FC Chelsea - ein Portrait
FC Chelsea - ein Portrait
Weltwoche -- 16/05
London, gefühlsecht
Von Simon Kuper*
Noch 1994 war Chelsea ein Aphrodisiakum für Nekrophile: Kaffee galt als exotisch, über Fussball wurde nur gelallt. Heute brummt hier das Leben: Seit ein russischer Milliardär den FC Chelsea an die Fussballweltspitze kaufte, ist der Vorort die Hochglanzseite der britischen Metropole.
Es war der Tag nach den Anschlägen vom 11. September: Weltweit wurden Passagierflüge abgesagt; in einem Hotel am Londoner Flughafen Heathrow sassen gestrandete amerikanische Reisende vor den TV-Schirmen und starrten immer wieder auf die Bilder von den in die Türme einschlagenden Maschinen.
Plötzlich torkelten ein paar Kicker des FC Chelsea herein. Am Morgen war ihr Flug nach Bulgarien, zu einem Uefa-Cup-Spiel, abgesagt worden. Was tun mit einem freien Tag? Sich besaufen, was sonst. Frank Lampard, John Terry, Eidur Gudjohnsen und Jody Morris waren von Pub zu Pub gezogen, hatten die Hosen runtergelassen, gekotzt, sich in einem Bowlingzentrum wie menschliche Kugeln die Bahn entlangschlittern lassen; jetzt entblössten sie sich, fluchten und bewarfen die deprimierten Amerikaner mit Erdnüssen.
Genau so stellte man sich Chelsea-Spieler vor. Jahrzehntelang hat der Londoner Klub mehr Säufer, Rassisten und Hooligans angezogen als anständige Fussballer. Am 12. September 2001 sprach angesichts von vielleicht hundert Millionen Pfund Schulden viel dafür, dass für Chelsea bald die letzte Stunde schlagen würde. Kaum jemand hätte dem Klub eine Träne nachgeweint.
Heute hat Chelsea die vielleicht beste Elf der Welt. Diesen Monat brillierten Lampard, Terry und Gudjohnsen im Viertelfinal der Champions League, in dem sie Bayern München ausschalteten. Der Verein ist so reich, dass er den Transfermarkt praktisch in der Tasche hat. Das liegt natürlich daran, dass der russische Oligarch Roman Abramowitsch vor kurzem beschloss, Chelsea zu kaufen. Dass er es tat, kam nicht einfach so: Chelsea ist einer der grossen Fussballvereine der Welt geworden, weil London eine der grossen Metropolen der Welt geworden ist.
Ständig blau
Obwohl in Grossbritannien ein absurdes Übermass an Zentralismus herrscht, war seine Hauptstadt früher selten für Spitzenfussball gut. In der viktorianischen Epoche kamen die Klubs, die die englische Meisterschaft unter sich ausmachten, aus nördlichen Industriestädten wie Preston, Sheffield oder Sunderland, die damals zu den reichsten Orten der Welt gehörten. Als sie verarmten und sich keine Spitzenklubs mehr leisten konnten, wanderte die Meisterschale in die grösseren Städte des Nordens ab.
Der FC Chelsea war lange nur ein Verein für die Arbeiterschaft des Londoner Westens. Tony Banks, später Sportminister einer Labour-Regierung, erinnert sich daran, zu den Spielen mit demselben Bus gefahren zu sein wie ein anderer Junge aus West-London, John Major, der spätere Premierminister der Konservativen. Einmal, 1955, wurde der FC englischer Meister. Zehn Jahre später stand er kurz davor, das Kunststück zu wiederholen, doch dann schlichen sich eines Nachts acht Chelsea-Spieler aus ihrem Hotel, um einen draufzumachen. Ihr Manager Tommy Docherty, von einem Hotelangestellten informiert, kaufte für die acht Zugtickets nach London und schickte sie heim. Am Nachmittag verlor der FC Chelsea gegen Burnley 2:6. Seither kam er nie wieder auf Tuchfühlung mit dem Meistertitel, bis zu diesem Frühjahr.
Anfang der siebziger Jahre hatte Chelsea ein gutes Team, das den FA-Cup gewann und den Europacup der Pokalsieger. Es war die Zeit, als die Kingu2019s Road in Chelsea sich zur international beachteten Modemeile mauserte u2013 Malcolm McLaren und Vivienne Westwood hatten dort eine Boutique namens Sex u2013 und das Stadtviertel schick wurde. Einmal liess sich sogar Raquel Welch im Stadion blicken. Doch die Chelsea-Stars tranken zu viel und fanden es zu anstrengend, jede Woche zu gewinnen. In Chelsea hatte man das nicht nötig. Als der Klub sich eine neue Tribüne leistete, geriet er mit drei Millionen Pfund in die Kreide, und fortan wuchs der Schuldenberg stetig, bis 1982 ein grössenwahnsinniger Milchfarmer namens Ken Bates den Verein kaufte u2013 für ein Pfund, und mehr war er auch nicht wert.
Chelsea widerspiegelte damals die Hässlichkeit einer armen, heruntergekommenen und rassistischen Stadt. Paul Canoville, der 1981 als erster Farbiger überhaupt zum FC Chelsea stiess, wurde aus der Shed-Kurve, von den Fans des eigenen Klubs, regelmässig mit Bananen beworfen. Trevor Phillips, der farbige Vorsitzende der britischen Staatskommission für die Gleichberechtigung der Rassen, erzählte mir: «Ich bin jetzt seit 15 Jahren Anhänger von Chelsea. Aber es gab eine lange Zeit, in der ich, obwohl ich an der Fulham Road wohnte, nicht hingehen konnte, weil ich der einzige Schwarze in der Shed-Kurve gewesen wäre.» Noch dazu war eine Zeit lang Dart-Werfen das beliebteste Spiel in der Shed. Phillips deutete auf seinen Kopf: «Hier, ich bin das Schwarze!»
