PAUL GASCOIGNES ABSTURZ Teil 1
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PAUL GASCOIGNES ABSTURZ Teil 1
PAUL GASCOIGNES ABSTURZ
Der Star, der alles hatte - und alles verlor
Er war Englands Fußballidol - jetzt ist Paul Gascoigne alkoholkrank, ein Fall für den Boulevard, ein Schatten seiner selbst. Seine Schwester sorgt sich, ob "Gazza" ihre Hochzeit im Oktober noch erlebt. "11 FREUNDE"-Autor Matthias Paskowsky über den Absturz eines Superstars.
Im Stadio delle Alpi von Turin ist an diesem Juliabend 1990 die Spannung mit Händen zu greifen. England streitet mit Deutschland um den Einzug ins Finale der Weltmeisterschaft. Suchend blickt Gary Lineker zur Bank und formt lautlos die Worte "Auf den musst du jetzt aufpassen", während er Trainer Bobby Robson klar macht, dass die Nerven seines Mittelfeldmotors blank liegen. Paul Gascoigne ist soeben für ein Foul an Thomas Berthold verwarnt worden. Es ist seine zweite Gelbe Karte in diesem Turnier.
Paul Gascoigne wird klar, dass er kein Finale spielen wird. Die großen Ferien neigen sich ihrem Ende zu. "Es machte ihn einfach verrückt", erinnerte sich Lineker später. Millionen erlebten mit, wie Gascoigne die Vorstellung zerfraß, wie er um Fassung rang, dann trotzig zurück ins Spiel trabte und am Ende nach der 4:5-Niederlage im Elfmeterschießen wie ein kleiner Junge hemmungslos in sein weißes Englandshirt heulte.
18 Jahre später scheint es, als hätte jemand Gary Linekers Aufforderung nachkommen sollen, als hätte jemand Paul Gascoigne bei der Hand nehmen müssen. Denn der Mann, der damals als "Gazza" euphorisch auf der Insel empfangen wurde und mit seinem Spiel, seinen Emotionen und Possen die Renaissance des englischen Fußballs einleitete, ist zu einem Gespenst geworden.
Heute taucht seine ausgemergelte Gestalt in unregelmäßigen Abständen irgendwo auf der Achse Londonu2013Newcastle aus dem Nichts auf, um mit immer neuen Idiotien in der Regenbogenpresse zu landen. Ein Foto zeigt ihn, wie er frühmorgens durch die Straßen seines Heimatortes schlurft. An einem Arm baumelt eine weitgeöffnete Reisetasche, die den Blick auf ein Handtuch, eine Flasche Gin und ein Sparschwein freigibt. Er ist in diesem Jahr schon zweimal in die Psychiatrie eingewiesen worden.
Paul Gascoigne ist wahnsinnig. Dabei waren einmal alle verrückt nach ihm. "Gazzamania" hat der Rummel um den Sohn eines Hilfsarbeiters aus dem nordenglischen Dunston vor den Toren Newcastles geheißen. Geblieben ist nur die Manie. Und die Frage, an welcher Stelle Paul Gascoignes Leben aus den Fugen geraten ist.
Die Erkenntnis, dass auf seinen Lebenslauf ein roter Aufkleber mit der Aufschrift "zerbrechlich" gehört, ist nicht neu. Selbst Glenn Hoddle, der für eine Handvoll von Gascoignes 57 Länderspielen sein Nationaltrainer war, hat einmal gedacht, ihm helfen zu müssen - dabei verband die beiden mehr Hass als Liebe. Ein Besuch bei der Geistheilerin Eileen sollte es richten. Hoddles Idee war naiv. Der Trainer hätte Gascoigne damals besser mit zur WM nach Frankreich genommen, um der Stimmung im Team willen und der Auflockerung einer extrem angespannten Elf um den überforderten Jungstar David Beckham.
Beckham war es auch, der Gascoigne als primäre England-Ikone beerbte, auch wenn das Fußballvolk den beiden völlig unterschiedliche Emotionen entgegenbrachte. Während die Fans für Gazza noch ein Gefühl der Zugehörigkeit, der Eigentümerschaft über diesen urenglischen Jungen empfanden, wurde Beckham zur sterilen Kunstfigur. War der eine noch der Kuschelteddy der Nation, so ließ sich die Beliebtheit seines Nachfolgers eher mit dem Nutzwert der neuesten Spielkonsole vergleichen.
Die Suche nach der Ursache für Gascoignes Absturz ist nicht einfach. Sie verleitet zu vorschnellen Schlüssen, für die Gascoignes Vita reichlich Stoff bietet: Das Kind aus armen Verhältnissen, das an zu viel Geld und Ruhm und schließlich am Abschied von beidem zerbricht. Paul Gascoigne ist mit mehr Diagnosen etikettiert worden als ein Supermodel: manische Depression, Essstörungen, Zwangshandlungen aller Art, Suchtprobleme und Angstzustände.
Wirklich schwierig wird die Suche nach der Wahrheit dadurch, dass er selbst nicht ansprechbar ist und niemand mehr über ihn sprechen möchte. "Gazza is a Goner" u2013 Gazza ist Geschichte u2013 ist noch das Beste, was zu hören ist. Das Meinungsbild der Straße schwankt zwischen Mitleid und der Hab-ich-doch-gesagt-Abscheu über den Fußballmillionär, der alles gehabt und wieder weggeworfen hat.
Jene, die Paul Gascoigne persönlich kennen, die mit ihm gearbeitet haben und die ihn immer Paul und nie "Gazza" nennen würden, reden nicht gerne. Sie leiden mit der gequälten Seele, von der sie glauben, dass man ihr nur noch mit Schweigen helfen kann. Überall ist die Angst zu spüren, dem nie zu stillenden Appetit des Boulevards an Gascoignes Elend noch mehr Futter zu geben. Sogar in Gascoignes Geburtsort Dunston ist es schwer, Menschen zu treffen, die den echten Paul John Gascoigne kennen und die bei der Suche nach den Ursachen seines Martyriums helfen können.
Der Star, der alles hatte - und alles verlor
Er war Englands Fußballidol - jetzt ist Paul Gascoigne alkoholkrank, ein Fall für den Boulevard, ein Schatten seiner selbst. Seine Schwester sorgt sich, ob "Gazza" ihre Hochzeit im Oktober noch erlebt. "11 FREUNDE"-Autor Matthias Paskowsky über den Absturz eines Superstars.
Im Stadio delle Alpi von Turin ist an diesem Juliabend 1990 die Spannung mit Händen zu greifen. England streitet mit Deutschland um den Einzug ins Finale der Weltmeisterschaft. Suchend blickt Gary Lineker zur Bank und formt lautlos die Worte "Auf den musst du jetzt aufpassen", während er Trainer Bobby Robson klar macht, dass die Nerven seines Mittelfeldmotors blank liegen. Paul Gascoigne ist soeben für ein Foul an Thomas Berthold verwarnt worden. Es ist seine zweite Gelbe Karte in diesem Turnier.
Paul Gascoigne wird klar, dass er kein Finale spielen wird. Die großen Ferien neigen sich ihrem Ende zu. "Es machte ihn einfach verrückt", erinnerte sich Lineker später. Millionen erlebten mit, wie Gascoigne die Vorstellung zerfraß, wie er um Fassung rang, dann trotzig zurück ins Spiel trabte und am Ende nach der 4:5-Niederlage im Elfmeterschießen wie ein kleiner Junge hemmungslos in sein weißes Englandshirt heulte.
18 Jahre später scheint es, als hätte jemand Gary Linekers Aufforderung nachkommen sollen, als hätte jemand Paul Gascoigne bei der Hand nehmen müssen. Denn der Mann, der damals als "Gazza" euphorisch auf der Insel empfangen wurde und mit seinem Spiel, seinen Emotionen und Possen die Renaissance des englischen Fußballs einleitete, ist zu einem Gespenst geworden.
Heute taucht seine ausgemergelte Gestalt in unregelmäßigen Abständen irgendwo auf der Achse Londonu2013Newcastle aus dem Nichts auf, um mit immer neuen Idiotien in der Regenbogenpresse zu landen. Ein Foto zeigt ihn, wie er frühmorgens durch die Straßen seines Heimatortes schlurft. An einem Arm baumelt eine weitgeöffnete Reisetasche, die den Blick auf ein Handtuch, eine Flasche Gin und ein Sparschwein freigibt. Er ist in diesem Jahr schon zweimal in die Psychiatrie eingewiesen worden.
Paul Gascoigne ist wahnsinnig. Dabei waren einmal alle verrückt nach ihm. "Gazzamania" hat der Rummel um den Sohn eines Hilfsarbeiters aus dem nordenglischen Dunston vor den Toren Newcastles geheißen. Geblieben ist nur die Manie. Und die Frage, an welcher Stelle Paul Gascoignes Leben aus den Fugen geraten ist.
Die Erkenntnis, dass auf seinen Lebenslauf ein roter Aufkleber mit der Aufschrift "zerbrechlich" gehört, ist nicht neu. Selbst Glenn Hoddle, der für eine Handvoll von Gascoignes 57 Länderspielen sein Nationaltrainer war, hat einmal gedacht, ihm helfen zu müssen - dabei verband die beiden mehr Hass als Liebe. Ein Besuch bei der Geistheilerin Eileen sollte es richten. Hoddles Idee war naiv. Der Trainer hätte Gascoigne damals besser mit zur WM nach Frankreich genommen, um der Stimmung im Team willen und der Auflockerung einer extrem angespannten Elf um den überforderten Jungstar David Beckham.
