hehe, eifach voll krass dä ClubImagebewußt betreibt der Drittligist sein Trainingslager auf Kuba
Die Szenerie hat etwas von einem Fünf-Sterne-Verwöhnurlaub. Hellblau glänzt der Golf von Mexiko, wenn die Spieler den Balkon ihres Hotels "Maritim Panorama" betreten, davor wiegen sich sanft die Palmen. Die Spieler des FC St. Pauli bereiten sich in den nächsten Tagen im Trainingslager auf die Rückrunde vor - verglichen mit anderen Fußballvereinen wahrhaft exotisch auf der Karibikinsel Kuba.
Während Trainer Andreas Bergmann jeden Eindruck einer fidelen Neckermann-Reisegruppe vermeiden wollte und seinen Profis tagsüber Swimmingpool-Verbot erteilte, fühlte sich St. Paulis Präsident Corny Littmann schon als großer Mittler zwischen der kapitalistischen und sozialistischen Welt. "Das könnte der Beginn einer Zusammenarbeit zwischen uns und dem kubanischen Fußball werden", frohlockte der Theaterchef. Die ersten Weichen für die anvisierte Völkerverständigung wurden gestellt. Auf Wunsch des kubanischen Sportministeriums wird Bergmann mehrere Trainingseinheiten für Jugendliche leiten, zudem überreichte der Kiezklub den Fußballvereinen der Insel diverse Sportgeräte.
St. Pauli ist der erste westeuropäische Fußballklub auf Castros Insel, zu Hause in der Regionalliga Nord sind die Kiezkicker dagegen längst in den Niederungen abgetaucht. Erstklassig verkaufen kann sich der Klub immer noch. 2003 die legendäre "Retter-Aktion", als Fans für Spenden an den klammen Verein ein kultiges T-Shirt bekamen. Danach das Rasenpatenschaftsprojekt, bei dem Anhänger Teile des Grüns am Millerntor erwerben konnten. Und jetzt die "Viva St. Pauli"-Serie, eine Fanartikelkollektion, die Motive der kubanischen Revolution zieren.
Die Che-Guevara-Shirts, Mützen und Jacken im Retro-Design sind bei den Fans äußerst beliebt. Da paßt eine Reise zu den Wurzeln aller Revoluzzer nur allzugut ins Konzept. 40 Fans fühlten sich derart angesprochen, daß sie mit ihren Stars zur Entdeckungsfahrt in die Karibik aufbrachen. Die pfiffigen Ideen aus der Marketingabteilung, die so trefflich mit dem Rebellen-Image des einstigen Bundesligisten spielen, scheinen in absehbarer Zeit die einzige Gelegenheit zu sein, um außerhalb der Stadtgrenzen Hamburgs auf sich aufmerksam zu machen.
Dem kubanischen Staatsfernsehen jedenfalls waren die Gäste aus Hamburgo einen dreiminütigen Beitrag in den Abendnachrichten wert. Trainer, Präsident und Spieler staunten über die 23 einheimischen Journalisten beim Auftakttraining. Der Drittligist durfte sich mal wieder wichtig fühlen.
Die sportliche Nachhaltigkeit der extravaganten Tour ist zwar noch fraglich, doch die Fußball-Botschafter können sich zumindest neuer Eindrücke erfreuen. "Man merkt, daß wir hier in einer anderen Welt angekommen sind", schwadronierte Kapitän Fabio Morena. Er war fasziniert von den "tollen Oldtimern" in Havanna. Und ließ sich bei Ausflügen mit der Mannschaft von der Bevölkerung feiern. Morena umschwärmten Frauen in karibischen Trachten, eine drückte seinem Kollegen Marcel Eger einen Kuß auf die Wange, wofür er einen Dollar berappen mußte. Eine alte Frau mit Zigarre im Mundwinkel bot den Spielern einen Blick in die Zukunft an. Sie lehnten höflich ab. Auch Littmann hielt sich an die Spielregeln, er verzichtete auf Spielersichtung. "Wir sind nicht der kapitalistische Klub", sagte er pflichtschuldig, "der in Kuba groß einkaufen will."
