Der Spass im Lachen
Thun und Trainer Urs Schönenberger u2013 ein Tag im Leben der Höhenflügler
VON FREDY WETTSTEIN ( TEXT) UND DIETER SEEGER ( FOTOS)
THUN Der FC Thun Schweizer Fussballmeister 2005? Im bescheidenen Büro von Trainer Urs Schönenberger, mit Fensterblick auf das Stadion Lachen am See, hängt ein Titel, den er sich aus einer Zeitung herausgeschnitten hat: « Um sich zu entwickeln, muss man Träume haben. » « Meister? Davon reden wir doch nicht » , sagt Schönenberger. Es ist Mittwochabend, es regnet, und dunkle Wolken hängen über den Bergen des Berner Oberlandes, in einer Stunde spielt der FC Thun gegen den FC Zürich. « Ädu, sag dem David, er solle rasch zu mir kommen » , sagt Schönenberger. « Ädu » ist Adrian Kunz, sein Assistent, einst ein wirbliger Stürmer, der auch einige Spiele für Werder Bremen bestritt und ein Tor in der Bundesliga schoss. Kunz holt David Pallas in den kleinen Raum im alten und verwitterten Garderobengebäude, das unter Denkmalschutz steht. Schönenberger sitzt auf einem Klappstuhl, Pallas steht aufrecht vor ihm und hört von seinem Trainer: « Nicht Di Jorio, wie ich gemeint habe, sondern Ilie ist heute dein Gegenspieler. Du kennst ihn, er läuft nicht viel, will den Ball immer auf den Fuss, ist Rechtsfüsser, trickreich. Lass dich von ihm nicht provozieren, er liebt es, einen Gegenspieler lächerlich zu machen. » Pallas hört zu, nickt und geht wieder.
Der Ball auf dem Letzigrund
Der FC Zürich. « Es ist ein spezieller Match für mich » , sagt Schönenberger. Der FCZ ist sein Klub, seine grosse Liebe, 200 Meter vom Letzigrund im Quartier Wiedikon an der Brahmsstrasse ist er aufgewachsen. Für den kleinen Schönenberger gab es immer nur Blau- Weiss. Als Bub, wenn er abends nicht zum Spiel durfte, weil es zu spät war, stand er am Küchenfenster, er sah das Stadion nicht, aber die Leuchtmasten, und wenn es laut war und gejubelt wurde, wusste er, dass für seinen FCZ ein Tor gefallen war, und er war glücklich. Später verkaufte er auf der Tribüne Getränke, und einmal, es war der grosse Abend, als Zürich im Europacup- Halbfinal gegen Liverpool spielte, flog ein Ball auf das Tribünendach.
Urs ging nach Hause, sagte seinem Vater: « Weck mich morgen früh um halb sechs. » Es war noch dunkel am anderen Morgen, Urs fand eine Lücke, die zum Dach des Letzigrunds führte, und dort lag er immer noch, der Ball. Als er wieder runterstieg, erschrak er, weil der Platzwart mit dem bösen Schäferhund unten stand. Urs versteckte sich, wartete, bis Mann und Hund wieder verschwanden, und eilte nach Hause. Er hat den Ball, der damals fast mythisch war, mit den schwarzen und weissen Punkten, immer noch.
Pro Thun- Goal fünf Franken
Im Stadion Lachen von Thun ist der Auftritt des Speakers gekommen. Er redet und redet. Nennt minutenlang viele Firmen und Namen, vom Hotel Holiday über die Bar Rattäloch zur Central- Apotheke, jene, die Matchbälle spenden, und « ganz feine Lachs chöit dir hüt gratis ha, am Sunntig chöit dir en choufe, und es chunnt em FC Thun zguet » . Ein neues Portemonnaie mit dem Thun- Logo gibt es jetzt auch, « üse Trainer Urs Longo Schönenberger fährt Mitsubishi » , der « Coop wünscht viel Freud am Tschutte » , und ein neues Mitglied im Goal- Klub wird über den Lautsprecher persönlich begrüsst. Im Goal- Klub zahlt man für jedes Tor des FC Thun fünf Franken. Das Trainingslager im Winter auf Zypern konnte damit finanziert werden. Ein Vertreter war stolz, jedem Spieler vor der Abreise ein Couvert mit 100 Franken drin übergeben zu können, als Sackgeld.
« Ich bin ein Winnertyp »
Der Anpfiff. 90 Minuten Urs Schönenberger am Spielfeldrand. Er steht immer. Mal dort, mal hier. Er schreit. Er tobt. Er trinkt kurz aus der Flasche. Ist ständig konzentriert. Ist energisch, verbissen, wieder äusserlich ganz ruhig, überlegt, besorgt, er spornt an, jammert, flucht, lobt, belehrt den Schiedsrichter, weist seine Spieler an, korrigiert, fordert u2013 und scherzt zwischendurch auch mal mit jenen, die auf der Bank sitzen.
« Ich bin ein Winnertyp » , beschreibt sich Urs Schönenberger ( 46), « ich verlange viel von mir, tue alles für den Erfolg, und man darf nie selbstzufrieden sein. » Redet man mit ihm, dann ist sein Blick fokussiert, die Augen sind klar, man spürt jemanden, der weiss, was er will, der überzeugt ist von dem, was er denkt, der deutlich spricht. Er, 1,93 m gross, noch heute kein Gramm Fett am Körper, weil die Fitness nicht nur für die Spieler, sondern auch für ihn wichtig ist, weil er sich mit Ernährungsfragen beschäftigt und die Spieler auffordert, sich entsprechend zu verhalten; er ist eine Erscheinung, die Eindruck macht, ein Gefühl von Stärke vermittelt. Aber Schönenberger kann auch herzlich sein, witzig und unterhaltsam....
Jubelszenen im Stadion Lachen in Thun: Wohin führt der Weg unter Trainer Urs Schönenberger noch?