Beckham war es auch, der Gascoigne als primäre England-Ikone beerbte, auch wenn das Fußballvolk den beiden völlig unterschiedliche Emotionen entgegenbrachte. Während die Fans für Gazza noch ein Gefühl der Zugehörigkeit, der Eigentümerschaft über diesen urenglischen Jungen empfanden, wurde Beckham zur sterilen Kunstfigur. War der eine noch der Kuschelteddy der Nation, so ließ sich die Beliebtheit seines Nachfolgers eher mit dem Nutzwert der neuesten Spielkonsole vergleichen.
Die Suche nach der Ursache für Gascoignes Absturz ist nicht einfach. Sie verleitet zu vorschnellen Schlüssen, für die Gascoignes Vita reichlich Stoff bietet: Das Kind aus armen Verhältnissen, das an zu viel Geld und Ruhm und schließlich am Abschied von beidem zerbricht. Paul Gascoigne ist mit mehr Diagnosen etikettiert worden als ein Supermodel: manische Depression, Essstörungen, Zwangshandlungen aller Art, Suchtprobleme und Angstzustände.
Wirklich schwierig wird die Suche nach der Wahrheit dadurch, dass er selbst nicht ansprechbar ist und niemand mehr über ihn sprechen möchte. "Gazza is a Goner" u2013 Gazza ist Geschichte u2013 ist noch das Beste, was zu hören ist. Das Meinungsbild der Straße schwankt zwischen Mitleid und der Hab-ich-doch-gesagt-Abscheu über den Fußballmillionär, der alles gehabt und wieder weggeworfen hat.
Jene, die Paul Gascoigne persönlich kennen, die mit ihm gearbeitet haben und die ihn immer Paul und nie "Gazza" nennen würden, reden nicht gerne. Sie leiden mit der gequälten Seele, von der sie glauben, dass man ihr nur noch mit Schweigen helfen kann. Überall ist die Angst zu spüren, dem nie zu stillenden Appetit des Boulevards an Gascoignes Elend noch mehr Futter zu geben. Sogar in Gascoignes Geburtsort Dunston ist es schwer, Menschen zu treffen, die den echten Paul John Gascoigne kennen und die bei der Suche nach den Ursachen seines Martyriums helfen können.
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
Samuel Goldwyn
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PAUL GASCOIGNES ABSTURZ Teil 2
PAUL GASCOIGNES ABSTURZ
Der Star, der alles hatte - und alles verlor
2. Teil: Der Redheugh Boys Club - Ausgangspunkt von Gascoignes Karriere
Einer von ihnen saß bei jenem WM-Halbfinale gegen Deutschland zu Hause vor dem Fernseher. Als Terry Ritson die Gelbe Karte für Gascoigne sah, sprang er wütend auf. "Das war's! Ich guck mir das Finale nicht an, ob wir es schaffen oder nicht." Ritson war Paul Gascoignes Trainer beim Redheugh Boys Club. Er kennt ihn seit der Kindheit, vier Jahre lang trainierte er den späteren Weltstar in einer Phase, als aus dem ballverliebten Dickerchen ein Lehrling bei Newcastle United wurde.
Ritson kann sich noch genau an den Moment erinnern, als ihm dämmerte, dass Gascoigne ein besonderer Spieler war. "Wir spielten gegen Cleveland Hall. Die waren viel größer und bulliger als meine Jungs. Der Platz sah aus wie eine Schweinefarm, wir standen knöcheltief im Matsch. Doch so sehr sie Paul auch tackelten und in die Zange nahmen, er klebte einfach am Ball und spielte die richtigen Pässe. Seine absolute Entschlossenheit hat mich beeindruckt. Gute Spieler hatten wir viele. Er aber hatte dieses Extra an sich, das man für ganz oben braucht."
Ritson weiß, wovon er redet. Der Redheugh Boys Club hat keine feine Postanschrift. Der hauptberufliche Physiotherapeut Ritson spricht über seinen berühmten Schützling wie über einen kleinen Jungen. Immer wieder kommen Spieler herein, um sich Termine für eine Behandlung geben zu lassen. Der Ton ist freundschaftlich, keiner geht ohne einen Witz oder ein gutes Wort. Redheugh macht Spaß, trotz der klaren Regeln. "Bei uns ist Fluchen und Rauchen verboten", sagt Ritson.
Paul Gascoigne ist nicht gerade für seine guten Manieren bekannt. Seine medial dokumentierten Entgleisungen reichten von Rülpsern bis hin zu einem herzhaften "Fuck off" als Kommentar zum nächsten Länderspielgegner Norwegen. Ritson runzelt die Stirn. "Ich weiß. Aber Paul hat nichts Schlechtes in sich. Er ist einfach ein Lausbub, hat immer Streiche gemacht und sich nie um die Konsequenzen geschert. Einmal hab' ich ihn vor einem Spiel mit dem Auto abgeholt, und er war vor den anderen in der Kabine. Da hat er alle Schuhe miteinander vertauscht und sich dann über die Sucherei der anderen totgelacht. Wir konnten das Spiel erst eine halbe Stunde später beginnen."
Es war der kleine Junge in Gascoigne, der ihn zu einem großen Spieler gemacht hat. Vor dem WM-Halbfinale gegen Deutschland war er kaum Herr über seine Vorfreude. Während seine Mitspieler bei der Hymne konzentriert und sinnschwer vor sich hinstarrten, lachte Gascoigne von einem Ohr zum anderen, wie ein Kind vor dem reichgedeckten Geburtstagstisch.
Der langweilige Fehlervermeidungsfußball von heute, mit dem sich England nicht für die EM in diesem Jahr qualifizieren konnte, war ihm fremd. Seine größten Tore waren das Produkt aus Mut, Entschlossenheit, Technik und einem gehörigen Schuss kindlicher Unbefangenheit. Mit diesem Mix kam er bei der EM 1996 zu einem Treffer gegen Schottland, der später in einer Umfrage zum englischen "Tor des Jahrhunderts" gekürt wurde. Auch Platz drei ging an Gascoigne. "Von da wird er es nicht direkt probieren", konnte der Kommentator des FA-Cup-Halbfinales 1991 zwischen Arsenal und den Spurs noch sagen, bevor Gascoigne seinem Nationalmannschaftskollegen David Seaman aus 35 Metern einen Freistoß in den rechten Winkel einschenkte.
Ein Leben in Hotels und Krankenhäusern
Ebenso unvergessen blieb das Interview nach dem Spiel, in dem er seiner Euphorie freien Lauf ließ: "Glücklich. Klar bin ich glücklich. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen... Jetzt werd' ich mir erst mal einen Anzug fürs Finale schneidern lassen."
Mit der Nachtruhe war es immer so eine Sache. Schon 1990 wurde die Schlaflosigkeit Gascoignes aktenkundig. In seiner Biografie beschreibt er, wie er in der Nacht vor dem Deutschland-Spiel auf der Suche nach Zerstreuung durchs Hotel pilgerte und zur Entspannung gegen zwei Amerikaner im Tennis antrat, sehr zum Ärger seines Trainers Bobby Robson. Sein Leben, so schreibt er weiter, habe sich oft in Hotels und Krankenhäusern abgespielt. Dort gibt es immer Betrieb, feste Fahrpläne, einen Rhythmus und vor allem Menschen, deren Gesellschaft Paul Gascoigne von sich selbst befreit.
Einen Ort hat er in seiner Aufzählung vergessen: Taxis. Wer die banalen Geschichten über ihn hören möchte, über Messer, über Casinobesuche, den Umgang mit Geld oder seine Trink- und Drogengewohnheiten, der muss die Taxifahrer von Dunston Taxis in der Ravensworth Road fragen. Einer von ihnen ist Paul Keenan.
Keenan ist ein Altersgenosse seines Namensvetters und kennt Gascoigne seit Ewigkeiten. Überdies trainiert er in seiner Freizeit die U17 der Redheugh Boys. Der Fußballspieler Paul Gascoigne war einmal sein Idol, sagt Keenan. Jetzt macht ihm Gascoigne nur noch Sorgen. "Das letzte Mal habe ich ihn vor ein paar Monaten morgens um halb neun in der Apotheke getroffen. Er sah schlimm aus. Die Apothekerin hatte keine Ahnung, wer er war. Ich wünschte, es würde ihm besser gehen und Jimmy 'Five Bellies' hätte statt seiner diese Probleme."
Jimmy "Five Bellies" Gardner war über viele Jahre hinweg der berühmte Sancho Pansa von Paul Gascoigne. Es war eine Schuljungenfreundschaft weit jenseits ihres natürlichen Verfallsdatums, die ihr Vertrauen aus den gemeinsamen Wurzeln zog und deren zentrales Anliegen darin bestand, gemeinsam die Zeit totzuschlagen. Wie weit die finanziell motivierte Selbstaufgabe Gardners dabei ging, zeigt die Feuerzeugepisode aus Gascoignes Biografie. Wenn Gardner fünf Sekunden lang eine Feuerzeugflamme unter seiner Nase ertragen würde, versprach Gascoigne ihm 500 Pfund. Der tat es, zweimal, für einen Tausender. Gardner hat im Zirkus um seinen berühmten Kompagnon eine unterhaltsame und daher gut dokumentierte Nebenrolle gespielt. Die Rolle des Aufpassers, die Gary Lineker in jenem Halbfinale 1990 ausgeschrieben hatte, war um einige Nummern zu groß für ihn.
