Lusti hat geschrieben: 08.03.2022, 12:55
Einige strategische Hintergründe:
Logistik:
Russland hat ein perfekt ausgebautes Schienennetz. Dieses ist für die Mobilisierung innerhalb Russlands bestens geeignet. Dafür spricht auch, dass 80% der Lokomitven in staatlicher Hand sind und gegen 30'000 Soldaten ausschliesslich bei der "Bahn" arbeiten. Diesem Umstand hat die Ukraine mit der Sprengung der Schienennetze im Inland Rechnung getragen.
So bleibt noch der Nachschub aus der Luft und terrestrisch. Die Flughäfen sind umkämpft, an eine saubere Logistik seitens Russland ist hier nicht zu denken. Die Kapazitäten am Boden reichen kaum aus, und terrestrische, ungedeckte Nachschubtransporte ist wie Tontaubenschiessen für die Ukrainer.
Fazit: Infanterie gewinnt Gefechte, Logistik gewinnt Kriege.
Luftwaffe:
Intelligente Waffensysteme sind Mangelware. GLONASS (das russische Pendand zu GPS) funktioniert nur teilweise und wird gestört. Das führt dazu, dass die Russen meist auf ungelenkte Bomben zurückgreifen. Dies wiederum führt dazu, dass Air-Raids im Tiefflug und Langsamflug ausgeführt werden müssen. Das macht die russischen Bomber zu atttraktiven Zielen für Bodenstützte Manpads (Einmann-Luftabwehrsystem z.B. Stinger).
Fazit: Die Lufthoheit der Russen zwar partiell vorhanden, wirkungsvoll ist sie jedoch nicht. Speziell bei der Unterstützung von Infanterie und Panzern (Luft-Boden Nahunterstützung) ist die Wirkung gleich null.
Militärische Führung:
Hierzu ein paar Stichworte:
- unverschlüsselter Funk / kaum Relais
- Offiziere in der Etappe
- Ausbildung und Einsatzfähigkeit der Truppe
Einen Angriffskrieg mit mangelhafter Kommunikation auf Stufe Truppenkörper (Kp) oder höher zu führen ist schlichtweg unmöglich. Schlecht ausgebildete Truppen und Offiziere mit mangelhafter Qualifikation runden das Gesamtpaket ab. Hier zeigt sich die grösste Schwäche des Miltärs unter der Führung von Putin: Es wird nach Loyalität befördert, nicht nach Qualifikation. Im Zuge der ersten 1-3 Tagen der Offensive wurde klar, dass sich bei Feindkontakt und anhaltenden Gefechten, nur noch die Subalternoffiziere (Stufe Lt ond Oblt) bei der Truppe aufhalten, die höheren Offiziere ziehen sich in die Etappe zurück. In Kombination mit mangelhaften Relais und offenen Funknetzen führt dies dazu, dass die Führung im Gefecht implodiert. Hier könnten gut ausgebildete Truppen auf Stufe Kp mit fähigen Offizieren und Unteroffizieren ein Teil ausgleichen. Es würde nach dem Prinzip "im Sinne des Auftrags" weitergekämpft. Nur sind diese Aufträge auf Stufe Kompanie kaum bekannt. Und so stehen Wehrpflichtige mit unfähigen Offizieren und ohne Koordination von höherer Stufe einer Guerillaarmee gegenüber:
Fazit: unausgebildtete Truppen in den Kampf zu führen bedeutet sie wegzuwerfen.
Weiterer Verlauf:
Die Ukraine ist generalmobilisiert. Alles was eine Waffe tragen kann, trägt eine. Das Momentum ist bei den Verteidigern, der Blitzkrieg ist zu einem Stellungskrieg geworden. In den letzen Woche haben sich zudem einige Dinge ergeben, welche den Russen im weiteren Verlauf schwer zu schaffen machen werden:
- ausländische Kämpfer in den Reihen der Ukrainer:
Meist gut ausgebildete Soldaten mit Kampferfahrung. Diese Soldaten werden bei der Ausbildung der freiwillgen Ukrainern pures Gold wert sein.
- Härtung der Städte:
bisher war der Krieg 2-Dimensional, auf offenem Gelände geführt. Sobald die Russen in die Städte einmarschieren sollten, werden sie ihr persönliches Vietnam erleben. Die Ukrainer hatten Zeit, die Stellungen auszukundschften, Sperren zu errichten, Hinterhalte zu planen. Auch hier werden die ausländischen Kämpfer qualitativ nochmal einen drauf legen.
- Motivation und Organisation:
Zelensky ist mittlerweile ersetzbar. Klar gilt er als Held und als Gesicht des Widerstandes. Durch einen etwaigen Tod wird er zum Märtyrer. Die Organisation des Widerstandes ist mittlerweile aber breit verteilt, lokale Guerillatruppen sind aufgestellt und funktionieren autark. Das ukrainische Volk ist auf Krawall gebürstet, sie wissen was mit Staaten geschieht welche sich Russland und seiner Militärmacht beugen. Diese Menschen werden bis zur letzten Patrone kämpfen und sie werden Russland für jeden Meter, jeden Strassenzug, jeden Wohnblock und jede Wohnung mit Blut bezahlen lassen.
Fazit: Russland muss gewinnen, die Ukraine darf nur nicht verlieren.