Auftakt im Hoyzer-Prozess
Verfasst: 18.10.2005, 08:48
SPIEGEL ONLINE - 18. Oktober 2005, 06:09
URL: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 36,00.html
Auftakt im Hoyzer-Prozess
Endspiel in Saal 500
Von Jens Todt
Der größte Skandal in der Bundesliga-Geschichte erreicht heute das Berliner Landgericht. Ab 10 Uhr werden die ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer und Dominik Marks vor Gericht auf ihre ehemaligen Auftraggeber der Wettmafia treffen - hinter kugelsicheren Scheiben. Auch ein Spieler ist angeklagt.
Robert Hoyzer sitzt im Berliner Büro seiner Anwälte im 14. Stock des Internationalen Handelszentrums und spielt sich selbst. Berlin sieht klein aus von hier oben, man blickt über den Reichstag und das Brandenburger Tor. Die Rechtsanwaltskanzlei Holthoff-Pförtner hat zu einem Gespräch mit ihrem derzeit prominentesten Mandanten geladen, das Prozedere erinnert allerdings ein wenig an die Audienz eines Hollywoodstars.
Eine Handvoll Journalisten versammelt sich im Warteraum der noblen Kanzlei, im Viertelstundentakt gewähren die Rechtsanwälte Thomas Hermes und Cato Dill Einlass in ihr Büro. Dort spricht Hoyzer über seine Zukunft, vielleicht könne er eine Ausbildung "im Medienbereich" machen, sagt er. Man kann sich das sehr gut vorstellen.
Hoyzers nähere Zukunft entscheidet sich ab morgen. Um zehn Uhr beginnt vor der 12. Strafkammer des Berliner Landgerichts der Prozess gegen die ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer, 26, und Dominik Marks, 30, sowie die kroatischen Brüder Ante, 29, Filip, 37, und Milan Sapina, 40, die gemeinsam das Charlottenburger Café King betreiben. Auch der Fußballer Steffen Karl ist angeklagt. Den sechs Hauptbeteiligten des Schiedsrichterskandals wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Die Angeklagten, die im Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit hinter schusssicheren Glasscheiben sitzen, müssen bei Schuldsprüchen mit Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren rechnen.
Hoyzer ist nicht nur Beschuldigter in dem Prozess, sondern auf Grund der Geständnisse gegenüber der 40-köpfigen Sonderermittlungsgruppe "Fußball" bei der Berliner Staatsanwaltschaft auch Kronzeuge. Der 26-Jährige verfolgt die Strategie, durch Aufdeckung aller Details ein mildes Urteil zu erwirken. "Ich werde ein Geständnis ablegen", sagt Hoyzer, "genauso, wie ich es zuvor auch schon getan habe." Anwalt Hermes hofft, dass sein Mandant aufgrund seiner Kooperationsbereitschaft mit einer Bewährungsstrafe davonkommt.
Zum Prozessauftakt wird die Vorsitzende Richterin Gerti Kramer 32 Seiten der insgesamt 289-seitigen Anklageschrift verlesen. Anschließend dürfen sich die Angeklagten zu den Anschuldigungen äußern, so dass schon zum Auftakt mit den ersten Statements der Beschuldigten gerechnet werden kann.
"Ich bin da sehr unaufgeregt", sagt Hoyzer, zu der bevorstehenden Begegnung im Gerichtssaal mit seinen ehemaligen Freunden, den Sapina-Brüdern. Neun Manipulationen wirft die Staatsanwaltschaft dem ehemals hoch gehandelten Schiedsrichter vor - darunter das DFB-Pokalspiel SC Paderborn gegen Hamburger SV (4:2). Viele Experten prophezeiten ihm eine glänzende Karriere, Hoyzer galt schon in jungen Jahren als Schiedsrichter mit großer natürlicher Autorität.
