26. Dezember 2004, 10:17, NZZ am Sonntag
Getrübte Festtage für West Bromwich
Kampf gegen Premier-League-Abstieg
Von Clemens Martin
Klubs und Spieler im Abstiegskampf in England blicken den Feiertagsrunden jeweils mit mulmigem Gefühl entgegen. Glaubt man nämlich einem Gesetz der Serie, haben die Spiele in den kommenden Tagen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Saison. Seit der Einführung der Premier League in der Saison 1992/93 stieg immer die Mannschaft ab, die an Weihnachten auf dem letzten Platz lag. Den nimmt vor Beginn der Runde am heutigen Stephanstag West Bromwich Albion ein - keine schöne Bescherung für den Schweizer Nationalverteidiger Bernt Haas, der schon mit seinem früheren Club Sunderland den Abstieg aus der Premier League erleben musste.
Mit nur einem Sieg weisen die «Baggies» lediglich zehn Punkte auf, ihre Tordifferenz von minus 21 ist die schlechteste in der Premier League, und sie haben einen Rückstand von fünf Punkten auf den rettenden 17. Platz, den vor den heutigen Partien Mitaufsteiger Norwich City einnimmt. Doch was zusätzlich Sorgen macht, ist der Abstand zur sogenannten rettenden Marke. Manager von Klubs, die im Abstiegskampf erwartet werden, reden zu Saisonbeginn immer davon, so schnell wie möglich 40 Punkte zu holen. Laut den Statistikern ist aber nicht einmal das genug. Es müssten eigentlich 40,75 Punkte sein. Und selbst das reicht nicht unbedingt. West Ham United stieg im Mai 2003 mit 42 Punkten ab - an Weihnachten davor hatten die Londoner an letzter Stelle gelegen. Wenn also im schlimmsten Fall 43 Punkte zum Klassenerhalt nötig sind, muss der Aufsteiger bis zum Saisonende 33 Punkte holen - eine schwere Aufgabe.
Um das ungeschriebene Gesetz zu brechen, müsste West Bromwich mindestens an die Form anknüpfen, die dem Aufsteiger zu Beginn der Saison einige Punkte eingebracht hatte. Dabei erzielten die «Baggies» vor allem aus Standardsituationen heraus oft Tore. Doch schon unter Gary Megson, der den Verein in die Premier League gebracht hatte, war diese Gefährlichkeit bei Eckbällen und Freistössen Mitte der Saison verloren gegangen, und mit dem neuen Manager Bryan Robson wurde sie nicht wiedergefunden.
Unter dem ehemaligen englischen Nationalspieler, der seine Karriere bei West Brom begonnen hatte, hat der Aufsteiger noch keinen Sieg erzielt - was kein Wunder ist, wenn Spieler wie der ehemalige Arsenal-Stürmer Nkwanko Kanu einen halben Meter vor der Torlinie den Ball über die Latte heben. Und wenn es vorne nicht klappt, häufen sich defensiv die Unsicherheiten und Fehler. Besonders in die Kritik kam dabei vor einer Woche Bernt Haas. Beim 0:4 im Lokalderby gegen Birmingham City sah der Schweizer Nationalspieler oft gar nicht gut aus, leitete mit Fehlern Gegentore ein und konnte froh sein, dass der Schiedsrichter ein Foul im Strafraum ungeahndet liess.
Nach dieser Leistung wäre es nicht verwunderlich, wenn Haas um seine Zukunft im Klub fürchten müsste. Kurz vor Beginn der Weihnachtsfeiertage erklärte Robson bereits vier Spielern, deren Verträge im kommenden Sommer auslaufen, dass ihre Dienste ab sofort nicht mehr benötigt werden. Bei diesem Quartett handelte es sich allerdings um Spieler, die das Kader mehr quantitativ denn qualitativ ergänzten. Doch Robson hat von seinem Chairman Jeremy Peace den Auftrag erhalten, das Kader, dass bereits auf 30 Spieler geschrumpft ist, weiter auf 24 zu reduzieren. Eine Zahl von zwei Dutzend Spielern sei mittlerweile bei allen Klubs der Premier League gang und gäbe, und die Mannschaft solle auf Qualität basieren, erklärte Peace. Zudem wollen die «Baggies» während der Öffnung des Transfermarktes im Januar aktiv werden. Noch einmal eine solche Leistung wie gegen Birmingham City, und auch Bernt Haas dürfte wohl seine Sachen packen.
Das Feiertagsprogramm beginnt für West Brom mit einem Heimspiel gegen den FC Liverpool, bei dem Stéphane Henchoz weiter nur die Bank drückt. Der englische Rekordmeister ist gegenwärtig schwer einzuschätzen, doch gegen ihn müssen die «Baggies» genauso Punkte holen wie in den darauf folgenden Auswärtsspielen gegen Manchester City und die Bolton Wanderers, die beide ebenfalls gegen den Abstieg kämpfen.