St. Pauli ist im Marketing immer noch erstklassig
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Havanna - Den Empfang in der deutschen Botschaft hatten sich die meisten St.-Pauli-Spieler als langweiligen Pflichttermin ausgemalt, doch sie wurden eines Besseren belehrt und waren am Ende - wie auch die mitgereisten Anhänger - begeistert. Der deutsche Botschafter Dr. Bernd Wulffen hatte in seine Residenz im Diplomatenviertel Havannas geladen, 130 Gäste erlebten eine gelungene Gartenparty und - viel wichtiger - das Ende einer politischen Eiszeit, die auch als "Cocktailkrise" bezeichnet wird.
Höhepunkt für die meisten St.-Pauli-Fußballer war die Begegnung mit dem ehemaligen Hochspringer Javier Sotomayor. Nahezu jeder wollte ein Autogramm des 37jährigen Olympiasiegers und Weltrekordhalters (2,45 Meter) und sich mit ihm ablichten lassen. Sotomayor fühlte sich sichtlich wohl im Kreis der Mannschaft. "Die Jungs sind klasse", sagte Sotomayor auch nach dem 50. Foto und verriet, daß er sogar schon etwas von den Braun-Weißen gehört hatte: "Ich war im September kurz in Hamburg und habe in der Feldstraße in einem Hotel gewohnt, wo ein Bild des Teams hing." Mittlerweile hat Sotomayor eine Salsa-Band gegründet: "Salsa Mayor". Spontan lud er die Mannschaft zur Premiere der Combo am 22. Januar in Havanna ein.
Aus politischer Sicht war der Empfang sogar noch nachhaltiger. Denn es ist kubanischen Vertretern nach zweijährigem Verbot von Kubas Staatschef Fidel Castro erst seit wenigen Tagen wieder erlaubt, westeuropäische Botschaften und deren Boden in Havanna zu betreten. So wurde St. Paulis Empfang zu einer politischen Annäherung nach "langwieriger Eiszeit", wie Wulffen die jüngste Vergangenheit beschrieb. Acht Botschafter, darunter Tomasz Turowski (Polen), Tilden Santiago (Brasilien), Wiek Wildebur (Niederlande) und Marie-France Pagnier (Frankreich) vergnügten sich bei Smalltalk, Häppchen und Kaltgetränken im Garten der weißen Prachtvilla gemeinsam mit kubanischen Staatsvertretern aus Sport, Politik und Kultur, unterhielten sich angeregt mit den Sportlern, dem kubanischen Lyriker Fernandez Retamar oder Roman-Autor Miguel Barnet. "Wir alle haben die Atmosphäre aufgesaugt", sagte Wulffen und lobte die Hamburger Fußball-Crew: "Ich war begeistert vom Geist dieser Mannschaft, die sich hier sehr gut und authentisch präsentiert hat."
Kapitän Fabio Morena und Stürmer Rico Hanke suchten gezielt Gespräche mit den Diplomaten. "Dieser Austausch kann für alle nur positiv sein", sagte Fabio Morena, und Fabian Boll ergänzte: "Wir als Sportler haben nationenübergreifend eine neutrale Rolle, der Besuch ist für uns eine besondere Ehre."
Trotz aller exotischer Eindrücke und der großen Gastfreundlichkeit haben viele Spieler die Augen vor den offensichtlichen Problemen im Lande des Staatschefs Fidel Castro nicht verschlossen. Die tägliche Fahrt zum Training durch extrem ärmliche Stadtviertel macht betroffen. Boll: "Darüber denkt man schon nach. Aber trotz allem hat man das Gefühl, daß sich die meisten Menschen hier wohlfühlen. Es läßt sich eben nicht mit unseren Verhältnissen vergleichen."
Die antiamerikanische Haltung und der bewußte Verzicht aller Einheimischen, über Castros Politik zu sprechen, ist überall, wo der FC St. Pauli auftaucht, auffällig. Und auch den Hamburgern wurde im Vorfeld der Reise dringlichst empfohlen, keinerlei politische Äußerungen zu tätigen - die Kiezkicker halten sich dran. Grundsätzlich, und das gelte nicht nur für Kuba, müsse man als Sportler immer aufpassen, daß man nicht funktionalisiert, also mißbraucht werde. Trainer Andreas Bergmann: "Aber hier konnte ich dieses Gefühl bislang nicht gewinnen."