Wenn der Wettskandal Ende Januar nicht durch die Aussage von vier Kollegen ins Laufen gekommen wäre, hätte er schon bald in die Riege der Erstliga-Schiedsrichter aufsteigen können - jetzt ist seine berufliche Existenz zerstört. Der Deutsche Fußball-Bund hat Hoyzer auf Lebenszeit gesperrt, im Moment lebt er nach eigener Aussage von Arbeitslosengeld. Wenn man Hoyzer gegenüber sitzt, ahnt man, warum die DFB-Ausbilder so große Stücke auf ihn hielten. Der 1,98 Meter Hüne sitzt massig in seinem Stuhl, antwortet bedächtig, weicht dem Blick nicht aus - von Unsicherheit keine Spur. Anwalt Dill schaut gequält auf seine Armbanduhr.
Gewaltiges Medieninteresse
Ante Sapina, der mutmaßliche Drahtzieher der Manipulationen, sitzt als einziger Beteiligter wegen des Verdachts der Fluchtgefahr weiter in Untersuchungshaft. Zur Verhandlung wird der Kroate durch einen unterirdischen Gang vom Haftgefängnis Moabit in den Saal geführt. Wie sein Bruder Milan und Steffen Karl hat auch der "Navigator" der Affäre, der durch die Betrügereien zwischen dem 10. April und dem 3. Dezember 2004 mindestens zwei Millionen Euro Wett-Erlöse erzielt haben soll, Teilgeständnisse abgelegt.
Alle anderen Beschuldigten hatten nach wenigen Tagen in Untersuchungshaft gegen Auflagen Haftverschonung erhalten, da kein Verdacht auf Verdunklungs- oder Fluchtgefahr mehr bestand. Hoyzer muss sich drei Mal wöchentlich bei der Polizei vorstellen.
Bisher gehen die Ermittler davon aus, dass es bei insgesamt 23 Begegnungen Manipulationen oder Betrugsversuche gegeben hat, das Endspiel findet für die mutmaßlichen Betrüger nun im Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit statt. Nach Angaben eines Gerichtssprechers wird gegenwärtig noch gegen 19 Beschuldigte weiter ermittelt, darunter mehrere Zweitliga-Profis. Sie müssen sich unter Umständen auf Folgeprozesse einstellen.
53 akkreditierte Journalisten, darunter alle großen Fernsehstationen Deutschlands sowie internationale Beobachter, werden am morgen für einen großen Auflauf in der Berliner Turmstraße sorgen. Ursprünglich lagen der Justizpressestelle über hundert Akkreditierungswünsche vor, fast 50 Prozent mussten wegen mangelnder Saal-Kapazitäten abgelehnt werden. Zudem sind in dem öffentlichen Prozess 60 Plätze für Zuschauer vorgesehen.
Wenn alles vorbei ist, will Hoyzer womöglich ein Buch schreiben, wie er sagt. Dies sei "vielleicht eine Möglichkeit, die Dinge so darzustellen, wie sie sind." Er wolle die Sache damit "endgültig abschließen." Hoyzer wirkt wie jemand, der sich im Griff hat, kein unbedachtes Wort kommt über seine Lippen. Es ist leicht, die Kontrolle zu haben, wenn man im Büro seiner Anwälte sitzt und von oben auf den Reichstag blickt.
Wahrscheinlich weiß niemand ganz genau, wer dieser Mann ist, der den deutschen Fußball ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise stürzte - vermutlich nicht einmal Hoyzer selber. Er kann schlecht nein sagen, möchte gefallen, bleibt dabei jedoch merkwürdig konturlos. Vielleicht sind Hoyzers größte Probleme seine Eitelkeit und die permanente Suche nach Bestätigung.
Wenn Hoyzer den Verhandlungssaal nach Ende des Prozesses mit einer Bewährungsstrafe verlassen sollte, wird sich vermutlich die Regenbogenpresse um den telegenen Berliner balgen. Die Macher des RTL-Dschungelcamps sollen mit dem Gedanken spielen, dem ehemaligen Schiedsrichter ein Angebot zu machen. Robert Hoyzer hat Millionen Fußballfans enttäuscht und betrogen, aber dieses Schicksal wünscht man ihm nicht.
