Erleben wir z.Z das Ende der Sozialdemokraten in Europa?

Der Rest...
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Taratonga
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Erleben wir z.Z das Ende der Sozialdemokraten in Europa?

Beitrag von Taratonga »

Mache für diese Frage einen eigenen Thread auf.

Bei den Landtagswahlen in Bayern stürzt die SPD ins Bodenlose, nicht mal mehr zweistellig ist ihr Wähleranteil jetzt noch: 8%... bald folgt Hessen und dort sind die Prognosen ebenfalls düster. In Schweden haben die Schweden-Demokraten Zulauf wie noch nie, die Linken bluten auch dort. In Frankreich dasselbe Bild, ein starker Front national. In Ungarn sowieso. Italien ist ebenfalls stark nach rechts gerutscht, auch hier laufen den Sozialdemokraten die Wähler weg. In Österreich dasselbe. Bestimmt habe ich einige Länder vergessen.

Die einst in allen Westeuropäischen Ländern starken Sozis, sind überall am Wunden lecken, kassieren eine Schlappe nach der anderen. Alles wegen der Flüchtlingskrise, ausgelöst durch den Syrienkrieg und den Konflikten in Nahost allgemein? Klingt lapidar und viel zu einfach, aber ich denke genau das ist der Grund für die Überläufe zu den rechten Parteien. Oder weshalb sonst profitieren ausgerechnet jene Parteien, die sich die Flüchtlingskrise als dringenstes Problem auf ihre Fahne geschrieben haben?

Fulehung
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Beitrag von Fulehung »

Wenn Sozialdemokraten bei wichtigen Themen das gleiche Parteiprogramm haben wie früher die Kommunisten, muss man sich nicht weiter wundern. Das "Hoch die Internationale Solidarität!" hat noch immer abgeschreckt, in welcher Form auch immer. Bezeichnend, wie diese Woche die Gewerkschaften mit portugiesischen Bauarbeitern durch die Innenstädte ziehen, weil denen Rentenalter 60 und 6000 Franken Lohn nicht genügen. Wann habt ihr denn das letzte Mal für Schweizer Post- oder Migrosangestellte demonstriert?

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Master
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Beitrag von Master »

Man ist bequem geworden und sieht die eigenen Felle davonschwimmen. Es ist unsexy, sich den eigenen Arsch dafür aufzureissen um wieder aktiv zu werden. Lieber soll alles so bleiben wie es ist, ausserdem sind eh die anderen Schuld. Einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte. Das scheint zu ziehen, das scheint zu funktionieren. Das ist der Erfolg des Egoismus der heutigen Zeit.

Und leider - man weiss nicht weshalb - haben die sogenannten "Sozialdemokraten" nichts besseres im Sinn, als auf der Gegenseite mit noch extremeren Idealen und noch höheren Zielen zu werben, anstatt dagegen zu halten auf einem normalen Niveau. Zudem wird unvollstellbar viel Energie in Themen gesteckt, die zwar Partikulärinteressen befriedigt, für die breite Masse allerdings oft unverständlich ist.

Wie man in den meisten Wahlen erkennen kann, hat sich die Gesellschaft zum Glück (noch) nicht überall radikal verändert, sondern mehr die Zuordnung zu den Parteien ein wenig verschoben. Typisches Beispiel waren die aktuellen Bayern-Wahlen. Rechter CSU-Flügel wählt neu AfD, SPD-Frustrierte wählen neu Grüne, beim Rest gibt es ein paar kleine aber unwesentliche Verschiebungen.

(Das obige liest sich extrem Besserwisserisch und so, als ob ich Politik besser könnte - kann ich vermutlich nicht und ich bin zwar interessiert, aber bisher nicht bereit, Energie in "Probleme & Lobbyismus" statt in Lösungen & Pragmatismus zu stecken)
Beckenpower hat geschrieben:Mir hän scho gwunne. Aber mir chönne no massiv gwünner.

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unwichtig
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Beitrag von unwichtig »

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Patzer
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Beitrag von Patzer »

dass die spd in deutschland schwach dasteht, verwundert einen wirklich nicht. in der grossen koalition erreichen sie nix. ihr rückzieher vom rückzieher nach den letzten wahlen ("nie mehr groko") hat die basis und echten sozialdemokraten auch erschüttert. ihr parteiprogramm ist mehr bürgerlich als sozialdemokratisch. harz 4 haben sie mitverschuldet. seit willy brand gab es auch an der spitze der partei kaum einen echten sozialdemokraten.

glaube nicht, dass die sp in der schweiz ein solches debakel erleben wird.

zum rechtsrutsch: in den westlichen länder ist das potential für parteien am rechten rand max. 30-40 % und keine andere partei will in der regel mit diesen koalieren. was mir aber ein wenig angst macht: deutschland geht es ja noch relativ gut. was passiert da in der politiklandschaft wenn das land wirklich mal in eine krise schlittert?

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Somnium
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Beitrag von Somnium »

Patzer hat geschrieben:(...)

glaube nicht, dass die sp in der schweiz ein solches debakel erleben wird.

(...)
Die SP ist eine Rosstäuscherpartei. Schon lange (oder von Grund auf eigentlich nie) eine soziale Partei. Sozial heisst ja gemeinsam, gesellschaftlich, aber die SP politisiert in erster Linie für sich, für die eigenen Klientel. Das sich die dann auch noch links schimpfen, ist bar jeder Ironie.
„Ich bin nicht links, ich bin nicht rechts, ich bin Punk."

Tief im Herzen wartet jeder auf das Ende der Welt. (Haruki Murakami)

Lusti
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Beitrag von Lusti »

Taratonga hat geschrieben:Mache für diese Frage einen eigenen Thread auf.

