Das ist kein offizielles statement der WHO, einfach eine Forschungsarbeit. Und hier wuerde ich nicht den median anschauen, sondern die ganze Reichweite der estimates:
Seroprevalence for the infection ranged from 0.02% to 53.40% (58.40% in the slum subpopulation in Mumbai; Table 3). Studies varied considerably depending on whether or not theytried to adjust their estimates for test performance, sampling (to get closer to a more representativesample), clustering (e.g. when including household members) and other factors [...]
Inferred infection fatality rate estimates varied from 0.00% to 1.63% (Table 4). Corrected valuesalso varied considerably (0.00–1.54%).
Wie gesagt... wenn 0.23% richtig ist, dann ist es halb so schlimm. Wenn es eher 1.63% ist, dann haben wir ein groesseres Problem. 0.00% duerfte es hingegen wohl kaum sein.
Ist halt wie beim alten Spruch: wenn Bill Gates in eine Bar geht, dann ist der durchschnittliche Gast ein Milliardaer.
boroboro hat geschrieben:Fehlerquellen gibt es auch viele die das Ergebnis in die andere Richtung verfälschen. Zum Beispiel wird jeder der mit Corona stirbt, als Coronatoter gezählt, auch wenn er im Endstadium Krebs ist.
Das stimmt natuerlich. Und gerade Leute ueber 90 haben nicht viele Lebensjahre verloren (so brutal das auch toenen mag). Die Massnahmen werden daher entweder anhand der VSL oder der QALY Kosten evaluiert. VSL ist einfach der Wert eines statistischen Lebens. In den USA ist der auf rund 9 Millionen Dollar festgelegt und bestimmt, ob gewisse Regulierungen eingefuehrt werden oder nicht. Bei COVID wuerde das aber den Nutzen ueberschaetzen, gerade weil die Leute viel aelter als der Durchschnitt sind. Daher kommt QALY zum Zug: quality-adjusted life years. Man schaetzt also ab, wie lange jemand noch gelebt haette, und in welchem Gesundheitzustand. In den USA ist ein Jahr bei voller Gesundheit mit $129,000 dotiert. Wenn jemand mit einer schweren Vorerkrangung stirbt, dann "kostet" das weniger. Wenn sich jemand erholt, aber fuer den Rest seines Lebens Atemprobleme hat, dann gibt auch das Kosten.
Die Berechnung ist ziemlich kompliziert und geht von vielen Annahmen aus. Aber wenige Massnahmen fallen in einen Graubereich. Oft ist es ganz klar, dass die Kosten viel tiefer (oder viel hoeher) sind als der Nutzen. So ist die Grippeimpfung z.B. enorm billig, wenn man nur schon die verlorenen Arbeitstage anschaut -- die Gesundheitskosten sind einfach noch ein Bonus. Allgemein bringen Impfstoffe -- auch wenn sie nicht besonders effektiv sind -- massiv mehr Nutzen als Kosten (inkl. Nebenwirkungen, die man natuerlich nicht verschweigen darf).
Ob die meisten Forschungsresultate "falsch" sind, wage ich hingegen stark zu bezweifeln. Eher wuerde ich sagen, sie sind nicht ganz richtig -- und das ist ein wichtiger Unterschied. Wenn man einmal glaubte die Erde sei flach und spaeter glaubte, sie sei rund, hat man beide Male Unrecht. Aber wenn man ein Haus bauen will, ist "flach" genau genug; wenn man reisen will, ist "rund" brauchbar. Wenn man ein GPS System entwickelt, dann muss es eben noch genauer sein.
Bei COVID schaue ich die meisten Studien auch etwas skeptisch an. Oft basieren sie eben nur auf wenig Daten und alles musste schnell gehen. Aber wenn man die Vogelperspektive einnimmt, dann kommen schon langsam ein paar Trends raus, die man nicht ignorieren kann. So glaubte man anfangs, das groesste Risiko seien Troepfcheninfektionen... heute ist man eher ueber Aerosole besorgt. Schon frueh zeigte sich, dass Oberflaechen nicht besonders riskant sind - Haendewaschen ist also weniger wichtig, als man mal glaubte. Aber sollte man sowieso machen und kostet unter dem Strich ja auch nichts.
Der Begriff des "neuen Normals," der vorallem auch in den USA gebraucht wird, halte ich nebenbei fuer vollkommen idiotisch. Natuerlich werden wir in 2 Jahren nicht mit Masken rumlaufen und Menschenmengen vermeiden. Ab einem gewissen Punkt wuerde man wirklich sagen, auch 2% der Bevoelkerung ist nicht saemtliche Einschraenkungen wert. Aber das wuerde ja nur eintreffen, wenn saemtliche Impfstoffe (derzeit ueber 100) versagen wuerden und keine Behandlungsmethoden effektiv waeren. Das finde ich unbegruendet pessimistisch... man muss ja nicht gleich Trump's "es geht alles von alleine weg" abnehmen, aber die moderne Medizin ist ja auch nicht ganz unfaehig.
Bis jetzt hat uns die Wissenschaft eigentlich gut bedient: wir haben sehr schnell gute Tests erhalten, eine contact tracing app gibt es auch, und wir haben vielversprechende Impfstoffe und Medikamente die in wenigen Wochen einsatzbereit sein koennten. Die Sozialwissenschaft hat uns hingegen im Stich gelassen: die Leute lassen sich nicht testen, das Tragen von Masken ist kontrovers, die App wird nicht gebraucht, und es ist fragwuerdig, ob sich die Leute dann auch impfen lassen. Die harten Probleme sind eben meist nicht die, die man erwartet...