Als ich 1994, nach einem Jahr in Boston, nach London zurückkehrte, war die Stadt ein Schock für mich. Müde Menschen in Grau warteten auf überfüllten Bahnsteigen auf U-Bahn-Züge aus den fünfziger Jahren. Kaffee war ein exotisches Getränk, das man fast nirgendwo bekam, wie Götterspeise. Im Freien eine Mahlzeit einzunehmen, war polizeilich verboten, wegen imaginärer Brandgefahr. Das Stadtzentrum war unbewohnt und machte um 11 Uhr nachts dicht.
Und die Fussballvereine waren fürchterlich. Chelsea war zwar wieder in der Premier League, aber sie hatten einen Mittelstürmer namens Paul Furlong, der ein so bescheidener Fussballer war, dass die Chelsea-Fans ihm den Spitznamen «Fuck off Furlong» verpassten. Ich kann mich an ein Tor von ihm erinnern: Der Torwart von Real Saragossa drosch Furlong den Ball genau ins Gesicht, und er tropfte aus 20 Metern ins Netz. Furlong freute sich riesig.
Nostalgische Zeitungen verbandelten Chelsea damals gern mit Londons Glamourwelt, obwohl sie nicht viele prominente Chelsea-Fans nennen konnten ausser dem farblosen John Major und seinem Minister David Mellor. Mellor hatte vor allem durch eine Affäre mit einer spanischen Schauspielerin von sich reden gemacht. Laut News of the World hatte sie gesagt, der (unvorstellbar hässliche) Minister habe im Bett immer darauf bestanden, seine Chelsea-Sachen zu tragen: Trikot und Socken, nur die Hose nicht. Solche Details faszinierten zwar die Nation, mit Glamour hatte das aber nicht viel zu tun.
Alles Spitze
Doch gerade um diese Zeit, Mitte der neunziger Jahre, begann in London alles anders zu werden. Heute ist es die reichste und kosmopolitischste Stadt Europas, und seine Fussballvereine stehen auf einmal an der Spitze der englischen Liga, dominieren den FA Cup und die Champions League. Londons grosses Glück war, dass sein grosser und traditionsreicher Wirtschaftszweig, das weltweite Finanzgeschäft, ab Mitte der neunziger Jahre durchstartete. Die Finanzmärkte hatten Hochkonjunktur, und das globale Geschehen konzentrierte sich zunehmend auf drei Finanzplätze: Tokio, New York und London. In dem Mass, wie sich die Technologie des Börsengeschäfts verbesserte, schlossen internationale Finanzhäuser ihre Niederlassungen in Frankfurt und Mailand und verlegten ihre Leute nach London. Nirgendwo anders finde man so qualifizierte Mitarbeiter, sagten die Banken.
Kosmopoliten fühlten sich in einer Stadt zu Hause, in der 300 Sprachen gesprochen wurden und wo 95 Prozent aller befragten Einwohner der Aussage zustimmten, es sei «eine gute Sache, dass Grossbritannien eine multikulturelle Gesellschaft ist». London nimmt heute 200000 Einwanderer pro Jahr auf, ein Drittel seiner Einwohner ist ausserhalb des Vereinigten Königreichs geboren.
London ist zu einer Weltstadt geworden, abgenabelt vom Rest Grossbritanniens. «Das Land ist gespalten», diagnostiziert Daniel Dorling, Geografieprofessor an der Universität von Sheffield. Ausserhalb Londons registriert er «Grossstadtinseln, die offenbar langsam absinken, demografisch, sozial und wirtschaftlich. Das Vereinigte Königreich erscheint zunehmend wie ein Stadtstaat.»
Saufen ist out, shoppen ist in
Londons neuer Wohlstand fand bald seinen Weg durch die Fulham Road zur Stamford Bridge. In den frühen neunziger Jahren übernahm einer aus der wachsenden Schar der Londoner Multimillionäre, der Versicherungsmogul Matthew Harding, die Finanzierung des FC Chelsea. 1996 starb er bei einem Hubschrauberabsturz, doch um diese Zeit befand sich der Londoner Aktienmarkt in einer solchen Hausse, dass sogar Fussballklubs nach oben geschwemmt wurden. Chelsea machte den Boom im Gewand einer Firma namens «Chelsea Village» mit. Fussball war nur einer ihrer Geschäftsbereiche, ansonsten baute die Firma an der Stamford Bridge überteuerte Hotels und Restaurants. Der Klub rückte von seiner Tradition ab, schlechte oder versoffene britische Kicker zu kaufen, und begann fähige Ausländer unter Vertrag zu nehmen. Der Holländer Ruud Gullit kam 1995. Einen wie ihn hatte man an der Stamford Bridge noch nie erlebt. Gullit hatte allein mehr Pokale gewonnen als der FC Chelsea. Ausserdem trank er nicht.
1996 übernahm Gullit das Management des Klubs. Er holte Spieler wie Frank Lebu0153uf, Gianfranco Zola und den gebürtigen Schweizer Roberto Di Matteo. Paul Furlong musste dem italienischen Nationalstürmer Gianluca Vialli weichen. Die Neuen fanden sich schnell zurecht. Di Matteo beeindruckte nach seiner ersten Partie für Chelsea in Southampton einen zwölfjährigen Autogrammjäger mit einer Widmung: «Fuck off», schrieb er auf die Mütze des Jungen. Vielleicht waren es die einzigen englischen Wörter, die er kannte. Der Junge, zufällig der Bruder eines Southamptoner Spielers, erzählte der Presse später: «Ich sah, wie sich ein seltsames Lächeln auf Di Matteos Gesicht ausbreitete, als er mir den Kuli zurückgab.»
