Musik in der Kabine
Verfasst: 23.09.2005, 23:50
HSV: Star-Verteidiger
Musik in der Kabine
Außenverteidiger Timothee Atouba hat sich beim HSV zur Attraktion entwickelt. Neben Rafael van der Vaart gilt er als eindrucksvollster Beleg für die hochgelobte jüngere Personalpolitik der Hamburger.
Von Jörg Marwedel http://www.sueddeutsche.de
Mal stoppt Timothee Atouba ganz plötzlich ab und lässt den Gegner ins Leere laufen, mal wählt er den "Übersteiger".
Foto: dpa
Timothee Atouba blinzelt in die Hamburger Spätsommersonne, beugt sich etwas herab und legt kumpelhaft den Arm um die junge Frau, die sich mit ihm vor der Arena fotografieren lassen will. "Okay?", fragt er und lächelt breit. "Ja", sagt sie und lächelt zurück. Der Profi aus Kamerun ist ihr neuer Lieblingsspieler beim Hamburger SV, und er selbst scheint das ziemlich normal zu finden. "Das Leben", sagt er mit einer umwerfenden Freundlichkeit, "ist ganz leicht. Du musst nur deinen Job gut machen und mit den Fans reden, anstatt nach dem Training immer gleich in die Kabine zu gehen."
Timothee Atouba, 23, macht seinen Job gut. Sehr gut sogar. Wenn er im eigenen Stadion an der linken Seitenlinie zu einem seiner Sturmläufe ansetzt, raunt das Publikum wie bei einer gewagten Zirkusnummer ohne Netz, denn Atouba beherrscht viele Tricks. Zuweilen lassen sie sogar den Atem seines Trainers Thomas Doll stocken, den er respektvoll "Monsieur Thomas" nennt.
Guter Fußball statt gemütlichem Picknick
Mal stoppt Atouba ganz plötzlich ab und lässt den Gegner ins Leere laufen, mal wählt er den "Übersteiger". Ab und zu spielt er den Ball frech mit der Hacke oder durch die Beine seines Widersachers. Oder er lässt die Kugel von einem Fuß zum anderen tanzen, ehe er eine seiner gefährlichen, scharfen Flanken schlägt.
» Wir müssen versuchen, Erster zu werden, auch wenn die Bayern eine eigene Klasse sind. «
Eigentlich ist Timothee Atouba Außenverteidiger. Solche Spieler sind im Fußball selten für die Unterhaltung zuständig. Sie sollen für Sicherheit sorgen, für schnörkelloses Spiel nach vorn statt für riskante Manöver. Er selbst sieht das freilich anders. "Die Leute", sagt er, "lassen vielleicht ein gemütliches Picknick oder ein Familientreffen ausfallen, um uns Fußball spielen zu sehen. Dafür möchte ich ihnen etwas bieten."
Und wenn er dann diese Aaahs und Ooohs im Stadion höre, gebe ihm das zusätzlich "Power". So wie neulich im UI-Cup-Finale gegen den FC Valencia, als er den prominenten Stürmer Patrick Kluivert gleich viermal narrte wie einen Schulbuben.
"Wir müssen zur White Hart Lane, Bernd."
Erst wenige Wochen ist Timothee Atouba in Deutschland, und längst ist er eine der größten Attraktionen in der Bundesliga. Neben Rafael van der Vaart gilt er als eindrucksvollster Beleg für die hochgelobte jüngere Personalpolitik des HSV, die selbst den anspruchsvollen Münchner Experten Hoeneß, Rummenigge, Beckenbauer Respekt abringt.
Weit weg ist inzwischen jener trübe Tag im Januar dieses Jahres, als Sportchef Dietmar Beiersdorfer und Klubchef Bernd Hoffmann auf einer Fußballmesse in London weilten. Hoffmann freute sich auf eine abendliche Einladung zum absoluten Schlager FC Arsenal gegen Manchester United, doch Beiersdorfer sagte: "Tottenham spielt auch. Wir müssen zur White Hart Lane, Bernd."
Sie sahen einen Gruselkick. Timothee Atouba, gerade von einer Verletzung genesen, wurde nur eingewechselt. Und viel zugetraut hat er sich auch nicht, denn Tottenhams neuer Teammanager hielt nicht viel von artistischen Einlagen.
Hoffmann war ein wenig ratlos, doch Beiersdorfer ließ sich nicht täuschen, er hatte Atouba ja nicht das erste Mal gesehen. Er hat dann mit Winfried Schäfer gesprochen, Atoubas früherem Nationaltrainer, und Schäfer hat seinem einstigen Schützling erklärt: "Der HSV ist ein ambitionierter Klub. Der ist gut für dich." 2,5 Millionen Euro Ablöse haben die Hamburger ein paar Monate später schließlich investiert. Geld, mit dem sie die Mentalität des Teams wieder ein Stück verändert haben.
u201EBin Hamburger, kein Problemu201C
Wie Daniel van Buyten, Khalid Boulahrouz oder van der Vaart hat auch Atouba Ansprüche und eine Klasse mitgebracht, die Mittelmaß auszuschließen scheinen. "Die Leute in Hamburg glauben, dass wir den hohen Level halten können, also müssen auch wir Spieler daran glauben", sagt er. Oder: "Wir müssen versuchen, Erster zu werden, auch wenn die Bayern eine eigene Klasse sind." Timothee Atouba lebt diesen Anspruch mit einer Lockerheit, die selbst die neuen Kollegen anfangs erstaunte. Etwa, als er vor einem Spiel noch in der Kabine Musik hörte und dazu tanzte, während die anderen sich angestrengt konzentrierten. Vielleicht trägt auch diese Leichtigkeit zum Höhenflug des HSV bei.