Bei den Landtagswahlen in Bayern stürzt die SPD ins Bodenlose, nicht mal mehr zweistellig ist ihr Wähleranteil jetzt noch: 8%... bald folgt Hessen und dort sind die Prognosen ebenfalls düster. In Schweden haben die Schweden-Demokraten Zulauf wie noch nie, die Linken bluten auch dort. In Frankreich dasselbe Bild, ein starker Front national. In Ungarn sowieso. Italien ist ebenfalls stark nach rechts gerutscht, auch hier laufen den Sozialdemokraten die Wähler weg. In Österreich dasselbe. Bestimmt habe ich einige Länder vergessen.

Die einst in allen Westeuropäischen Ländern starken Sozis, sind überall am Wunden lecken, kassieren eine Schlappe nach der anderen. Alles wegen der Flüchtlingskrise, ausgelöst durch den Syrienkrieg und den Konflikten in Nahost allgemein? Klingt lapidar und viel zu einfach, aber ich denke genau das ist der Grund für die Überläufe zu den rechten Parteien. Oder weshalb sonst profitieren ausgerechnet jene Parteien, die sich die Flüchtlingskrise als dringenstes Problem auf ihre Fahne geschrieben haben?
Man muss hier West und Mittel/Osteeuropa etwas trennen.
Osteuropa hatte den Warschauer Pakt. Somit waren diese Staaten mehr als dem Papier Nationalstaaten als in der Realität. Nach dem Fall des Paktes wurden die Nationalistischen Werte wieder hochgelobt. Aktuell geht es in diesen Staaten darum, dass jeder für sich eine Existenz will. Da kommen soziale Ideen nicht immer gut an, aktuell geht es um einen selber. Die Flüchtlingswelle- und Politik geben den rechten Spektrum nun auch die Themen die es braucht, um aktuellen Bedürfnisse der Menschen in Worte zu fassen.

In Westeuropa ist man schon weiter. Der Solzialstaat ist weitestgehend ausgebaut. Dem linken Spektrum fehlen irgendwie die Themen. Entweder liebäugelt man mit der EU, mann sinniert über kleinste Problemchen oder wird extrem und fordert die Abschaffung des Kapitalismus. So oder so, dem gesättigtem Bürger liegen diese Themen nicht so. Zudem ist die SPD in Deutschland schon längst nicht mehr die Partei des armen Bürgers. Es sind vielmehr verkommene Kaffeehaus-Kommunisten die im Grunde dasselben machgierige Verhalten an den Tag legen, wie sie es dem Gegenüber vorwerfen.

Trotzdem, die Sozialdemokratie ist nie am Boden. Ich meine damit aber nicht Kommunisten im Mantel der Demokratie sondern Menschen, sondern jene welche denn Sinn und Zweck von Umverteilung im Staate zum Wohle der Schwachen und Armen verstehen. So gesehen bin ich als Mitte-Rechts Wähler durchaus ein Sozialdemokrat. Ein fairer funktionierender Staat braucht eine funktionierende Sozialdemokratie. Er braucht aber keine JuSo oder ähnlich Gruppierungen, genauso wenig wie er eine Partei wie die AfD braucht.
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Käppelijoch
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Beitrag von Käppelijoch »

Die SPS hat rechtzeitig sich eine neue Klientel gesucht, als die Arbeiter zur SVP absprangen: urbane Hipster, Lehrer, Beamte, Kulturschaffende, Akademiker. Darum muss sich die SP keine Sorge machen und wird in der Schweiz wie bis anhin immer so zwischen 17-22% hin- und herpendeln.

Grosse Verschiebungen wird es in der Schweiz kaum je geben. Die Blöcke bleiben seit Jahrzehnten stabil, die grossen Verschiebungen gab es immer innerhalb der Blöcke (CVP/FDP "fütterten" die SVP hoch z.B.).
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Konter
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Beitrag von Konter »

Jeder der glaubt die jetzige Flüchtlingskrise gäbe es wegen linker Politik und man müsse deshalb jetzt rechts wählen ist ein ungebildeter Mensch, der wohl herzlich wenig von Geopolitik seit Beendigung des Kalten Krieges verstanden hat.

Witzig nur, dass jene Parteien, welche die Flüchtlingskrise "als dringendstes Problem" erachtet haben genau gar nichts zu deren Lösung anzubieten haben sondern lediglich "Mauern hoch" und "Grenzen dicht" skandieren und damit genau jenes Klientel bedienen, welche ich im vorigen Satz erwähnt habe.

Die einzige langfristige Milderung der Flüchtlingsbewegung ist eine sofortige Beendigung von Ausbeutungskriegen wegen Ressourcen sowie Unterstützung autoritärer Strukturen in Ländern des Nahen Ostens (vor allem die Saudis) und Afrikas aus den kapitalstarken Dienstleistungsländern. Zudem braucht es eine globale sozialistisch denkende Institution, welche sich für eine echte und gerechtere globale Verteilung von Kapital und Ressourcen einsetzt, so dass es weniger Push und mehr Pull gibt in Bezug auf Migration.

Nur schade, dass sich aktuell praktisch keine etablierte sozialdemokratische Partei in Europa für dies stark macht. Lieber bedient man ein junges wohlstandsverwahrlostes Me-Too-Klientel oder ältere aber ebenso wohlstandsverwahrloste bildungsbürgerliche Alt-68er. So schaufelt sich die europäische Sozialdemokratie sein eigenes Grab.
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LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

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unwichtig
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Beitrag von unwichtig »

Konter hat geschrieben:Jeder der glaubt die jetzige Flüchtlingskrise gäbe es wegen linker Politik und man müsse deshalb jetzt rechts wählen ist ein ungebildeter Mensch
Spielst Du auf meinen Text an? Die Flüchtlingskrise wurde natürlich nicht wegen der Politik der Sozialdemokraten ausgelöst,
ich meinte, dass diese für den Rechtsrutsch verantwortlich ist.
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Taratonga
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Beitrag von Taratonga »

Konter hat geschrieben:Jeder der glaubt die jetzige Flüchtlingskrise gäbe es wegen linker Politik und man müsse deshalb jetzt rechts wählen ist ein ungebildeter Mensch
Spielst Du auf meinen Text an? Die Flüchtlingskrise wurde natürlich nicht wegen der Politik der Sozialdemokraten ausgelöst, ich meinte, dass diese für den Rechtsrutsch verantwortlich ist.

