Transparenz in der Politik

Der Rest...
Antworten

Braucht die Schweiz mehr Transparenz in der Politik?

Ja
32
68%
Nein
12
26%
Egal
3
6%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 47

Soriak
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 370
Registriert: 15.12.2004, 00:10
Wohnort: Boston

Transparenz in der Politik

Beitrag von Soriak »

Ich habe die verschiedenen disclosure Anforderungen in den US Wahlen etwas genauer angeschaut und bin ziemlich ueberrascht, wie viel da gefordert wird. Nicht alles durch Gesetze, sondern auch auf Druck der Oeffentlichkeit.

Von Gesetz aus wird gefordert, dass jeder, der Geld an eine Kampagne spendet, seinen Arbeitgeber nennt. Dann wird veroeffentlicht, wie viel Geld von Arbeitnehmern welcher Firma gegeben wird. So sah man z.B, dass McCain nachdem er seine Meinung zum Oelbohren geaendert hat, in kurzer Zeit ueber eine Million Dollar von Angestellten der Oelfirmen erhalten hat. Welche Schluesse man daraus ziehen will, ist jedem Waehler selbst ueberlassen. Da Geld in der Politik aber wichtig ist, kann man sich seine Gedanken dazu machen.

Ausserdem muss jeder Politiker Geschenke mit einem Wert von ueber $50 (glaub ich) deklarieren. Also auch ein Mittagessen in einem teureren Restaurant muss angegeben werden. Dies wird von non-profit Organisationen zusammengetragen und aufgelistet - dann sieht man, welcher Politiker wie viel Geschenke von welchen Interessensgruppen erhaelt.

Freiwillig machen die Kandidaten auch ihre Steuererklaerung publik. Quellen des Einkommens, sowie alle Vermoegenswerte werden so dargelegt. Auch da lassen sich moegliche Interessenskonflikte erkennen - z.B. welche Art von Aktien ein Kandidat hat. (es sollten alles Index Fonds sein, und nicht Aktien von einzelnen Firmen, die man bevorzugen koennte)


In der Schweiz sind unsere Parlamentarier bekanntlich nur Teilzeitangestellte. Ich vermisse hier aber auch nur einen Ansatz von Transparenz: Welche Beziehungen haben die Leute, die z.B. die Waffen der Armee aussuchen, mit den Lobbyisten oder den Firmen, die diese verkaufen? Wenn die SBB einen Auftrag ueber einer Milliarde Franken an die Firma eines SVP Nationalrates gibt, wurde der Vertrag auf Grund objektiver Kriterien vergeben? Wo sind diese aufgelistet? Laut diesem Artikel werden die Arbeiten in der Schweiz durchgefuehrt, obwohl Produktion zu wohl guenstigeren Bedingungen im Ausland vorhanden sind. Wie gross ist der Preisunterschied und konnte die Firma trotzdem objektiv gegen die Konkurrenz bestehen?

Es ist ja sehr gut moeglich (und sogar wahrscheinlich), dass nichts mit falschen Dingen zugeht. Nur scheint die Information nicht online verfuegbar zu sein - mindestens kann ich sie nicht finden.

Ebenfalls interessant finde ich C-Span. Die Diskussionen im Kongress werden allesamt im Fernsehen uebertragen und sind im Internet abrufbar. Zu wichtigen Fragen findet man dann schnell Ausschnitte auf YouTube. Hier ein Beispiel von Joe Biden, dem VP Kandidaten der Demokraten: http://www.youtube.com/watch?v=v1op8vwF5UA (<- nebenbei sehr interessant. Biden unterstuetzte den Irakkrieg, regt sich hier aber ueber die Umsetzung auf. Sein Sohn ist in der Nationalgarde und wird im Oktober in den Irak gehen)


Was meint ihr zum Thema?

Malinalco
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 1380
Registriert: 29.12.2004, 21:48

Beitrag von Malinalco »

Transparenz und Filz ist ein altes Problem des Schweizer Milizsystems. Das fängt beim Gemeinderat an, dessen Gartenfirma den lokalen Arbeitsauftrag erhält, geht weiter zum rechten Politiker mit Militärverbindungen und endet bei den Verbindungen zwischen Nonprofitorganisationen und linken Politikern, z.B. bei der Arbeitsbeschaffung für das Amt für Asylwesen.

