SonntagsZeitung» vom 5.6.2005, Seite 43
« Jonas, hör auf dein Herz »
Wie der 17- jährige Jonas Elmer aus Stäfa seinen Wechsel zum Chelsea FC erlebt
VON CHRISTIAN ANDIEL
STÄFA « Doch, das war schon eine mutige Entscheidung. » Daniela Bellmont Elmer sitzt im schönen Wohnzimmer zu Hause, über dem Zürichsee. Sie schaut zu ihrem Sohn Jonas, der daneben zuhört. Jonas ist 17 Jahre alt, spielt beim Nachwuchs der Grasshoppers auf der linken Seite, er blickt kurz zur Mutter, nickt und lächelt. Jonas hat am 23. Mai einen Vertrag beim Chelsea FC unterschrieben. Dem spektakulären englischen Meister mit dem charismatischen José Mourinho als Trainer, dem so reichen wie spendablen russischen Milliardär Roman Abramowitsch als Geldgeber. Gut, Jonas wird nicht gleich Profi. Unterzeichnet wurde ein Kontrakt zur Ausbildung.
80 Pfund, etwa 180 Franken, bekommt er in der Woche, der Klub zahlt ihm Unterkunft und Schulbildung. Wenn er im Februar 18 wird, ist ihm ein Profivertrag mit gutem Einkommen garantiert. Aber der Schritt ist dennoch gross, nein: Er ist riesig. Und deshalb kam die Sorge von Daniela Elmer aus tiefstem Mutterherzen.
Der plötzliche Abschied
Immer wieder schaut sie im Gespräch zu Jonas. Als wolle sie sich vergewissern, dass er noch da ist. In vier Wochen ist er weg, vertauscht er das beschauliche Stäfa gegen das pulsierende London. « Man rechnet schon damit, dass die Kinder einmal ausziehen » , sagt Vater Hans Elmer, « aber nicht so plötzlich. » Am 4. Juli landet Jonas in London, am 5. Juli trainiert er erstmals, die ersten beiden Wochen in der Gruppe, die von Mourinho angeleitet wird.
Die Geschichte begann am 29. März. Damals trat Jonas mit dem Schweizer U- 17- Team beim EM- Qualifikationsturnier auf Mallorca gegen Polen an. Unter den Zuschauern sass Gwyn Williams. Der Chefscout von Chelsea wollte sich mit einem spanischen Spieler treffen, dann fiel ihm der Schweizer auf. Er vergewisserte sich über seine ersten Eindrücke im zweiten Spiel gegen Spanien.
Williams kontaktierte den ebenfalls anwesenden Zürcher Spielerberater Marcel Schmid, der seit einem Jahr Jonas Elmer zu seinen Klienten zählt. Williams rief in London an, liess Mick McGiven, den Coach des Reserveteams, nach Mallorca kommen, und nach dem dritten Einsatz von Jonas war den beiden Engländern klar: « Wir wollen ihn haben. »
Bei Chelsea grau geworden
Seit 1979 arbeitet der 58- jährige Williams für Chelsea, « ich bin in diesen Jahren ergraut » . Im Juli 2004 ernannte Mourinho ihn zum Chefscout. « Sein Auftrag an mich war schlicht » , erzählt Williams, « Mister Mourinho sagte: u2039 Bring mir die besten 16- und 17- jährigen Spieler in Europau203A. » So kam Williams auf Jonas. Und irgendwie wusste er in dieser letzten Märzwoche mehr über ihn als die eigenen Eltern: « Ich muss zugeben » , sagt Daniela Elmer, « dass wir nicht geahnt haben, wie talentiert Jonas tatsächlich ist. » Die Eltern hatten sich über das offenkundige Bewegungstalent gefreut, waren beruhigt, dass er im Fussball ein Hobby gefunden hatte, das er sehr ernst zu nehmen schien. Ein erster Anhaltspunkt für seine Fähigkeiten seien die Berufungen in das U- 17- Nationalteam gewesen, aber an die Dimension Chelsea hätten sie nie und nimmer gedacht.
Markus Frei kann gewisse zwiespältige Gefühle nicht verbergen. Der Nachwuchschef der Grasshoppers sagt: « Wir hätten einen so guten Spieler natürlich gerne behalten, ihn weiter aufgebaut, an unsere erste Mannschaft herangeführt. Aber andererseits ist das eine Riesenchance für ihn, ich verstehe ihn, und was können wir gegen ein Angebot von Chelsea ausrichten? » Hans Elmer ist froh, als er dies hört, am Anfang sei die Reaktion eher ablehnend gewesen. « Da fand wohl » , sagt der Vater jetzt, « ein gewisses Umdenken statt. » Am Gymnasium Rämibühl, wo Jonas die Kunstund Sportklasse besucht, waren die Reaktionen hingegen von Anfang an enorm positiv gewesen.