London, gefühlsecht
Von Simon Kuper*
Noch 1994 war Chelsea ein Aphrodisiakum für Nekrophile: Kaffee galt als exotisch, über Fussball wurde nur gelallt. Heute brummt hier das Leben: Seit ein russischer Milliardär den FC Chelsea an die Fussballweltspitze kaufte, ist der Vorort die Hochglanzseite der britischen Metropole.
Es war der Tag nach den Anschlägen vom 11. September: Weltweit wurden Passagierflüge abgesagt; in einem Hotel am Londoner Flughafen Heathrow sassen gestrandete amerikanische Reisende vor den TV-Schirmen und starrten immer wieder auf die Bilder von den in die Türme einschlagenden Maschinen.
Plötzlich torkelten ein paar Kicker des FC Chelsea herein. Am Morgen war ihr Flug nach Bulgarien, zu einem Uefa-Cup-Spiel, abgesagt worden. Was tun mit einem freien Tag? Sich besaufen, was sonst. Frank Lampard, John Terry, Eidur Gudjohnsen und Jody Morris waren von Pub zu Pub gezogen, hatten die Hosen runtergelassen, gekotzt, sich in einem Bowlingzentrum wie menschliche Kugeln die Bahn entlangschlittern lassen; jetzt entblössten sie sich, fluchten und bewarfen die deprimierten Amerikaner mit Erdnüssen.
Genau so stellte man sich Chelsea-Spieler vor. Jahrzehntelang hat der Londoner Klub mehr Säufer, Rassisten und Hooligans angezogen als anständige Fussballer. Am 12. September 2001 sprach angesichts von vielleicht hundert Millionen Pfund Schulden viel dafür, dass für Chelsea bald die letzte Stunde schlagen würde. Kaum jemand hätte dem Klub eine Träne nachgeweint.
Heute hat Chelsea die vielleicht beste Elf der Welt. Diesen Monat brillierten Lampard, Terry und Gudjohnsen im Viertelfinal der Champions League, in dem sie Bayern München ausschalteten. Der Verein ist so reich, dass er den Transfermarkt praktisch in der Tasche hat. Das liegt natürlich daran, dass der russische Oligarch Roman Abramowitsch vor kurzem beschloss, Chelsea zu kaufen. Dass er es tat, kam nicht einfach so: Chelsea ist einer der grossen Fussballvereine der Welt geworden, weil London eine der grossen Metropolen der Welt geworden ist.
Ständig blau
Obwohl in Grossbritannien ein absurdes Übermass an Zentralismus herrscht, war seine Hauptstadt früher selten für Spitzenfussball gut. In der viktorianischen Epoche kamen die Klubs, die die englische Meisterschaft unter sich ausmachten, aus nördlichen Industriestädten wie Preston, Sheffield oder Sunderland, die damals zu den reichsten Orten der Welt gehörten. Als sie verarmten und sich keine Spitzenklubs mehr leisten konnten, wanderte die Meisterschale in die grösseren Städte des Nordens ab.
Der FC Chelsea war lange nur ein Verein für die Arbeiterschaft des Londoner Westens. Tony Banks, später Sportminister einer Labour-Regierung, erinnert sich daran, zu den Spielen mit demselben Bus gefahren zu sein wie ein anderer Junge aus West-London, John Major, der spätere Premierminister der Konservativen. Einmal, 1955, wurde der FC englischer Meister. Zehn Jahre später stand er kurz davor, das Kunststück zu wiederholen, doch dann schlichen sich eines Nachts acht Chelsea-Spieler aus ihrem Hotel, um einen draufzumachen. Ihr Manager Tommy Docherty, von einem Hotelangestellten informiert, kaufte für die acht Zugtickets nach London und schickte sie heim. Am Nachmittag verlor der FC Chelsea gegen Burnley 2:6. Seither kam er nie wieder auf Tuchfühlung mit dem Meistertitel, bis zu diesem Frühjahr.
Anfang der siebziger Jahre hatte Chelsea ein gutes Team, das den FA-Cup gewann und den Europacup der Pokalsieger. Es war die Zeit, als die Kingu2019s Road in Chelsea sich zur international beachteten Modemeile mauserte u2013 Malcolm McLaren und Vivienne Westwood hatten dort eine Boutique namens Sex u2013 und das Stadtviertel schick wurde. Einmal liess sich sogar Raquel Welch im Stadion blicken. Doch die Chelsea-Stars tranken zu viel und fanden es zu anstrengend, jede Woche zu gewinnen. In Chelsea hatte man das nicht nötig. Als der Klub sich eine neue Tribüne leistete, geriet er mit drei Millionen Pfund in die Kreide, und fortan wuchs der Schuldenberg stetig, bis 1982 ein grössenwahnsinniger Milchfarmer namens Ken Bates den Verein kaufte u2013 für ein Pfund, und mehr war er auch nicht wert.
Chelsea widerspiegelte damals die Hässlichkeit einer armen, heruntergekommenen und rassistischen Stadt. Paul Canoville, der 1981 als erster Farbiger überhaupt zum FC Chelsea stiess, wurde aus der Shed-Kurve, von den Fans des eigenen Klubs, regelmässig mit Bananen beworfen. Trevor Phillips, der farbige Vorsitzende der britischen Staatskommission für die Gleichberechtigung der Rassen, erzählte mir: «Ich bin jetzt seit 15 Jahren Anhänger von Chelsea. Aber es gab eine lange Zeit, in der ich, obwohl ich an der Fulham Road wohnte, nicht hingehen konnte, weil ich der einzige Schwarze in der Shed-Kurve gewesen wäre.» Noch dazu war eine Zeit lang Dart-Werfen das beliebteste Spiel in der Shed. Phillips deutete auf seinen Kopf: «Hier, ich bin das Schwarze!»
