Finn van Breemen, gegen Étoile Carouge standen Sie zum ersten Mal seit Ende August in der Startelf, gegen Sion spielten Sie wieder von Beginn an. Macht Sie das zuversichtlich in Bezug auf einen Stammplatz, oder sind Sie da eher vorsichtig?
Als ich vor dem Carouge-Spiel erfahren habe, dass ich in der Startformation bin, wusste ich, dass das nun meine Chance sein könnte. Aber ich sehe mich als Teil des grossen Ganzen, als Teil des Teams. In erster Linie bin ich einfach sehr glücklich, dass wir zwei Mal gewinnen konnten.
Ihre wenige Spielzeit in den letzten Monaten geht auf eine Verletzung während der Hinrunde zurück. Lange wusste man nicht, was genau los war. Wissen Sie es jetzt?
Ich hatte einen Riss in der Plantarfaszie, eine Sehne unten am Fuss. Das sorgte dafür, dass mich beim Spielen immer wieder Schmerzen plagten. Die Genesung hat lange gedauert, und manchmal fühle ich den Schmerz noch immer ein wenig. Der Riss an sich ist aber vollständig verheilt.
Das war die erste schwerere Verletzung in Ihrer Karriere.
Das stimmt, bei ADO Den Haag in den Niederlanden fiel ich auch schon für ein paar Spiele aus, aber das ist damit nicht zu vergleichen. Die letzte Verletzung war mental eine sehr grosse Herausforderung.
Was hat es so schwierig gemacht?
Es dauerte lange, um überhaupt herauszufinden, was genau das Problem war und wie ich schnellstmöglich wieder auf den Platz zurückkehren kann. Diese Ungewissheit war sehr frustrierend. Ich musste von aussen mit ansehen, wie sich die Mannschaft weiterentwickelt, und ich konnte nur bedingt ein Teil davon sein. Man freut sich dann zwar über die Siege, möchte aber auch auf dem Platz mithelfen und dabei sein.
Was hat Ihnen geholfen?
Ich habe Tag für Tag genommen. Irgendwie musst du damit leben, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ich habe mich auch viel mit Benjamin Kololli ausgetauscht, der damals in der Kabine neben mir sass. Wenn du als Fussballer Probleme hast, tut es gut, mit jemandem reden zu können, der die gleichen Dinge durchgemacht hat.
Von aussen nimmt man Sie als eine glückliche und unbeschwerte Person wahr.
Ja, das ist auch so. Aber vieles davon hängt vom Fussball ab. Ich habe mein ganzes Leben dem Sport verschrieben, und es ist oft schwierig für mich, meinen Beruf und Privates zu trennen. Nach einer Niederlage brauche ich teilweise bis zum Ende des darauffolgenden Tages, um sie zu verarbeiten. Ich muss lernen, glücklich zu sein, auch wenn es im Fussball mal nicht gut läuft. Während meiner Verletzung und auch noch danach konnte ich nicht der Typ sein, der ich normalerweise bin. Erst nach ein paar Monaten wurde ich wieder glücklicher, weil ich die Situation akzeptieren konnte.
Hatten Sie sich professionelle Hilfe gesucht?
Nein, so war es nicht. Ich habe viele Leute um mich herum, die sich um mich sorgen. Ich konnte immer mit jemandem reden. Ich denke, dass alle Phasen in ihrem Leben haben, in denen es schwierig ist, motiviert und glücklich zu sein. Vielleicht sind solche Phasen als Fussballer einfach noch ein bisschen extremer.
Warum denken Sie das?
Ich habe einen grossen Teil meines Lebens für den Fussball geopfert. Wenn man dann seiner Leidenschaft nicht folgen kann, ist das mental sehr hart. Aber klar: Ich habe meine Familie, meine Freundin und einen sicheren Lohn. Das sind Dinge, die ich schätze. Das ist das Wichtigste im Leben.
Wie war es, in dieser Zeit so weit von Ihrer Familie entfernt zu sein?
Das ist ein schwieriges Thema für mich. Ich liebe meine Familie sehr, sie sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Gerade in jener Zeit, als ich verletzt und oft alleine zu Hause war, war es schwierig. Ich spreche zwar täglich mit ihnen, aber durch ein Handy und nicht von Angesicht zu Angesicht. Das ist einfach nicht das Gleiche.
Wie oft kommen sie nach Basel?
Meine Freundin sehe ich alle zwei oder drei Wochen und meine Eltern müssen arbeiten und kommen vielleicht einmal in zwei Monaten.
Nach Ihrer Verletzung mussten Sie sich erst einmal hinter Jonas Adjetey anstellen. Konnten Sie das nachvollziehen?
Ja, denn am Ende sind wir ein Team. Ich kann jeden Trainer verstehen, der nichts an seiner Innenverteidigung ändert, wenn die Resultate stimmen – und das haben sie.
Wie ist Ihr Verhältnis mit Jonas Adjetey?
Ich mag ihn sehr und sehe ihn als Freund. Dass er auch mein Konkurrent ist, ist in einem Team normal. Es ist auch die beste Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.