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Konter
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Beitrag von Konter »

Taratonga hat geschrieben:Spielst Du auf meinen Text an? Die Flüchtlingskrise wurde natürlich nicht wegen der Politik der Sozialdemokraten ausgelöst, ich meinte, dass diese für den Rechtsrutsch verantwortlich ist.
Ja, ich spiele auf deinen Text an, aber nicht indem ich dir unterstelle, dass du der linken Politik die Schuld für die Flüchtlingskrise gibst, sondern korrekt bemerkst, dass es eine Korrelation gibt zwischen Flüchtlingskrise und Zulauf für Parteien wie AFD oder FN.

Ich nahm diesen Spielball auf und machte auf die Ironie aufmerksam, dass eben diese (meist ungebildeten) Leute in keinerlei Hinsicht die Ursachen und Mechanismen der Flüchtlingskrise verstanden haben und immer noch meinen, die Leute kommen hierin, weil wir ein so geiles Sozialsystem haben, dass es auszunützen gilt! Jedoch denken diese Menschen auch nicht nur einen Zacken weiter und reflektieren ein wenig, was so die letzten 30 Jahren im Nahen Osten, sowie auf dem afrikanischen Kontinent alles geschah. Die Quellen dafür gibt es ohne Ende, aber man müsste halt aufhören den ganzen Tag RTL 2 zu schauen. Dann würde man das Heil auch nicht bei rechten Hetzern suchen, sondern bei Leuten, welche sich allgemein für eine gerechtere globale Verteilung einsetzen, bei dem der global agierende Kapitalismus komplett versagt hat. Und dazu braucht es eine global agierende sozialistische Umverteilungsinstitution, wie sie es innerhalb von Nationalstaaten meist in Westeuropa im 20. Jahrhundert gab.

Aber wer bietet das schon an, solange man sich nicht ständig die Finger daran verbrennen würde? Man muss ja in der nächsten Legislatur wieder gewählt werden.

Oder plakativ ausgedrückt: Arme weisse Männer in Europa sollten endlich einsehen, dass ihr Feind nicht der arme schwarze Mann ist sondern der reiche weisse Mann, der ihm vorgaukelt, dass der arme schwarze Mann ihm alles wegnehmen will.
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LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

Fulehung
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Beitrag von Fulehung »

Konter hat geschrieben:Jeder der glaubt die jetzige Flüchtlingskrise gäbe es wegen linker Politik und man müsse deshalb jetzt rechts wählen ist ein ungebildeter Mensch, der wohl herzlich wenig von Geopolitik seit Beendigung des Kalten Krieges verstanden hat.
Ist die SP-Haltung «Kein Mensch ist illegal» denn nicht grenzenlos dämlich? Ich bin dafür KRIEGSFlüchtlinge aufzunehmen. Aber doch nicht jeden x-beliebigen jungen Mann, der unsere Grenze erreicht. Zumal – und das sage ich als junger Mann – junge Männer nun mal überdurchschnittlich oft gewalttätig werden. Kommt hinzu, dass ich als einheimischer junger Doppelbürger nie erlebe, dass sich die SP für einheimische junge Männer einsetzt. Bestes Beispiel ist aktuell, wie die SP in der Stadt Zürich das Fussballstadion bekämpft – und damit Vereine, die im Gegensatz zu den Sozis wichtige Integrationsarbeit leisten.

P.S. Ich habe nie und werde nie SVP wählen. Aber die SP ist mir genauso fremd.

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Konter
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Beitrag von Konter »

Fulehung hat geschrieben:Ist die SP-Haltung «Kein Mensch ist illegal» denn nicht grenzenlos dämlich? Ich bin dafür KRIEGSFlüchtlinge aufzunehmen. Aber doch nicht jeden x-beliebigen jungen Mann, der unsere Grenze erreicht. Zumal – und das sage ich als junger Mann – junge Männer nun mal überdurchschnittlich oft gewalttätig werden. Kommt hinzu, dass ich als einheimischer junger Doppelbürger nie erlebe, dass sich die SP für einheimische junge Männer einsetzt. Bestes Beispiel ist aktuell, wie die SP in der Stadt Zürich das Fussballstadion bekämpft – und damit Vereine, die im Gegensatz zu den Sozis wichtige Integrationsarbeit leisten.

P.S. Ich habe nie und werde nie SVP wählen. Aber die SP ist mir genauso fremd.
Kein Mensch ist illegal. Habe jetzt keine Lust und Zeit einen rechtsphilosophischen Exkurs zu starten, weshalb diese Aussage richtig und wichtig ist. Ich sehe auch durchaus die realpolitischen Probleme welche dies Maxime aktuell mit sich bringen würde, aber prinzipiell halte ich diese Parole für sehr wertvoll.
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LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

Shakespeare
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Beitrag von Shakespeare »

Taratonga hat geschrieben:Spielst Du auf meinen Text an? Die Flüchtlingskrise wurde natürlich nicht wegen der Politik der Sozialdemokraten ausgelöst, ich meinte, dass diese für den Rechtsrutsch verantwortlich ist.
Es gibt gar keine Flüchtlingskrise. Es gab mal halbwegs eine, vor ca. 3 Jahren. Die Krise betraf aber in erster Linie die Flüchtlinge selbst und sicher keinen Otto-Normalbürger in der Schweiz. Ich wüsste z.B. nicht, wann ein normaler Bürger jemals direkt mit einem Flüchtling in Kontakt kam (und dann auch noch in negativer Form).
Ich jedenfalls nicht und in meiner Familie/Freundeskreis etc. kenne ich auch niemanden, der regelmässig mit Flüchtlingen zu tun hätte. Ebenso sind die Flüchtlingszahlen seit 2016 konstant rückläufig.
Wichtig ist bloss, dass das diffuse, unterschwellige Gefühl der Angst täglich geschürt wird, obwohl alle Zahlen dagegen sprechen.

