Ein Jahr nach der Fussball-EM in Portugal
Mehr Zuschauer und höhere Kosten in den Stadien
geb. Porto, 13. Juni
So ausgeglichen die Superliga in der Saison 2004/05 verlief, wirtschaftlich hat sich die Schere zwischen den Vereinen weiter geöffnet. Nur bedingt hing die Auslastung der Stadien, auch jener, die zur EM hin gebaut und modernisiert worden waren, von sportlichen Leistungen ab. Ob Tabellenletzter oder in einem Uefa-Cup-Rang klassiert - der Platzklub durfte sicher sein, dass ihm Porto, Sporting und vor allem Benfica die Ränge füllten, zwischen den «Festtagen» aber oft gespenstische Leere herrschte. Unabhängig von konjunkturellen Zyklen sind die national verankerten Grossklubs das Mass aller Dinge. Bloss in Guimarães, wo Dom Afonso Henriques die lusitanische Nation gründete (1139), hat das Terzett keine offiziellen Niederlassungen und entsprechend weniger Rückhalt.
Grössere Einnahmen, mehr Kosten
Deutlich die meisten Abonnements hat Porto abgesetzt: eine Folge der phänomenalen Saison 2003/04, der Triumphe in Meisterschaft und Champions League. Gut 39 000 Plätze waren im Voraus vergeben, pro Match kamen noch 11 319 Karten in den freien Verkauf. Seit vergangener Saison können die Sócios wahlweise ihren Anspruch abtreten und Boni für den Kauf des nächsten Abos erwerben. So wurden viele Portistas, denen die Heim-Misere aufs Gemüt schlug, nicht vergrault. Ihr Klub gab im Estádio do Dragão 32 Punkte ab und qualifizierte sich dennoch als Tabellenzweiter direkt für die Champions League. Wahrscheinlich werden die auch für Nichtmitglieder günstigen Preise (ab 14 Euro) beibehalten, an speziellen Anlässen aber deutlich angehoben.
Benfica orientierte sich weniger an der Masse. 6000 verkaufte «Gründertitel» spülten vor der Saison 18 Millionen Euro in die Kasse, 15 Millionen für den Erwerb einer zehnjährigen Liaison und 3 Millionen für das jährlich zu beziehende Ticket. 14 000 Standard- und 3000 VIP-Abonnements generierten weitere 4 Millionen Euro. Im Zuge der Vorfreude auf den ersten Titelgewinn seit 1994 erhöhte sich der Besucherdurchschnitt auf knapp 50 000 - ein Drittel mehr als in der letzten Saison und drei Viertel des Fassungsvermögens. Sporting verlangte die höchsten Preise und verzeichnete dennoch mit 30 000 Abonnements einen Rekord. Geringfügig höher lag der Zuschauerschnitt.
Höhere Aufwendungen für die Instandhaltung und die Sicherheit sind die Kehrseite des Komforts. Stewards, Polizei, medizinisches Personal und VIP-Betreuer kosten Porto zwischen 32 000 und 43 000 Euro pro Spiel. Wenn die höchste Sicherheitsstufe gilt und 1300 Personen im Estádio da Luz Dienst tun, werden Benfica 67 500 Euro in Rechnung gestellt. 6000 Euro Jahresmiete zahlt Sporting de Braga für das städtische Stadion, eines der schönsten Europas. Das Problem sind die laufenden Ausgaben, monatlich über 30 000 Euro. Ein Flutlicht-Spiel schlägt wegen der hohen Energiekosten mit 8000 Euro zu Buche. Da die Preise für Übertragungsrechte weiter gefallen sind und Werbekunden weniger investieren, bekommt der Posten Ticket-Einnahmen im Budget wieder grösseres Gewicht. Freilich gilt auch in der dicht besiedelten Region die Regel, dass nur die Grossen die Kasse füllen - obschon sich Braga bis zur drittletzten Runde Titelchancen ausrechnen konnte. Allein beim Gastspiel Benficas war das Stadion mit 28 000 Besuchern fast optimal ausgelastet.
Mehrbelastungen kann der Mittelbau kaum verkraften. In Leiria betreibt die Gesellschaft Leirisport, an der die Stadt partizipiert, das Stadion Dr. Magalhães Pessoa und bittet den Hauptnutzer União de Leiria vertragsgemäss zur Kasse. Die Organisation eines Spiels kostet 20 580 Euro, vierzehnmal mehr als vor vier Jahren. In diesem Zeitraum haben sich die Einnahmen um 109 000 Euro, die Ausgaben um 350 000 Euro erhöht, obwohl die Zuschauerzahlen leicht gestiegen sind. Leirisport hält die Exklusivrechte für Tickets und einen Teil der Stadionwerbung - União muss 110 000 Euro für gemietete Trainingsplätze zusätzlich aufwenden. Abgesehen von Topspielen wird das Publikum nächste Saison im ersten Ring konzentriert, was die Ausgaben um einen Drittel senkt.
Massiver Anstieg der Verbindlichkeiten
Wie alle Städte, die zur EM ein neues Stadion gebaut oder das bestehende renoviert haben, steckt Coimbra tief in den roten Zahlen. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten sind von 2001 bis 2004 um 340 Prozent, die mittel- und langfristigen um 854 Prozent gestiegen, wobei der 35-Millionen- Euro-Kredit für das Eurostadium den grössten Anteil ausmacht. Weil die letzte Bauphase schlecht geplant war und die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind, konnten die den Stadtteilen versprochenen 1,5 Millionen Euro noch nicht überwiesen werden. Wenigstens lockte Académica im letzten Saisondrittel wieder mehr Besucher in die umgebaute Arena. Unter dem neuen Trainer Nelo Vingada blieben die «Studenten» zwölf Spiele in Folge unbesiegt und befreiten sich noch aus der Abstiegszone. Im Stadion des regionalen Rivalen Beira Mar wird dagegen ab August Zweitliga-Fussball gespielt; der Durchschnitt von 2500 Besuchern dürfte weiter sinken. Manchen Fussballfreund hielt nicht nur die sportliche Talfahrt, sondern die Lage des «Lego-Kastens» (Fassungsvermögen 34 000) weit vor den Toren der Stadt Aveiro fern. Von Matches wie Holland gegen Tschechien, einem EM-Highlight, wird man in nächster Zeit allenfalls träumen können.
nzz.ch