Lällekönig hat geschrieben:Warum hätte ich mir den Rest sparen können? Weil ich einer anderen Meinung bin?
Nein, nicht deswegen, sondern weil es mir in meiner Aussage in erster Linie einfach darum ging aufzuzeigen, dass viele, die zur Risikogruppe gezählt werden, auch schon ausserhalb von Corona-Zeiten daran gewöhnt sind, auf sich aufzupassen und sich gegebenenfalls zum Eigenschutz zurückziehen. Eine Abgrenzung erfolgt also in vielen Fällen bereits.
Lällekönig hat geschrieben:In diesem einen Satz befindet sich auch der wesentliche Unterschied: Ein freiwilliger Akt des Selbstschutzes.
Dass Du diese Abgrenzung betont als "freiwillig" bezeichnest, ist schon recht zynisch, denn die Personen der Risikogruppe nehmen die Schutzmassnahmen nur deshalb "freiwillig" in Kauf, weil es sonst ihr (sicherer) Tod bedeuten könnte.
Lällekönig hat geschrieben:Ausgangspunkt war, die Risikogruppe zu isolieren. Das wäre durch den Staat diskriminiert.
"Isolieren" klingt mir hier zu dramatisch. Fast so, als würde man sie vom Rest der Gesellschaft ausschliessen. Aus meiner Sicht würde es darum gehen, dass sich die Risikogruppe nach Ablauf der "ausserordentlichen Lage" (am 19. April oder sonst gegebenenfalls Ende April/Anfang Mai) weiterhin an die aktuell geltenden Massnahmen halten müsste, während für die restliche Bevölkerung die Massnahmen allmählich gelockert würden. Und nein, ich finde das keineswegs diskriminierend, weil eben a) viele Leute der Risikogruppe daran gewöhnt sind, sich von ansteckenden Krankheiten zu schützen, b) wir nicht die Wirtschaft an die Wand fahren können und c) wir vermeiden sollten, den sozialen Frieden zu gefährden.
Lällekönig hat geschrieben:Aber es ist ein immenser Unterschied für unsere Gesellschaft, ob die Risikogruppen sich freiwillig isolieren oder nicht.
Seit Beginn der Corona-Krise appelliert die Regierung (nett- aber auch naiverweise) an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Erst seit die Massnahmen so verschärft wurden, dass man bei Gruppenbildung gebüsst werden kann, fangen die Leute an, sich einigermassen an die Regeln zu halten. Insbesondere ältere Leute, die der Risikogruppe angehören, bewiesen sich davor als beratungs- oder empfehlungsresistent. Diese Senioren nun aufzufordern, sich zum Eigenschutz weiterhin freiwillig an die aktuell bestehenden Massnahmen zu halten, während für die restliche Bevölkerung die Massnahmen gelockert würden, würde deshalb wohl kaum funktionieren.
Lällekönig hat geschrieben:Wir schützen nicht die Risikogruppe. Wir schützen das Gesundheitssystem. Das Gesundheitspersonal.
Ja ja, wie gesagt, das habe ich - und wohl mittlerweile so ziemlich alle - begriffen. Indirekt schützen wir aber eben auch vor allem die Risikogruppe. Doch selbst wenn Du der Ansicht bist, dass wir nur oder in erster Linie das Gesundheitssystem und das Gesundheitspersonal schützen; wir können nicht auf Biegen und Brechen und zu jedem Preis nur einen Berufszweig und eine Berufsgattung schützen. Dass wir im Moment als Gesellschaft einen Effort machen, um die Verbreitung dieses Virus einzudämmen und die Überlastung der Spitäler zu verhindern, erachte auch ich als vernünftig, aber definitiv nur für eine beschränkte Zeit, um Kollateralschäden so gering wie möglich zu halten.
Lällekönig hat geschrieben:Das Prinzip, dass jeder das Anrecht auf die gleiche Behandlung hat. Vor dem Gesetzt und durch die Medizin*. Der Glaube an diese Prinzipien ist wichtig, um als Gemeinschaft funktionieren zu können. Um an den Staat glauben zu können. Denn wie das Geld, so ist auch der Staat nur eine Idee, welche von einer Wertegemeinschaft getragen wird, indem man daran glaubt.