Ergo: So ziemlich aufgebauscht durch Medien und rechte Hetze.
Die Schweiz hat es in den 50ern nach dem Ungarn-Aufstand hingekriegt und tausende aufgenommen. Und genauso in den 90ern nach dem Jugoslawien- und Kosovo-Krieg.

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Taratonga
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Beitrag von Taratonga »

Shakespeare hat geschrieben:Es gibt gar keine Flüchtlingskrise
Bitte? Wie benennst denn Du all die Menschen, die vor dem Krieg in Syrien fliehen mussten? Oder all jene aus dem zerrütteten Irak oder Afghanistan? Sind die alle mit Kaffefahrten nach Europa gekommen?

boroboro
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Beitrag von boroboro »

Konter hat geschrieben: Nur schade, dass sich aktuell praktisch keine etablierte sozialdemokratische Partei in Europa für dies stark macht. Lieber bedient man ein junges wohlstandsverwahrlostes Me-Too-Klientel oder ältere aber ebenso wohlstandsverwahrloste bildungsbürgerliche Alt-68er. So schaufelt sich die europäische Sozialdemokratie sein eigenes Grab.
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Pro Sportchef bim FCB
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Beitrag von Pro Sportchef bim FCB »

Konter hat geschrieben:Kein Mensch ist illegal.
Das ist nunmal schlichtweg falsch. Und vermutlich auch ein Grund warum die Sozialdemokraten immer weniger ernst genommen werden. Man kann nicht mit so einem Slogan politisieren obwohl es Gesetze und Richtlinien gibt.
Ich lasse mir meine Meinung nicht durch Fakten kaputt machen!

Brit
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Beitrag von Brit »

Spannendes Thema! (ziemlich wohlstandsverloste Ansicht ich weiss)

Habe kürzlich einen sehr interessanten Artikel zur Krise der Linken (aus linker Perspektive) gelesen und möchte euch diesen nicht vorenthalten:

https://www.republik.ch/2018/03/08/es-g ... nerkennung

Um meine eigene Meinung im Detail zu schildern habe ich gerade weder besonders viel Zeit noch Lust. Aber um es kurz zu fassen bin ich in den Grundzügen mit user "Konter" einer Meinung. Ich finde es auch sehr problematisch, dass der (Neo-)Kolonialismus und die Zeit nach dem 2. Weltkrieg (oder wie ich es nenne: "das grosse westliche Outsourcing" [von Konflikten, Menschenrechtsverstössen und sozialen Problemen]) im Volksschul-Unterricht kaum thematisiert wird (am Gymnasium etwas mehr aber auch kaum, an Hochschulen in einem halbwegs brauchbaren Mass, wenn man ein passendes Studienfach hat). Allgemein nervt mich wie wenig sich die meisten Westler in dieser Hinsicht selbst reflektieren (wird zwar tendenziell besser, aber bleibt bislang ohne allzu spürbaren Effekt). Im Grundsatz ist das an Schulen vermittelte Bild viel zu eurozentrisch (und allgemein westlich zentriert), so als Beispiel: Man feiert sich stundenlang für die Aufklärung und die Erarbeitung der Menschenrechte, und klammert grosszügig aus wie wenig man diesem Anspruch (insbesondere im Bezug auf die "3. Welt") seit der französischen Revolution tatsächlich gerecht worden ist.

Die Quintessenz vom ganzen: Ich glaube nicht, dass man die anstehenden globalen Probleme mit einem sich hartnäckig haltenden Nationalismus effektiv lösen kann. Ich glaube aber auch, dass der Zeitgeist im Allgemeinen eher in Richtung Internationalismus geht und verstehe das Wiedererstarken der Nationalisten eher als einen "backlash"-Effekt, gegen diese allgemeine Tendenz. Ich werde in ca. 10-20 Jahren Bilanz zu dieser Einschätzung ziehen :P
Admiral von Schneider hat geschrieben:Eishockey ist was für degenerierte Bauern, die es nicht zum Fussball geschafft haben.
HYPNOS hat geschrieben: [...] Aber es wundert mich nicht, denn Fussball ist zwar ein toller Sport, aber die Protagonisten, die sich darin tummeln, sind oft mühsame Idioten (auf allen Ebenen), von denen man kaum was Gescheites erwarten kann.

Fulehung
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Beitrag von Fulehung »

Shakespeare hat geschrieben:Es gibt gar keine Flüchtlingskrise. Es gab mal halbwegs eine, vor ca. 3 Jahren. Die Krise betraf aber in erster Linie die Flüchtlinge selbst und sicher keinen Otto-Normalbürger in der Schweiz. Ich wüsste z.B. nicht, wann ein normaler Bürger jemals direkt mit einem Flüchtling in Kontakt kam (und dann auch noch in negativer Form).
Ich jedenfalls nicht und in meiner Familie/Freundeskreis etc. kenne ich auch niemanden, der regelmässig mit Flüchtlingen zu tun hätte. Ebenso sind die Flüchtlingszahlen seit 2016 konstant rückläufig.
Wichtig ist bloss, dass das diffuse, unterschwellige Gefühl der Angst täglich geschürt wird, obwohl alle Zahlen dagegen sprechen.

