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Nie meh, nie meh Nati B!
Von Dominic Willimann.
Zwanzig Jahre ist es her, seit der FCB ins Oberhaus zurückkehrte und Basel dies in seinem ihm typischen Stil feierte. Erinnerungen an einen Meilenstein in der rotblauen Geschichte.
Der 3. Mai 1994 wird Massimo Ceccaroni ein ganzes Leben lang begleiten. Drei Runden vor Ende der Auf-/Abstiegsrunde holte der FC Basel an diesem Dienstag im Stade de la Fontenette bei Etoile Carouge jenen Punkt, der das amtlich machte, worauf eine ganze Region gewartet hatte: Der FCB war zurück in der Nationalliga A. «An diesem Abend», erinnert sich Ceccaroni heute, «hatten wir den Kampf gegen die sechs schwierigen Jahre in der Nationalliga B endgültig gewonnen.» Der Verteidiger muss dies wissen, schliesslich war er der einzige Kaderspieler, der zuvor auch den Abstieg miterlebt hatte.
Nicht nur für die FCB-Kultfigur sollte dieses Auswärtsspiel eine besondere Bedeutung erhalten. Das Ablegen der Last der Zweitklassigkeit machte sich in der ganzen Stadt bemerkbar. Tausende waren schon während des Spiels auf den Barfi geströmt, um den Auftritt der Rotblauen zu verfolgen – via Radio. Den FCB am Fernsehen gab es zu dieser Zeit höchstens als Zusammenfassung in der finalen Meisterschaftsphase zu sehen.
Der Lokalsender Basilisk hatte seinen «Tribünenbus» auf dem Platz geparkt, daneben stand eine Theke mit Wurst, Brot und Bier. Als Dario Zuffi schliesslich in Genf in der 74. Minute einen Freistoss zum 1:1-Endstand verwandelte, brach in Basel grosser Jubel aus. Rotblau war der Aufstieg nicht mehr zu nehmen. «Nie meh, nie meh Nati B», schallte es über den Barfi. Es sollte nicht das letzte Mal an diesem Abend gewesen sein.
Freibier in der Freinacht
Als kurz nach Mitternacht die Mannschaft nach einem Crossair-Rückflug aus der Romandie vom Flughafen kommend mit einer weissen Grossraum limousine vorfuhr, waren es 20'000 Menschen, die ihren Lieblingen zujubelten. Wie Gladiatoren wurden Oerjan Berg, Martin Jeitziner und wie sie alle hiessen auf den Schultern der Supporter über den Platz getragen. Was folgte, war eine der spontansten FCB-Feiern, die Basel in den letzten zwei Dekaden erlebte: Freinacht, Freibier und jede Menge Rotblau in der «Bodega», im «Gambrinus» oder im «Spaghetti Factory».
Unvergessen auch, wie der Norweger Berg via Megafon die Menge wissen liess, dass er wegen des FCB auf das Nationalteam verzichte. Es war dies eine von vielen kleinen Geschichten in dieser Aufstiegsnacht. Ralph Steingruber, einer der Regionalen in der Mannschaft, erinnert sich: «Am nächsten Morgen meldete ich mich um 7 Uhr telefonisch für die Prüfung ab.» Der Prattler hätte am Mittwoch einen Zwischentest im Versicherungswesen ablegen sollen. Doch das war in diesen glückseligen Stunden zweitrangig.
Dass die Saison mit dem Aufstieg enden würde, davon konnte im Sommer 1993 nicht zwingend ausgegangen werden. «Die Zeichen deuteten auf ein schwieriges Jahr hin», sagt Ceccaroni und meint damit vor allem die Verpflichtung von Claude «Didi» Andrey. Nachdem der Deutsche Friedel Rausch nicht die erhoffte Konstante an der Seitenlinie war, sollte es der Romand richten. «Warum ein Welscher, fragten wir uns?», sagt Ceccaroni und erzählt, dass die Stimmung beim ersten Training deshalb ein wenig gedrückt gewesen sei.
Extratrainings über Mittag
Doch Andrey ging eisern seinen Weg, leitete die Übungseinheiten auf Französisch und brachte mit seiner Akribie jeden Einzelnen einen Schritt weiter. Für diejenigen, die nicht über einen Profistatus verfügten und halbtags arbeiten gingen, bot Andrey jeweils um 12.30 Uhr auf dem Landhof ein Extratraining an. «Diese kleinen Sachen», weiss Ceccaroni, «haben uns zusammengeschweisst.»
