NACH DEM SERVETTE-DEBAKEL BANGT DIE RHONE-STADT UM IHR IMAGE
Ein Stadion sucht seinen Zweck. Im März 2003 hat Genf seine Fussballarena Stade de Genève eröffnet. Die Finanzierung aber ist weiterhin nicht gesichert. Foto Keystone
Denise Lachat Pfister, Genf
Nach dem Konkurs des Servette FC steht Genf vor der nächsten Zitterpartie: Das Fussballstadion, in dem 2008 die EM stattfinden soll, ist noch nicht fertig finanziert. Im April wird abgestimmt.
Viele Genfer waren des wochenlangen Seilziehens um den Servette FC und der leeren Versprechungen seines Präsidenten Marc Roger so überdrüssig, dass sie auf den am vergangenen Freitag verhängten Konkurs nur noch erleichtert reagierten - das unselige Auf und Ab ist endlich vorbei. Eingefleischte Fans sind zwar enttäuscht und traurig, andere sind froh, dass nun ein Neuanfang auf bescheidener, aber finanziell gesunder Basis ins Auge gefasst werden kann.
Imageschäden. In den vergangenen Tagen fürchteten etliche Genfer auch um den Ruf ihrer Stadt, den sie durch Rogers unsägliches Finanzgebaren in den Schmutz gezogen sahen. Als «extrem negativ für das Image der Stadt» bezeichnete Genfs liberaler Stadtpräsident Pierre Muller die Sache, und der freisinnige Fraktionschef im Stadtparlament, Pierre Maudet, ärgert sich. Genf mache sich in der ganzen Schweiz lächerlich mit dieser Affäre, die als «typische Genevoiserie» erscheine.
Laurent Moutinot findet in diesen tristen Zeiten Trost im Schicksal anderer. Im Unterschied zu Zürich habe es Genf doch immerhin geschafft, ein neues Fussballstadion zu bauen, liess sich der sozialdemokratische Genfer Regierungsrat im «Matin» zitieren. Etwas weniger versöhnlich stimmt die Genfer allerdings, dass das elegante Stadion fast doppelt soviel gekostet hat wie veranschlagt und zudem noch nicht fertig bezahlt ist. Aus den budgetierten 68 Millionen sind im Laufe der Jahre 120 Millionen geworden.
Das hat verschiedene Ursachen: Uefa-Normen verlangten 30000 statt 25000 Plätze, wegen der Nähe des Stadions zum SBB-Bahnhof La Praille mussten die Sicherheitsvorkehrungen verbessert werden, und weil die erste Baufirma konkurs ging, kam es zu Verzögerungen. Kritiker brandmarken zudem die schlampige Führung des Dossiers durch die Behörden. Vorwürfe hagelte es notabene gegen den vormaligen Stiftungsratspräsidenten, PdA-Stadtrat und Sportdirektor André Hediger. Der in Sportlerkreisen beliebte Exekutivpolitiker war bereits wegen der abgestürzten Genfer Casino-Kandidatur, die schliesslich im Konkurs endete, in die negativen Schlagzeilen geraten. Hediger hat sich nach Vorwürfen Moutinots, das Geld der Steuerzahler zum Fenster hinauszuwerfen, schmollend aus der Stiftung zurückgezogen.
Beklagt werden einmal mehr auch die mangelnde Koordination zwischen Stadt und Kanton sowie die unklare Verteilung der Kompetenzen; angesichts seiner Beteiligung von über 20 Millionen Franken hätte der Kanton laut einem Untersuchungsbericht die Führungsrolle übernehmen müssen. Als unglücklich erwies sich im Nachhinein zudem, dass die Stiftung dem Drängen Marc Rogers nachgab und ihm auch den Betrieb des Stadions anvertraute. Das Ergebnis ist bekannt: Mit dem Konkurs des Servette FC ging auch die mit 1,5 Millionen Franken verschuldete Betreibergesellschaft bankrott.
Insider berichten, dass das Zugeständnis an Roger auf das Konto des abgewählten FDP-Regierungsrats Gérald Ramseyer geht. Ramseyer ist seinen Posten als Vertreter des Kantons bei der Uefa inzwischen los; neu soll Laurent Walpen Genf in die Euro 2008 führen. Auch das Führungskonzept für das Stadion wird neu definiert.
Irgendwie sollte das Stadion aber auch ohne Servette betrieben werden, mit Freundschaftsspielen oder doch wenigstens mit Konzerten, heisst es in Genf. Doch nach dem Auftritt des französischen Rockers Johnny Halliday im Sommer 2003 hagelte es Rügen; offenbar ist die Veranstaltung von Konzerten im Stade de Genève unpraktisch und teurer als geplant. Das gerichtliche Nachspiel mit Klage und Gegenklage ist noch im Gange.
«Ein Eigentor». Offen ist auch, ob die Stadt Genf am 24. April einen Nachkredit von 2,5 Millionen Franken bewilligt, von dem die anderen Stiftungsmitglieder wiederum ihre Anteile abhängig machen. Wahrscheinlich sei der Bevölkerung ein Ja zum Kredit nach dem Konkurs des Servette FC noch etwas schwieriger zu vermitteln, fürchtet Pierre Maudet, auch wenn streng genommen kein direkter finanzieller Zusammenhang zwischen Stadion und Club bestehe. Immerhin aber haben Stadt, Kanton und Private das Stadion ursprünglich für Servette gebaut. Im Falle eines Neins prophezeit Maudet ein Katastrophen-Szenario.
Kämen die Debitoren ihren Verpflichtungen nicht nach, könnte die Baufirma Zschokke dank einer legalen Hypothek auf den ausstehenden zehn Millionen Franken das ganze Stadion für ein Butterbrot übernehmen. Rund 60 Millionen Franken an öffentlichen Geldern würden so in den Sand gesetzt, sagt Maudet. «Das wäre dann ein klassisches Eigentor.»
BaZ 7.2.05