Ergo: So ziemlich aufgebauscht durch Medien und rechte Hetze.
Die Schweiz hat es in den 50ern nach dem Ungarn-Aufstand hingekriegt und tausende aufgenommen. Und genauso in den 90ern nach dem Jugoslawien- und Kosovo-Krieg.
Wenn ich mit meinen Kumpels im Park oder am Bahnhof Bier trinke und einer von uns raucht, dauert es im Schnitt 15-30 Minuten, bis wir von einem Flüchtling angesprochen werden wegen einer Zigarette oder einem Feuerzeug. Ich begrüsse einen von ihnen inzwischen bei uns vor dem Stadion mit Handschlag, da er - nachdem er wie andere Flüchtlinge mit dem FC Thun trainieren durfte - nun auch regelmässig an die Spiele geht.

Bei uns erzählt man sich übrigens noch heute von den wilden 90ern, als sich die Balkanesen regelmässig auf der Baustelle gegenseitig verprügelt haben. Und soll mir keiner sagen, er habe in jenen Jahren nie eine Schlägerei im Ausgang erlebt - entweder als Zuschauer oder gleich als Beteiligter.

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Konter
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Beitrag von Konter »

Pro Sportchef bim FCB hat geschrieben:Das ist nunmal schlichtweg falsch. Und vermutlich auch ein Grund warum die Sozialdemokraten immer weniger ernst genommen werden. Man kann nicht mit so einem Slogan politisieren obwohl es Gesetze und Richtlinien gibt.
Wie gesagt, es geht nicht um aktuell realisierte Gesetze (Hanf ist laut Gesetz auch illegal, dennoch halte ich den Grundsatz, dass es keine illegale Substanz ist trotzdem für ethisch wahr) sondern um einen rechtsphilosophischen Grundsatz. Wenn ich mal Zeit und Lust habe erkläre ich mich ein wenig ausführlicher.
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LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

Lusti
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Beitrag von Lusti »

Konter hat geschrieben:Ja, ich spiele auf deinen Text an, aber nicht indem ich dir unterstelle, dass du der linken Politik die Schuld für die Flüchtlingskrise gibst, sondern korrekt bemerkst, dass es eine Korrelation gibt zwischen Flüchtlingskrise und Zulauf für Parteien wie AFD oder FN.
Oder plakativ ausgedrückt: Arme weisse Männer in Europa sollten endlich einsehen, dass ihr Feind nicht der arme schwarze Mann ist sondern der reiche weisse Mann, der ihm vorgaukelt, dass der arme schwarze Mann ihm alles wegnehmen will.
Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Der gemeine Bürger befürchtet, dass "die" "uns" etwas wegnehmen. Der kleinste gemeinsame Nenner dieses "uns", welche "die" nicht beinhaltet ist der Nationalstaat. Den "wir" sind z.B. Schweizer, und "die" sind es eben nicht.
Wo du einen exklatanten Fehler machst (notabene einer der Linken Kardinalsfehler) ist, dass man immer Plakativ einen AfD- oder FN-Wähler als weiss und dumm abstelmpelt. Gerade deswegen, kommt die Sozialdemokratie so schlecht an. Ich diskutiere nicht mit jemanden der mich vorherein für meine Meinung veruteilt und das kann links wie rechts extrem gut.

Dazu ein passendes Zitat von Peer Steinbrück bei seinem Abschied aus dem Bundestag: "Als ich vor 47 Jahren in die SPD eintrat, da dachte ich, dass die Verteilung von Sumpfhühnern und Schlaubergern ziemlich einseitig auf die Parteien verteilt ist. Und ich gehörte natürlich zur Partei der Schlauberger. Inzwischen habe ich aber gelernt, dass die Verteilung solcher Sumpfhühner und Schlauberger in und zwischen den Parteien der Normalverteilung der Bevölkerung folgt."
Konter hat geschrieben:Kein Mensch ist illegal. Habe jetzt keine Lust und Zeit einen rechtsphilosophischen Exkurs zu starten, weshalb diese Aussage richtig und wichtig ist. Ich sehe auch durchaus die realpolitischen Probleme welche dies Maxime aktuell mit sich bringen würde, aber prinzipiell halte ich diese Parole für sehr wertvoll.
Kann ich für dich erledigen: Ein Mensch ist per se nicht illegal. Deswegen ist er in jedem modernen Rechtsstaat durch das Grungesetz geschützt. Seine Handlungen unterstehen jedoch einer Rechtssprechung und Rechtsauslegung. So verliert ein Mensch bei einem illegalen Übertritt einer Grenze nicht seine Grundrechte, seine Handlung ist aber illegal. Kommen diese beiden Rechte in Konflikt, so wird beispielsweise durch das Bundesgericht immer wieder das Grundrecht des Menschen als höheres Rechtsgut taxiert. So passiert dass z.B. bei Straftätern, welche eigentlich ausgeschafft werden sollten (also das Strafrecht einen Landesverweis vorsieht), er jedoch im Heimatland mit Folter und Tod rechnen muss (was dem Grundrecht auf Leben widerspricht). In diesem Kontext, wird er dann eben nicht ausgeschafft was zwar im Einzelfall störend sein mag, im Grundsatz jedoch richtig ist.

Die Linke versteht diesen Satz jedoch verklärend als geopolitische und humanistische Grundordnung. Die Linke würde gerne eine durch Sie definierte Liste anführen, welche Handlungen denn gemäss Ihrer Definition eben nicht als illegale Handlung zu betrachten sei. So dürfte jeder Mensch, entgegen der geltenden Rechtsordnung in jedes x-beliebige Land einreisen. Der Aufenthalt an sich sei ja kein Rechtsverstoss. Anders ausgedrückt mag man den Nationalstaat nicht verändern sondern man enzieht im so viel seiner Existenzberechtigung bis man ohne Probleme sagen kann, er sei ja sowieso zwecklos und aus diesem Grund ja gleich abzuschaffen.