URL: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 36,00.html
Auftakt im Hoyzer-Prozess
Endspiel in Saal 500
Von Jens Todt
Der größte Skandal in der Bundesliga-Geschichte erreicht heute das Berliner Landgericht. Ab 10 Uhr werden die ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer und Dominik Marks vor Gericht auf ihre ehemaligen Auftraggeber der Wettmafia treffen - hinter kugelsicheren Scheiben. Auch ein Spieler ist angeklagt.
Robert Hoyzer sitzt im Berliner Büro seiner Anwälte im 14. Stock des Internationalen Handelszentrums und spielt sich selbst. Berlin sieht klein aus von hier oben, man blickt über den Reichstag und das Brandenburger Tor. Die Rechtsanwaltskanzlei Holthoff-Pförtner hat zu einem Gespräch mit ihrem derzeit prominentesten Mandanten geladen, das Prozedere erinnert allerdings ein wenig an die Audienz eines Hollywoodstars.
Eine Handvoll Journalisten versammelt sich im Warteraum der noblen Kanzlei, im Viertelstundentakt gewähren die Rechtsanwälte Thomas Hermes und Cato Dill Einlass in ihr Büro. Dort spricht Hoyzer über seine Zukunft, vielleicht könne er eine Ausbildung "im Medienbereich" machen, sagt er. Man kann sich das sehr gut vorstellen.
Hoyzers nähere Zukunft entscheidet sich ab morgen. Um zehn Uhr beginnt vor der 12. Strafkammer des Berliner Landgerichts der Prozess gegen die ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer, 26, und Dominik Marks, 30, sowie die kroatischen Brüder Ante, 29, Filip, 37, und Milan Sapina, 40, die gemeinsam das Charlottenburger Café King betreiben. Auch der Fußballer Steffen Karl ist angeklagt. Den sechs Hauptbeteiligten des Schiedsrichterskandals wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Die Angeklagten, die im Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit hinter schusssicheren Glasscheiben sitzen, müssen bei Schuldsprüchen mit Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren rechnen.
Hoyzer ist nicht nur Beschuldigter in dem Prozess, sondern auf Grund der Geständnisse gegenüber der 40-köpfigen Sonderermittlungsgruppe "Fußball" bei der Berliner Staatsanwaltschaft auch Kronzeuge. Der 26-Jährige verfolgt die Strategie, durch Aufdeckung aller Details ein mildes Urteil zu erwirken. "Ich werde ein Geständnis ablegen", sagt Hoyzer, "genauso, wie ich es zuvor auch schon getan habe." Anwalt Hermes hofft, dass sein Mandant aufgrund seiner Kooperationsbereitschaft mit einer Bewährungsstrafe davonkommt.
Zum Prozessauftakt wird die Vorsitzende Richterin Gerti Kramer 32 Seiten der insgesamt 289-seitigen Anklageschrift verlesen. Anschließend dürfen sich die Angeklagten zu den Anschuldigungen äußern, so dass schon zum Auftakt mit den ersten Statements der Beschuldigten gerechnet werden kann.
"Ich bin da sehr unaufgeregt", sagt Hoyzer, zu der bevorstehenden Begegnung im Gerichtssaal mit seinen ehemaligen Freunden, den Sapina-Brüdern. Neun Manipulationen wirft die Staatsanwaltschaft dem ehemals hoch gehandelten Schiedsrichter vor - darunter das DFB-Pokalspiel SC Paderborn gegen Hamburger SV (4:2). Viele Experten prophezeiten ihm eine glänzende Karriere, Hoyzer galt schon in jungen Jahren als Schiedsrichter mit großer natürlicher Autorität.