Der Star, der alles hatte - und alles verlor
2. Teil: Der Redheugh Boys Club - Ausgangspunkt von Gascoignes Karriere
Einer von ihnen saß bei jenem WM-Halbfinale gegen Deutschland zu Hause vor dem Fernseher. Als Terry Ritson die Gelbe Karte für Gascoigne sah, sprang er wütend auf. "Das war's! Ich guck mir das Finale nicht an, ob wir es schaffen oder nicht." Ritson war Paul Gascoignes Trainer beim Redheugh Boys Club. Er kennt ihn seit der Kindheit, vier Jahre lang trainierte er den späteren Weltstar in einer Phase, als aus dem ballverliebten Dickerchen ein Lehrling bei Newcastle United wurde.
Ritson kann sich noch genau an den Moment erinnern, als ihm dämmerte, dass Gascoigne ein besonderer Spieler war. "Wir spielten gegen Cleveland Hall. Die waren viel größer und bulliger als meine Jungs. Der Platz sah aus wie eine Schweinefarm, wir standen knöcheltief im Matsch. Doch so sehr sie Paul auch tackelten und in die Zange nahmen, er klebte einfach am Ball und spielte die richtigen Pässe. Seine absolute Entschlossenheit hat mich beeindruckt. Gute Spieler hatten wir viele. Er aber hatte dieses Extra an sich, das man für ganz oben braucht."
Ritson weiß, wovon er redet. Der Redheugh Boys Club hat keine feine Postanschrift. Der hauptberufliche Physiotherapeut Ritson spricht über seinen berühmten Schützling wie über einen kleinen Jungen. Immer wieder kommen Spieler herein, um sich Termine für eine Behandlung geben zu lassen. Der Ton ist freundschaftlich, keiner geht ohne einen Witz oder ein gutes Wort. Redheugh macht Spaß, trotz der klaren Regeln. "Bei uns ist Fluchen und Rauchen verboten", sagt Ritson.
Paul Gascoigne ist nicht gerade für seine guten Manieren bekannt. Seine medial dokumentierten Entgleisungen reichten von Rülpsern bis hin zu einem herzhaften "Fuck off" als Kommentar zum nächsten Länderspielgegner Norwegen. Ritson runzelt die Stirn. "Ich weiß. Aber Paul hat nichts Schlechtes in sich. Er ist einfach ein Lausbub, hat immer Streiche gemacht und sich nie um die Konsequenzen geschert. Einmal hab' ich ihn vor einem Spiel mit dem Auto abgeholt, und er war vor den anderen in der Kabine. Da hat er alle Schuhe miteinander vertauscht und sich dann über die Sucherei der anderen totgelacht. Wir konnten das Spiel erst eine halbe Stunde später beginnen."
Es war der kleine Junge in Gascoigne, der ihn zu einem großen Spieler gemacht hat. Vor dem WM-Halbfinale gegen Deutschland war er kaum Herr über seine Vorfreude. Während seine Mitspieler bei der Hymne konzentriert und sinnschwer vor sich hinstarrten, lachte Gascoigne von einem Ohr zum anderen, wie ein Kind vor dem reichgedeckten Geburtstagstisch.
Der langweilige Fehlervermeidungsfußball von heute, mit dem sich England nicht für die EM in diesem Jahr qualifizieren konnte, war ihm fremd. Seine größten Tore waren das Produkt aus Mut, Entschlossenheit, Technik und einem gehörigen Schuss kindlicher Unbefangenheit. Mit diesem Mix kam er bei der EM 1996 zu einem Treffer gegen Schottland, der später in einer Umfrage zum englischen "Tor des Jahrhunderts" gekürt wurde. Auch Platz drei ging an Gascoigne. "Von da wird er es nicht direkt probieren", konnte der Kommentator des FA-Cup-Halbfinales 1991 zwischen Arsenal und den Spurs noch sagen, bevor Gascoigne seinem Nationalmannschaftskollegen David Seaman aus 35 Metern einen Freistoß in den rechten Winkel einschenkte.
Ein Leben in Hotels und Krankenhäusern
Ebenso unvergessen blieb das Interview nach dem Spiel, in dem er seiner Euphorie freien Lauf ließ: "Glücklich. Klar bin ich glücklich. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen... Jetzt werd' ich mir erst mal einen Anzug fürs Finale schneidern lassen."
Mit der Nachtruhe war es immer so eine Sache. Schon 1990 wurde die Schlaflosigkeit Gascoignes aktenkundig. In seiner Biografie beschreibt er, wie er in der Nacht vor dem Deutschland-Spiel auf der Suche nach Zerstreuung durchs Hotel pilgerte und zur Entspannung gegen zwei Amerikaner im Tennis antrat, sehr zum Ärger seines Trainers Bobby Robson. Sein Leben, so schreibt er weiter, habe sich oft in Hotels und Krankenhäusern abgespielt. Dort gibt es immer Betrieb, feste Fahrpläne, einen Rhythmus und vor allem Menschen, deren Gesellschaft Paul Gascoigne von sich selbst befreit.
Einen Ort hat er in seiner Aufzählung vergessen: Taxis. Wer die banalen Geschichten über ihn hören möchte, über Messer, über Casinobesuche, den Umgang mit Geld oder seine Trink- und Drogengewohnheiten, der muss die Taxifahrer von Dunston Taxis in der Ravensworth Road fragen. Einer von ihnen ist Paul Keenan.
Keenan ist ein Altersgenosse seines Namensvetters und kennt Gascoigne seit Ewigkeiten. Überdies trainiert er in seiner Freizeit die U17 der Redheugh Boys. Der Fußballspieler Paul Gascoigne war einmal sein Idol, sagt Keenan. Jetzt macht ihm Gascoigne nur noch Sorgen. "Das letzte Mal habe ich ihn vor ein paar Monaten morgens um halb neun in der Apotheke getroffen. Er sah schlimm aus. Die Apothekerin hatte keine Ahnung, wer er war. Ich wünschte, es würde ihm besser gehen und Jimmy 'Five Bellies' hätte statt seiner diese Probleme."
Jimmy "Five Bellies" Gardner war über viele Jahre hinweg der berühmte Sancho Pansa von Paul Gascoigne. Es war eine Schuljungenfreundschaft weit jenseits ihres natürlichen Verfallsdatums, die ihr Vertrauen aus den gemeinsamen Wurzeln zog und deren zentrales Anliegen darin bestand, gemeinsam die Zeit totzuschlagen. Wie weit die finanziell motivierte Selbstaufgabe Gardners dabei ging, zeigt die Feuerzeugepisode aus Gascoignes Biografie. Wenn Gardner fünf Sekunden lang eine Feuerzeugflamme unter seiner Nase ertragen würde, versprach Gascoigne ihm 500 Pfund. Der tat es, zweimal, für einen Tausender. Gardner hat im Zirkus um seinen berühmten Kompagnon eine unterhaltsame und daher gut dokumentierte Nebenrolle gespielt. Die Rolle des Aufpassers, die Gary Lineker in jenem Halbfinale 1990 ausgeschrieben hatte, war um einige Nummern zu groß für ihn.
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
Samuel Goldwyn
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alledoofaussermutti hat geschrieben:ist das der text, der im 11freunde erschienen ist?
E`Glaibasler hat geschrieben:Lesen Sie am nächsten Dienstag: Welche Rolle Fußball für den jungen Paul Gascoigne spielte und wie seine Profikarriere einen unheilvollen Verlauf nahm
Quelle Spiegel online
ex. esp
Menschen müssen sich verändern,
um sich selber treu zu sein.
Nur das Wechseln von Gewändern
kann kein wahrer Wandel sein.
Konstantin Wecker
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er isch wirklich eh sau guete fuessballspieler gseh...
ich wirdem aber nie verzeihe daser 1996 im halbfinal vo de EM inde verlängerig eh riiiiisigi chance verpasst het
ich wirdem aber nie verzeihe daser 1996 im halbfinal vo de EM inde verlängerig eh riiiiisigi chance verpasst het
Luke: Don't call me a mindless philosopher, you overweight glob of grease
Hans: Watch your mouth kid, or you'll find yourself floating home
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- E`Glaibasler
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Rüüchtisch!!!smj hat geschrieben:Spiegel Online kooperiert mit 11 freunde. Dann und wann erscheint dann ein Artikel von 11Freunde auf spiegel.de und ist dann auch so gekennzeichnet.
den fall ansich finde ich tragisch und sehr bedauerlich. ich denke aber das es einige fussballer gibt die nach ihrem karriereende in ein loch fallen. der grosse unterschied besteht wohl hauptsächlich darin, dass nicht alle den gleichen bekanntheitsgrad wie cascoignes haben und deswgen nicht so im medialen fokus stehen.
in der schwiz haben die meisten fussballer wenigstens eine grundausbildung abgeschlossen, in england kann es passieren das ab dem 14 labensjahr fertig ist mit schule und nur noch der fussball zählt. kein wunder kommen die jungs danach mit dem leben nicht zurecht. viel geld, frauen, drogen und falsche berater sind da sicher auch nicht hilfreich um auf dem boden zu bleiben.
zum glück hat mein talent nicht gereicht um fussballer zu werden... vor allem die frauen und die drogen hätten auch bei mir eine fatale wirkung haben können!

Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
Samuel Goldwyn
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++++ Paul Gascoigne kommt offenbar nicht vom Alkohol los: Nach einem Bericht der englischen Boulevardzeitung "Sun" soll der 41-Jährige in einer portugiesischen Hotelbar fünf Tage durchgetrunken haben. In Vale do Lobo an der Algarve soll der frühere englische Nationalspieler täglich 20 doppelte Whiskey getrunken haben. Am Ende wurde er halb besinnungslos in der Lobby des Fünf-Sterne-Hotels gefunden. "Es war ein schlimmer Anblick", berichtete Gast. Die Polizei brachte "Gazza" schließlich in eine Ausnüchterungszelle. Im Frühjahr hatte sich Gascoigne in einer Reha-Klinik in London nach einem Selbtsmordversuch einer Entziehungskur unterzogen, im August stürzte er bei einem Auftritt der Heavy-Metal-Rocker Iron Maiden volltrunken vom Tour-Truck. ++++
http://www.welt.de/sport/fussball/artic ... allen.html
http://www.welt.de/sport/fussball/artic ... allen.html
- seth
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- Wohnort: Bern/D4, frog di duure
was für e gool! mag mi no dra erinnere, wie wenns geschter gsi wär..
c'mon gazza

baslerstab hat geschrieben:fraue hän eifach s'fuessballgen nit. drzue kunnt, dass ihne ihri oberflächlichkeit in allne läbenslage im wäg stoht. d'optik und s'boortmoonee mien stimme, denn isch alles andere sekundär. de kasch se vrarsche, demietige und prügle - sy sinn z'friede und vrteidige di immer und überall!
salegh hat geschrieben:sit die modefiiiz und die metrosexuelle flachzangene in usgang bzw. ins stadion derfe goht die welt dr bach ab!
Paul Gascoigne rushed to hospital after 'overdose'
Paul Gascoigne, the former England footballer, has been taken to hospital after collapsing from a suspected drug overdose.
By Jonathan Wynne-Jones
Last Updated: 10:51AM BST 13 Sep 2008
The troubled alcoholic was taken to casualty in Portugal only hours after leaving a rehab clinic.
It is understood that he had his stomach pumped to wash out a cocktail of drinks and drugs he had taken in an apparent bid to commit suicide.
Police found him semi-conscious at a five-star hotel in Vilamoura in the Algarve where he is reported to have been holidaying with friends since last month.
He is believed to have taken the suspected drug overdose attempt after an emotional argument a few hours earlier with ex-wife Sheryl and daughter Bianca who had travelled with him to Portugal to try and convince him to stop drinking, according to reports.
An ambulance took him to Faro District Hospital where he was put on a saline drip.
A hospital spokesman last night said that Gascoigne had been treated and was released yesterday morning.
The latest scare over his health comes after he was sectioned under the Mental Health Act in February, when police were called to the Hilton Hotel in Newcastle where he had allegedly threatened staff.
Gascoigne, 42, was sectioned again in June after hammering on his former wife's door in Hemel Hempstead, Hertfordshire.
Last night, sources quoted in The Sun newspaper said: "Police were called because of some trouble at the hotel and then requested medical support.
He was semi-conscious when emergency services arrived at the hotel and he had a girl with him. At the hospital, he was sedated and medics washed out his stomach."
A spokesman for Gascoigne refused to comment but admitted he had not heard from him and did not know where he was.
http://www.telegraph.co.uk/news/newstop ... rdose.html
Paul Gascoigne, the former England footballer, has been taken to hospital after collapsing from a suspected drug overdose.
By Jonathan Wynne-Jones
Last Updated: 10:51AM BST 13 Sep 2008
The troubled alcoholic was taken to casualty in Portugal only hours after leaving a rehab clinic.
It is understood that he had his stomach pumped to wash out a cocktail of drinks and drugs he had taken in an apparent bid to commit suicide.
Police found him semi-conscious at a five-star hotel in Vilamoura in the Algarve where he is reported to have been holidaying with friends since last month.
He is believed to have taken the suspected drug overdose attempt after an emotional argument a few hours earlier with ex-wife Sheryl and daughter Bianca who had travelled with him to Portugal to try and convince him to stop drinking, according to reports.
An ambulance took him to Faro District Hospital where he was put on a saline drip.
A hospital spokesman last night said that Gascoigne had been treated and was released yesterday morning.
The latest scare over his health comes after he was sectioned under the Mental Health Act in February, when police were called to the Hilton Hotel in Newcastle where he had allegedly threatened staff.
Gascoigne, 42, was sectioned again in June after hammering on his former wife's door in Hemel Hempstead, Hertfordshire.
Last night, sources quoted in The Sun newspaper said: "Police were called because of some trouble at the hotel and then requested medical support.
He was semi-conscious when emergency services arrived at the hotel and he had a girl with him. At the hospital, he was sedated and medics washed out his stomach."
A spokesman for Gascoigne refused to comment but admitted he had not heard from him and did not know where he was.
http://www.telegraph.co.uk/news/newstop ... rdose.html
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Teil 2 und 3 der Serie
Von Matthias Paskowsky
Paul Gascoigne fand sich auf dem Fußballplatz immer zurecht, außerhalb des Feldes war er dagegen unsicher und hilflos. Das Magazin "11 FREUNDE" zeichnet "Gazzas" Weg nach und beschreibt im zweiten Teil, wie der Kicker an den Mechanismen des Profi-Fußballs zerbrach.
Paul Gascoignes einzig wahrer Freund war der Ball, sagen sie in "Gazzas" Heimatort Dunston. Er musste auf sich selbst aufpassen und ist in keiner Rolle erfolgloser gewesen. Gascoignes Jugendtrainer Terry Ritson hat eine Ahnung, woran das gelegen haben könnte.
"Wann immer Paul über die weiße Linie trat, war er weg von dieser Welt. Fußball war sein totaler Fokus, sein Lebenselixier. Es war ihm egal, wo er für wen und gegen wen spielte. Die Dinge des täglichen Lebens bedeuteten ihm nichts. Einmal kam er aus Italien geflogen, weil er unserem Club einen Minibus sponsern wollte. Er drückte mir seine goldene Kreditkarte in die Hand. 'Paul, was soll ich damit?', hab ich gefragt. Ich musste das Auto schließlich bar bezahlen. 'Okay, Terry, kein Problem, komm morgen einfach ins Hotel, da hab ich einen Koffer mit Lira.' Am Ende hat uns seine Mutter einen Scheck ausgestellt. Er hatte keine Ahnung mehr vom täglichen Leben."
Die frühe Profikarriere hat Gascoigne jenen Lebensabschnitt gekostet, in dem andere Menschen an den ersten ernsten Konflikten wachsen. Probleme wurden für ihn gelöst, seit er mit knapp 17 Jahren erstmals in der A-Mannschaft von Newcastle spielte. Jahrelang schien es, als würde sich Gascoigne die Gleichgültigkeit für alle Belange jenseits des Fußballs leisten können. Nach der WM 1990 floss das Geld in Strömen, sein Berater Mel Stein musste die meisten Angebote ablehnen. Alle Sponsoren wollten Gascoigne, was vor allem den englischen Fußballverband FA vor Probleme stellte, weil jener immer einen Bock schoss und die Auftraggeber mit hundertprozentiger Sicherheit düpierte.
Gascoignes Gleichgültigkeit in Bezug auf Verträge und Finanzen ging so weit, dass andere begannen, für ihn die Entscheidungen zu treffen. Die Transfers von Newcastle zu Tottenham und später zu Lazio gelten für viele Beobachter als Schlüssel für seinen Niedergang und den Weg an die Flasche. Weder London noch Rom, so die Argumentation der Zweifler, seien sichere Horte für einen naiven Jungstar aus dem Norden gewesen. Warum nur hat er seine Zusage an Alex Ferguson nicht eingehalten?
Der Trainer von Manchester United wundert sich noch heute darüber und gab sich zuletzt in einem Interview überzeugt, dass er Gascoigne auf die richtige Spur gebracht hätte. Der Erfolgscoach propagiert eine Theorie, die sich vieler Anhänger erfreut. Doch sein Erinnerungsvermögen scheint etwas getrübt, war Manchester United Ende der 80er doch nicht das solide Kraftwerk von heute. "Win or lose - hit the booze", war damals das Motto. "Sieg oder Niederlage - hoch die Tassen!"
Ferguson hat hart gegen die Trinkkultur innerhalb des Clubs ankämpfen müssen und sich dabei nur eingeschränkt talentiert gezeigt. Seine Auseinandersetzungen mit feierfreudigen Arbeitnehmern wie Norman Whiteside und Paul McGrath sind legendär und endeten erfolglos im Verkauf jener Spieler. Letzterer beging nach dem finalen Krach mit Ferguson gar einen Selbstmordversuch, um nur wenig später bei Aston Villa - noch mit verbundenen Handgelenken - in ganz neuer Blüte aufzuspielen. Ferguson verweist gerne darauf, dass bei ihm andere prominente Geordies, also Leute aus dem Nordwesten Englands, unter Vertrag standen, die Gascoigne mehr Halt gegeben hätten. Aus den Rückblenden taucht sein ehemaliger Kapitän Bryan Robson auf und damit jener Mann, den Gascoigne in seiner Biografie im Kontext der WM 1990 mit den Worten "Kannst du nichts mehr vertragen, Geordie-Bastard?" zitiert.