Was hier dem Linken Intellekt leider verborgen bleibt, ist der innere Sinn eines Nationalstaates. Er schützt die Menschen im Geltungsbereich seines Grundgesetzes. Er bevorteilt in gewissem Masse auch die Bürger. Die Abschaffung des Nationalstaates bedeutet auch die Abschaffung des Geltungsbereiches des Grundgesetzes. Man kann den Nationalstaat gerne durch den Vielvölkerstaat ersetzen, was zum Teil die EU auch ist. Aber auch da gibt es diese Geltungsbereich des Grundgesetzes und auch da wird z.B. eine Einwanderungspolitik betrieben. Die Linke verlagert ihr Problem einfach in einen grösseren Kontext und meint damit, das Problem sei gelöst.
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Konter
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Beitrag von Konter »

Der innere Sinn eines Nationalstaates.... Das ist eine extrem naive Argumentation. Als ob es einen singulären Sinn des Nationalstaates gibt. Würde man 100 Personen aus 100 verschiedenen Jahrzehnten fragen was der Sinn eines Nationalstaates ist würde man wohl 100 verschiedene Antworten bekommen. Der Sinn und Zweck eines Nationalstaates ist wandel- und interpretierbar, sowohl in einem zeitgenössischem wie auch einem historischen Kontext.

Was du beschreibst sind rechtsstaatliche Institutionen, welche in unseren Breitengraden meist innerhalb eines Nationalstaates organisiert sind, aber keinesfalls sein MÜSSEN. Ich lasse aber deine Argumentation insofern teils gelten, dass in Europa die Entwicklung des Nationalstaates und des Rechtsstaates eng verknüpft sind. Dennoch ist es weder die Nation noch der Staat, welche eine Rechtsgültigkeit per se garantiert, sondern der Rechtsstaat mit den dazugehörigen Institutionen. Aber der Nationalstaat an sich ist nichts wert und sofort korrumpierbar, wenn entsprechende rechtstaatliche Institutionen nicht greifen.

Ein Rechtsstaat ist im Prinzip nichts anderes als ein politisches Gemeinwesen, welche durch ein rechtlich gültiges Dokument (meist eine Verfassung) in einem regional spezifischen Gebiet durchgesetzt wird. Das kann in einer Nation geschehen, muss aber nicht. Man kann Nationalstaaten im Prinzip abschaffen, ohne dabei an Rechtsstaatlichkeit zu verlieren, sofern es eine übergeordnete akzeptierte rechtsstaatliche Ordnung mit entsprechenden Institutionen gibt. Natürlich ist dies aktuell nicht möglich, da es eben diese übergeordnete rechtsstaatliche Institutionen nicht wirklich gibt, oder keine Anerkennung haben.

Aber ein Gedankenexperiment zeigt, dass es theoretisch möglich wäre. Man könnte Kantone (ebenfalls eine rechtsstaatlich politische Gemeinschaft) abschaffen (natürlich in einem rechtsstaatlich akzeptierten Kontext), ohne dass in der Schweiz der Rechtsstaat, welche durch die Bundesverfassung geschützt ist, abgeschafft wird. Entsprechend könnte man auch den Nationalstaat abschaffen, wenn es eine supranationale rechtsstaatlich anerkannte Verfassung mit entsprechenden Institutionen gäbe.

Ich bin aber weder dafür, dass man Kantone oder den Nationalstaat abschafft, da ich auch ein Anhänger föderaler Organisation bin, aber wünsche mir einen weiteren supranationalen Rechtstaat, welche eine globale Bewegungsfreiheit garantiert, wie dies bereits im CH-Kontext ja auch zwischen den Kantonen gilt. Und nein damit meine ich nicht die EU, dessen Vorläufer aber im Prinzip in den 60er und 70er Jahren das Potenzial gehabt hätte zumindest in einem europäischen Kontext eine solche Staatsordnung zu werden. Aber eben, wie so manches wurde auch dieses schöne Projekt von einem neoliberalen Marktverständnis kaputt gemacht.

Btw. Der Vorwurf, linke etablierte Parteien würde sich für solche Projekte einsetzen ist völlig haltlos. Ja es gibt hie und da entsprechende Parolen, aber weder parlamentarisch, noch in der Exekutive, gibt es ernstzunehmende entsprechende linke Projekte....Leider.

Die Parole: "Kein Mensch ist illegal" ist eine Floskel, welche im linken Aktivismus hochgelebt wird, aber nicht bei linken Parlamentariern oder Regierungsmitgliedern.
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LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

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Beitrag von Lusti »

