Livorno - Milan Nachbetrachtung

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zul alpha 3
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Livorno - Milan Nachbetrachtung

Beitrag von zul alpha 3 »

25. Januar 2005, 02:17, Neue Zürcher Zeitung

Milans schwarzer Tag im «roten» Livorno

«Spielen denn hier tatsächlich alles Kommunisten?», fragte Milans Mittelstürmer Andri Schewtschenko, in dessen Heimat, der Ukraine, das alte Regime gerade abgedankt hat. Dass Milan, der Meister, im «roten» Livorno im ersten Spiel der Rückrunde 0:1 verliert, ist gut für die «Alte Dame» Juventus, die jetzt mit fünf Punkten Vorsprung führt. Aber es war ein schwarzer Tag für Silvio Berlusconi.

Im Ball steckt nicht einfach nur Luft, sondern, wie schon die Lästerzunge Max Merkel wusste, ein Frosch («darum hüpft er so»). Eine Kröte. Auch an diesem verregneten Sonntagnachmittag in Livorno. Und die Kröte schlucken musste er, der Besitzer des preisgekrönten Artistenzirkus der AC Milan, auch wenn er selber, wegen seiner Pflichten als Ministerpräsident, der ein italienisches Kriegsopfer im Irak zu betrauern hatte, nicht zugegen war im einzigen Fussballstadion des Stiefels, das sich in der Hand seiner Feinde, der «Kommunisten», befindet. Letzte Woche hatte Berlusconi als vorauseilender Wahlkämpfer (gewählt wird erst 2006) vor dem Elend gewarnt, das die Linken überall säen. Ich bin das Gute, sagte der Messias B., alles andere ist schlecht. Ich oder die andern. In Livorno siegten, sein Pech, die andern.

Livorno ist diese Saison nach einem halben Jahrhundert Marginalisierung in die Serie A zurückgekehrt, mit einem feurigen Ultra-Stamm, der linke Parolen schwingt und im Hinspiel in Mailand im heissen September Wollmützen trug, um Berlusconi zu ärgern, der nach einer Haartransplantation den Kopf mit einer «Bandana» verhüllte. (Und Livorno erreichte ein überraschendes 2:2-Remis.) Fast alle Tifosi-Kurven werden vom Lärm der Rechts-Sympathisanten und rechts- extremistischer Klüngel (wie etwa Lazio und die AS Roma) beherrscht und terrorisiert. Mit Ausnahme, welche Ironie, von Berlusconis Spielzeug: Der Anhang der AC Milan wurzelt traditionell in der Arbeiterschaft. Livorno ist aber auch Heimat und Klub des linksliberalen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi, der mit Berlusconi dauernd im Clinch liegt um die Verfassungsmässigkeit der Gesetze, die der Regierungschef zu seinem eigenen Nutzen schneidern lässt. Etwa die neue Fernsehordnung, die dem Medienmogul ermöglicht, digitale Programme zu verbreiten - seine Mediaset übertrug, zum Pay-per-view- Spottpreis von drei Euro, auch den Milan-Absturz aus Livorno.

Livorno gegen Milan war, abgesehen von diesem polemischen Zündstoff, auch Anlass für ein herzliches Wiedersehen alter Freunde: Milan- Trainer Carlo Ancelotti umarmte Roberto Donadoni, den neuen Coach auf der Livorno-Bank. Sie hatten noch Seite an Seite im Mittelfeld der grossen Milan-Mannschaft unter dem Revolutionär Arrigo Sacchi gespielt, Ancelotti stand für Substanz, Donadoni für Phantasie, und beide sind überzeugte Sacchianer geblieben. Während Ancelotti, inzwischen 45-jährig, eine schnörkellose Trainerlaufbahn an ersten Adressen einschlug (über Parma und Juventus zu Milan), verschlug es den zwei Jahre jüngeren Donadoni als Spieler noch nach New York und in den Nahen Osten. Auf der Ochsentour als Trainer kam er schon einmal, 2002, nach Livorno in die Serie B, wurde nach einem zehnten Platz und 2003 in Genua nach drei Niederlagen in den ersten drei Spielen entlassen. Seither war er arbeitslos, bis ihn Livornos Präsident Aldo Spinelli zurückrief. Spinelli ist ein Transportunternehmer auf Strasse und Meer, der vor zehn Jahren Berlusconis Eintritt in die Politik unterstützte, jetzt aber ins Mitte-Links- Lager umgeschwenkt ist.

