Alles Teil des grossen Plans. Die Sonntagszeitung erzählt.
"Sonderfall Frei
Basels alternder Stürmer sucht seinen Platz unter Murat Yakin – der Trainer wiederum denkt nur ans grosse Ganze
<address style="line-height: 16px; font-size: 11px; color: rgb(144, 144, 144); padding-bottom: 15px; ">VON PETER M. BIRRER UND THOMAS SCHIFFERLE</address>[TABLE="class: image dixerit_ignore"]
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BASEL Das erste Tor erzielte Alex Frei mit dem Kopf, aus sechs Metern und völlig vergessen vom Gegner. Das zweite war ein Abschluss aus vier Metern, perfekt vorbereitet von Fabian Frei.
Das eine sah so leicht aus wie das andere an diesem Mittwochabend, gerade gegen handzahme Thuner Innenverteidiger. Beide entsprachen normalerweise einfacher Arbeit für einen Fussballer, der sich auch kurz vor Abschluss seiner Karriere als Torjäger versteht, selbst mit 33 Jahren und 7 Monaten.
Im Fall von Alex Frei aber war alles ein wenig anders. Das Schweizer Fernsehen tat nach dem Spiel so, als wäre vor Frei kaum einmal ein Torschütze von seinem Teamkollegen derart gefeiert worden. So etwas habe man schon lange nicht mehr gesehen, jubelte der Reporter. Und «Blick» fragte: «Kann Muri auf diesen Frei verzichten?»
Gelöst, unaufgeregt gar – Yakin ist so, wie man ihn kennt
Muri heisst Murat Yakin, ist der Trainer und Chef von Frei, und als solcher hat er eines bewiesen: Er kann gut auf Frei verzichten, wenn er das Gefühl hat, das tun zu müssen. Das tat er bis zum Mittwoch in den ersten fünf Spielen des Jahres, weil Frei für ihn nach längerer Magen-Darm-Grippe für Einsätze nicht fit genug war. Yakins Haltung gefällt jenen nicht, die Frei zugetan sind. «In der Causa Frei ist gewaltig Dynamik drin», hat die «Basler Zeitung» ausgemacht.
Es ist Freitag, zwei Tage nach Thun und zwei vor dem nächsten Auswärtsspiel, in Genf gegen Servette. Yakin sitzt im «Uno», einem von zwei Restaurants im St.-Jakob-Park, an dem der FCB seit letztem Jahr die Mehrheit besitzt. Er ist gelöst, wie man das so von ihm kennt, unaufgeregt gar.
Was ihm im Moment Sorgen mache, ist die Frage an ihn. Er überlegt kurz und sagt: «Die Plätze.» Er ist entsetzt, in welchem Zustand sie sich derzeit in den meisten Schweizer Stadien präsentieren. Vielleicht habe sich sein Captain Marco Streller im Spiel in Lausanne deshalb das Knie überdehnt, mutmasst er. Die gleiche Frage hört auch Georg Heitz, der Sportdirektor des FCB. Er antwortet: «Sorgen machen mir die vier Punkte Rückstand auf GC. Und dass wir mit Zenit St. Petersburg in der Europa League einen sehr schweren Gegner vor der Brust haben.» Er spürt überdies die latente Gefahr, zentrale Spieler wie Dragovic und Stocker ins Ausland zu verlieren; redet vom täglichen Kampf um Nachwuchstalente, die grosse (englische) Vereine aus Basel weglocken möchten; und erzählt von der Idee eines Fanshops im Stadtzentrum
Das ist es also, was den FCB vornehmlich beschäftigen soll: die Plätze, der Punkterückstand, all das. Die Antworten von Yakin und Heitz folgen jedoch einem Grundsatz: die Sache Frei nicht grösser zu machen als nötig, nicht emotionaler.
Jedes ihrer Wort ist mit Bedacht gewählt. Und das aus gutem Grund: Weder soll mit einer unüberlegten Äusserung der Hausfrieden gestört noch der sportliche Erfolg gefährdet werden. Erfolg bedeutet für den FCB eben auch, dass er international vertreten ist. Nur so (oder mit grossen Transfers) kann er Umsätze von gut 70 Millionen Franken wie im vergangenen Betriebsjahr verlustfrei finanzieren.