Konter hat geschrieben:Der innere Sinn eines Nationalstaates.... Das ist eine extrem naive Argumentation. Als ob es einen singulären Sinn des Nationalstaates gibt. Würde man 100 Personen aus 100 verschiedenen Jahrzehnten fragen was der Sinn eines Nationalstaates ist würde man wohl 100 verschiedene Antworten bekommen. Der Sinn und Zweck eines Nationalstaates ist wandel- und interpretierbar, sowohl in einem zeitgenössischem wie auch einem historischen Kontext.
Sicherlich nicht naiv, aber zu wenig eingeschränkt. Korrekt wäre "der innere Sinn eines westeuropäischen Nationalstaats" oder "der innere Sinn eine modernen Nationalsstaats" oder "der innere Sinn eines aufgeklärten und sakulären Nationalstaats". Deine Argumentation ist dahingehend korrekt, es gibt keinen singulären Sinn ...
Konter hat geschrieben:Was du beschreibst sind rechtsstaatliche Institutionen, welche in unseren Breitengraden meist innerhalb eines Nationalstaates organisiert sind, aber keinesfalls sein MÜSSEN. Ich lasse aber deine Argumentation insofern teils gelten, dass in Europa die Entwicklung des Nationalstaates und des Rechtsstaates eng verknüpft sind. Dennoch ist es weder die Nation noch der Staat, welche eine Rechtsgültigkeit per se garantiert, sondern der Rechtsstaat mit den dazugehörigen Institutionen. Aber der Nationalstaat an sich ist nichts wert und sofort korrumpierbar, wenn entsprechende rechtstaatliche Institutionen nicht greifen.
Das ist so korrekt, da bin ich 100% deiner Meinung.
Konter hat geschrieben:Ein Rechtsstaat ist im Prinzip nichts anderes als ein politisches Gemeinwesen, welche durch ein rechtlich gültiges Dokument (meist eine Verfassung) in einem regional spezifischen Gebiet durchgesetzt wird. Das kann in einer Nation geschehen, muss aber nicht. Man kann Nationalstaaten im Prinzip abschaffen, ohne dabei an Rechtsstaatlichkeit zu verlieren, sofern es eine übergeordnete akzeptierte rechtsstaatliche Ordnung mit entsprechenden Institutionen gibt. Natürlich ist dies aktuell nicht möglich, da es eben diese übergeordnete rechtsstaatliche Institutionen nicht wirklich gibt, oder keine Anerkennung haben

Aber ein Gedankenexperiment zeigt, dass es theoretisch möglich wäre. Man könnte Kantone (ebenfalls eine rechtsstaatlich politische Gemeinschaft) abschaffen (natürlich in einem rechtsstaatlich akzeptierten Kontext), ohne dass in der Schweiz der Rechtsstaat, welche durch die Bundesverfassung geschützt ist, abgeschafft wird. Entsprechend könnte man auch den Nationalstaat abschaffen, wenn es eine supranationale rechtsstaatlich anerkannte Verfassung mit entsprechenden Institutionen gäbe..
Unter der Prämisse das wir wieder über einen modernen, aufgeklärten, funktionierenden Rechtsstaat sprechen: :cool:
Der Rechtsstaat ist, mit einer zeitlichen Verzögerung hervorgerufen durch die langsam demokratischen Prozesse, die im Gesetz kodifizierte gemeinsame Moral- und Ethiksammlung der darin lebenden Bürger. Die organisatorische Grundordnung ist flexibel. So hat die Schweiz einen föderalistischen parlamentatisch Demokratie (von unten nach oben regiert) andere haben eine Republik, teilweise zentralistisch (FR), teilweise föderalistisch (DE). Auch diese Grundordnung ist verhandelbar. Weitet man sinngemäss diesen Einflussbereich bis auf Stufe ganzer Planet aus, so hätte man eine planetenweite Regierung, welche sich immer feiner in ehemalige Nationalstaaten, Regionen etc. gliedert. Dies setzt aber voraus, dass sich die Menschheit insgesamt eine gemeinsame Moral und Ethik teilt. So gesehen wäre man der Vision von Gene Roddenberry etwas näher, man bräuchte nur noch die Föderation der vereinigten Planeten und alles ist gut. Und ob du es glaubst oder nicht, ich glaube sogar das dies möglich ist.
Das Problem bleibt aber dasselbe: Im Schweizer Nationalstaat streiten sich die Kantone wegen dem kantonalen Steuerausgleich. Zürich fühlt sich benachteiligt, Bern braucht dieses Geld. Würde mit eine globalen Regierung eine Völkerwanderung einsetzen, so würden politische Gebiete (nenne sie Staaten oder Gemeinden, ist völlig zweitrangig) aktiv damit beginnen zu versuchen, diese Ströme zu minimieren. Der markante Vorteil eine Weltregierung wäre aber, dass die Probleme auf einer Stufe angegangen würden, die den Gesamtkontext sehen und nicht regionale oder staatliche Interessen höher Gewichten.
Konter hat geschrieben:Ich bin aber weder dafür, dass man Kantone oder den Nationalstaat abschafft, da ich auch ein Anhänger föderaler Organisation bin, aber wünsche mir einen weiteren supranationalen Rechtstaat, welche eine globale Bewegungsfreiheit garantiert, wie dies bereits im CH-Kontext ja auch zwischen den Kantonen gilt. Und nein damit meine ich nicht die EU, dessen Vorläufer aber im Prinzip in den 60er und 70er Jahren das Potenzial gehabt hätte zumindest in einem europäischen Kontext eine solche Staatsordnung zu werden. Aber eben, wie so manches wurde auch dieses schöne Projekt von einem neoliberalen Marktverständnis kaputt gemacht.
Nicht einverstanden. Einerseits weil die EG rechtlich mit dem Vertrag von Lissabon in der EU aufgegangen ist, sprich die EU hat die Rechtsfähigkeit der EG damit übernommen hat. Andererseits ist es natürlich einfach, den Wirtschaftsliberalismus für die Probleme und Nichterfüllung der Vision einer supranationalen Ordnung verantwortlich zu machen. Zudem der Wirtschaftsliberalismus aka neoliberales Marktverständnis aka Globalisierung der Klassenfeind der Sozialdemokratie ist. Sehr praktisch dass man diesem Intimfeind jetzt die Schuld zuweisen kann.
Ich bin auch gegen den entfesselten Kapitalismus, warum kann man in den USA nachsehen. Aber es ist auch so, dass seit dem Beginn der Globalisierung und dem aufblühen der Sozialen Marktwirtschaft der Menschheit nie besser gegangen ist. Ich will damit nicht etwa andeuten, dass es allen gut ginge oder dass die Globalisierung keine Opfer fordert, aber es gab in der Geschichte der Menschheit nie so wenig Armut, Krieg oder Analphabetismus. Der Kapitalismus und die daraus resultierenden Anforderungen stimulieren diese Entwicklung. Hinsichtlich des Themas dieses Fadens ist aber auch festzuhalten, dass die Sozialdemokraten in Europa hier immer noch die Aufgabe haben, diesen Kapitalismus in seinen Schranken zu halten. So wäre ein ende der Sozialdemokratie nicht nur ein tragischer rechtsrutsch hin zum Nationalismus, es wäre auch ein fataler Verlust eines wichigen Gleichgewichts zum Wirtschaftsliberalismus.
Die Sozialdemokratie muss dringend über die Bücher. Die aktuellen Verluste an %-Punkten sind Pipifax. Endet die Flüchtlingskrise, endet auch der Populismus und Parteien wie die AfD verlieren ihre Existenzberechtigung. Ich prognostiziere dass in einer Folgelexislatur nach der Flüchtlingskrise die AfD keine Rolle mehr spielt. Die Sozialdemokratie muss aufhören den Kapitalismus zu bekämpfen. Sorry, diese Bestie werden sie rechtsstaatlich nie besiegen, dazu hat der Kapitalismus auch zu viele Vorteile. Wenn die Sozialdemokratie endlich begreifen würde, dass man die Vorteile des Kapitalismus fördern muss und gleichzeitig dessen offensichtliche Nachteile flankierend abmildern muss, sich also als positive und konstruktive Gegenkraft versteht, so wird sie immer eine Existenzberechtigung haben und auch niemals enden. Und das darf sie auch nicht, denn die USA beweisen, was dann passieren wird.
Konter hat geschrieben:Btw. Der Vorwurf, linke etablierte Parteien würde sich für solche Projekte einsetzen ist völlig haltlos. Ja es gibt hie und da entsprechende Parolen, aber weder parlamentarisch, noch in der Exekutive, gibt es ernstzunehmende entsprechende linke Projekte....Leider.
Die Parole: "Kein Mensch ist illegal" ist eine Floskel, welche im linken Aktivismus hochgelebt wird, aber nicht bei linken Parlamentariern oder Regierungsmitgliedern.
Ich sag nur JuSo, ich sag nur SP: Den Kapitalismus überwinden ... um dann was zu tun?
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Shakespeare
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Beitrag von Shakespeare »