Sorry, aber das klingt mir jetzt definitiv zu idealistisch verblendet. Oder glaubst Du etwa tatsächlich, dass Du oder ich medizinisch gleich behandelt werden wie z.B. Christoph Blocher, Roger Federer oder Gigi Oeri?
Lällekönig hat geschrieben:Wie bringt man nun die Risikogruppen dazu, sich freiwillig vor einer Infektion zu schützen, deren Konsequenzen sie vielleicht gar nicht fürchten, resp. diese bewusst in Kauf nehmen, weil ihnen die Bewegungsfreiheit wichtiger ist?
Du kannst zurückblättern und wirst unzählige Posts finden, die den Eindruck erwecken, dass viele Alte den Virus entweder in Kauf nehmen oder nicht richtig verstanden haben. Und das waren nur der einfach identifizierbare Anteil der Risikogruppen. Bisher schien es nur zu gehen, indem sich alle einschränken.
Alain Berset und Martin Koch wiederholen seit Beginn der Krise, dass die Eigenverantwortung der Bürger entscheidend ist und Du willst mir jetzt weismachen, dass die ganze Bevölkerung die Einschränkungen mittragen muss, damit die Risikogruppe auch wirklich versteht, dass sie sich vor dem Virus schützen muss.
Lällekönig hat geschrieben:Wie kann man nun die Massnahme lockern, dass der Schaden für das Kollektiv geringer wird, aber keiner bevorteilt oder benachteiligt wird? Mit der Bereitschaft die Moral über Bord zu werfen oder zu verringern, ist die effizienteste Massnahme schnell bestimmt. Wo ist aber der effizienteste Punkt, ohne moralische Prinzipien zu verletzen? Wie erzeugt man Freiwilligkeit? Wie erzeugt man Solidarität?
Die Moral über Bord werfen? Mir scheint, dass Du der Meinung bist, dass wir diese Corona-Krise jetzt so im Lockdown durchstehen sollten, bis (wieder) für jedermann - ob Corona- oder Notfallpatient - ein Spitalbett und eine Behandlung garantiert werden kann. Jeder, der das anders sieht oder voreilig die Massnahmen lockern will, wirft in Deinen Augen wohl die Moral über Bord.
Konter hat geschrieben:Unser Gesundheitssystem droht zu kollabieren. Dann gibt es auch kurz- und mittelfristig keine Operationen und Therapien mehr für denjenigen mit den Knieproblemen. Krebspatienten können nicht mehr genügend versorgt werden. Leute die mit einem Herzinfarkt eingeliefert werden, können nicht notoperiert werden, Personen die einen Verkehrsunfall hatten, kriegen keine Ambulanz, weil die alle mit dem Verlegen von Corona-Intensivpatienten beschäftigt sind.
Also zuerst einmal folgendes; heute Nachmittag habe ich meine Nachbarin - eine Krankenschwester am Unispital - draussen mit ihren Kindern vergnügt Ping Pong spielen sehen. Sie ist weder am Anschlag, noch schiebt sie zurzeit irgendwelche Überstunden. Ich spreche fast täglich mit ihr und sie hat mir gesagt, dass sie in Basel die Situation zurzeit im Griff haben und noch nicht überlastet sind. Und gemäss Daniel Koch heute an der PK verhält sich das im Moment auch in der ganzen Schweiz noch so. Es wird in den nächsten Woche sicherlich noch kritischer werden, aber es gibt ja viele, die behaupten, die Spitäler seien jetzt schon am Limit.
Natürlich ist es die absolute Idealvorstellung, dass jederzeit genügend Spitalbetten für alle zur Verfügung stehen. Wir reiche Schweizer halten dies ganz offensichtlich für eine Selbstverständlichkeit und ein Grundrecht. Damit wir das aber
zu jeder Zeit garantieren könnten, müssten wir viel mehr Spitalbetter und viel mehr Personal zur Verfügung haben, was aber letztlich nicht realistisch ist, weil dann zu "normalen Zeiten" zu viele Betten leer stehen würden, zuviel Personal unterbeschäftigt wäre und wir uns dann wieder einmal über die hohen Krankenkassenprämien beschweren würden.