Lusti hat geschrieben:Es ist egal gegen wen sich diese Massnahmen richten. Im vorliegenden Fall sind es extreme Massnahmen für extreme Situation. Auch muss man folgende Punkt klar definieren:
Die Grundrechte des Einzelnen werden auch durch diese Massnahmen verhältnismässig und zeitlich begrenzt eingeschränkt. Sie gelten während der Dauer der zugrundeliegenden Gefärdung. Man könnte jetzt eine erzwungene Quarantäne oder Isolation eines Individuums welches diese Massnahme nicht wünscht durchaus als Freiheitsenzug werten. Aber der Staat hat eben auch eine Allgemeinheit die es zu schützen gilt und dies ist ebenso ein Auftrag der die Verfassung an den Gesetzgeber erteilt.
Dem Teil stimme ich zu. Freiheitsentzug ist als Massnahme OK. Es muss aber ein direkter
und kausaler Zusammenhang bestehen. Dieser liegt meiner Meinung nach nicht vor. Der Zusammenhang ist indirekt.
Lusti hat geschrieben:Will also ein Individuum keinesfalls auf seine persönlichen Freiheiten verzichten, diese Freiheiten aber in opposition zur Unversehrtheit anderer steht, so sind diese Massnahmen eben doch verhätnismässig.
Aber genau hier liegt ja die Krux der ganzen Geschichte. Vom einzelnen Senior geht keine erhöhte Gefahr für die Unversehrtheit anderer aus. Es sind statistische Werte, welche erst in der Masse ein scheinbar überzeugendes Argument liefern.
Ein völlig absurdes Beispiel: Es verbreitete sich ein Virus, welcher als Symptom die Risikobereitschaft erhöht. Die Anzahl der Verkehrsunfallopfer durch Fremdverschuldung stiege massiv an. Die Spitäler sind überlastet. Es wird ein nationales Fahrverbot ausgerufen. Jetzt stellt man fest, dass eine bestimmte Co-Nationalität die meisten Unfallopfer verursacht. In diesem Fall geht sogar die grössere Gefährdung der Unversehrtheit anderer von dieser Gruppe aus. Aber alle anderen produzieren auch mehr Unfälle, als sonst. Wäre es nun in Ordnung, das anfängliche totale Fahrverbot für alle ausser Angehörigen dieser Gruppe aufzuheben? Statistisch liegt es auf der Hand, so die Engpässe besser überbrücken zu können.
Aber nicht jeder hat den Virus. Nicht jeder der ihn hat, verursacht zwangsläufig Verkehrsunfälle. Und nicht jeder Verkehrsunfall belastet die Spitäler. Selbst wenn hier eine höhere Gefährdung von Angesteckten der Gruppe
ausgeht, ist eine rechtliche Begründung für eine Zulassung der Diskriminierung schwierig, auch wenn sie statistisch haltbar scheint.
Entsprechend noch schwieriger wird es, wenn die Gefährdung eben nicht direkt von der Gruppe ausgeht.
Dass wir als Gesellschaft auf die Schwächsten und Bedürftigsten Rücksicht nehmen ist der Kitt unserer Demokratie. Dieses Prinzip darf nicht so leichtfertig über Bord geworfen werden.
Wenn ein solidarisch getragenes System vor Überanspruchung geschützt werden soll. Wie stellt man das am besten an?
Kaserniert man Leute, die drohen in die Sozialhilfe abzurutschen? Es wäre effizienter (in Freiheit geben sie zu viel Geld aus, das sie nicht haben), man kann sie so
«schützen» und man entlastet das Budget. Damit genug Sozialhilfe für alle übrig bleibt die schon welche beziehen und für jene, die sie bald unvorhergesehen beanspruchen könnten. Die Rechnung geht doch auf?
Darf man dann also die Freiheit dieser Leute einschränken, nur weil sie nicht als Zahl in der Rechnung auftaucht?
Die Kasernierung anzubieten ist eine ganz andere Sache, als sie einzufordern. Wie bringt man die Leute aber dazu, sich freiwillig kasernieren zu lassen? Mit «Friss oder stirb»? Das haben wir doch schon mit der Triage bei Ressourcenknappheit.
Ich glaube, man könnte sie überzeugen, dass es wichtig ist. Dass man als Gesellschaft zwar leidet, aber auch bereit ist für sie zu verzichten. Man muss als Vorbild an ihre Solidarität appellieren, damit sie freiwillig auf das Rausgehen verzichten. Sollte ja eigentlich keine schwierige Sache sein. Und die Grundrechte blieben intakt.