Als ich 1994, nach einem Jahr in Boston, nach London zurückkehrte, war die Stadt ein Schock für mich. Müde Menschen in Grau warteten auf überfüllten Bahnsteigen auf U-Bahn-Züge aus den fünfziger Jahren. Kaffee war ein exotisches Getränk, das man fast nirgendwo bekam, wie Götterspeise. Im Freien eine Mahlzeit einzunehmen, war polizeilich verboten, wegen imaginärer Brandgefahr. Das Stadtzentrum war unbewohnt und machte um 11 Uhr nachts dicht.
Und die Fussballvereine waren fürchterlich. Chelsea war zwar wieder in der Premier League, aber sie hatten einen Mittelstürmer namens Paul Furlong, der ein so bescheidener Fussballer war, dass die Chelsea-Fans ihm den Spitznamen «Fuck off Furlong» verpassten. Ich kann mich an ein Tor von ihm erinnern: Der Torwart von Real Saragossa drosch Furlong den Ball genau ins Gesicht, und er tropfte aus 20 Metern ins Netz. Furlong freute sich riesig.
Nostalgische Zeitungen verbandelten Chelsea damals gern mit Londons Glamourwelt, obwohl sie nicht viele prominente Chelsea-Fans nennen konnten ausser dem farblosen John Major und seinem Minister David Mellor. Mellor hatte vor allem durch eine Affäre mit einer spanischen Schauspielerin von sich reden gemacht. Laut News of the World hatte sie gesagt, der (unvorstellbar hässliche) Minister habe im Bett immer darauf bestanden, seine Chelsea-Sachen zu tragen: Trikot und Socken, nur die Hose nicht. Solche Details faszinierten zwar die Nation, mit Glamour hatte das aber nicht viel zu tun.
Alles Spitze
Doch gerade um diese Zeit, Mitte der neunziger Jahre, begann in London alles anders zu werden. Heute ist es die reichste und kosmopolitischste Stadt Europas, und seine Fussballvereine stehen auf einmal an der Spitze der englischen Liga, dominieren den FA Cup und die Champions League. Londons grosses Glück war, dass sein grosser und traditionsreicher Wirtschaftszweig, das weltweite Finanzgeschäft, ab Mitte der neunziger Jahre durchstartete. Die Finanzmärkte hatten Hochkonjunktur, und das globale Geschehen konzentrierte sich zunehmend auf drei Finanzplätze: Tokio, New York und London. In dem Mass, wie sich die Technologie des Börsengeschäfts verbesserte, schlossen internationale Finanzhäuser ihre Niederlassungen in Frankfurt und Mailand und verlegten ihre Leute nach London. Nirgendwo anders finde man so qualifizierte Mitarbeiter, sagten die Banken.
Kosmopoliten fühlten sich in einer Stadt zu Hause, in der 300 Sprachen gesprochen wurden und wo 95 Prozent aller befragten Einwohner der Aussage zustimmten, es sei «eine gute Sache, dass Grossbritannien eine multikulturelle Gesellschaft ist». London nimmt heute 200000 Einwanderer pro Jahr auf, ein Drittel seiner Einwohner ist ausserhalb des Vereinigten Königreichs geboren.
London ist zu einer Weltstadt geworden, abgenabelt vom Rest Grossbritanniens. «Das Land ist gespalten», diagnostiziert Daniel Dorling, Geografieprofessor an der Universität von Sheffield. Ausserhalb Londons registriert er «Grossstadtinseln, die offenbar langsam absinken, demografisch, sozial und wirtschaftlich. Das Vereinigte Königreich erscheint zunehmend wie ein Stadtstaat.»
Saufen ist out, shoppen ist in
Londons neuer Wohlstand fand bald seinen Weg durch die Fulham Road zur Stamford Bridge. In den frühen neunziger Jahren übernahm einer aus der wachsenden Schar der Londoner Multimillionäre, der Versicherungsmogul Matthew Harding, die Finanzierung des FC Chelsea. 1996 starb er bei einem Hubschrauberabsturz, doch um diese Zeit befand sich der Londoner Aktienmarkt in einer solchen Hausse, dass sogar Fussballklubs nach oben geschwemmt wurden. Chelsea machte den Boom im Gewand einer Firma namens «Chelsea Village» mit. Fussball war nur einer ihrer Geschäftsbereiche, ansonsten baute die Firma an der Stamford Bridge überteuerte Hotels und Restaurants. Der Klub rückte von seiner Tradition ab, schlechte oder versoffene britische Kicker zu kaufen, und begann fähige Ausländer unter Vertrag zu nehmen. Der Holländer Ruud Gullit kam 1995. Einen wie ihn hatte man an der Stamford Bridge noch nie erlebt. Gullit hatte allein mehr Pokale gewonnen als der FC Chelsea. Ausserdem trank er nicht.
1996 übernahm Gullit das Management des Klubs. Er holte Spieler wie Frank Lebu0153uf, Gianfranco Zola und den gebürtigen Schweizer Roberto Di Matteo. Paul Furlong musste dem italienischen Nationalstürmer Gianluca Vialli weichen. Die Neuen fanden sich schnell zurecht. Di Matteo beeindruckte nach seiner ersten Partie für Chelsea in Southampton einen zwölfjährigen Autogrammjäger mit einer Widmung: «Fuck off», schrieb er auf die Mütze des Jungen. Vielleicht waren es die einzigen englischen Wörter, die er kannte. Der Junge, zufällig der Bruder eines Southamptoner Spielers, erzählte der Presse später: «Ich sah, wie sich ein seltsames Lächeln auf Di Matteos Gesicht ausbreitete, als er mir den Kuli zurückgab.»