Schlaflose Nächte
Dabei können Daniela und Hans Elmer nichts besser verstehen als den Zwiespalt. Von schlaflosen Nächten und ewigen Diskussionen erzählen sie. Hier war diese schier unglaubliche Chance, die für Jonas aus dem Nichts kam. Schmid versuchte in vielen Gesprächen, dies zu vermitteln. Auf der anderes Seite waren die Fragen: Kann das gut gehen, mit 17 Jahren alleine in der Fremde? Was passiert mit seiner Schulbildung, die in zwei Jahren mit der Matur abgeschlossen werden soll? Was bedeutet der Wechsel für unsere Familie, für die Eltern und die beiden jüngeren Schwestern? Und was ist, wenn das Abenteuer schief geht? Am 16. Mai folgten die Elmers der Einladung von Chelsea nach London. An Bord waren an diesem Pfingstmontag Daniela, Hans, Jonas, ein Onkel, der als Musikprofi lange im Ausland lebte, und Schmid. Am gleichen Abend ging es zurück nach Zürich, « auf einem extrem emotionalen Flug » , sagt Daniela Elmer.
Denn dazwischen lagen unvergessliche Stunden: Zwei Mitarbeiter von Chelsea führten sie erst durch alle Winkel im Stadion an der Stamford Bridge, anschliessend ging es hinaus ins 30 Autominuten entfernte Trainingsgelände. Ein Bijou, mit nahezu 40 Trainingsplätzen. Dort sass Jonas in der Kabine, in den Händen hielt er den Schuh von Chelsea- Star Frank Lampard.
Das Interesse von Peter Kenyon
Den Eltern Elmer dämmerte hier, wie gross und mutig der Schritt tatsächlich ist. Sie ahnten an diesem Tag aber auch, was es heissen würde, Jonas diese Chance zu nehmen. Als der Vertrag vorgelegt wurde, schaute Peter Kenyon für eine Viertelstunde vorbei, der mächtige Geschäftsführer von Chelsea wollte alles wissen, erklärte die Philosophie von Chelsea, das nicht mehr nur die grossen Stars aus Europa aufkaufen will: Die besten Jungen wolle man holen, aufbauen, ausbilden, und jedes Jahr soll einer den Sprung nach ganz oben schaffen.
Hatte sich Jonas in diesem Moment schon entschieden? « Ich nahm den Vertrag und bat mir eine Woche Bedenkzeit aus » , sagt er. Jonas wirkt zurückhaltend, ein Schwätzer ist er nicht. « Er ist sehr vernünftig » , sagt seine Mutter, « und diszipliniert in der Ausübung seines Sports. » Angst, dass er in der Fremde seine Bodenhaftung verliert, hat sie deshalb nicht.
Und doch brauchte Jonas noch einen langen Spaziergang mit Schmid, der auch dazu beitrug, die letzten Bedenken zu zerstreuen. « Ich fragte ihn, wo er auf der Skala von 1 bis 10 stehe, 10 heisst gehen, 1 heisst bleiben » , sagt Schmid. « Jonas meinte: u2039 Bei 6u203A. » Jonas wird in London seine Schulbildung fortsetzen. Dass Chelsea über einen « education manager » verfügt, der sich nur um die schulische Ausbildung der Nachwuchshoffnungen im Klub kümmert, hat die Eltern schwer beeindruckt u2013 und beruhigt. Beide sind als Heilpädagogen tätig, dieser Punkt ist ihnen wichtig.
Mit dem Spezialisten wird ausgetüftelt, welche Schule Jonas in London bis zur Matur besuchen wird. Ausserdem müsse man schauen, bei welcher Familie er untergebracht werde. Dann hiess es bei den Gesprächen am Pfingstmontag: Ein Internetzugang in seinem Zimmer sei eigentlich wichtig. Und wo würde die Freundin bei Besuchen untergebracht? Chelsea erfüllte alle Wünsche.