Ganz zu schweigen von der Intransparenz in unserer Exekutive. Da blickt niemand durch!

Aber schau dir mal die Schweizer politologische Literatur der letzten Jahrzehnte an. Das Milizsystem wird seltenst verteidigt, die Reformvorschläge für den Bundesrat füllen Bibliotheken, aber es geht halt nichts, da zuwenig Druck von unten kommt. STattdessen wird freiwillig und aus wahltaktischen Gründen die Direkte Demokratie ausgebaut, oft nicht zum Vorteil des Volkes, ansonsten indifferent.

Ohne grossen Druck von aussen wird da nichts passieren. Ich persönlich sehe da zwei Möglichkeiten, eine grosse "Volksbewegung" nach einem grossen Skandal, Nef war zu wenig Fett dran. Oder internationaler Zwang durch a) die EU und den Beisitz, dazu benötigt man stärkere schnellere Strukturen, und durch diese neue MAchtfülle würde der Druck für Transparenz steigen, b) eine Wirtschaftskrise oder c) einen 2-jährigen Einsitz im UNO-Sicherheitsrat, wie bei der EU benötigt man auch hier SCHNELLERE strukturen.

Zu C-Span: Der wird soweit ich weiss etwa so oft geschaut wie die "Gewinnsendungen" auf unseren TV-Kanälen... ;)

Zur Transparenz: Ich war kürzlich in Washington und es ist wirklich erstaunlich, wie leicht du dort in ein Hearing reinkommst. Diese sind öffentlich, einmal durch eine Metalldetektor und wenn du früh genug dran bist, hast du einen der Besuchersitze und kannst einem Senator zuhören.
Dazu auch das amerikanische Majorzsystem: Dadurch dass jeder Senator, jeder Repräsentant seinen eigenen Bezirk hat, welchen er oder sie vertritt, weiss er, wer ihn gewählt hat, und hört so auch mehr auf diese!

Die wenigen Interessierten Amerikaner haben viele Möglichkeiten, mit ihrem Parlamentarier in Kontakt zu treten. An diesen Hearings (Thema: Irak) war auch eine Protestgruppe anwesend, die "Ladies in Pink" oder so. Mit grellen pinken Hüten Bekleidet auf denen Sachen standen wie "No War in Iran", "Get out of Iraq". Einmal sass eine Dame auf den Medienplätzen, worauf der Chairman (Leiter der Sitzung) sie aufforderte, sich umzusetzen. Sie schrie ein paar Parolen und ging dann raus. So etwas wäre hier unmöglich, nicht?

Malinalco
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 1380
Registriert: 29.12.2004, 21:48

Beitrag von Malinalco »

Also ich wollte bei Weitem nicht die Diskussion hier abbrechen und nehme mir deswegen die Freiheit zu bumpen ;) .

Zum Thema: Ich würde gerne die Meinung der zwei neinstimmenden hören.

Benutzeravatar
IP-Lotto
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 938
Registriert: 06.12.2004, 19:55
Wohnort: Wohnung: Ja, obschon wechselnd

Beitrag von IP-Lotto »

Habe nicht abgestimmt, weil hier mMn 2 Themen vermischt werden.

1. Transparenz in der Politik:
In welchen Verflechtungen stecken PolitikerInnen? Womit verdienen sie ihren Lebensunterhalt? Nebeneinkünfte, Mitgliedschaften, etc.
Hier wird zwar einiges getan, so müssen z.B. die Mitglieder der eidgenössischen Räte alle Verwaltungsratsmandate offenlegen, aber das reicht mir nicht.
Es gibt keine Regelungen bez. Finanzierung von Parteien und Kampagnen. Ich würde deren Einführung aber klar befürworten.