Reden ist Silber, Schreiben ist Gold.
FC Chelsea - ein Portrait (Teil II)
Ich fragte Gullit einmal, warum um Himmels willen er bei Chelsea angeheuert hatte. «Es gefällt mir, aus nichts etwas zu machen», antwortete er, fügte allerdings hinzu, er geniesse das Leben in London: in den Cafés von Soho Cappuccino zu schlürfen und dann in Chinatown essen zu gehen. Viele der besten Fussballer der Welt teilen diese Wertschätzung u2013 ebenso wie viele Investmentbanker und Filmschauspieler.
Die Stadt hat heute alles, was sich ein Fussballer wünscht. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts MORI wurden Leute gebeten, die zehn grössten Pluspunkte Londons aufzuzählen. Die meisten Nennungen entfielen auf «Shopping» u2013 und man muss wissen, dass kein Menschenschlag so aufs Einkaufen versessen ist wie Profifussballer (nicht einmal Fussballerfrauen). Die Londoner wiederum sind so zugeknöpft, dass ein Thierry Henry einen Einkaufsbummel im Kaufhaus Selfridges machen oder ein Marcel Desailly die Antiquitätenläden von Notting Hill abklappern kann, ohne dass sie von jemandem belästigt werden. Wenn dagegen in Italien ein Fussballstar in der Öffentlichkeit auftaucht, führen sich die Leute auf, als sei ihnen die Jungfrau Maria erschienen.
Während Kicker, die sich bei einem Klub in einer der armen nordenglischen Städte verdingten, oft heulend das Weite suchen u2013 so der Mazedonier Georgi Hristov, der sich beklagte, in Barnsley seien die Frauen so hässlich u2013, fühlen sich Fussballstars in London pudelwohl. Unter dem Einfluss ausländischer Spieler und Manager haben sich britische Rabauken wie Lampard und Terry sogar das Saufen abgewöhnt.
2000 Franken für die Jahreskarte
Das Publikum an der Stamford Bridge hat sich ebenfalls verändert. Trevor Phillips, der sich einst wegen seiner Hautfarbe nicht ins Stadion traute, sagt: «Inzwischen kann ich mit meinen Töchtern hingehen. Sich als Fussballfan betätigen zu können, ist an sich schon integrationsfördernd. Ich gehöre zu etwas, ohne dass meine Farbe dabei eine Rolle spielt, abgesehen vom Chelsea-Blau.» Tatsächlich drängen sich auf den Rängen heute viele Neu-Londoner auf der Suche nach Heimat. Auf dem Anmarsch zu einer Partie Chelsea gegen Milan sah ich in den Strassen um Stamford Bridge jede Menge braun gebrannte langhaarige junge Männer in italienischen Anzügen, die unaufhörlich auf winzige Handys einredeten. Das waren die Fans der Heimelf.
Aber man sollte nicht übertreiben. Die bodenständigen Fans aus dem Arbeitermilieu sind nicht zur Gänze von der Glitzerwelt verdrängt worden. Unter den Chelsea-Anhängern finden sich noch immer viele von denen, die im Londoner Westen geboren sind und in den achtziger Jahren über die Mannschaft lästerten, auch wenn sie sich nur selten ihre Spiele anschauten. Diese Leute haben am Aufstieg ihrer Stadt teilgenommen. Die über 2000 Franken, die die Jahreskarte kostet (dreimal so viel wie bei Bayern München und achtmal so viel wie beim FC Porto), können sich in London die meisten noch leisten, wo das durchschnittliche Jahressalär mit über 65000 Schweizer Franken das höchste in der EU ist.
Zu Geld und Glamour kam schliesslich auch der Erfolg. Erstmals in der Geschichte ist London heute die britische Fussballhauptstadt. Vergangene Saison belegten Arsenal und Chelsea die beiden ersten Plätze in der Premier League; nie zuvor hatten Klubs aus London das geschafft, und es sieht aus, als könnten sie das Kunststück in dieser Saison wiederholen. Damit beherrscht London endgültig alle Bereiche des britischen Lebens.
Russisches Fundament
Chelseas neues Selbstbewusstsein verkörpert sein Trainer José Mourinho. Die Arroganz des kompetenten Portugiesen («Ich bin aussergewöhnlich») irritiert selbst die hochmütigen Briten und fasziniert diese fast ebenso sehr wie jene mysteriöse Figur, die den Aufstieg des Vereins erst ermöglichte: Roman Abramowitsch, der reichste Mann Londons, der Chelsea im Juli 2003 erwarb. Die Stunde des als Waisenkind in Sibirien aufgewachsenen Financiers schlug 1995, als die Regierung Jelzin den Oligarchen Boris Beresowski mit der Versteigerung von vier staatseigenen Erdölgesellschaften beauftragte. Die Firmen wurden in einer Holding namens Sibneft zusammengefasst. Obwohl das höchste Gebot von der Uneximbank kam (rund 500 Millionen Franken), sorgte Beresowski dafür, dass der 51-Prozent-Anteil für nur 260 Millionen Franken an ein Unternehmen namens FNK ging, das im Wesentlichen Beresowski selbst und seinem damals 29-jährigen Schützling Abramowitsch gehörte. Natürlich war Sibneft einiges mehr als 260 Millionen Franken wert; die Firma sass auf Ölvorkommen von geschätzten 4 Milliarden Barrel.