Die politische Polarisierung hat endgültig die Stadien erreicht, mit vehementer Vulgarität. In Livorno liess ein Transparent jenen Mann hochleben, der Berlusconi auf offener Piazza Navona attackierte. Als der Lazio-Spieler Paolo Di Canio, ein bekennender Mussolini-Nostalgiker, das Land mit seinem Faschistengruss erregte, antwortete der Livorno-Stürmer Cristiano Lucarelli, ein Jünger Che Guevaras, aus der eigenen Arena mit hochgereckter linker Faust. Aber nicht der Torjäger Lucarelli hat Milan besiegt, sondern ein Ersatzstürmer namens Corrado Colombo, einst von Inter Mailand abgeschoben. Er profitierte in der 28. Minute, nachdem Milans brasilianischer Torhüterriese Dida einen Kopfstoss des Portugiesen Vidigal nach vorne hatte abprallen lassen. Zuletzt verloren die nervösen Mailänder noch den Stopper Nesta wegen eines Notbremse-Fouls.

Der momentane Schwächeanfall des Meisters ist unübersehbar: Milan blieb in den letzten drei Auswärtsspielen erfolglos, der Goalgetter Schewtschenko, der sich in Livorno von «Kommunisten» umzingelt wähnte, sieht das Tor nicht mehr. Milan fehlte der gesperrte Regisseur Pirlo, doch Ancelotti schickte den logischen Stellvertreter Rui Costa erst nach 75 Minuten auf den Platz, zu spät für eine Wende. Das Spiel machte der unbekannte Dario Passoni für Livorno, ein 31-Jähriger, der eine Zeitlang als Fussballsöldner bei Uralan Elmista im kalmückischen Ural im einstigen Reich des Bösen verschollen war - die Gefahren für Berlusconi lauern überall. Das Stadion sang «Bandiera Rossa», die alte Hymne der KPI. Der letzte Sieg Livornos gegen Milan lag auch schon 56 Jahre zurück.

Peter Hartmann

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alduccio
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Beitrag von alduccio »

Isch doch schöööön.......oder ???

Das einzige wo mir an däm Daag gnärvt het, sind die Arschlöcher wo unsere
Büssli ibroche hän.....!

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O.Hitzfeld
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Beitrag von O.Hitzfeld »

e Sieg vo Livorno wär no besser gsi..
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Gevatter Rhein
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Beitrag von Gevatter Rhein »

O.Hitzfeld hat geschrieben:e Sieg vo Livorno wär no besser gsi..
Wand dusse oder blind ???
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zul alpha 3
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Beitrag von zul alpha 3 »

O.Hitzfeld hat geschrieben:e Sieg vo Livorno wär no besser gsi..
Dass Milan, der Meister, im «roten» Livorno im ersten Spiel der Rückrunde 0:1 verliert,

der lesende ist klar im vorteil ... ;) ... . cheers mate

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Balisto
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Beitrag von Balisto »

O.Hitzfeld hat geschrieben:e Sieg vo Livorno wär no besser gsi..
Bild

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O.Hitzfeld
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Beitrag von O.Hitzfeld »

O.Hitzfeld hat geschrieben:e Sieg vo Livorno wär no besser gsi..
@alli:

isch jo guet, bi mit de Ergebnis durrenant cho :o

sorry....vergebt mir ;)
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Gustavo
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Beitrag von Gustavo »

Dräcks Livorno! :mad:
Neue Zürcher Zeitung hat geschrieben:Mit Ausnahme, welche Ironie, von Berlusconis Spielzeug: Der Anhang der AC Milan wurzelt traditionell in der Arbeiterschaft.
Isch übrigens nid ganz richtig. Git sowohl e grossi eher linki Gruppierig (FdL) als äu e eher rächti (BRN).
B6X & Durchschnittsuser 2004


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l'antimilan
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Beitrag von l'antimilan »

die einzigi Nachbetrachtig zu däm spiel isch:

+ 5..... :D
gobbo

meine beiträge können ruhig gelöscht werden, falls sie dem generellen Niveau hierdrin nicht genügen und wenn sie unnötig Speicherplatz beanspruchen

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sek. Milieu
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Beitrag von sek. Milieu »

livorno ti amo!!!!
gib e figg uf alles und jede...