Am 15. November letzten Jahres erklärte Frei den Rücktritt auf Ende dieser Saison. Die Prioritäten hätten sich verschoben, hin zur Familie, sagte er. Und auch: Es falle ihm schwer, sich für täglich zwei Trainings zu motivieren. Der FCB-Führung stellte sich deshalb eine zentrale Frage, erzählt Heitz: «Ab diesem Tag mussten wir schauen: Was machen wir?»
Heitz: «Ist Bobadilla uns die Polemik wert oder nicht?»
Sie analysierte und erkannte, dass sich in diesem Winter «höchstwahrscheinlich» (Heitz) die einzige Möglichkeit für die Verpflichtung des bulligen YB-Argentiniers Raul Bobadilla bot. Eines musste sie dabei abwägen: «Ist er uns die Polemik wert oder nicht?» Denn sie wusste: Kommt Bobadilla, sinken die Chancen Freis auf Einsätze deutlich.
Bobadilla kam für rund drei Millionen Franken, das neue Jahr kam und mit ihm die Krankheit Freis, der darum während dreier Wochen nur unregelmässig trainierte. Yakin gelangte zur Erkenntnis, dass das nicht der Frei des letzten Jahres ist und verzichtete auf ihn. Frei habe einen schweren Stand bei Yakin, schrieb die BaZ. Der Trainer hörte immer und immer wieder die Frage: Warum spielt Frei nicht? Und er antwortete immer und immer wieder: «Es geht nur um die Mannschaft. Nur die Leistung zählt.» Das wiederholt er auch am Freitag im «Uno». Dass sich andere Spieler ebenso beklagen könnten, weil sie nicht spielen, zum Beispiel die letzten Sommer teuer eingekauften Südamerikaner Diaz und Sauro, daran erinnert er selbst. Gleichwohl weiss er, dass ihre Rolle nicht weiter interessiert. Es geht immer nur um Frei, zumindest noch drei Monate. Auch für Frei geht es in erster Linie um Frei – und darum, dass er ein Tor erzielt. Das ist unverändert so, selbst oder erst recht im fortgeschrittenen Fussballeralter. Da mag er noch so lächeln, wie er das in Thun getan hat, um ein anderes, neues Bild von sich abzugeben, das Bild des plötzlich gelösten Stürmers.
Yakin dagegen zieht grundsätzliche Überlegungen vor: «Die meisten Fussballer schauen auf sich und nur ganz wenige aufs Team. Dass mir Disziplin und Organisation extrem wichtig sind, ist so. Es gibt auf dem Platz nichts Schlimmeres als Egoisten. Wo ich da Frei sehe? Er interpretiert das Stürmerspiel auf seine Art, er ist einer, der rein an seinen Toren gemessen wird. Ich denke, solche Spieler gibt es nicht mehr, wenn der Teamgedanke im Vordergrund steht.» So sagt er das und nennt die Dortmunder Stürmer Lewandowski und Reus als Beispiele, für die zuerst das Kollektiv zähle. Solche Stürmer gefallen Yakin.
Yakin: Sushi mit der Mutter und warten auf die erste Wahl
Frei selbst zeigt sich in diesen Tagen zumindest nach aussen verständnisvoll, zumindest dann, wenn er mit Medien redet, die ihm genehm sind, wie zum Beispiel am Mittwochabend mit dem Fernsehen vom Leutschenbach. «Einzelschicksale interessieren nicht», sagt er ins Mikrofon, «höchstens Ende Saison.»
Heitz lacht viel an diesem Freitag und demonstriert damit: Beim FCB ist alles unter Kontrolle. Er, der frühere Journalist, kennt die Mechanismen der Medien, ihre Zuspitzungen und Übertreibungen, wie sie im Fall Frei unschwer auszumachen sind. «Das gehört zum Fussball», sagt er. Und erinnert im nächsten Satz an den kühl kalkulierenden Funktionär: «Kein Spieler ist so gross wie ein Club. Unseren Club gibt es auch nach Alex Frei.»
Yakin sagt, Frei werde am Sonntag auch in Genf gegen Servette spielen. Er setzt auf ihn, bevor Streller und Bobadilla wieder richtig fit sind. Dann muss er weiter. Seine Mutter wartet im Einkaufszentrum unter dem Basler Stadion. Er will mit ihr Sushi essen und sie mit einer Einladung zum Europa-League-Rückspiel in St. Petersburg überraschen."