Jelzin hatte Beresowski und Abramowitsch den Sibneft-Konzern im Rahmen eines von seiner Regierung ausgetüftelten Programms «Aktien gegen Darlehen» zugeschanzt: Oligarchen durften sich zu Vorzugspreisen bei den Staatsunternehmen bedienen und sollten dafür der Regierung Geld leihen, der 1996 eine schwierige Präsidentenwahl bevorstand. Man hat die Privatisierung der russischen Staatsbetriebe den «grössten Fischzug der Geschichte» genannt. Beresowski und Abramowitsch wurden dadurch zu Milliardären. Beide verlegten ihren Wohnsitz nach Swinging London. Die Ölarbeiter von Sibneft schuften derweil in unerträglicher Kälte für Stundenlöhne um die 4 Franken.
Die Frage ist, warum Abramowitsch Hunderte Millionen Pfund in einen mittelprächtigen Londoner Fussballklub gesteckt hat u2013 sicher war er nicht von Kindesbeinen an ein Fan dieses Vereins. Seit sich herumgesprochen hat, dass Geld bei Chelsea keine Rolle spielt, verlangen andere Klubs absurde Ablösesummen u2013 für Didier Drogba musste Chelsea 54 Millionen Franken an Olympique Marseille überweisen. Und die Spieler fordern absurde Gehälter. Nicht einmal Manchester United kann annähernd so viel bieten wie Chelsea. Abramowitsch wird mit Chelsea nie Geld verdienen, aber das Fussballgeschäft dürfte sowieso nur eine Bagatelle sein für einen, der auf Milliarden Tonnen Erdöl sitzt und zusieht, wie der Preis auf über 50 Dollar das Barrel steigt.
Zu vermuten ist, dass Abramowitsch politische Ambitionen hat, die er mit seinem Einstieg bei Chelsea voranbringen will. Von seinem Stadthaus am Eaton Square, nicht weit von Chelsea, regiert er schon heute die russische Nordostprovinz Tschukotka mit ihren 73000 Einwohnern. Diese wählten ihn 2000 mit 92 Prozent der Stimmen zu ihrem Gouverneur.
Denkbar, dass er Tschukotka nur als Trittbrett betrachtet. Er wird registriert haben, dass Silvio Berlusconi, der zuerst als Präsident des AC Milan prominent wurde, heute Premierminister von Italien ist und dass George W. Bush sein erstes Regierungsamt als Gouverneur von Texas nicht zuletzt dem Namen verdankte, den er sich als Manager und Miteigentümer des Baseballklubs Texas Rangers gemacht hatte. Arnold Schwarzenegger stieg vom Bodybuilder zum Filmschauspieler und weiter zum Gouverneur von Kalifornien auf. Wenn Abramowitsch zu dem Schluss kam, der Sport sei ein gutes Sprungbrett in die Politik, lag es für ihn als Londoner Milliardär (und immer mehr Milliardäre werden Londoner) nahe, einen lokalen Klub zu kaufen.
Der Öl-Milliardär profitiert von einem globalen politischen Trend. Während die traditionellen politischen Parteien im Niedergang sind, wählen immer mehr Völker ihre politischen Führer direkt. Noch nie gab es so viele Demokratien. Immer mehr gewählte Führer kommen von ausserhalb der etablierten Parteien. Wenn einer ein politisches Spitzenamt anstrebt, schadet es ihm nicht, reich und berühmt zu sein und sich dennoch als Mann des Volkes zu präsentieren.
Am einfachsten und sichersten lässt sich das heute durch den Sport bewerkstelligen. Zumal weltweit die Zahl der Fernsehgeräte wächst und immer mehr Sport ausgestrahlt wird. In dieser Ära der Kabelokratie, wie man sie nennen könnte, ist der Sport auf dem besten Weg, zum Wahlkampfvehikel Nummer eins zu werden. Das weltweit von den meisten Menschen gesehene TV-Ereignis dieses Jahres, das Champions-League-Finale am 25. Mai in Istanbul, wird wahrscheinlich ein Duell zwischen einem West-Londoner Vorstadtklub und dem Verein des italienischen Premierministers sein. In London wird wohl so bald niemand «Fuck off» auf Abramowitschs Mütze schreiben.
* Simon Kuper ist Kolumnist der Financial Times und Autor mehrerer Fussballbücher.
Die Stadt hat heute alles, was sich ein Fussballer wünscht. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts MORI wurden Leute gebeten, die zehn grössten Pluspunkte Londons aufzuzählen. Die meisten Nennungen entfielen auf «Shopping» u2013 und man muss wissen, dass kein Menschenschlag so aufs Einkaufen versessen ist wie Profifussballer (nicht einmal Fussballerfrauen). Die Londoner wiederum sind so zugeknöpft, dass ein Thierry Henry einen Einkaufsbummel im Kaufhaus Selfridges machen oder ein Marcel Desailly die Antiquitätenläden von Notting Hill abklappern kann, ohne dass sie von jemandem belästigt werden. Wenn dagegen in Italien ein Fussballstar in der Öffentlichkeit auftaucht, führen sich die Leute auf, als sei ihnen die Jungfrau Maria erschienen.
Während Kicker, die sich bei einem Klub in einer der armen nordenglischen Städte verdingten, oft heulend das Weite suchen u2013 so der Mazedonier Georgi Hristov, der sich beklagte, in Barnsley seien die Frauen so hässlich u2013, fühlen sich Fussballstars in London pudelwohl. Unter dem Einfluss ausländischer Spieler und Manager haben sich britische Rabauken wie Lampard und Terry sogar das Saufen abgewöhnt.
