Dramatik pur im US-Kongress und an der Wall Street: Das umstrittene 700-Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung der Finanzmärkte ist bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus überraschend gescheitert.
Viele Anleger am US-Aktienmarkt hat die nackte Angst gepackt. Der Dow-Jones-Index brach am Montag zeitweise um über 700 Punkte ein, weil das mühsam zusammengestellte 700-Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung der Finanzmärkte bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus überraschend scheiterte. Mit einem Minus von zeitweise 705,06 Zählern kam der Verlust fast an den bisherigen Negativrekord heran. Am ersten Handelstag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war das Börsenbarometer vorübergehend um 721,56 Zähler abgesackt.
Trotz aller Dramatik: In Prozent gemessen blieb der Rückgang am Montag aber weit hinter dem Einbruch vom «Schwarzen Montag» im Oktober 1987 mit über 20 Prozent und während der Weltwirtschaftskrise zurück.
Die Finanzmarktkrise in den USA hat einen neuen, dramatischen Höhepunkt erreicht. Das mühsam zusammengestellte 700-Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung der Finanzmärkte ist bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus überraschend gescheitert. Trotz aller Appelle von US-Präsident George W. Bush und führenden Politikern beider Parteien gab es am Montag keine Mehrheit für das bei den Wählern höchst unpopuläre Programm, mit dem das Chaos an den Finanzmärkten eingedämmt werden sollte. Experten erwarten nun weitere heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten.
An der Wall Street ging die nackte Angst um. Erste Nachrichten von dem Scheitern des Rettungsprojekts liessen den Dow-Jones-Index zeitweise um 700 Punkte einbrechen. Auch wenn der Plan unpopulär war, sahen führende Finanzexperten und Politiker doch keine Alternative zu dem Rettungspaket.
Bush reagierte «sehr enttäuscht», wie ein Sprecher sagte. «Das Land steht fraglos einer sehr ernsten Krise gegenüber, der man begegnen muss.» Bush werde mit seinen Beratern über die nächsten Schritte sprechen.
«Dann hilf uns Gott»
Das Repräsentantenhaus votierte mit 228 zu 205 Stimmen gegen den Plan. In einer leidenschaftlichen Rede erklärte der republikanische Abgeordnete Paul Ryan vor der Abstimmung: «Wir haben alle Angst, unseren Job zu verlieren». Die meisten Kollegen seien zwar der Ansicht, das Paket müsse verabschiedet werden - «aber bitte ohne mich». Und er fügte hinzu: «Wenn es uns nicht gelingt, das Richtige zu tun, dann hilf uns Gott.»
Mehr als zwei Drittel von Bushs Republikanern und 40 Prozent der Demokraten stimmten gegen den Plan. Der konservative Flügel der Republikaner lehnt derart weitgehende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ab.
Der Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, bezeichnete die Entscheidung des US-Repräsentantenhauses am Montagabend in einer ARD-Sendung als «ausgesprochen bedenklich». Zwar könne er Bedenken gegen das Antikrisenpaket verstehen. Aber jetzt gehe es nicht mehr um die Frage, wie es zu der Krise gekommen sei, jetzt müsse es nach vorne gehen.
Auch Obama und McCain unterstützten Plan
Die beiden Präsidentschaftskandidaten hatten vor der Abstimmung vorsichtige Zustimmung zu dem Plan signalisiert. Bushs Parteifreund John McCain sagte, die Option, nichts zu tun, sei schlicht keine akzeptable Option. Mit Hilfe des Pakets werde Vertrauen wiederhergestellt, und das Wirtschaftssystem komme wieder in Fahrt.
Der demokratische Kandidat Barack Obama erklärte, er neige dazu, das Rettungspaket zu unterstützen, da die Finanzkrise mittlerweile von der Wall Street bei den normalen Verbrauchern angekommen sei. Washington habe keine andere Wahl als zu handeln, wenngleich es empörend sei, «dass wir gezwungen werden, ihren Schlamassel aufzuräumen». Zugleich hoben beide Kandidaten ihren Anteil an dem Rettungsplan vor.
Der Rettungsplan sollte die Mittel für den Aufkauf sogenannter fauler Hypothekenpapiere freigeben. Ausgezahlt sollte die Riesensumme aber nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise. Die erste Hälfte von 350 Milliarden Dollar sollte zur Verfügung gestellt werden, sobald dies vom Präsidenten beantragt wird. Die weiteren Mittel sollten von der Zustimmung des Kongresses abhängig sein. Im Gegenzug sollte der Staat Aktienoptionsscheine der Finanzgesellschaften erhalten, die bei entsprechender Kursentwicklung eingelöst werden können, um die Belastung für die Staatskasse aufzufangen.
Quelle:
http://www.20min.ch/finance/news/story/ ... t-29816857