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redblue-calvin
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Beitrag von redblue-calvin »

yessss, scheiss milan het vrlore

SoLo-BaSiLeA
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Beitrag von SoLo-BaSiLeA »

Yeess :D
Isch mol im alte Forum gsi de tegscht:
Silvio, wir kommen!

Was Fußball mit Politik zu tun hat?Roberto versteht die Frage nicht :D as kann dir Berlusconi beantworten, der hat doch mit Fußball die Wahlen gewonnen! Der junge Fan mit den langen Bartstoppeln und noch längeren
Koteletten tritt gegen eine umgekippte Vespa.Auf seinem Rücken steht:
Livorno Ultras, darunter prangert ein roter Stern mit Hammer und Sichel.Der Reißverschluss seines Kapuzenpullovers endet nicht am Hals,sondern erst kurz unter den Augen.Schützen soll das.Nicht vor dem feucht-kalten Wind,der Ende Oktober vom Meer durch die Strassen von Livorno peitscht, sondern vor den Kameras.Wenn es nach dem Spiel Ärger gibt.

Wahrscheinlich war die Frage am Anfang falsch gestellt.Eigentlich müsste sie lauten:Kann Fußball überhaupt unpolitisch sein?In einem Land, in dem die Regierungspartei nach einem Stadion-Schlachtruf benannt ist? Silvio Berlusconi ist Boss von Forza Italia,Ministerpräsident und Eigentümer des großen AC Milan.Das gesamte Privatfernsehen gehört dem Rechtspopulisten auch, er bestimmt,wann die Spiele beginnen.Berlusconis Intimus Gaetano XXX ist Geschäftsführer von Milan und nebenbei Liga-Präsident.An seinen Verband überweißt der Aufsteiger AS Livorno jede Woche einige Tausend Euro Strafe, weil Anhänger des Vereins in Sprechchören den Regierungschef beleidigen.Die 150000 Einwohner der Hafenstadt wähnen sich kollektiv in einem Asterix -Comic:Ein Despot in Rom kontrolliert den Sport und die Politik.Nur ein kleines toskanisches Dorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

Die Toskana in Mittelitalien ist die Wiege der italienischen Arbeiterbewegung.Und Livorno ist traditionell die linkeste Stadt der Region.Die roten Fahnen gehören zur Identität der Menschen wie der schwere Punsch in den Bars am Hafen und die inzwischen stillgelegte Werft.Und natürlich die Fußballmannschaft ,die in den Vereinsfarben amaranto aufläuft.Held der Stadt ist Mittelstürmer Cristiano Lucarelli.Der Sohn eines Hafenarbeiters aus dem Arme-Leute-Viertel Shangai,hat sich einen fünfzackigen Stern auf den Unterarm tätowieren lassen.Und in der Mitte das Wappen des AS Livorno.Livorno ist neben Liverpool die einzige Stadt ,in der es noch proletarischen Stolz gibt,sagt Roberto von den BAL.Das Kürzel steht für Brigate Autonome Livornesi, die Organisation der Ultras,gegen deren Mitglieder die Staatsanwaltschaft wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.

Über 30 Jahre war der AS Livorno in der 3.und 4.Liga gefangen.2002 kam der Sprung in die zweite Division und zwei Jahre später endlich :Seria A!
Seitdem steht am Bahnhof der Stadt: Silvio wir kommen! Im September fuhren einige tausend Fans zum Auswärtsspiel gegen den AC Mailand.Sie setzten sich in das Stadion San Siro und banden ihre Kopftücher um. Eine Anspielung auf Berlusconi, der sich nach einer Haartransplantation im Juli im Piratenlook gezeigt hatte.Zum ersten Mal in der laufenden Saison ließ sich der Milan-Boss bei einem Heimspiel nicht blicken.