2000 Franken für die Jahreskarte
Das Publikum an der Stamford Bridge hat sich ebenfalls verändert. Trevor Phillips, der sich einst wegen seiner Hautfarbe nicht ins Stadion traute, sagt: «Inzwischen kann ich mit meinen Töchtern hingehen. Sich als Fussballfan betätigen zu können, ist an sich schon integrationsfördernd. Ich gehöre zu etwas, ohne dass meine Farbe dabei eine Rolle spielt, abgesehen vom Chelsea-Blau.» Tatsächlich drängen sich auf den Rängen heute viele Neu-Londoner auf der Suche nach Heimat. Auf dem Anmarsch zu einer Partie Chelsea gegen Milan sah ich in den Strassen um Stamford Bridge jede Menge braun gebrannte langhaarige junge Männer in italienischen Anzügen, die unaufhörlich auf winzige Handys einredeten. Das waren die Fans der Heimelf.
Aber man sollte nicht übertreiben. Die bodenständigen Fans aus dem Arbeitermilieu sind nicht zur Gänze von der Glitzerwelt verdrängt worden. Unter den Chelsea-Anhängern finden sich noch immer viele von denen, die im Londoner Westen geboren sind und in den achtziger Jahren über die Mannschaft lästerten, auch wenn sie sich nur selten ihre Spiele anschauten. Diese Leute haben am Aufstieg ihrer Stadt teilgenommen. Die über 2000 Franken, die die Jahreskarte kostet (dreimal so viel wie bei Bayern München und achtmal so viel wie beim FC Porto), können sich in London die meisten noch leisten, wo das durchschnittliche Jahressalär mit über 65000 Schweizer Franken das höchste in der EU ist.
Zu Geld und Glamour kam schliesslich auch der Erfolg. Erstmals in der Geschichte ist London heute die britische Fussballhauptstadt. Vergangene Saison belegten Arsenal und Chelsea die beiden ersten Plätze in der Premier League; nie zuvor hatten Klubs aus London das geschafft, und es sieht aus, als könnten sie das Kunststück in dieser Saison wiederholen. Damit beherrscht London endgültig alle Bereiche des britischen Lebens.
Russisches Fundament
Chelseas neues Selbstbewusstsein verkörpert sein Trainer José Mourinho. Die Arroganz des kompetenten Portugiesen («Ich bin aussergewöhnlich») irritiert selbst die hochmütigen Briten und fasziniert diese fast ebenso sehr wie jene mysteriöse Figur, die den Aufstieg des Vereins erst ermöglichte: Roman Abramowitsch, der reichste Mann Londons, der Chelsea im Juli 2003 erwarb. Die Stunde des als Waisenkind in Sibirien aufgewachsenen Financiers schlug 1995, als die Regierung Jelzin den Oligarchen Boris Beresowski mit der Versteigerung von vier staatseigenen Erdölgesellschaften beauftragte. Die Firmen wurden in einer Holding namens Sibneft zusammengefasst. Obwohl das höchste Gebot von der Uneximbank kam (rund 500 Millionen Franken), sorgte Beresowski dafür, dass der 51-Prozent-Anteil für nur 260 Millionen Franken an ein Unternehmen namens FNK ging, das im Wesentlichen Beresowski selbst und seinem damals 29-jährigen Schützling Abramowitsch gehörte. Natürlich war Sibneft einiges mehr als 260 Millionen Franken wert; die Firma sass auf Ölvorkommen von geschätzten 4 Milliarden Barrel.
Jelzin hatte Beresowski und Abramowitsch den Sibneft-Konzern im Rahmen eines von seiner Regierung ausgetüftelten Programms «Aktien gegen Darlehen» zugeschanzt: Oligarchen durften sich zu Vorzugspreisen bei den Staatsunternehmen bedienen und sollten dafür der Regierung Geld leihen, der 1996 eine schwierige Präsidentenwahl bevorstand. Man hat die Privatisierung der russischen Staatsbetriebe den «grössten Fischzug der Geschichte» genannt. Beresowski und Abramowitsch wurden dadurch zu Milliardären. Beide verlegten ihren Wohnsitz nach Swinging London. Die Ölarbeiter von Sibneft schuften derweil in unerträglicher Kälte für Stundenlöhne um die 4 Franken.
Die Frage ist, warum Abramowitsch Hunderte Millionen Pfund in einen mittelprächtigen Londoner Fussballklub gesteckt hat u2013 sicher war er nicht von Kindesbeinen an ein Fan dieses Vereins. Seit sich herumgesprochen hat, dass Geld bei Chelsea keine Rolle spielt, verlangen andere Klubs absurde Ablösesummen u2013 für Didier Drogba musste Chelsea 54 Millionen Franken an Olympique Marseille überweisen. Und die Spieler fordern absurde Gehälter. Nicht einmal Manchester United kann annähernd so viel bieten wie Chelsea. Abramowitsch wird mit Chelsea nie Geld verdienen, aber das Fussballgeschäft dürfte sowieso nur eine Bagatelle sein für einen, der auf Milliarden Tonnen Erdöl sitzt und zusieht, wie der Preis auf über 50 Dollar das Barrel steigt.
Zu vermuten ist, dass Abramowitsch politische Ambitionen hat, die er mit seinem Einstieg bei Chelsea voranbringen will. Von seinem Stadthaus am Eaton Square, nicht weit von Chelsea, regiert er schon heute die russische Nordostprovinz Tschukotka mit ihren 73000 Einwohnern. Diese wählten ihn 2000 mit 92 Prozent der Stimmen zu ihrem Gouverneur.
Denkbar, dass er Tschukotka nur als Trittbrett betrachtet. Er wird registriert haben, dass Silvio Berlusconi, der zuerst als Präsident des AC Milan prominent wurde, heute Premierminister von Italien ist und dass George W. Bush sein erstes Regierungsamt als Gouverneur von Texas nicht zuletzt dem Namen verdankte, den er sich als Manager und Miteigentümer des Baseballklubs Texas Rangers gemacht hatte. Arnold Schwarzenegger stieg vom Bodybuilder zum Filmschauspieler und weiter zum Gouverneur von Kalifornien auf. Wenn Abramowitsch zu dem Schluss kam, der Sport sei ein gutes Sprungbrett in die Politik, lag es für ihn als Londoner Milliardär (und immer mehr Milliardäre werden Londoner) nahe, einen lokalen Klub zu kaufen.