Noch den Cupfinal mit GC
Jonas spielt mit dem GC- Nachwuchs noch den Cupfinal am 19. Juni gegen Basel. Er will sich mit dem Titelgewinn verabschieden, dann fliegt er ab. « Illusionen mache ich mir nicht » , sagt er, er wisse, dass viel Arbeit bevorstehe und Einsatz verlangt werde. Und er weiss auch, dass er zurückkehren kann, egal, was passiert. Das war ein wichtiger Bestandteil der Perspektive, die ihm die Eltern und Schmid beim langen Spaziergang eröffneten. « Die Türen bei GC sind für Jonas immer offen » , betont auch Markus Frei. Die Freundin sagte, dass er diese Chance bloss wahrnehmen solle, die jüngste Schwester spielt selbst Fussball und ist mächtig stolz auf den grossen Bruder, die ältere sagte: « Jonas, hör auf dein Herz. »
Keine falschen Illusionen
Das Herz wird in vier Wochen, wenn er mit Mourinho auf dem Rasen steht, etwas höher schlagen. « Wir bieten Jonas eine gute Ausbildung, Betreuung und eine echte Chance, für den Rest ist er verantwortlich » , sagt Gwyn Williams. Jonas Elmer nickt, genau so sieht er das auch, und bange ist ihm nicht. Die Eltern können ihm dann nur aus der Ferne helfen, es sind keine Ferien. Sie haben begonnen, sich mit Fussball intensiver zu beschäftigen. Der Vater sagt lachend: « Jetzt müssen wir uns einen Satellitenanschluss zulegen, um den TV- Kanal von Chelsea zu empfangen, der auch die Spiele des zweiten Teams überträgt. » Die Mutter sagt an diesem sonnigen Spätnachmittag: « Die Vorstellung ist immer noch schwer, irgendwie ist es das Ende seiner Kindheit. » Das wird am 4. Juli sein.
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Nimmt mich mal Wunder, was dabei rauskommt, wird er seinen Weg machen oder ähnlich wie Burki reumütig zurückkommen?
On verra!
Ueber den Wechsel eines 17-jährigen zu Chelsea
..als Ergänzung zu oben...
«SonntagsZeitung» vom 5.6.2005, Seite 43
Ein Dorn im Auge
Kritik an den Klubwechseln von minderjährigen Spielern
ZÜRICH Etwa 30 Schweizer Talente, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind bei ausländischen Klubs unter Vertrag. Dies schätzt Hansruedi Hasler, Ausbildungschef beim Schweizer Fussballverband. Wie viele es genau sind, weiss auch er nicht, denn es werden sogar Spieler verpflichtet, die nicht einmal in der Schweiz in einer Verbandsauswahl aufgefallen sind.
Hasler, wie vielen anderen Ausbildern auch, sind diese frühen Wechsel ein Dorn im Auge: « Ein Talent sollte diesen Schritt erst wagen, wenn es schon im 1. Team bei seinem Schweizer Klub ein Thema ist. » Er denkt dabei an Philippe Senderos ( von Servette zu Arsenal) oder Reto Ziegler ( von GC zu Tottenham). Ein Schritt, wie ihn jetzt Jonas Elmer vom GCNachwuchs zu Chelsea wagt, kommt für Hasler zu früh: Die Ausbildung sei beim neuen Verein nicht besser als bei GC. Dem widersprechen sechs Spieler, die als Teenager zwischen 16 und 18 Jahren zu Premier- League- Klubs wechselten: Robert Huth spielt bei Chelsea regelmässig, Bayern München war interessiert; Thomas Hitzlsperger setzte sich bei Aston Villa durch, wurde ebenfalls Nationalspieler und spielt ab sofort für Stuttgart; Martin Volz ist bei Fulham gesetzt, Eugen Bopp ist mit Nottingham eben in die dritthöchste Liga abgestiegen; nur Sebastian Kneissl ( Reserve Chelsea) und Pascal Formann ( ohne Klub) konnte bislang nicht profitieren. Aus der Schweiz wechselten unter anderen Davide Chiumiento, Johan Vonlanthen und Tranquillo Barnetta sehr früh ins Ausland. Chiumiento ging zu Juventus, wurde an Siena ausgeliehen; Vonlanthen wurde von Eindhoven an Brescia ausgeliehen, soll nun sein Glück vorübergehend bei einem anderen holländischen Klub suchen; Barnetta machte nach einer schweren Verletzung bei Hannover auf sich aufmerksam und kehrt nun mit grossen Vorschusslorbeeren zu seinem Klub Leverkusen zurück. Der internationale Verband ( Fifa) anerkennt die zunehmend bessere Nachwuchsarbeit vieler Klubs mit einem Transferreglement, das am 1. Juli 2005 in Kraft tritt. Dieses verbietet zwar grundsätzlich internationale Transfers von Spielern unter 18 Jahren, doch gibt es zwei Ausnahmen: Entweder kommen die Eltern mit, was vor allem den massenhaften Zuzug von minderjährigen Spielern aus Afrika unterbinden soll. Oder der Spieler ist mindestens 16 Jahre alt, wechselt innerhalb Europas und der neue Verein erfüllt genau festgelegte Mindestanforderungen bei der Betreuung, etwa bei der Schulbildung oder der Wohnsituation. ( CAN)
Ein Dorn im Auge
Kritik an den Klubwechseln von minderjährigen Spielern
ZÜRICH Etwa 30 Schweizer Talente, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind bei ausländischen Klubs unter Vertrag. Dies schätzt Hansruedi Hasler, Ausbildungschef beim Schweizer Fussballverband. Wie viele es genau sind, weiss auch er nicht, denn es werden sogar Spieler verpflichtet, die nicht einmal in der Schweiz in einer Verbandsauswahl aufgefallen sind.