2. öffentliches Beschaffungswesen:
Nach welchen Kriterien kauft die öffentliche Hand Waren und Dienstleistungen?
Hier sind die Regeln recht strikt, zumindest auf Bundes- und Kantonsebene. Ab einem gewissen Schwellenwert muss eine WTO-konforme Ausschreibung stattfinden. Diese Ausschreibungen werden im SHAB publiziert. Bei einem offenen Verfahren können alle Interessenten die Ausschreibungsunterlagen bestellen und offerieren (wurde beim angesprochenen Rollmaterial angewendet). In speziellen Fällen, insb. im Dienstleistungssektor werden Offerteinladungen an eine Vorauswahl von Anbietern gesendet, die sich zuvor für die Offertstellung beworben haben (meist um zu vermeiden, dass 100 Offerten im 5-fachen Bundesordnerformat eingehen).
Zusammen mit der Ausschreibung müssen auch die priorisierten und gewichteten Auswahlkriterien publiziert werden. Dies gibt allen konkurrierenden Anbietern die Möglichkeit, gegen den späteren Entscheid, der auch wieder publiziert werden muss, zu rekurrieren.
In diesem Bereich finde ich die Transparenz ausreichend.
"Ich muss heute wieder einen Glückstag haben. Polizisten sind das Beste, was ich kenne - gleich nach Rhabarbergrütze."
P.V.R.P.E. Langstrumpf

Benutzeravatar
Nakata
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 992
Registriert: 24.04.2011, 12:25
Wohnort: Basel

Beitrag von Nakata »

Am Mittwoch wird die baselbieter Transparenz-Initiative eingereicht.

http://www.drs.ch/www/de/drs/nachrichte ... lland.html
S kunnt scho guet :cool:

Benutzeravatar
macau
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 971
Registriert: 13.12.2004, 14:20

Ein bisschen mehr Transparenz

Beitrag von macau »

Jeder Parlamentarier darf zwei Personen eine Zutrittskarte zum Bundeshaus ausstellen lassen. Bisher war die Liste der Zutrittsberechtigten nur an Ort und Stelle einsehbar. Nun ist sie ab sofort im Internet aufgeschaltet.

Die neue Regelung soll für mehr Transparenz sorgen. Sie geht auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (SP/TG) zurück.

Nationalrat

http://www.parlament.ch/d/organe-mitgli ... igte-n.pdf

Ständerat

http://www.parlament.ch/d/organe-mitgli ... igte-s.pdf

Benutzeravatar
SubComandante
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 17723
Registriert: 07.12.2004, 08:55
Wohnort: Fig da Foz

Beitrag von SubComandante »

Mehr Transparenz und vorallem mehr Information würde einiges gutmachen. Bei Information vermisse ich, die Öffentlichkeit zum Beispiel bei Themen wie des Asylwesens zu informieren. Damit könnte man einige Mythen endlich beseitigen.

Die Verstrickungen von Politiker mit verschiedenen Lobbies wäre schon interessant. Aber würde es etwas ändern, wenn wir es wüssten? Es ist doch nur eine Minderheit, die sich für sowas überhaupt interessieren würde. Dies ist doch in den USA nichts anderes. Die meisten sind mit etwas zuviel Information überfordert.

Benutzeravatar
Nakata
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 992
Registriert: 24.04.2011, 12:25
Wohnort: Basel

Beitrag von Nakata »

Im Baselbiet wird vorwärtsgemacht bezüglich Parteispenden...

http://bazonline.ch/basel/land/Jungsozi ... y/14475211
S kunnt scho guet :cool:

Benutzeravatar
Delgado
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 4803
Registriert: 06.12.2004, 21:01

Beitrag von Delgado »

Irgend wo her müssen die Politiker ihre Gelder beziehen. Dass diese aus der Wirtschaft kommen ist klar, und dass ein Grüner Politiker nicht von der ASAG oder von Mercedes die kohle kriegt, und ein Rechter nicht von der Anlaufstelle für Arbeislose Ausländer ist auch jedem klar.

Was es mir jetzt also bringen soll, wenn ich weiss, woher das Geld kommt, weiss ich beim besten willen nicht. Oder soll ich jetzt bei gewissen Geschäften nicht mehr einkaufen gehen, nur weil diese die falsche Partei unterstützen?


