könntest überall stehen und allen gehören. Du verwöhnst deine Gäste mit allem, was sie nicht brauchen, bist noch jung, doch den andern weit voraus. Zu weit - eine 7.

Letzigrund, oh Letzigrund, du warst so eckig, jetzt wirst du rund. Ein frühes Urteil soll nicht sein, doch die Furcht ist da, dass mit den Ecken auch die Kanten weichen. Deine Masten gaben Halt, sie waren schief und trotzdem gut verankert. Du liessest deine Gäste stehen, nicht im Regen, sondern da, wo sie wollten. Bald wirst du sie sitzen lehren, D4 R35, A6 R78, und deine flache Kneipe wird zur tollen Lounge. Du kriegst - beweis das Gegenteil! - eine 7,5.
"Ich muss heute wieder einen Glückstag haben. Polizisten sind das Beste, was ich kenne - gleich nach Rhabarbergrütze."
P.V.R.P.E. Langstrumpf

quasimodo
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Beitrag von quasimodo »

Dave hat geschrieben: Bild
Verdammt, genau so ein Shirt habe ich auch noch irgendwo. Erworben auf der Maturreise nach England im Frühjahr 1984. Unverwüstlich dank 100% Hochglanz-Polyester ... :cool:
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Chris Climax
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Beitrag von Chris Climax »

Kampfzone Sicherheit
von Pascal Claude
WOZ vom 25.01.2007

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Im Internet stiess ich vor kurzem auf ein Fussball-Fanzine im pdf-Format: «Der Stelzbock. Das Blatt für den Block». Herausgegeben wird es von den United Supporters des FC Luzern, dem Dachverband der unabhängigen, aktiven FCL-Fans. «Der Stelzbock» zeigt auf eindrückliche Weise, dass die Zeit der maschinengeschriebenen, mit Schere und Leim gelayouteten und von Hand kopierten Fanzines ohne jeden Zweifel vorbei ist. Es ist das grosse Verdienst des «Stelzbocks», dass der Übertritt ins papierlose Zine-Zeitalter praktisch schmerzfrei vollzogen werden kann.

In der ersten Ausgabe des übersichtlich gestalteten und inhaltlich reichen Heftes findet sich ein ausführliches Interview mit dem Luzerner Sicherheitschef Daniel Ryter. Ryter fährt darin gegen die Swiss Football League (SFL) und den später zurückgetretenen Präsidenten der Sicherheits- und Fankommission, Thomas Helbling, schweres Geschütz auf. Helbling war Hauptverantwortlicher der von der SFL auf die Saison 2006/2007 eingeführten Registrationspflicht für Auswärtsfans. Als im ersten Spiel der Saison die Fans des FC Zürich vor den Toren der Luzerner Allmend standen, registrierungsunwillig, entschied Daniel Ryter eigenmächtig, die Tore zu den herkömmlichen Bedingungen zu öffnen. Helbling stiess das damals sauer auf, was Ryter im «Stelzbock» wie folgt kommentiert: «Als es hart auf hart ging, als wir uns vor Ort in den Stadien mit den Folgen der Registrationspflicht auseinandersetzen mussten, liess es sich Thomas Helbling in den Ferien gut gehen. Trotzdem liess er es sich nicht nehmen, mir via an den Karren zu fahren. Obs mich gekratzt hat? Nicht im Geringsten!»

Ryter wendet sich in seiner Kritik auch an die SFL als solche, spricht von einem «unsinnigen Ligabeschluss» und von von der SFL diktierten baulichen Veränderungen, die eher eine Gefahr darstellten und «aus sicherheitstechnischer Sicht ein völliger Quatsch» seien. Angesprochen auf die von Ryter erhobenen Vorwürfe, nimmt Roger Müller, Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher der SFL, als Erstes Thomas Helbling aus der Schusslinie: «Es war Thomas Helblings Aufgabe, Vorschläge für ein neues Sicherheitsreglement auszuarbeiten. Seine Vorschläge wurden aber vom Komitee der SFL und von den Klubs an einer Generalversammlung abgesegnet, das Reglement ist ein Gemeinschaftswerk.» Wenige Wochen nach ihrer Einführung war die Registrationspflicht bereits Geschichte, der Boykott breiter Fankreise hatte Wirkung gezeitigt. Müller war derjenige, der anstelle Helblings die Streichung des betreffenden Passus aus dem Sicherheitsreglement vor den (teils empörten) Medien bekannt geben musste. Er kann Ryters Ärger in gewissen Punkten nachvollziehen und blickt selbstkritisch auf den vergangenen Sommer zurück: «Wir wollten nach den Vorkommnissen vom 13. Mai in Basel wahrscheinlich zu schnell zeigen, dass wir aktiv sind. Dabei haben wir die praktische Umsetzung nicht genug bedacht.» Mit mehr Vorlauf und besserer Kommunikation, so Müller, hätte die Geschichte womöglich einen anderen Verlauf genommen. Trotzdem ist die Registrationspflicht bei der SFL nun vom Tisch. «Unser Weg ist heute ein anderer», versichert Müller.

Dieser andere Weg trägt zwei Namen, wie die SFL vor zehn Tagen in einem Communiqué bekannt gegeben hat: Peter Landolt und Christian Schöttli. Landolt, der neu die Sicherheits- und Fankommission präsidiert, war viele Jahre GC-Stadionmanager im Hardturm und wird in dieser Funktion im neuen Letzigrund tätig sein. Bekannt wurde Landolt auch durch seine eigenwillige präventive Arbeit: So lud er Basler Hooligans zu einem Spiel gegen die dritte Mannschaft der Grasshoppers nach Zürich ein, mit anschliessendem Abendessen im Hardturm-Stadioncafé. Der «Tages-Anzeiger» berichtete damals in Farbe. Schöttli, der mit Landolt auf Mandatsbasis für die SFL arbeitet, ist Sicherheitschef des FC Zürich und hat sich als Geschäftsführer einer privaten Sicherheitsfirma bei vielen Fans einen Namen gemacht.

Die SFL erhofft sich von den Sicherheitsleuten Landolt und Schöttli die nötige Praxisnähe, um Rohrkrepierer wie die Registrationspflicht und Rundumschläge wie jene Daniel Ryters in Zukunft zu vermeiden. Ob der Graben zwischen den Ansprüchen der SFL und der Wirklichkeit vieler Klubs wirklich so gross ist, wie Ryters Aussagen vermuten lassen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen; ebenso, welcher Platz Fananliegen in der ganzen Debatte eingeräumt wird. Ganz abgesehen davon, und auch wirklich nur ganz am Rande, stellt sich dann als Letztes noch die Frage, was die schleichende Fusion der beiden Zürcher Klubs auf Sicherheitsebene zu bedeuten hat.
Hier noch der Link zum zitierten online-Stelzbock: http://www.us-luzern.ch/usl/29_.asp

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