Der Öl-Milliardär profitiert von einem globalen politischen Trend. Während die traditionellen politischen Parteien im Niedergang sind, wählen immer mehr Völker ihre politischen Führer direkt. Noch nie gab es so viele Demokratien. Immer mehr gewählte Führer kommen von ausserhalb der etablierten Parteien. Wenn einer ein politisches Spitzenamt anstrebt, schadet es ihm nicht, reich und berühmt zu sein und sich dennoch als Mann des Volkes zu präsentieren.
Am einfachsten und sichersten lässt sich das heute durch den Sport bewerkstelligen. Zumal weltweit die Zahl der Fernsehgeräte wächst und immer mehr Sport ausgestrahlt wird. In dieser Ära der Kabelokratie, wie man sie nennen könnte, ist der Sport auf dem besten Weg, zum Wahlkampfvehikel Nummer eins zu werden. Das weltweit von den meisten Menschen gesehene TV-Ereignis dieses Jahres, das Champions-League-Finale am 25. Mai in Istanbul, wird wahrscheinlich ein Duell zwischen einem West-Londoner Vorstadtklub und dem Verein des italienischen Premierministers sein. In London wird wohl so bald niemand «Fuck off» auf Abramowitschs Mütze schreiben.
* Simon Kuper ist Kolumnist der Financial Times und Autor mehrerer Fussballbücher.
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Praktisch alle Londoner Klub (ja eigentlich alle englischen Klubs ausser den MK Dons
) haben lange Tradition: Spurs, Chelsea und Arsenal sind wohl die am bekanntesten, aber auch dem restlichen Brunz aus der Hauptstadt Millwall, Hammers, Charlton, Fulham etc. kann man die Tradition nicht absprechen.
Die Eagles, nebst Orient das einzige Londoner Team, fuer welches ich Sympathie hege, waren sogar im allerersten FA Cup Final.
A propos Tradition in England: momentan liegt Preston NE, eines DER uralten Teams aus dem Nordwesten auf einem Play Off platz in der First Div.!

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Celtic Basel hat geschrieben:Praktisch alle Londoner Klub (ja eigentlich alle englischen Klubs ausser den MK Dons) haben lange Tradition: Spurs, Chelsea und Arsenal sind wohl die am bekanntesten, aber auch dem restlichen Brunz aus der Hauptstadt Millwall, Hammers, Charlton, Fulham etc. kann man die Tradition nicht absprechen.
Die Eagles, nebst Orient das einzige Londoner Team, fuer welches ich Sympathie hege, waren sogar im allerersten FA Cup Final.
A propos Tradition in England: momentan liegt Preston NE, eines DER uralten Teams aus dem Nordwesten auf einem Play Off platz in der First Div.!
wäre geil wenn preston aufsteigen würde. mit sunderland ist ja schon ein grosser traditionsverein sicher in der pl next saison.
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Hoffentlich wird der Retortenverein (okee, widerspreche mich hier halt selbst, was sollsSTEVIE GERRARD hat geschrieben:wäre geil wenn preston aufsteigen würde. mit sunderland ist ja schon ein grosser traditionsverein sicher in der pl next saison.

Bin gluecklich fuer Mick McCarthy, dass ers mit Sunderland geschafft hat!
Dazu haben wir noch Hull, das von der second in die first Div. aufgestiegen ist, und dieser Region goenne ich es auch von ganzem Herzen.
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Na und? Deine Ipswich Bauern liegen ja vor Preston, und ich glaube, sie werden auch Wigan noch ueberholen und direkt aufsteigen.ScoUtd hat geschrieben:Leider.....
Guckst du meine Signatur....
Ein anderer Traditionsklub, Forest, hat uebrigens am Wochenende gegen Crewe drei Punkte geholt und ist 'nur' noch vier Punkte vom Ligaerhalt in der First Div entfernt.
Wär scho mehr als wünschenswärt wenns si d'Kurve no würde kriege... SCho sehr truurig was Grössewahn alles usseme eigentlich sehr geile Verein ka mache...Celtic Basel hat geschrieben: Ein anderer Traditionsklub, Forest, hat uebrigens am Wochenende gegen Crewe drei Punkte geholt und ist 'nur' noch vier Punkte vom Ligaerhalt in der First Div entfernt.

Gehe am Samstag QPR - ForestCeltic Basel hat geschrieben:Na und? Deine Ipswich Bauern liegen ja vor Preston, und ich glaube, sie werden auch Wigan noch ueberholen und direkt aufsteigen.
Ein anderer Traditionsklub, Forest, hat uebrigens am Wochenende gegen Crewe drei Punkte geholt und ist 'nur' noch vier Punkte vom Ligaerhalt in der First Div entfernt.
Den Bauern kannst du dir aber irgenwohin .......
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tradition hat in meinen augen wenig mit erfolg zu tun, sondern mit der verankerung in der bevölkerung und dem landesweiten respekt.Falcão hat geschrieben:war nie Gunnersanhänger und werde es nie sein.
Aber Arsenal war der erste Club aus London, der Serienmeister in England wurde, und das schon relativ früh (1920-er jahre).
Athenry hat geschrieben:tradition hat in meinen augen wenig mit erfolg zu tun, sondern mit der verankerung in der bevölkerung und dem landesweiten respekt.
da hast du absolut recht. Insofern haben Millwall, QPR, Fulham, Luton ihre Traditionswerte, keine Frage.
Arsenal fällt einfach in deer statistik auf als erster Londoner Meister.
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