profil: Wird es im Skifahrerland Österreich gelingen, bei der Fußball-EM eine ähnliche Stimmung zu erzeugen wie bei der WM in Deutschland?
Hickersberger: Das wird die große Frage sein. Ich hoffe schon, dass es gelingt. In Deutschland war die Stimmung vor der WM ja auch schlecht. Jetzt haben sie das alles vergessen, aber ein paar Wochen vorher ist noch diskutiert worden, ob man nicht den Trainer austauschen soll, weil er in Kalifornien wohnt. In letzter Zeit hätte ich mir das übrigens auch manchmal gewünscht.
profil: Der ÖFB hat jetzt den britischen Konditionstrainer Roger Thomas Spry engagiert. Wessen Idee war das?
Hickersberger: Gerhard Hitzel (Zuständiger für die Trainerausbildung, Anm.) hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass Roger Spry derzeit ohne Engagement ist. Daraufhin haben wir im ÖFB gesagt, das wäre einer für uns. Dann haben wir ausgelotet, ob er überhaupt bereit wäre und ob er zu finanzieren ist.
profil: Was kann er besser als andere Trainer?
Hickersberger: Er hat einen ganz anderen Zugang, und vor allem hat er viel mehr Erfahrung als österreichische Fitnesstrainer, weil er 26 Jahre lang im Ausland mit wirklich hervorragenden Trainern und sehr guten Vereinen und Weltklassespielern wie Deco und Figo gearbeitet hat.
profil: Spry gilt als Anhänger der südamerikanischen Fußballphilosophie. Bei seiner Präsentation schwärmte er vom ganzheitlichen Ansatz, den es dort gibt. Es gehe nicht um Athletik, sondern um Tanz. Die österreichischen Kicker könnten damit überfordert sein.
Hickersberger: Es wird uns natürlich nicht gelingen, so zu spielen wie die Brasilianer. Das kann ein Wunschziel sein, aber mit dieser Aufgabe wird Roger Spry überfordert sein. Es geht einfach darum, dass er seine Erfahrungen aus diesen Ländern einbringt.
profil: Spry wird angeblich von Sponsoren finanziert. In welcher Größenordnung spielt sich das ab? Ist er teurer als Sie?
Hickersberger: Das interessiert mich überhaupt nicht. Von mir aus kann er zehnmal so viel verdienen wie ich.
profil: Sie haben den England-Legionär Emanuel Pogatetz aus dem Team geworfen, nachdem er sie kritisiert hatte. Er sagte unter anderem, dass die Spieler ohne taktische Vorgaben aufs Feld geschickt würden. Unabhängig von der Form seiner Kritik: Bei den letzten Begegnungen hat es tatsächlich so ausgesehen, als wüssten die Spieler nicht, was sie tun sollen. Haben Sie zu wenig über die Taktik geredet?
Hickersberger: Gegen Venezuela haben wir vom System her 4-4-2 gespielt. Ich weiß sehr wohl, dass der Pogatetz ein Spieler ist, der klare Aufgaben braucht. Er ist eher ein Aufgabenspieler als ein kreativer Typ, der mit Freiheiten sehr viel anfangen kann. Er hat deshalb auch immer entweder als Innenverteidiger oder auf der linken Außenverteidigerposition gespielt. Meiner Meinung nach hat er auf dieser Position genügend Erfahrung. Und das taktische Verhalten in der Viererkette hat er gelernt.
profil: Aber die Entscheidung für eine Viererkette ist ja nicht die einzige taktische Vorgabe.
Hickersberger: Darüber hinaus hat es sehr klare Anweisungen gegeben. Ich habe mich bei mehreren Spielern erkundigt, ob auch ihnen taktische Anweisungen gefehlt haben. Okay, Pogatetz hat es anscheinend als Einziger nicht mitbekommen.
profil: Warum haben Sie ihn überhaupt aufgestellt? Er ist für die ersten beiden EM-Matches ja gesperrt.
Hickersberger: Ich war der Meinung, dass er trotz dieser Sperre bei der EM ein wichtiger Spieler sein kann. Aber wie er in die Öffentlichkeit gegangen ist, das war inakzeptabel. Das gibt es auf der ganzen Welt nicht.
profil: Der Fußball ist da ziemlich diktatorisch organisiert ?
Hickersberger: Ich gebe Ihnen einen Tipp: Kritisieren Sie einmal Ihren Chefredakteur oder den Herausgeber in der Öffentlichkeit. Dann wünsch ich Ihnen alles Gute.
profil: Wäre einen Versuch wert. Aber wenn Sie einen Vergleich aus der Medienbranche möchten: Armin Wolf hat vor ein paar Monaten die ORF-Führung kritisiert - und gehen musste mittlerweile die Generaldirektorin, nicht er.
Hickersberger: Gut, dann hat Pogatetz vielleicht das Gleiche vorgehabt. Ich weiß es nicht.
profil: Österreich steht in der Fifa-Rangliste derzeit auf Platz 70. Falls es irgendwann wieder besser läuft - welcher Platz wäre denn realistisch?
Hickersberger:
Ich glaube, ein Platz unter den Top Ten ist nicht zu erreichen, weil wir die Voraussetzungen nicht haben. Aber eine Platzierung wie die Schweiz, also um Rang 14, müsste drin sein.
profil: Warum sind die Schweizer derzeit so viel besser als die Österreicher?
Hickersberger: Sie haben ein sehr gutes Nachwuchsprogramm namens Futuro. Und sie haben viele gute Secondos, also Kinder von Einwanderern. Das wird sich aber vielleicht bald aufhören, nachdem sie jetzt dieses neue Ausländergesetz machen wollen. Wir haben mit unserem ebenfalls sehr guten Projekt "Challenge 2008" einige Jahre später begonnen und sind daher noch im Hintertreffen. Aber große Talente werden ja nicht nur mit solchen Programmen entwickelt. Große Talente müssen auch geboren werden, und das kann ich schlecht beeinflussen.
profil: Die Stronach-Akademie hat bisher offenbar gar nichts gebracht.
Hickersberger: Dazu ist es ja noch zu früh. Dort wird sehr gut gearbeitet, aber wenn die Spieler vom Talent her nicht gesegnet sind, dann hilft das auch nichts.
profil: Bereuen Sie manchmal, dass Sie Teamchef geworden sind?
Hickersberger: Ich hab gewusst, dass es schwierig sein wird. Dass es so schwierig wird, habe ich mir nicht gedacht. Aber jetzt sind wir in einer hervorragenden Ausgangsposition. Es kann nur noch besser werden.
Interview: profil.at