Hasler, wie vielen anderen Ausbildern auch, sind diese frühen Wechsel ein Dorn im Auge: « Ein Talent sollte diesen Schritt erst wagen, wenn es schon im 1. Team bei seinem Schweizer Klub ein Thema ist. » Er denkt dabei an Philippe Senderos ( von Servette zu Arsenal) oder Reto Ziegler ( von GC zu Tottenham). Ein Schritt, wie ihn jetzt Jonas Elmer vom GCNachwuchs zu Chelsea wagt, kommt für Hasler zu früh: Die Ausbildung sei beim neuen Verein nicht besser als bei GC. Dem widersprechen sechs Spieler, die als Teenager zwischen 16 und 18 Jahren zu Premier- League- Klubs wechselten: Robert Huth spielt bei Chelsea regelmässig, Bayern München war interessiert; Thomas Hitzlsperger setzte sich bei Aston Villa durch, wurde ebenfalls Nationalspieler und spielt ab sofort für Stuttgart; Martin Volz ist bei Fulham gesetzt, Eugen Bopp ist mit Nottingham eben in die dritthöchste Liga abgestiegen; nur Sebastian Kneissl ( Reserve Chelsea) und Pascal Formann ( ohne Klub) konnte bislang nicht profitieren. Aus der Schweiz wechselten unter anderen Davide Chiumiento, Johan Vonlanthen und Tranquillo Barnetta sehr früh ins Ausland. Chiumiento ging zu Juventus, wurde an Siena ausgeliehen; Vonlanthen wurde von Eindhoven an Brescia ausgeliehen, soll nun sein Glück vorübergehend bei einem anderen holländischen Klub suchen; Barnetta machte nach einer schweren Verletzung bei Hannover auf sich aufmerksam und kehrt nun mit grossen Vorschusslorbeeren zu seinem Klub Leverkusen zurück. Der internationale Verband ( Fifa) anerkennt die zunehmend bessere Nachwuchsarbeit vieler Klubs mit einem Transferreglement, das am 1. Juli 2005 in Kraft tritt. Dieses verbietet zwar grundsätzlich internationale Transfers von Spielern unter 18 Jahren, doch gibt es zwei Ausnahmen: Entweder kommen die Eltern mit, was vor allem den massenhaften Zuzug von minderjährigen Spielern aus Afrika unterbinden soll. Oder der Spieler ist mindestens 16 Jahre alt, wechselt innerhalb Europas und der neue Verein erfüllt genau festgelegte Mindestanforderungen bei der Betreuung, etwa bei der Schulbildung oder der Wohnsituation. ( CAN)
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Cuore Matto
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- Registriert: 11.12.2004, 14:57
Ivan Rakitic vom FCB (Jg. 1988) hätte auch zu Chelsea wechseln können. Er entschied sich, bei Basel zu bleiben und unterschrieb einen Vertrag bei den Profis.
Für mich ein guter Entscheid. Er kann seine Sprache sprechen, kennt das Umfeld und einen schlechten Trainer hat er ja, weiss Gott, auch nicht...
Für mich ein guter Entscheid. Er kann seine Sprache sprechen, kennt das Umfeld und einen schlechten Trainer hat er ja, weiss Gott, auch nicht...
Für immer Rotblau - egal in welcher Liga