Doch nicht immer bleibt es bei friedlicher Ironie.Im Sommer feierten in Livorno 40000 den Aufstieg in die höchste Spielklasse.Nachts wurden die regionale Zentrale der rechtsextremen Partei Alleanza Nationale von rund hundert Vermummten verwüstet und angezündet.Ein Dutzend schwer verletzte Polizisten.Sofort sagen alle:das waren die BAL.Aber wir haben damit nichts zu tun.Irgendwie fällt es schwer, Roberto zu glauben.Vielleicht,weil der Ultra immer noch aufgedreht ist von den ersten Auseinandersetzungen am Samstagnachmittag.In der Innenstadt sind Flaschen geflogen.Die BAL ist auf verfrühte Anhänger des AS Rom getroffen.Ausgerechnet der Hauptstadtverein spielt heute in Livorno.Ganz Italien weiß,dass bei den AS-Fans die Neonazis das sagen haben.Fasci di merda,sagt Roberto im breiten Dialekt der Region:Scheißfaschos.Inzwischen ist es halb drei.Er sitzt mit Martion und Ale im 1921 . Der Sitz der BAL ist benannt nach dem Jahr ,in dem die italienische KP gegründet wurde(natürlich in Livorno).Eine Woche nach der eskalierten Aufstiegsfeier haben Sondereinheiten der Carabinieri den Treffpunkt durchsucht.Die sind mit zwei Hubschraubern gekommen.

In ein paar Stunden beginnt das Spiel.Die drei Ultras machen sich auf den Weg zum Stadion.Rein werden sie nicht gehen.Roberto und die anderen gehören zu den über 200 Fans,die Stadonverbot haben.So viele,wie in keiner anderen italienischen Stadt.Ausgesprochen nicht vom Verein,sondern der Staatsanwaltschaft.Politische Repression,sagen die BAL.Zweimal müssen sie sich während des Spiels auf dem Polizeipräsidium melden.Danach werden sie mit ihren Mopeds Gas geben,um wenigstens die letzten Minuten in der Bar Sirena zu sehen.Vor der Hafenkneipe sammeln sich die Ultras auch vor dem Spiel.Sogar das Meer ist aufgewühlt.Die Wellen sind so hoch,dass die Gischt bis auf die Uferstrasse spritzt.Rund 200 große Jungs warten auf Nachricht vom Bahnhof.Wir schützen unsere Stadt ,sagt Roberto.Und sie haben Lust auf Ärger .Ein Handy klingelt.Melodie:Bella Ciao.Um die Bosse scharen sich kleine Grüppchen.Dicke Oberarme und aggressive Blicke.Nur Kleinigkeiten unterscheiden die BAL von normalen Stadionschlägern.Ibrahim ist eine solche Kleinigkeit.Er kommt aus Nigeria und hat vor vier Jahren in Italien Asyl beantragt.Mit drei Landsmännern steht er mitten in der Meute, um den Hals weiß-rote Schals.Wo sonst in Europa gehören schwarze Flüchtlinge zum harten Kern der Gemeinde der Ultras?
NEIN ZU REPRESSION UND WILLKÜR

SoLo-BaSiLeA
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Beitrag von SoLo-BaSiLeA »

Part 2

Luca ist einer der Chefs der BAL.Er ist 34 Jahre alt,seit kurzem geschieden und kinderlos.Unter der Woche arbeitet er am Stadtrand in einer Eisengießerei.Am Wochenende spielt er den linken Bruce Willis.Wir werden verfolgt ,weil wir rot sind. Die meisten Geschichten sind aufgebauscht.Was war mit den Schwerverletzten als aus der Fankurve Molotov-Cocktails flogen?Und die zerstörten Autobahnraststätten bei Auswärtsspielen?Einzelfälle.Nach dem Anschlag im irakischen Nassiriya gab es in allen Stadien der Apenninenhalbinsel Schweigeminuten für 17 italienische Soldaten.Die Nordkurve in Livorno sang:Gebt uns 10,100,1000 Nassiriyas.Na und, das waren Besatzungssoldaten ,sagt Luca,die 1500 Leute,die jedes Jahr in Italien auf der Arbeit sterben,kriegen auch kein Staatsbegräbnis.Keinen Menschen interessieren die Toten aus der Werft.Irgendwann endet in Livorno jede Diskussion bei der Werft.Von der Bar Sirena sieht man den 30 Meter langen Schriftzug zwischen zwei Kränen:Schiffbau Orlando.Weil mehr ist von der Werft auch nicht geblieben.Die Menschen haben alles versucht.Monatelange Streiks,Werksbesetzungen,Arbeiterkooperation.Am Ende war alles umsonst.Jetzt bauen sie dort ab und zu noch eine Luxusjacht,sagt Luca und spuckt auf den Boden.So geht es der ganzen Region,die ganze Industrie stirbt.Zurück bleiben Wut, die roten Fahnen aus alten Zeiten und der Fußball.

