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EINE BESTANDESAUFNAHME DES FC BASEL NACH DER NEUERLICHEN DEMÜTIGUNG IN LUZERN

Der Trainer wirkt ratlos. Christian Gross während des Spiels in Luzern. Foto Hans-Jürgen Siegert
Marcel ROHR/Florian Raz/PatrickKÜNZLE
Der FC Basel ist nur noch biederes Mittelmass. Dafür gibt es Gründe.
0:2 in Luzern.
Die dritte rotblaue Niederlage im vierten Auswärtsspiel dieser Saison. 0:2 beim ehemaligen Tabellenletzten - das ist für einen Verein mit den Ansprüchen eines FC Basel eine Demütigung. Es blieb nach der Partie die lapidare Feststellung, dass sich diese Mannschaft auch nach acht Meisterschaftsrunden immer noch nicht gefunden hat, und dass sie in keinem Mannschaftsteil harmonisch wirkt.
Erst Ende August hatten Trainer Christian Gross, Chefscout Ruedi Zbinden und Präsidentin Gigi Oeri ihr Kader zusammengestellt. Zu spät - wie sich nicht erst in Luzern feststellen liess. Natürlich hat die Aufarbeitung des verpatzten 13. Mai viel Energie gekostet. Trotzdem haben die Transferverantwortlichen in der Sommerpause zu viel wertvolle Zeit verstreichen lassen, zumal die Abgänge von Zuberbühler, Degen und Delgado absehbar und teils gewollt waren.
Dann die Transfers: Es war richtig, den langjährigen Keeper Pascal Zuberbühler zu ersetzen. Es war richtig, im Mittelfeld und im Angriff Alternativen zu schaffen. Aber es war falsch, die Abwehrreihe so zu belassen. Zumal Trainer Gross vor der Saison selber als Ziel formulierte, sein Team müsse defensiv stabiler werden.
Kein Konkurrenzkampf.
Dieses Ziel ist klar verfehlt worden: Die Basler haben in 8 Ligaspielen bereits 15 Gegentore kassiert. Die Aussenpositionen sind mit Reto Zanni sowie Bruno Berner oder Scott Chipperfield unbefriedigend besetzt. Rechts gibt es keine Alternative zu Zanni. Links spielt Berner zu brav und Chipperfield ist seit der WM meist müde. Es widerspricht jeglicher Logik, dass gerade auf diesen Positionen so gut wie kein Konkurrenzkampf herrscht, während sich im Angriff bald sieben Profis - Cristiano, Petric, Sterjovski, Kawelaschwili, Caicedo, Eduardo, Carignano - um zwei freie Plätze streiten.
Auch in der Zentrale stimmt es nicht.
Der Schwede Majstorovic und der Japaner Nakata kommunizieren kaum miteinander. Wie auch? In Luzern war Majstorovic zwar präsenter und aggressiver als auch schon, aber unter dem Strich verliert er zu viele Zweikämpfe in der Abwehr. Lapidar dazu der Kommentar eines FCB-Vorstandmitgliedes: «Wenn Majstorovic ein kompletter Spieler wäre, würde er nicht beim FCB spielen, sondern in einer grossen Liga Europas.»
Abhängig von Petric.
Ebenso wie Majstorovic sucht auch Ivan Ergic, ein weiterer Teil der von Gross forcierten neuen Achse, Rhythmus und Konstanz. Bei Mladen Petric dagegen präsentiert sich die Sache wieder anders: Von der Form des kroatischen Nationalspielers hängt zu viel ab. Bei den Heimsiegen gegen Schaffhausen, Thun und Zürich präsentierte sich Petric in Galaverfassung - der FCB überzeugte. In Sion und in St. Gallen war Petric schwach - schon lief fast nichts mehr zusammen. Und in Luzern war er verletzt.
In den erfolgreichen Jahren unter Trainer Gross war der FCB nie derart abhängig von einem Leistungsträger wie die aktuelle Mannschaft von Petric. In der Champions-League-Saison 2002/03 teilten sich beispielsweise Spielerpersönlichkeiten wie Rossi, Gimenez, Cantaluppi, Zuberbühler, Hakan und Murat Yakin die Verantwortung.
Fans boykottieren.
In dieser schwierigen Lage bräuchte der entthronte Meister dringend die Unterstützung seiner Fans. Doch ein Teil der Muttenzer Kurve boykottiert die FCB-Spiele und sperrt sich gegen den verschärften Massnahmenkatalog, den der Verein nach dem 13. Mai auf Druck der ganzen Fussballschweiz entworfen hat. Diese Disharmonie belastet das Klima und saugt zusätzliche Energien ab, bei allen Beteiligten. Deshalb braucht es ein Zusammenraufen beider Parteien. Am besten schon vor dem Heimspiel am Samstag gegen Aarau. Ohne seinen treuen Anhang aus der Muttenzer Kurve wird der FCB auch zu Hause noch mehr von seinem Status der Unbezwingbarkeit verlieren.
GROSSWIRKTRATLOS.
Und der Trainer? Christian Gross wirkte in Luzern ratlos. Dass seine Spieler nach dem 0:1-Rückstand nicht mehr reagieren konnten, gab ihm «zu denken».
Der verlorene Meistertitel am 13. Mai war die grösste Niederlage in seiner Karriere. Seither tut der Zürcher alles, um wieder auf die Erfolgsspur zu finden. Doch man wird den Eindruck nicht los, dass Gross einiges von seiner überzeugenden Körpersprache und einiges von seiner beeindruckenden Siegermentalität verloren hat. Und wenn er nach dem Luzern-Match bemängelte, sein Team sei «zu brav - auf dem Platz und im Training», wäre es an ihm gelegen, dieses Problem zu beheben.
Ob Christian Gross auch in seiner achten Saison immer noch mit Herzblut bei der Sache ist, kann letztlich nur er selbst ehrlich beantworten. Falls dies nicht mehr der Fall sein sollte, muss er die Grösse haben und die Konsequenzen ziehen - selbst wenn sein Vertrag noch bis 2009 läuft. Für Gross spricht, dass er den FCB schon aus schwierigen Situationen geführt hat. Beispielsweise nach dem misslungenen Saisonstart 2001.
Oeri ist gefordert.
Trotzdem ist die Präsidentin gefordert wie noch nie. Gigi Oeri hat ihren Trainer gegen aussen bislang stets verteidigt. Dass sie eine gute Krisenmanagerin ist, muss sie nun unter Beweis stellen.
Mit Aarau in der Super League, Rabotnicki Skopje im Uefa-Cup sowie Lugano im Schweizer Cup warten in den nächsten zwei Wochen auf den FC Basel drei lösbare Aufgaben. Doch viel Zeit bleibt nicht mehr, um die Kritiker zu besänftigen. Wer in der Schweiz mit einem 30-Millionen-Franken-Budget operiert und die Hälfte seiner Meisterschaftsspiele verliert, dem gehen bald die Argumente aus.