Was unterscheidet Sie beide auf dem Feld?
Ich vergleiche mich ungern mit Mitspielern. Aber Jonas hat fantastische Qualitäten und vor allem in der Defensive macht er einen hervorragenden Job. Auch ich selbst kann harte Zweikämpfe führen und Kopfballduelle gewinnen. Zudem sehe ich meine Stärken in guten Bällen zwischen die Linien und in der Spielübersicht.
Kommen Ihre Fähigkeiten mit dem Ball aus der niederländischen Fussballschule, die ja sehr viel Wert auf Technik legt.
Ich bin in einem Verein gross geworden, der nicht unbedingt für seine fussballerischen Fähigkeiten bekannt ist. Wir haben es eher über das Kämpferische gemacht. Aber wir spielten natürlich gegen diese typisch technisch starken Teams. Ich denke jedoch viel eher, dass meine Technik daher kommt, dass ich, bis ich 16 war, als Sechser und Achter spielte.
Welche Unterschiede sind Ihnen aufgefallen, als Sie den Fussball in der Schweiz kennen lernten?
Hier ist der Fussball physischer und es liegt mehr Fokus auf der Defensive. Besonders gut merke ich diesen Unterschied, wenn ich in die U21 der Niederlande gehe.
Sie hatten sich im letzten Sommer gegen einen Wechsel zu Udinese Calcio entschieden. Wieso?
Zum einen, weil ich mich in Basel sehr gut aufgehoben fühle. Zum anderen habe ich den Eindruck, dass ich mich auch innerhalb des FC Basel noch sehr gut entwickeln kann. Meine Philosophie ist es, einen Verein nicht zu verlassen, bevor man das Gefühl hat, sein maximales Potenzial erreicht zu haben. Zudem kann dieses Team Trophäen gewinnen, und das will ich nicht verpassen.
Hätten Sie auch verzichtet, wenn ein grösserer Club als Udinese gekommen wäre?
Es gibt gewisse Clubs, bei denen es sich wohl jeder Spieler zweimal überlegen würde. Da spielen nebst dem grossen Namen irgendwann auch die Finanzen eine Rolle. Aber diese Clubs würden mich zu diesem Zeitpunkt wohl auch nicht anfragen, und wie gesagt, ich fühle mich hier aktuell sehr wohl.
Werden Sie im kommenden Sommer eher für einen Wechsel bereit sein?
Das weiss ich noch nicht. Momentan bin ich nicht auf diese Dinge fokussiert, sondern zu 100 Prozent auf den FC Basel.
Es ist für einen jungen Spieler nicht gewöhnlich, auf das Geld einer Top-Liga zu verzichten.
Letztlich geht es im Fussball auch immer ums Geld, das weiss ich. Aber Geld ist eben nicht alles. Ich habe meine Ziele und Träume, und diese haben oberste Priorität. Ich will das höchste Level erreichen und mein maximales Potenzial ausschöpfen. Wenn ich wechsle, ohne eine realistische Chance auf regelmässige Spielzeit, dann ist das der falsche Weg, um an die Spitze zu gelangen.
Haben Sie einen Plan B?
Man weiss nie, was in der Zukunft passiert. Aber ich glaube, dass mich ein alternativer Plan davon abhält, den Plan A zu 100 Prozent durchzuziehen.
Was wissen Sie über die Basler Fasnacht?
Das Wichtigste ist: Wenn ich keine Blaggedde habe, dann kommen die Waggis und schmeissen mir Räppli ins Gesicht. Und manchmal kann ich nicht schlafen, weil draussen alles pfeift und trommelt. Es ist auch etwas beängstigend, wenn man im Auto fährt und dann eine Waggis-Puppe von einem Baum hängen sieht. (lacht)
Planen Sie, hinzugehen?
Wenn wir gegen Luzern gewinnen, ist das sicher eine Möglichkeit. Vielleicht gehen wir ja sogar als Team.
Davor steht am Sonntag aber noch das Spitzenspiel gegen Luzern an. Wie präsent ist Ihnen der Gedanke, dass im Titelrennen viel von diesem Spiel abhängen könnte?
Es macht einen Unterschied. Ab jetzt sind alle Partien wie Finalspiele. Wenn man sie verliert, hat man einen klaren Nachteil.
Geht von diesem Gedanken mehr Druck oder mehr Motivation aus?
Es motiviert mich zu 100 Prozent, auch wenn da natürlich ein gewisser Druck ist. Aber dieser Druck ist positiv und pusht mich.
Wie gross sind die Chancen des FC Basel, den Titel zu gewinnen?
Wir haben es selbst in der Hand. Wir sind jetzt Erster. Wenn wir 100 Prozent geben und als Team zusammenhalten, ist es sehr schwierig, uns zu schlagen. Daher ist es keine Qualitätsfrage, es ist eine Frage des Mindsets.
Man merkt: Die Spieler des FCB scheuen nicht mehr davor zurück, offen über die Titelambitionen zu sprechen.
Meine Einstellung ist: Wenn man nicht über das spricht, was man erreichen will, dann fehlt einem die letzte Überzeugung.
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