Von Matthias Paskowsky
Paul Gascoigne fand sich auf dem Fußballplatz immer zurecht, außerhalb des Feldes war er dagegen unsicher und hilflos. Das Magazin "11 FREUNDE" zeichnet "Gazzas" Weg nach und beschreibt im zweiten Teil, wie der Kicker an den Mechanismen des Profi-Fußballs zerbrach.
Paul Gascoignes einzig wahrer Freund war der Ball, sagen sie in "Gazzas" Heimatort Dunston. Er musste auf sich selbst aufpassen und ist in keiner Rolle erfolgloser gewesen. Gascoignes Jugendtrainer Terry Ritson hat eine Ahnung, woran das gelegen haben könnte.
"Wann immer Paul über die weiße Linie trat, war er weg von dieser Welt. Fußball war sein totaler Fokus, sein Lebenselixier. Es war ihm egal, wo er für wen und gegen wen spielte. Die Dinge des täglichen Lebens bedeuteten ihm nichts. Einmal kam er aus Italien geflogen, weil er unserem Club einen Minibus sponsern wollte. Er drückte mir seine goldene Kreditkarte in die Hand. 'Paul, was soll ich damit?', hab ich gefragt. Ich musste das Auto schließlich bar bezahlen. 'Okay, Terry, kein Problem, komm morgen einfach ins Hotel, da hab ich einen Koffer mit Lira.' Am Ende hat uns seine Mutter einen Scheck ausgestellt. Er hatte keine Ahnung mehr vom täglichen Leben."
Die frühe Profikarriere hat Gascoigne jenen Lebensabschnitt gekostet, in dem andere Menschen an den ersten ernsten Konflikten wachsen. Probleme wurden für ihn gelöst, seit er mit knapp 17 Jahren erstmals in der A-Mannschaft von Newcastle spielte. Jahrelang schien es, als würde sich Gascoigne die Gleichgültigkeit für alle Belange jenseits des Fußballs leisten können. Nach der WM 1990 floss das Geld in Strömen, sein Berater Mel Stein musste die meisten Angebote ablehnen. Alle Sponsoren wollten Gascoigne, was vor allem den englischen Fußballverband FA vor Probleme stellte, weil jener immer einen Bock schoss und die Auftraggeber mit hundertprozentiger Sicherheit düpierte.
Gascoignes Gleichgültigkeit in Bezug auf Verträge und Finanzen ging so weit, dass andere begannen, für ihn die Entscheidungen zu treffen. Die Transfers von Newcastle zu Tottenham und später zu Lazio gelten für viele Beobachter als Schlüssel für seinen Niedergang und den Weg an die Flasche. Weder London noch Rom, so die Argumentation der Zweifler, seien sichere Horte für einen naiven Jungstar aus dem Norden gewesen. Warum nur hat er seine Zusage an Alex Ferguson nicht eingehalten?
Der Trainer von Manchester United wundert sich noch heute darüber und gab sich zuletzt in einem Interview überzeugt, dass er Gascoigne auf die richtige Spur gebracht hätte. Der Erfolgscoach propagiert eine Theorie, die sich vieler Anhänger erfreut. Doch sein Erinnerungsvermögen scheint etwas getrübt, war Manchester United Ende der 80er doch nicht das solide Kraftwerk von heute. "Win or lose - hit the booze", war damals das Motto. "Sieg oder Niederlage - hoch die Tassen!"
Ferguson hat hart gegen die Trinkkultur innerhalb des Clubs ankämpfen müssen und sich dabei nur eingeschränkt talentiert gezeigt. Seine Auseinandersetzungen mit feierfreudigen Arbeitnehmern wie Norman Whiteside und Paul McGrath sind legendär und endeten erfolglos im Verkauf jener Spieler. Letzterer beging nach dem finalen Krach mit Ferguson gar einen Selbstmordversuch, um nur wenig später bei Aston Villa - noch mit verbundenen Handgelenken - in ganz neuer Blüte aufzuspielen. Ferguson verweist gerne darauf, dass bei ihm andere prominente Geordies, also Leute aus dem Nordwesten Englands, unter Vertrag standen, die Gascoigne mehr Halt gegeben hätten. Aus den Rückblenden taucht sein ehemaliger Kapitän Bryan Robson auf und damit jener Mann, den Gascoigne in seiner Biografie im Kontext der WM 1990 mit den Worten "Kannst du nichts mehr vertragen, Geordie-Bastard?" zitiert.
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
Samuel Goldwyn
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2. Teil: "Seine Rückennummer ist höher als sein IQ" - was andere Fußballer über Paul Gascoigne sagen und was George Best und "Gazza" gemeinsam haben
Das Problem Paul Gascoignes sind nicht die falschen Abzweigungen seiner Laufbahn, selbst wenn sie manchmal von Leuten beeinflusst wurden, vor denen ihn Terry Ritson gewarnt hätte. Auch mangelnde Intelligenz ist nicht das Hauptproblem, obwohl viele prominente Namen sich nicht eben vorteilhaft über Gascoignes Intellekt geäußert haben. "Doof wie eine Bürste", hat Bobby Robson gesagt, und von George Best ist der Satz "Seine Rückennummer ist höher als sein IQ" überliefert. Gascoignes Probleme sind anders gelagert.
Sein Problem ist seine Verkabelung, seine Taktung, der Jahrgang des nordenglischen Holzes, aus dem er geschnitzt ist, so wie viele Altersgenossen, die keine Stars geworden sind und seine Probleme im Stillen teilen. Gascoigne trägt ein ungesundes Maß an Chaos in sich, die Traumata seiner Kindheit haben ihm nicht gut getan. Seine fehlende Mitte machte ihn zu einem leichten Ziel, vor allem für die Medien. Bezeichnend dafür war das Interview, das er 2005 nach seinem alkoholbedingten Rauswurf als Trainer von Kettering Town gab und das es nie hätte geben dürfen. Ein unter dem Einfluss von Alkohol, Tabletten oder beidem stehender Gascoigne faselte unfassbaren Unsinn in das Mikrofon eines gierig nachfragenden Journalisten.
Gascoignes öffentliche Auftritte wirkten oft albern, seine Possen überdreht und die Äußerungen naiv. Regelmäßig blitzte aber in seinem Witz auch ein Maß geistiger Frische auf, das den Verdacht eines tumben Verstandes im Keim ersticken muss. Dumme Menschen haben nicht Paul Gascoignes Probleme. Gerade George Best, dessen Name als Parallele immer als erster fällt, hätte es besser wissen müssen. Beide Spieler eint ihr Hintergrund in der Arbeiterklasse, ihr Genius am Ball, ihre individuelle Unfähigkeit im Umgang mit Ruhm und Verehrung, das fußballzentrierte Weltbild und die Leere danach. Und sie eint das gesellschaftliche Problem, dass ihre Sucht lange Zeit weder als anormal noch als Krankheit gesehen wurde.
Den schwerverdienenden Fußballgöttern wurde schlicht das Recht abgesprochen, an den Problemen des Andy Capp, des Durchschnittsmenschen von der Straße, zu leiden. Ihr Suff war natürlicher Bestandteil des Fußballuniversums, akzeptierte Medikation gegen die Last der Popularität und Katalysator für die Show auf dem Platz. Wenn Gascoigne in der Halbzeitpause des schottischen Pokalendspiels in kompletter Montur an der Bar der VIP-Lounge einen doppelten Brandy kippt und in der zweiten Halbzeit zwei Tore schießt, ist er im Mikrokosmos der Machowelt Fußball, in der das nächste Tackle das letzte sein kann, nicht der bedauernswerte Alkoholiker, sondern der gefeierte Held.
Best gab dabei eher den entrückten und manchmal gar zynischen Trinker, dem eine Welt suspekt zu sein schien, in der gestandene Männer bei seinem Anblick zu stotternden Schatten ihrer selbst wurden. Gascoigne hingegen verstieg sich in die Rolle des unreflektierten Narren, der gefallen wollte und sich abseits des Platzes nur in Possen vergessen konnte. Noch etwas unterscheidet die beiden Sportsmänner, die um den zweifelhaften Vorsitz im Pantheon der selbstzerstörerischsten Kicker Britanniens zu streiten scheinen: ihre Heimat. In den Monaten vor George Bests Tod stimmten die gegnerischen Fans ein grausames Lied an, wenn es gegen Manchester United ging: "Could you go a can of stella, Georgie Best? Could you go a can of stella, your liveru2019s going yella, youu2019ll be dead by christmas, Georgie Best." - "Kannst du noch eine Dose Stella vertragen, Georgie Best? Deine Leber ist gelb, Georgie Best. Weihnachten wirst du tot sein, Georgie Best."
