19. April 2005, Neue Zürcher Zeitung
Nur Haschischrauch aus der Curva Nord
Der Calcio probt Rückkehr zur Normalität
Keine Zwischenfälle in den italienischen Arenen nach Ausrufung des Null-Toleranz-Zustandes durch den Innenminister Giuseppe Pisanu. Aus der Curva Nord von San Siro, aus der am letzten Dienstag durchgedrehte Inter-Ultras das Euro- Derby gegen Milan mit einem Bombardement von Feuerwerkskörpern zum Abbruch geschossen hatten, stieg nur noch der übliche Haschischrauch auf. Der Calcio probte unter Einsatz von Carabinieri-Sondereinheiten die Rückkehr zur verlorenen Normalität. Aber die Stadien blieben halb leer, das Publikum hat sein Lieblingsspielzeug angewidert und protestierend fallengelassen. Dafür sprechen auch die sinkenden Quoten der Brüll- Diskussionen und Lynchjustiz-Tribunale gegen Schiedsrichter im Fernsehen.
In Mailand versöhnten sich weniger als 30 000 Inter-Sympathisanten mit ihrer Mannschaft, die mit dem 2:0 gegen Cagliari Ablass leistete. In Livorno erschienen die Ultras mit zehn Minuten Verspätung, auch eine Art, sich bemerkbar zu machen, und bestraften sich selber: Da hatte ihr Idol Cristiano Lucarelli bereits seinen ersten von zwei Treffern gegen die Fiorentina erzielt. Im Turiner Delle Alpi verloren sich 21 048 zahlende Besucher, als Juventus nach der peinlichen 0:0-Abschiedsvorstellung aus der Champions League gegen Liverpool das Tor wieder fand - gegen die durchlässigste Abwehr der Serie A, mit einem 5:2 gegen Lecce.
Die Juve-Angreifer galoppierten über die Lecce-Platzhälfte wie durch «leeres grünes Weideland», mokierte sich «La Repubblica». Die Versager des Liverpool-Spiels hatten Anlass zum Torjubel: Ibrahimovic als Autor einer Tripletta, und endlich auch wieder Nedved nach vier Monaten Durststrecke. Del Piero jedoch wurde von Trainer Fabio Capello bereits zum 25. Mal in dieser Saison ausgewechselt. Es bleibt der Verdacht: Die «Alte Dame» ist stark gegen die Kleinen und schwach gegen die Grossen. Aber Juventus hat im Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel gegen Milan seit zwei Monaten erstmals wieder mit drei Punkten die Nase vorne, und der Wegfall der europäischen Strapazen könnte sich für die Turiner als Vorteil erweisen. Noch stehen sieben Runden aus, und Juventus muss bereits morgen Mittwoch, erneut in Turin, gegen Inter zum Wahrheitstest antreten - auch für die Glaubwürdigkeit der Massnahmen gegen die Hooligan-Seuche. Spätestens am 8. Mai hat Milan im Heimspiel gegen Juventus die Möglichkeit, den Rivalen aus eigener Kraft einzuholen. Bei Punktgleichheit würde eine Barrage um den Titel fällig.
Wie Ministerpräsident Silvio Berlusconi im Parlament wird auch seine Propaganda-Squadra von Heckenschützen belauert. In Siena hiess der Abweichler Francesco Cozza, ein Opportunist mit verständlichen Ressentiments gegenüber dem Grossklub, denn er ist in der «Primavera» der AC Milan aufgezogen worden, aber den Sprung in die erste Mannschaft schaffte er nicht, und der damalige Trainer Fabio Capello warf ihn 1994 aus dem Nest. Aus Cozza, dem Talent, wurde ein Wanderarbeiter, der in Reggio Emilia, Vicenza, Turin, Lucca, Cagliari und Lecce Station vorbeikam und zuletzt fünf Jahre als Auswechselnummer in Reggio di Calabria, an der Stiefelspitze, sesshaft wurde. Im Januar ist er, mit 31 Jahren, in Siena gelandet, wieder als Ersatzstürmer für die Platzhirsche Chiesa und Flo, in Konkurrenz zum jungen Italo-St.-Galler Chiumiento, der in der Toskana versauert und kaum noch auf dem Mannschaftszettel des Trainers De Canio steht.
Juventus spielt gegen die Kleinen gross auf - und Milan wird von Zwergen aus dem Gleichgewicht geworfen, nach Messina, Livorno, Bologna jetzt auch vom Abstiegskandidaten Siena. (Und vor dem letzten Aufgebot von 13 000 Neugierigen; der frühere Autorennfahrer Alessandro Nannini, Schokoladefabrikant und Bruder der Sängerin Gianna, möchte den maroden Klub mit einer Seilschaft von Freunden aufkaufen.) Die Pflichtpartie schien den üblichen Gang zu nehmen: Crespo zauberte Milan mit einem Tor fast von der Grundlinie aus in der 63. Minute in Führung, doch dann verweigerte ausgerechnet der grösste Schiedsrichter der Welt, Collina der Unfehlbare, den Mailändern das 2:0, ein Kontertor durch Schewtschenko, und Gattuso traf nur die Latte. Chiesa glich in der 72. Minute aus und machte zehn Minuten vor Schluss Cozza Platz, und der hat fast ein halbes Leben lang darauf gewartet, im richtigen Moment zur Stelle zu sein: Er hechtete in eine Flanke von Pasquale, auch er ein Verstossener, aber von Inter, und das Spiel war fünf Minuten vor Ende entschieden.
Milan hat nun bereits neun Punkte weniger auf dem Konto als im letzten triumphalen Meisterjahr. Wenn, wie in Siena, der Innenverteidiger Nesta und der Ballverteiler Pirlo fehlen und Trainer Ancelotti auch noch eine Stunde lang auf Seedorf verzichtet, fällt die Infrastruktur der Mannschaft in sich zusammen, sie verliert ihr Spieltempo. Kein Alarmsignal, aber, auch das, ein Rauchzeichen.
Peter Hartmann
Der Calcio probt Rückkehr zur Normalität
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l'antimilan
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früher verhafteten sie die jungs mit Gras im Sack...heute diejenigen mit Fackeln...!!
zeigt doch, wie lasch die kontrollen immernoch sind...
oder war es ein kompromis??
Haschisch für Fackeln?? das in Italien??
are we or are we not Animals??
zeigt doch, wie lasch die kontrollen immernoch sind...
oder war es ein kompromis??
Haschisch für Fackeln?? das in Italien??
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gobbo
meine beiträge können ruhig gelöscht werden, falls sie dem generellen Niveau hierdrin nicht genügen und wenn sie unnötig Speicherplatz beanspruchen
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