Lusti hat geschrieben:Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Der gemeine Bürger befürchtet, dass "die" "uns" etwas wegnehmen. Der kleinste gemeinsame Nenner dieses "uns", welche "die" nicht beinhaltet ist der Nationalstaat. Den "wir" sind z.B. Schweizer, und "die" sind es eben nicht.
Du hast meiner Meinung nach völlig Recht. Ich finde in diesem Zusammenhang Gregor Gysi immer wieder fantastisch. Hier antwortet er sachlich, klug und überlegt einem Wutbürger, der Angst hat, "dass die uns was wegnehmen".

Leider gibt's zu wenige solcher Politiker.

Und egal ob man politisch auf seiner Seite steht oder nicht: Wer sich einige seiner Reden aus den 90ern und 00er-Jahren anschaut, wird sehen, dass er ganz viele Dinge korrekt voraus gesagt hat...

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Goldust
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Beitrag von Goldust »

Lusti hat geschrieben:Man muss hier West und Mittel/Osteeuropa etwas trennen.
Osteuropa hatte den Warschauer Pakt. Somit waren diese Staaten mehr als dem Papier Nationalstaaten als in der Realität. Nach dem Fall des Paktes wurden die Nationalistischen Werte wieder hochgelobt. Aktuell geht es in diesen Staaten darum, dass jeder für sich eine Existenz will. Da kommen soziale Ideen nicht immer gut an, aktuell geht es um einen selber. Die Flüchtlingswelle- und Politik geben den rechten Spektrum nun auch die Themen die es braucht, um aktuellen Bedürfnisse der Menschen in Worte zu fassen.

In Westeuropa ist man schon weiter. Der Solzialstaat ist weitestgehend ausgebaut. Dem linken Spektrum fehlen irgendwie die Themen. Entweder liebäugelt man mit der EU, mann sinniert über kleinste Problemchen oder wird extrem und fordert die Abschaffung des Kapitalismus. So oder so, dem gesättigtem Bürger liegen diese Themen nicht so. Zudem ist die SPD in Deutschland schon längst nicht mehr die Partei des armen Bürgers. Es sind vielmehr verkommene Kaffeehaus-Kommunisten die im Grunde dasselben machgierige Verhalten an den Tag legen, wie sie es dem Gegenüber vorwerfen.

Trotzdem, die Sozialdemokratie ist nie am Boden. Ich meine damit aber nicht Kommunisten im Mantel der Demokratie sondern Menschen, sondern jene welche denn Sinn und Zweck von Umverteilung im Staate zum Wohle der Schwachen und Armen verstehen. So gesehen bin ich als Mitte-Rechts Wähler durchaus ein Sozialdemokrat. Ein fairer funktionierender Staat braucht eine funktionierende Sozialdemokratie. Er braucht aber keine JuSo oder ähnlich Gruppierungen, genauso wenig wie er eine Partei wie die AfD braucht.
Offtopiv, trotzdem wichtig. Mittel und Westeuropa bitte nicht verwechseln. Die Staaten des ehemaligen Warschauerpaktes alle als Osteuropa zu bezeichnen, ist, wenn man den gesamten Kontinent anschaut, schlicht falsch. Deutschland zB ist sicher nicht Mitteleuropa, sondern Westeuropa. Wie auch die Schweiz, Italien...Mitteleuropa beginnt auf höhe Österreich und umfasst CZ, SK, SLO, HUN, POL, den Balkan, Griechenland (auch wenn dort noch ein Ausläufer bis in den Osten reicht). Osteuropa beginnt in Rumänien / Bulgarien, Ukraine..

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