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2005/01/15/387434.html
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St. Pauli kommt an Castro nicht vorbei //
Klub erhält Einladung zu Sportler-Gala, auf der Kubas Staatschef erwartet wird
Havanna - Die Ampel stand fünf Minuten lang auf rot, und der Taxifahrer sagte: "Gut möglich, daß Fidel gleich vorbeifährt." Ein paar Sekunden später rollte ein alter Mercedes den breiten Boulevard herunter, und der Taxifahrer schüttelte den Kopf: "Nein, nein, das war Fidels Bruder Raul Castro. Jetzt geht es gleich weiter." Die Ampeln in Kubas Hauptstadt Havanna, die für die Fahrten der Familie Castro stets auf freie Fahrt geschaltet werden, kehrten wieder zu ihrer normalen Rot-Grün-Phase zurück.
Vor allem in der Hauptstadt ist Kubas Staatschef Fidel Castro eine dominierende Figur. Niemand kommt an ihm vorbei, wohl nicht einmal die Fußballer des FC St. Pauli. Überall hängen überdimensionale Fotos des Ex-Revolutionsführers, um ihn ranken sich mittlerweile zahlreiche Legenden. So soll der Diktator unter anderem mehr als 30 Attentate überlebt haben. Aus politischer Sicht ist Castro zweifelsohne eine der schillerndsten, aber auch eine der umstrittensten Personen der Weltgeschichte.
Dem FC St. Pauli könnte sich jetzt die Möglichkeit bieten, den selbsternannten "Maximo Lider" zu treffen. Für den heutigen Montag abend wurden die Regionalliga-Fußballer überraschend zur größten Sport-Gala des Landes, wo die erfolgreichsten Kubaner geehrt werden, gebeten. Sportminister Humberto Rodriguez Gonzales sprach die Einladung persönlich aus - ihm wird ein direkter und enger Kontakt zu Fidel Castro nachgesagt.
Ob aber Kubas Nummer eins selbst im Staatstheater erscheinen wird, darüber kann niemand verläßliche Äußerungen machen. Zur eigenen Sicherheit hat der Staatschef seit Jahren keinen Terminplan mehr preisgegeben. Öffentliche Auftritte entscheidet er gern im letzten Moment. Da Castro aber als sportbegeistert gilt, dabei vor allem Baseball und Gewichtheben liebt, stehen die Chancen gut, daß er in seiner Loge sitzen wird; zumal die Kubaner erwarten, daß Castro nach seiner Genesung nach einem Sturz und dem Bruch seiner linken Kniescheibe im Oktober 2004 nun wieder verstärkt Präsenz zeigen wird. Er soll mittlerweile wieder in der Lage sein, aus seinem Rollstuhl aufzustehen. Wegen seiner Verletzung hatte Castro in den vergangenen Monaten die meisten Termine abgesagt. Auch ein geplantes Treffen mit Hamburgs Kaffeekönig Albert J. Darboven hatte Castro zuletzt kurzfristig verschoben. Wie das Abendblatt in Havanna erfuhr, wollen Kuba und Darboven ihre Geschäftsbeziehungen in den nächsten Jahren intensivieren. Schon jetzt bezieht "Jakobs Kaffee" große Mengen kubanischer Bohnen.
Der FC St. Pauli nimmt auf Kuba mittlerweile eine Art Hauptrolle im Bereich der internationalen Beziehungen mit Deutschland ein. Fast täglich wird über die Aktivitäten des Regionalligaklubs in den TV-Hauptnachrichtensendungen berichtet. Sportminister Rodriguez Gonzales bat St. Paulis Präsident Corny Littmann inzwischen zu einer Privataudienz. "Die Eindrücke abseits des sportlichen Bereichs haben größere Dimensionen angenommen, als ich es je eingeschätzt hätte", sagt Trainer Andreas Bergmann - und freut sich auf die nächste Begegnung mit den sportlichen Größen des Landes.
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2005/01/17/387816.html
- Walter Sonderegger
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