Das war auch nötig. Denn der Saisonstart verlief alles andere als verheissungsvoll. Das Stadtderby gegen die Old Boys ging im Joggeli mit 1:2 verloren. Es war eine von total sechs Niederlagen in diesem Fussballjahr. Mit zunehmender Dauer griffen die rotblauen Mechanismen mehr und mehr. Das Aufstiegsteam zeichnete sich vor allem durch seine Solidarität aus. Klar waren Berg, Stefan Huber, Admir Smajic oder Dario Zuffi oder das für die letzten vier Spiele verpflichtete deutsche Enfant terrible Axel Kruse überdurchschnittlich gut für diese Liga. Doch auch andere wie Philippe Hertig, Mario Cantaluppi oder die Viererkette mit Ceccaroni, André Meier, Samir Tabakovic und Marco Walker traten von Spiel zu Spiel selbstsicherer auf. Das Prunkstück, die Abwehr, kassierte in 32 Partien nur 21 Gegentore.
Das grosse Spiel gegen den FCZ
Das einzige Mal, als die Mannschaft den Druck des Aufstiegs zu spüren bekam, war am 30. April 1994. Mit einem Erfolg über den FC Zürich hätte der FCB den Sack zumachen können. Die Kassenhäuschen im Joggeli blieben geschlossen, 42 126 Zuschauer füllten das Rund. «Sensationell war das», erinnert sich Samir Tabakovic, der seine erste Saison in Basel gleich mit einem Erfolgserlebnis krönen durfte. Doch der Aufstieg musste warten, 1:1 hiess es nach 90 Minuten gegen den FCZ.
Die BaZ schrieb danach in ihrer Berichterstattung vom 2. Mai 1994: «Alle, alle hockten sie nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen, dort, wo sie jetzt gerne getanzt, gesungen, gejubelt, sich feiern lassen hätten. Keiner war am Boden zerstört, keiner aber war in dem Moment auch wirklich glücklich. Denn es hätte in den sechs Jahren seines langen, aufreibenden, nervenzehrenden, teuren Aufstiegskampfs für den FCB keinen besseren Moment als diesen gegeben, um sich endgültig ins Ziel zu bringen.»
Schulden in der ersten NLA-Saison
Drei Tage später war der FCB dann am Ziel, was zu einem grossen Teil auch der Verdienst von Peter Epting war. Der Präsident hatte die schwierige Aufgabe zu meistern, mit bescheidenen finanziellen Mitteln eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzustellen. In der Aufstiegssaison operierte Rotblau zwar mit einem für NLB-Verhältnisse rekordverdächtigen Budget von 3,7 Millionen Franken, doch für den Russen Sergej Derkach reichte das Geld nicht mehr. Er wurde extern finanziert. Wie leer die Kasse war, zeigt ein anderes Beispiel auf. Pro verkaufte Flasche des Warteck-Aufstiegsbiers gingen zehn Rappen an den FCB, die Nettoverschuldung betrug vor der ersten Nationalliga-A-Saison 450'000 Franken. Zur Erinnerung: Im 2014 wirtschaftet der FCB mit dem mehr als Zehnfachen des damaligen Budgets.
Aber vergleichen kann man das Heute mit dem Gestern in der Nationalliga B ohnehin nicht. Salopp ausgedrückt: Mit dem Bau des St.-Jakob-Parks kam das Geld, und mit dem Geld die Bühne, auf der sich der FCB heute präsentieren darf. Dennoch gibt es in der heutigen kommerzialisierten und durchorganisierten Fussballwelt ab und an Momente, in denen man sich nach den abenteuerlichen Reisen des FCB an Orte wie Chur, Monthey, Emmenbrücke oder zu Châtel-Saint-Denis zurücksehnt. Oder wie Massimo Ceccaroni treffend sagt: «Im Nachhinein war die Nationalliga B eine geile Zeit.»
Freitag und Samstag sind an der Weidengasse 53 in Basel Aktivitäten in Erinnerung an den Aufstieg geplant. Freitag ab 18.30 Uhr etwa ein Gespräch mit Massimo Ceccaroni, Marco Walker und Peter Epting. Mehr Infos unter
http://www.muttenzerkurve.ch