Der einzige positive Nebeneffekt (aber aus meiner Sicht wirklich der Einzige) ist, dass die Politiker, welche heute jeden Furz regulieren wollen auch unter diesen Regeln leiden müssten.

Für die Wähler viel nützlicher und besser wäre eine einfach zu benützende Datenbank in welcher alle Meinungen und Äusserungen nach Thema sortiert pro Politiker abgerufen werden können. So kann man sich ein eigenes Urteil über die jeweiligen Politiker und deren einstellung machen. Die heute vorhandenen möglichkeiten, bei welchem die Politiker selber ihr Profil erstellen müssen finde in ungeeignet, da könnte selbst Blocher sich ein Mitte-Links Profil erstellen.

Benutzeravatar
Nakata
Erfahrener Benutzer
Beiträge: 992
Registriert: 24.04.2011, 12:25
Wohnort: Basel

Beitrag von Nakata »

Delgado hat geschrieben:Irgend wo her müssen die Politiker ihre Gelder beziehen. Dass diese aus der Wirtschaft kommen ist klar, und dass ein Grüner Politiker nicht von der ASAG oder von Mercedes die kohle kriegt, und ein Rechter nicht von der Anlaufstelle für Arbeislose Ausländer ist auch jedem klar.

Was es mir jetzt also bringen soll, wenn ich weiss, woher das Geld kommt, weiss ich beim besten willen nicht. Oder soll ich jetzt bei gewissen Geschäften nicht mehr einkaufen gehen, nur weil diese die falsche Partei unterstützen?


Der einzige positive Nebeneffekt (aber aus meiner Sicht wirklich der Einzige) ist, dass die Politiker, welche heute jeden Furz regulieren wollen auch unter diesen Regeln leiden müssten.

Für die Wähler viel nützlicher und besser wäre eine einfach zu benützende Datenbank in welcher alle Meinungen und Äusserungen nach Thema sortiert pro Politiker abgerufen werden können. So kann man sich ein eigenes Urteil über die jeweiligen Politiker und deren einstellung machen. Die heute vorhandenen möglichkeiten, bei welchem die Politiker selber ihr Profil erstellen müssen finde in ungeeignet, da könnte selbst Blocher sich ein Mitte-Links Profil erstellen.
Es geht um die Parteien, nicht um den einzelnen Politiker wohlgemerkt.


Es geht primär darum, dass die Wählerinnen und Wähler sehen, ob ein Parlamentarien ihnen vor den Wahlen ins Gesicht lügt oder nicht. Beispiel: Nationalratskandidat X von Partei Y verspricht tiefere Medikamentenpreise. Partei Y bezieht Geld vom Pharmariesen Z. Heute: Weiss man nicht, oder nicht genau. Leute glauben Politiker und fallen nach den Wahlen aus allen Wolken. Zukunft: Leute wissen es schon vor der Wahl und der Politiker würde das gar nicht versprechen weil es offensichtlich eine Lüge ist. Es geht nich darum, dass man dann Geschäfte boykottiert. Schliesslich ist jede Spende an eine PArtei auch eine teilweise politische Aussage oder? Und zu jeder politischen Aussage sollte man stehen können.


Zu den zusätzlichen Informationen: Das kannst du unter parl.ch bei jedem Politiker (alle Vorstösse und Wortmeldungen) nachschlagen. Beim Kanton Baselland geht das auch.

Beispiel National:

http://parl.ch/d/suche/seiten/biografie ... fie_id=487 (Siehe rechte Spalte)

Beispiel Baselland:

http://www.baselland.ch/kirchmayr_klaus ... 214.0.html

(Abstimmungsverhalten und alle Vorstösse auf einen Blick!)
S kunnt scho guet :cool:

Fahneschwänker
Benutzer
Beiträge: 46
Registriert: 19.12.2004, 17:19

Beitrag von Fahneschwänker »

Bezüglich politischer Transparenz empfehle ich folgenden Link: http://www.politnetz.ch/themen/session

Dort wird grafisch ansprechend das Abstimmverhalten der Parlamentarier während der Wintersession aufbereitet. Ist angenehmer, als sich durch die admin-Seiten zu wühlen...
uf los gohts los...!

Antworten