So zynisch und so brutal wahr der Song am Ende sein mochte, er sollte die Fans von ManUnited treffen und sprach George Best damit eine fußballerische Heimat zu. Zu den traurigen Fakten über den Nomaden Paul Gascoigne gehört, dass ihm ein solches Lied nicht gesungen werden wird, selbst wenn sein Zustand heute kaum besser ist als der von Best in jenen Tagen. Ein Abschiedsspiel im St. James' Park wird es nicht geben, auch wenn Gascoigne seine Verwurzelung in Newcastle stets betont hat und in der Zeitung zuerst schaut, wie United gespielt hat. Und doch ist er vor 20 Jahren weggegangen. Nicht nur deshalb fehlt ihm in seinem Heimatort jegliche Präsenz. In den Kneipen Dunstons hängen signierte Shearer-Trikots an den Wänden, im Tudor Rose Pub in der Railway Street gleich mehrere davon. Fast scheint es, als wolle man hier sichergehen, sich ausschließlich mit unzweifelhaft positiv besetzten Lokalhelden zu schmücken.
Das Problem Paul Gascoignes sind nicht die falschen Abzweigungen seiner Laufbahn, selbst wenn sie manchmal von Leuten beeinflusst wurden, vor denen ihn Terry Ritson gewarnt hätte. Auch mangelnde Intelligenz ist nicht das Hauptproblem, obwohl viele prominente Namen sich nicht eben vorteilhaft über Gascoignes Intellekt geäußert haben. "Doof wie eine Bürste", hat Bobby Robson gesagt, und von George Best ist der Satz "Seine Rückennummer ist höher als sein IQ" überliefert. Gascoignes Probleme sind anders gelagert.
Sein Problem ist seine Verkabelung, seine Taktung, der Jahrgang des nordenglischen Holzes, aus dem er geschnitzt ist, so wie viele Altersgenossen, die keine Stars geworden sind und seine Probleme im Stillen teilen. Gascoigne trägt ein ungesundes Maß an Chaos in sich, die Traumata seiner Kindheit haben ihm nicht gut getan. Seine fehlende Mitte machte ihn zu einem leichten Ziel, vor allem für die Medien. Bezeichnend dafür war das Interview, das er 2005 nach seinem alkoholbedingten Rauswurf als Trainer von Kettering Town gab und das es nie hätte geben dürfen. Ein unter dem Einfluss von Alkohol, Tabletten oder beidem stehender Gascoigne faselte unfassbaren Unsinn in das Mikrofon eines gierig nachfragenden Journalisten.
Gascoignes öffentliche Auftritte wirkten oft albern, seine Possen überdreht und die Äußerungen naiv. Regelmäßig blitzte aber in seinem Witz auch ein Maß geistiger Frische auf, das den Verdacht eines tumben Verstandes im Keim ersticken muss. Dumme Menschen haben nicht Paul Gascoignes Probleme. Gerade George Best, dessen Name als Parallele immer als erster fällt, hätte es besser wissen müssen. Beide Spieler eint ihr Hintergrund in der Arbeiterklasse, ihr Genius am Ball, ihre individuelle Unfähigkeit im Umgang mit Ruhm und Verehrung, das fußballzentrierte Weltbild und die Leere danach. Und sie eint das gesellschaftliche Problem, dass ihre Sucht lange Zeit weder als anormal noch als Krankheit gesehen wurde.
Den schwerverdienenden Fußballgöttern wurde schlicht das Recht abgesprochen, an den Problemen des Andy Capp, des Durchschnittsmenschen von der Straße, zu leiden. Ihr Suff war natürlicher Bestandteil des Fußballuniversums, akzeptierte Medikation gegen die Last der Popularität und Katalysator für die Show auf dem Platz. Wenn Gascoigne in der Halbzeitpause des schottischen Pokalendspiels in kompletter Montur an der Bar der VIP-Lounge einen doppelten Brandy kippt und in der zweiten Halbzeit zwei Tore schießt, ist er im Mikrokosmos der Machowelt Fußball, in der das nächste Tackle das letzte sein kann, nicht der bedauernswerte Alkoholiker, sondern der gefeierte Held.
Best gab dabei eher den entrückten und manchmal gar zynischen Trinker, dem eine Welt suspekt zu sein schien, in der gestandene Männer bei seinem Anblick zu stotternden Schatten ihrer selbst wurden. Gascoigne hingegen verstieg sich in die Rolle des unreflektierten Narren, der gefallen wollte und sich abseits des Platzes nur in Possen vergessen konnte. Noch etwas unterscheidet die beiden Sportsmänner, die um den zweifelhaften Vorsitz im Pantheon der selbstzerstörerischsten Kicker Britanniens zu streiten scheinen: ihre Heimat. In den Monaten vor George Bests Tod stimmten die gegnerischen Fans ein grausames Lied an, wenn es gegen Manchester United ging: "Could you go a can of stella, Georgie Best? Could you go a can of stella, your liveru2019s going yella, youu2019ll be dead by christmas, Georgie Best." - "Kannst du noch eine Dose Stella vertragen, Georgie Best? Deine Leber ist gelb, Georgie Best. Weihnachten wirst du tot sein, Georgie Best."
So zynisch und so brutal wahr der Song am Ende sein mochte, er sollte die Fans von ManUnited treffen und sprach George Best damit eine fußballerische Heimat zu. Zu den traurigen Fakten über den Nomaden Paul Gascoigne gehört, dass ihm ein solches Lied nicht gesungen werden wird, selbst wenn sein Zustand heute kaum besser ist als der von Best in jenen Tagen. Ein Abschiedsspiel im St. James' Park wird es nicht geben, auch wenn Gascoigne seine Verwurzelung in Newcastle stets betont hat und in der Zeitung zuerst schaut, wie United gespielt hat. Und doch ist er vor 20 Jahren weggegangen. Nicht nur deshalb fehlt ihm in seinem Heimatort jegliche Präsenz. In den Kneipen Dunstons hängen signierte Shearer-Trikots an den Wänden, im Tudor Rose Pub in der Railway Street gleich mehrere davon. Fast scheint es, als wolle man hier sichergehen, sich ausschließlich mit unzweifelhaft positiv besetzten Lokalhelden zu schmücken.
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
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Gewaltiger Niedergang: Paul Gascoigne hat seine Laufbahn mit Drogen- und Gewaltexzessen ruiniert. Das Magazin "11 FREUNDE" hat in Gascoignes Heimatort Dunston im Nordosten Englands nach Gründen für den Absturz des früheren Weltklassespielers gesucht. Hier der dritte Teil der Serie.
In Dunston steht eine der letzten Bastionen Paul Gascoignes: der Dunston Excelsior Working Mens Club in der Staithes Road. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die Gastwirtschaft für die TV-Serie "Britanniens härteste Kneipen" entdeckt werden wird. Fremde sind hier so willkommen wie Gerichtsvollzieher oder Männer in Anzügen und gewählter südenglischer Mundart. Im Fernsehen läuft ein Pferderennen, das Pint kostet weniger als zwei Pfund. Das Excelsior war Paul Gascoignes Basis, bevor es ihn in die Welt trieb. Hier haben sie bei den großen Turnieren eine Leinwand aufgestellt, um ihren Jungen zu feiern.
Das Verhältnis zum Barkeeper des Excelsior ist von Beginn an zerrüttet. Journalisten genießen hier kein hohes Ansehen. Der Barkeeper schweigt, während er das Wechselgeld in kleinstmöglicher Stückelung auf die Biermatte schaufelt. Dann wischt er hingebungsvoll mit dem Lappen über die Zapfhähne.
Vor der Tür des Working Mens Club steht ein Mann, dessen Unterarme nicht nur verwaschene Tätowierungen, sondern auch jene Gefäßveränderungen zeigen, die man Lebersternchen nennt. Langsam rauchend blickt er mit glasigen Augen auf eine pinkfarbene Stretchlimousine, die einige Meter entfernt auf der anderen Straßenseite parkt. Das Bild wirkt, als habe jemand eine visuelle Metapher für das Spannungsfeld des zu plötzlichem Ruhm gelangten Arbeiterkindes Paul Gascoigne inszenieren wollen.
Man fragt den Mann nach dem Weg zur Spoor Street und fühlt sich sofort schuldig. Der Mann kämpft, ringt um Worte und zeigt dabei eine Anstrengung, als hätte man ihn um eine ballistische Neuberechnung für den Start der Ariane-Rakete gebeten. Am Ende deutet er mit der Hand vage nach Süden. Dabei will er reden, auch über Paul, doch die Konzentration fällt schwer.
Früher seien Gascoigne und sein Bruder Carl oft hier gewesen, doch jetzt sei das vorbei. Der Working Mens Club sei in Ordnung. Es gebe keinen Ärger, und wenn, dann werde noch fair gekämpft, ohne Flaschen und Aschenbecher. Als Kind habe er in der Nähe der Gascoignes gewohnt, nicht weit von der Spoor Street. Sie hätten oft gemeinsam im Park gespielt, der war ja nur 100 Meter entfernt. Aber Carl habe ja auch früh mit dem Trinken angefangen. Dann ist es still vor dem Excelsior. "The drinks got me now", sagt der Mann leise, bevor er in der Tür verschwindet.