Wenn der Wettskandal Ende Januar nicht durch die Aussage von vier Kollegen ins Laufen gekommen wäre, hätte er schon bald in die Riege der Erstliga-Schiedsrichter aufsteigen können - jetzt ist seine berufliche Existenz zerstört. Der Deutsche Fußball-Bund hat Hoyzer auf Lebenszeit gesperrt, im Moment lebt er nach eigener Aussage von Arbeitslosengeld. Wenn man Hoyzer gegenüber sitzt, ahnt man, warum die DFB-Ausbilder so große Stücke auf ihn hielten. Der 1,98 Meter Hüne sitzt massig in seinem Stuhl, antwortet bedächtig, weicht dem Blick nicht aus - von Unsicherheit keine Spur. Anwalt Dill schaut gequält auf seine Armbanduhr.
Gewaltiges Medieninteresse
Ante Sapina, der mutmaßliche Drahtzieher der Manipulationen, sitzt als einziger Beteiligter wegen des Verdachts der Fluchtgefahr weiter in Untersuchungshaft. Zur Verhandlung wird der Kroate durch einen unterirdischen Gang vom Haftgefängnis Moabit in den Saal geführt. Wie sein Bruder Milan und Steffen Karl hat auch der "Navigator" der Affäre, der durch die Betrügereien zwischen dem 10. April und dem 3. Dezember 2004 mindestens zwei Millionen Euro Wett-Erlöse erzielt haben soll, Teilgeständnisse abgelegt.
Alle anderen Beschuldigten hatten nach wenigen Tagen in Untersuchungshaft gegen Auflagen Haftverschonung erhalten, da kein Verdacht auf Verdunklungs- oder Fluchtgefahr mehr bestand. Hoyzer muss sich drei Mal wöchentlich bei der Polizei vorstellen.
Bisher gehen die Ermittler davon aus, dass es bei insgesamt 23 Begegnungen Manipulationen oder Betrugsversuche gegeben hat, das Endspiel findet für die mutmaßlichen Betrüger nun im Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit statt. Nach Angaben eines Gerichtssprechers wird gegenwärtig noch gegen 19 Beschuldigte weiter ermittelt, darunter mehrere Zweitliga-Profis. Sie müssen sich unter Umständen auf Folgeprozesse einstellen.
53 akkreditierte Journalisten, darunter alle großen Fernsehstationen Deutschlands sowie internationale Beobachter, werden am morgen für einen großen Auflauf in der Berliner Turmstraße sorgen. Ursprünglich lagen der Justizpressestelle über hundert Akkreditierungswünsche vor, fast 50 Prozent mussten wegen mangelnder Saal-Kapazitäten abgelehnt werden. Zudem sind in dem öffentlichen Prozess 60 Plätze für Zuschauer vorgesehen.
Wenn alles vorbei ist, will Hoyzer womöglich ein Buch schreiben, wie er sagt. Dies sei "vielleicht eine Möglichkeit, die Dinge so darzustellen, wie sie sind." Er wolle die Sache damit "endgültig abschließen." Hoyzer wirkt wie jemand, der sich im Griff hat, kein unbedachtes Wort kommt über seine Lippen. Es ist leicht, die Kontrolle zu haben, wenn man im Büro seiner Anwälte sitzt und von oben auf den Reichstag blickt.
Wahrscheinlich weiß niemand ganz genau, wer dieser Mann ist, der den deutschen Fußball ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise stürzte - vermutlich nicht einmal Hoyzer selber. Er kann schlecht nein sagen, möchte gefallen, bleibt dabei jedoch merkwürdig konturlos. Vielleicht sind Hoyzers größte Probleme seine Eitelkeit und die permanente Suche nach Bestätigung.
Wenn Hoyzer den Verhandlungssaal nach Ende des Prozesses mit einer Bewährungsstrafe verlassen sollte, wird sich vermutlich die Regenbogenpresse um den telegenen Berliner balgen. Die Macher des RTL-Dschungelcamps sollen mit dem Gedanken spielen, dem ehemaligen Schiedsrichter ein Angebot zu machen. Robert Hoyzer hat Millionen Fußballfans enttäuscht und betrogen, aber dieses Schicksal wünscht man ihm nicht.