Das Armando Picchi ist ein Bau aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und fasst 20000 Menschen.An vielen Stellen bröckelt der Putz und man sieht die Backsteine.Wenig Werbetafeln,viel Graffiti.Ein Fan flucht.Er versucht vergeblich bei dem Sturm einen Joint zu bauen.In der Seria A darf es nur Sitzplätze geben.Nach dem Aufstieg hat man deshalb in Livorno einfach im Abstand von rund 60 Zentimetern Striche auf die Betonstufen gemalt und die Nummern daneben geschrieben.Natürlich sitzt niemand.Man erkennt auf den ersten Blick,dass in der Curva-Nord mehr Leute sind als erlaubt.Wer am Einlass dem Ordner eine Karte für einen anderen Block vorzeigt, muss nur kurz warten,um reinzukommen.Warte bis der Bulle nicht guckt.
Bevor die Squadra Amaranto und der AS Rom auflaufen knackt die Vereinshymne aus den 20er Jahren durch die schwachen Lautsprecher.Danach stimmt das ausverkaufte Stadion bandiera rossa an.Zum ersten Mal singt das Publikum im gesetzten Alter auf den Geraden genauso laut wie die Fankurve.Der Gästeblock lässt Mussolini hochleben.Auf dem Platz gerät der gerade aufgestiegene Gastgeber gegen die Startruppe aus der Hauptstadt schnell ins Schwimmen.Totti trifft in der 29.Minute für die Mannschaft von Del Neri.Die gegnerischen Blöcke bewerfen sich mit bengalischem Feuer.Nach der Pause erhöht Montella auf zwei zu null.Es läuft schlecht für den AS Livorno.Schon die ganze Saison.Das Team steht auf dem vorletzten Tabellenplatz.Aber die Fans sind Enttäuschungen gewöhnt.Sie feiern jede Aktion von Lucarelli und Protti,auch wenn die beiden Spitzen gegen die römische Abwehr kein Licht sehen.

Der 1,90 Meter große Lucarelli ist die Symbolfigur des Mythos vom roten AS Livorno.Der 27-Jährige ist in der Stadt geboren und hat eine Dauerkarte seit er 12 ist.Nach zehn Schuljahren hatte er die achte Klasse geschafft.Danach hat er nur noch Fußball gespielt.1996 lief er zum ersten mal mit der U-21 Nationalmannschaft im heimischen Stadion auf.Er schoss das 2:1 gegen Moldawien,lief unter die Tribüne,zog sein Trikot aus und zeigte sein Che-Guevara Unterhemd.Dafür flog Lucarelli aus der Jugendauswahl.Danach spielte das junge Talent aus der Toskana für Spitzenklubs in Italien und Spanien und wenn er verletzt oder gesperrt war stand er in der Fankurve des AS Livorno, um sich Viertliga-Spiele anzugucken.Als sein Heimatverein in die Seria B aufstieg,traf Lucarelli eine Entscheidung,die so unglaublich war,dass sein Spielervermittler zum Schriftsteller wurde.Das in diesem Jahr erschienene Buch über seinen Schützling heißt:Behaltet eure Millionen.Im Sommer 2003 stieg Lucarelli aus seinem gut dotierten Vertrag beim AC Turin aus und ließ sich kurz vor Saisonbeginn nach Livorno in die zweite Spielklasse verkaufen.Cristiano Lucarelli traf 25 Mal,wurde Torschützenkönig und schoss sein Team auf Anhieb in die erste Liga.Seine neue Rückennummer:99,gewidment den BAL,die sich in diesem Jahr gründeten.Der Stürmer kennt jeden der Ultras,die halb Italien für Kriminelle hält.Die meisten kommen aus den schäbigen Wohnsilos im Norden der Stadt, in denen er selber aufgewachsen ist.Als sich im Oktober zu den Niederlagenin der ersten Liga ein paar Fehlentscheidungen der Schiedsrichter gesellten,witterte Lucarelli die Verschwörung:Es gibt in der Liga ein Komplott gegen uns ,weil wir links sind.Der Verbalangriff schlug in Italien ein wie eine Bombe.Drei Tageszeitungen gibt es in dem Land,die sich nur mit Fußball beschäftigen.Lucarellis Statement verdrängte den Dopingskandal um Juventus von den Titelseiten.Seitdem hat der Verein seinem Star ein Presseverbot auferlegt.Doch der Goalgetter hatte genau das ausgesprochen,was jeder in Livorno denkt.
NEIN ZU REPRESSION UND WILLKÜR

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