Die Spoor Street ist 500 Meter und einen Rechtsknick entfernt. An ihrem Ende gibt es einen Park mit drei Fußballfeldern in Sichtweite zu Newcastle United auf dem anderen Ufer der Tyne. Vor einem Tor sitzen Michael, Michael und Marc mit ein paar Fußbällen und fingern ihr Kebab aus dem Packpapier. "Gascoigne. Ja, der hat hier gewohnt. Aber der ist ja nur noch auf Drogen", sagt Michael I. "Seine Familie lebt da oben", sagt Michael II. und weist mit dem Kopf in Richtung der Anhöhe von Knightside, der feinen Wohngegend von Dunston. "Da hat er ihnen Häuser gekauft."
Die Frage nach ihren Vorbildern belustigt sie erst, dann fallen altbekannte Namen: Shearer, Carrick und Cristiano Ronaldo. Noch lustiger finden sie, dass sie in diesem Zusammenhang nach Gascoigne gefragt werden. Sie wissen nichts über den ehemaligen Nationalspieler aus ihrem Heimatort, der bei der WM 1990 ins Allstar-Team gewählt wurde und der überragende Spieler der Europameisterschaft 1996 war. Nur ihre Eltern sprechen hin und wieder über Gascoigne, wenn der sich mal wieder auf die Titelseiten getrunken hat.
Paul Gascoigne ist etwas jünger gewesen als die drei Teenager, als ihm eine Reihe von Ereignissen widerfuhr, die weitaus ältere Menschen aus der Bahn geworfen hätten. Beim Gedanken an Stevens Tod müsse er weinen, hat er einmal gesagt. Und dass er schuld gewesen sei am Unfall des jüngeren Bruders seines besten Freundes Keith. Steven ist vor ein Auto gerannt und in den Armen des zehnjährigen Paul Gascoigne gestorben, der eigentlich auf ihn hatte aufpassen sollen. Das steht in seiner Biografie. Auch dass wenig später sein Vater Hirnblutungen erlitt und Paul ihm Löffel in den Mund stecken musste, damit er nicht an seiner eigenen Zunge erstickte. Dass die Mutter die Familie mit drei Jobs ernähren musste, Paul von der Schule flog und an sich die ersten Zwangshandlungen beobachtete. Sein Trainer Terry Ritson hat ihn in dieser Phase erlebt und sich Sorgen gemacht. Warum sich Gascoigne die Schuld für den Tod Stevens gibt, versteht er bis heute nicht: "Es waren noch andere Jungs da, er war nicht für ihn verantwortlich, schon gar nicht allein. Ich weiß nicht, warum er das alles auf sich nimmt."
In Dunston steht eine der letzten Bastionen Paul Gascoignes: der Dunston Excelsior Working Mens Club in der Staithes Road. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die Gastwirtschaft für die TV-Serie "Britanniens härteste Kneipen" entdeckt werden wird. Fremde sind hier so willkommen wie Gerichtsvollzieher oder Männer in Anzügen und gewählter südenglischer Mundart. Im Fernsehen läuft ein Pferderennen, das Pint kostet weniger als zwei Pfund. Das Excelsior war Paul Gascoignes Basis, bevor es ihn in die Welt trieb. Hier haben sie bei den großen Turnieren eine Leinwand aufgestellt, um ihren Jungen zu feiern.
Das Verhältnis zum Barkeeper des Excelsior ist von Beginn an zerrüttet. Journalisten genießen hier kein hohes Ansehen. Der Barkeeper schweigt, während er das Wechselgeld in kleinstmöglicher Stückelung auf die Biermatte schaufelt. Dann wischt er hingebungsvoll mit dem Lappen über die Zapfhähne.
Vor der Tür des Working Mens Club steht ein Mann, dessen Unterarme nicht nur verwaschene Tätowierungen, sondern auch jene Gefäßveränderungen zeigen, die man Lebersternchen nennt. Langsam rauchend blickt er mit glasigen Augen auf eine pinkfarbene Stretchlimousine, die einige Meter entfernt auf der anderen Straßenseite parkt. Das Bild wirkt, als habe jemand eine visuelle Metapher für das Spannungsfeld des zu plötzlichem Ruhm gelangten Arbeiterkindes Paul Gascoigne inszenieren wollen.
Man fragt den Mann nach dem Weg zur Spoor Street und fühlt sich sofort schuldig. Der Mann kämpft, ringt um Worte und zeigt dabei eine Anstrengung, als hätte man ihn um eine ballistische Neuberechnung für den Start der Ariane-Rakete gebeten. Am Ende deutet er mit der Hand vage nach Süden. Dabei will er reden, auch über Paul, doch die Konzentration fällt schwer.
Früher seien Gascoigne und sein Bruder Carl oft hier gewesen, doch jetzt sei das vorbei. Der Working Mens Club sei in Ordnung. Es gebe keinen Ärger, und wenn, dann werde noch fair gekämpft, ohne Flaschen und Aschenbecher. Als Kind habe er in der Nähe der Gascoignes gewohnt, nicht weit von der Spoor Street. Sie hätten oft gemeinsam im Park gespielt, der war ja nur 100 Meter entfernt. Aber Carl habe ja auch früh mit dem Trinken angefangen. Dann ist es still vor dem Excelsior. "The drinks got me now", sagt der Mann leise, bevor er in der Tür verschwindet.
Die Spoor Street ist 500 Meter und einen Rechtsknick entfernt. An ihrem Ende gibt es einen Park mit drei Fußballfeldern in Sichtweite zu Newcastle United auf dem anderen Ufer der Tyne. Vor einem Tor sitzen Michael, Michael und Marc mit ein paar Fußbällen und fingern ihr Kebab aus dem Packpapier. "Gascoigne. Ja, der hat hier gewohnt. Aber der ist ja nur noch auf Drogen", sagt Michael I. "Seine Familie lebt da oben", sagt Michael II. und weist mit dem Kopf in Richtung der Anhöhe von Knightside, der feinen Wohngegend von Dunston. "Da hat er ihnen Häuser gekauft."
Die Frage nach ihren Vorbildern belustigt sie erst, dann fallen altbekannte Namen: Shearer, Carrick und Cristiano Ronaldo. Noch lustiger finden sie, dass sie in diesem Zusammenhang nach Gascoigne gefragt werden. Sie wissen nichts über den ehemaligen Nationalspieler aus ihrem Heimatort, der bei der WM 1990 ins Allstar-Team gewählt wurde und der überragende Spieler der Europameisterschaft 1996 war. Nur ihre Eltern sprechen hin und wieder über Gascoigne, wenn der sich mal wieder auf die Titelseiten getrunken hat.
Paul Gascoigne ist etwas jünger gewesen als die drei Teenager, als ihm eine Reihe von Ereignissen widerfuhr, die weitaus ältere Menschen aus der Bahn geworfen hätten. Beim Gedanken an Stevens Tod müsse er weinen, hat er einmal gesagt. Und dass er schuld gewesen sei am Unfall des jüngeren Bruders seines besten Freundes Keith. Steven ist vor ein Auto gerannt und in den Armen des zehnjährigen Paul Gascoigne gestorben, der eigentlich auf ihn hatte aufpassen sollen. Das steht in seiner Biografie. Auch dass wenig später sein Vater Hirnblutungen erlitt und Paul ihm Löffel in den Mund stecken musste, damit er nicht an seiner eigenen Zunge erstickte. Dass die Mutter die Familie mit drei Jobs ernähren musste, Paul von der Schule flog und an sich die ersten Zwangshandlungen beobachtete. Sein Trainer Terry Ritson hat ihn in dieser Phase erlebt und sich Sorgen gemacht. Warum sich Gascoigne die Schuld für den Tod Stevens gibt, versteht er bis heute nicht: "Es waren noch andere Jungs da, er war nicht für ihn verantwortlich, schon gar nicht allein. Ich weiß nicht, warum er das alles auf sich nimmt."
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
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2. Teil: Gascoignes Absturz - Verletzungen, Alkohol, Gewalt
Paul Gascoigne hat sich selbst nicht lieb. Schon als Kind begann er damit, sich Hals über Kopf in Situationen zu stürzen, die ihm nicht selten einen Aufenthalt im lokalen Spital bescherten. Ungefähr 30 Operationen hat er durchgemacht. Seine schwerste Sportverletzung hat er sich 1991 im englischen Cupfinale konsequenterweise selbst zugefügt, durch ein ebenso unangemessenes wie übermotiviertes Tackling an Gary Charles. Der Vorfall, der ihn fast seinen Anschlussvertrag bei Lazio gekostet hätte, war symptomatisch für Gascoigne, dessen Lebensstil ihm keinen Eintrag im Lexikon der asketischen Musterathleten bescheren wird. Immer wieder war er im Laufe seiner Karriere verletzt, und mit den Zwangspausen kamen die Einsamkeit, die Langeweile und der Suff. Zuletzt nahm er auch Kokain.
Dabei wäre ein langer Blick in den Spiegel keine schlechte Idee gewesen. Vielleicht hätte er Selbsterkenntnis über die pathologische Neigung gebracht, sich Verantwortungen ins Kontor zu schreiben, die nicht seine sind. Gascoigne hat sich seinen Problemen sehr spät gestellt, vielleicht zu spät. Stattdessen ging er den Weg des autoaggressiven Alkoholikers bis zum Ende. Er verprügelte öffentlichkeitswirksam seine Frau, was dem Selbsthass Futter und seiner Sucht Rechtfertigung gab.
Paul Gascoigne ist ein tieftrauriger Mensch, der seine Not nur lindern kann, wenn er andere zum Lächeln bringt. Bei Tottenham, Lazio und den Rangers kriegen sie noch heute feuchte Augen, wenn sie an seine Auftritte denken, selbst wenn er manchmal unkontrolliert und eigensinnig war und taktische Konzepte über den Haufen geworfen hat. Dabei darf nicht unterschlagen werden, dass nach seiner Rückkehr aus Italien kein englischer Club das Geld für das unstete Enfant terrible aufbringen wollte, weshalb er schließlich bei den Rangers in der schottischen Liga landete.
Er galt als unregierbar und formschwankend, auch seine Verletzungsanfälligkeit gereichte ihm nicht zum Vorteil. Doch der unsichere Kantonist überraschte auch schärfste Kritiker immer wieder. Er glänzte vor allem dann, wenn er seine existenziellen Ängste im Fußball kanalisieren konnte, wenn er sie mit dem Ball am Fuß kompensierte. Das gelang ihm nach seinem unseligen Absturz in die Abgründe der häuslichen Gewalt gegen seine Frau Sheryl immer seltener. Zuletzt zeigte er bei Everton u2013 mittlerweile 35-jährig u2013 Man-of-the-Match-Vorstellungen, obwohl der geschundene Körper seinem wachen Fußballverstand nur noch schwer folgen konnte. Immerhin war er auch im Spätherbst seiner Karriere noch so populär, dass der Zeugwart schon vor Weihnachten in der Chefetage vorstellig werden musste, um ein höheres Textilbudget für Gascoigne zu erwirken. Nach jedem Punktspiel standen die Gegenspieler Schlange nach seinem Trikot, ein in der Premier League nicht unbedingt üblicher Vorgang.
An Gascoignes Einsamkeit änderte das nichts. Er war der erste, der morgens das Trainingsgelände betrat, am Abend schloss er das Tor mit dem Platzwart zu. Mitarbeiter des FC Everton erinnern sich, wie Gascoigne allein im strömenden Regen auf einem Ball saß und der U18 beim Training zuguckte. Wann immer er längere Zeit ohne Fußball sein musste, geriet er in Schwierigkeiten. Als er bei Lazio spielte, hat er in der Langeweile der Sommerpause einmal Terry Ritson angerufen und ihn nach Rom eingeladen. Keinen Penny würde ihn das kosten, alles ginge auf ihn. "'Was soll das werden, Paul?', habe ich ihn gefragt. Ich hatte nicht die Absicht, zu jenen zu gehören, die sich von ihm aushalten lassen, und von denen gab es genug. 'Du hast dein Leben, und ich hab meines, lass uns da nichts durcheinanderbringen.' Ich weiß nicht, ob er das damals verstanden hat."
Paul Gascoigne scheint vieles nicht verstanden zu haben. Und doch schwebt sein langer Schatten über Fußballengland, das nicht zu wissen scheint, wie sehr es den Exzentriker vermisst. Und natürlich würden sie ihn ob des scheinbaren Mangels an Intellekt dort niemals exzentrisch, sondern immer nur wahnsinnig nennen. Der Kampfhund mit dem Kindergesicht, wie ihn Juve-Besitzer Gianni Agnelli einmal nannte, hat Millionen inspiriert, als er feixend an Gegenspielern vorbeizog und seinen Hunger mit Toren oder Marsriegeln stillte, die ihm von den Rängen zuflogen. Jetzt ist er auf dem besten Wege, "den Bestie zu machen" und sich nach einem viel zu schnellen Leben vorzeitig zu Tode zu trinken. Gascoigne kann sich nur selbst retten. Er muss den "Gazza" in sich zu Grabe tragen. "Jeder Mensch braucht im Leben jemanden, der ihn liebt", hat Gascoignes Jugendtrainer Terry Ritson noch gesagt. Es ist höchste Zeit, dass Paul Gascoigne bei sich selbst damit anfängt.
Paul Gascoigne hat sich selbst nicht lieb. Schon als Kind begann er damit, sich Hals über Kopf in Situationen zu stürzen, die ihm nicht selten einen Aufenthalt im lokalen Spital bescherten. Ungefähr 30 Operationen hat er durchgemacht. Seine schwerste Sportverletzung hat er sich 1991 im englischen Cupfinale konsequenterweise selbst zugefügt, durch ein ebenso unangemessenes wie übermotiviertes Tackling an Gary Charles. Der Vorfall, der ihn fast seinen Anschlussvertrag bei Lazio gekostet hätte, war symptomatisch für Gascoigne, dessen Lebensstil ihm keinen Eintrag im Lexikon der asketischen Musterathleten bescheren wird. Immer wieder war er im Laufe seiner Karriere verletzt, und mit den Zwangspausen kamen die Einsamkeit, die Langeweile und der Suff. Zuletzt nahm er auch Kokain.
Dabei wäre ein langer Blick in den Spiegel keine schlechte Idee gewesen. Vielleicht hätte er Selbsterkenntnis über die pathologische Neigung gebracht, sich Verantwortungen ins Kontor zu schreiben, die nicht seine sind. Gascoigne hat sich seinen Problemen sehr spät gestellt, vielleicht zu spät. Stattdessen ging er den Weg des autoaggressiven Alkoholikers bis zum Ende. Er verprügelte öffentlichkeitswirksam seine Frau, was dem Selbsthass Futter und seiner Sucht Rechtfertigung gab.
Paul Gascoigne ist ein tieftrauriger Mensch, der seine Not nur lindern kann, wenn er andere zum Lächeln bringt. Bei Tottenham, Lazio und den Rangers kriegen sie noch heute feuchte Augen, wenn sie an seine Auftritte denken, selbst wenn er manchmal unkontrolliert und eigensinnig war und taktische Konzepte über den Haufen geworfen hat. Dabei darf nicht unterschlagen werden, dass nach seiner Rückkehr aus Italien kein englischer Club das Geld für das unstete Enfant terrible aufbringen wollte, weshalb er schließlich bei den Rangers in der schottischen Liga landete.
Er galt als unregierbar und formschwankend, auch seine Verletzungsanfälligkeit gereichte ihm nicht zum Vorteil. Doch der unsichere Kantonist überraschte auch schärfste Kritiker immer wieder. Er glänzte vor allem dann, wenn er seine existenziellen Ängste im Fußball kanalisieren konnte, wenn er sie mit dem Ball am Fuß kompensierte. Das gelang ihm nach seinem unseligen Absturz in die Abgründe der häuslichen Gewalt gegen seine Frau Sheryl immer seltener. Zuletzt zeigte er bei Everton u2013 mittlerweile 35-jährig u2013 Man-of-the-Match-Vorstellungen, obwohl der geschundene Körper seinem wachen Fußballverstand nur noch schwer folgen konnte. Immerhin war er auch im Spätherbst seiner Karriere noch so populär, dass der Zeugwart schon vor Weihnachten in der Chefetage vorstellig werden musste, um ein höheres Textilbudget für Gascoigne zu erwirken. Nach jedem Punktspiel standen die Gegenspieler Schlange nach seinem Trikot, ein in der Premier League nicht unbedingt üblicher Vorgang.
An Gascoignes Einsamkeit änderte das nichts. Er war der erste, der morgens das Trainingsgelände betrat, am Abend schloss er das Tor mit dem Platzwart zu. Mitarbeiter des FC Everton erinnern sich, wie Gascoigne allein im strömenden Regen auf einem Ball saß und der U18 beim Training zuguckte. Wann immer er längere Zeit ohne Fußball sein musste, geriet er in Schwierigkeiten. Als er bei Lazio spielte, hat er in der Langeweile der Sommerpause einmal Terry Ritson angerufen und ihn nach Rom eingeladen. Keinen Penny würde ihn das kosten, alles ginge auf ihn. "'Was soll das werden, Paul?', habe ich ihn gefragt. Ich hatte nicht die Absicht, zu jenen zu gehören, die sich von ihm aushalten lassen, und von denen gab es genug. 'Du hast dein Leben, und ich hab meines, lass uns da nichts durcheinanderbringen.' Ich weiß nicht, ob er das damals verstanden hat."
Paul Gascoigne scheint vieles nicht verstanden zu haben. Und doch schwebt sein langer Schatten über Fußballengland, das nicht zu wissen scheint, wie sehr es den Exzentriker vermisst. Und natürlich würden sie ihn ob des scheinbaren Mangels an Intellekt dort niemals exzentrisch, sondern immer nur wahnsinnig nennen. Der Kampfhund mit dem Kindergesicht, wie ihn Juve-Besitzer Gianni Agnelli einmal nannte, hat Millionen inspiriert, als er feixend an Gegenspielern vorbeizog und seinen Hunger mit Toren oder Marsriegeln stillte, die ihm von den Rängen zuflogen. Jetzt ist er auf dem besten Wege, "den Bestie zu machen" und sich nach einem viel zu schnellen Leben vorzeitig zu Tode zu trinken. Gascoigne kann sich nur selbst retten. Er muss den "Gazza" in sich zu Grabe tragen. "Jeder Mensch braucht im Leben jemanden, der ihn liebt", hat Gascoignes Jugendtrainer Terry Ritson noch gesagt. Es ist höchste Zeit, dass Paul Gascoigne bei sich selbst damit anfängt.
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.
Samuel Goldwyn
Samuel Goldwyn