Ansonsten ist Timothee Atouba einer dieser modernen, anpassungsfähigen Fußball-Nomaden, die sich überall auf der Welt zurechtfinden, und sei es am Nordpol. "Ich bin jetzt Hamburger, kein Problem", sagt er. Selbst die Wünsche seines sicherheitsbewussten Trainers, der in ihm partout "in erster Linie" einen Abwehrspieler sehen will, erfüllt Atouba längst mit Augenmaß. "Schön, dass er nicht in jedem Spiel ein Kabinettstückchen zeigen muss", hat Thomas Doll zuletzt gelobt. Es klang ein kleines bisschen erleichtert.
Gopf!
Musik in der Kabine
Außenverteidiger Timothee Atouba hat sich beim HSV zur Attraktion entwickelt. Neben Rafael van der Vaart gilt er als eindrucksvollster Beleg für die hochgelobte jüngere Personalpolitik der Hamburger.
Von Jörg Marwedel http://www.sueddeutsche.de
Mal stoppt Timothee Atouba ganz plötzlich ab und lässt den Gegner ins Leere laufen, mal wählt er den "Übersteiger".
Foto: dpa
Timothee Atouba blinzelt in die Hamburger Spätsommersonne, beugt sich etwas herab und legt kumpelhaft den Arm um die junge Frau, die sich mit ihm vor der Arena fotografieren lassen will. "Okay?", fragt er und lächelt breit. "Ja", sagt sie und lächelt zurück. Der Profi aus Kamerun ist ihr neuer Lieblingsspieler beim Hamburger SV, und er selbst scheint das ziemlich normal zu finden. "Das Leben", sagt er mit einer umwerfenden Freundlichkeit, "ist ganz leicht. Du musst nur deinen Job gut machen und mit den Fans reden, anstatt nach dem Training immer gleich in die Kabine zu gehen."
Timothee Atouba, 23, macht seinen Job gut. Sehr gut sogar. Wenn er im eigenen Stadion an der linken Seitenlinie zu einem seiner Sturmläufe ansetzt, raunt das Publikum wie bei einer gewagten Zirkusnummer ohne Netz, denn Atouba beherrscht viele Tricks. Zuweilen lassen sie sogar den Atem seines Trainers Thomas Doll stocken, den er respektvoll "Monsieur Thomas" nennt.
Guter Fußball statt gemütlichem Picknick
Mal stoppt Atouba ganz plötzlich ab und lässt den Gegner ins Leere laufen, mal wählt er den "Übersteiger". Ab und zu spielt er den Ball frech mit der Hacke oder durch die Beine seines Widersachers. Oder er lässt die Kugel von einem Fuß zum anderen tanzen, ehe er eine seiner gefährlichen, scharfen Flanken schlägt.
» Wir müssen versuchen, Erster zu werden, auch wenn die Bayern eine eigene Klasse sind. «
Eigentlich ist Timothee Atouba Außenverteidiger. Solche Spieler sind im Fußball selten für die Unterhaltung zuständig. Sie sollen für Sicherheit sorgen, für schnörkelloses Spiel nach vorn statt für riskante Manöver. Er selbst sieht das freilich anders. "Die Leute", sagt er, "lassen vielleicht ein gemütliches Picknick oder ein Familientreffen ausfallen, um uns Fußball spielen zu sehen. Dafür möchte ich ihnen etwas bieten."
Und wenn er dann diese Aaahs und Ooohs im Stadion höre, gebe ihm das zusätzlich "Power". So wie neulich im UI-Cup-Finale gegen den FC Valencia, als er den prominenten Stürmer Patrick Kluivert gleich viermal narrte wie einen Schulbuben.
"Wir müssen zur White Hart Lane, Bernd."
Erst wenige Wochen ist Timothee Atouba in Deutschland, und längst ist er eine der größten Attraktionen in der Bundesliga. Neben Rafael van der Vaart gilt er als eindrucksvollster Beleg für die hochgelobte jüngere Personalpolitik des HSV, die selbst den anspruchsvollen Münchner Experten Hoeneß, Rummenigge, Beckenbauer Respekt abringt.
Weit weg ist inzwischen jener trübe Tag im Januar dieses Jahres, als Sportchef Dietmar Beiersdorfer und Klubchef Bernd Hoffmann auf einer Fußballmesse in London weilten. Hoffmann freute sich auf eine abendliche Einladung zum absoluten Schlager FC Arsenal gegen Manchester United, doch Beiersdorfer sagte: "Tottenham spielt auch. Wir müssen zur White Hart Lane, Bernd."
Sie sahen einen Gruselkick. Timothee Atouba, gerade von einer Verletzung genesen, wurde nur eingewechselt. Und viel zugetraut hat er sich auch nicht, denn Tottenhams neuer Teammanager hielt nicht viel von artistischen Einlagen.
Hoffmann war ein wenig ratlos, doch Beiersdorfer ließ sich nicht täuschen, er hatte Atouba ja nicht das erste Mal gesehen. Er hat dann mit Winfried Schäfer gesprochen, Atoubas früherem Nationaltrainer, und Schäfer hat seinem einstigen Schützling erklärt: "Der HSV ist ein ambitionierter Klub. Der ist gut für dich." 2,5 Millionen Euro Ablöse haben die Hamburger ein paar Monate später schließlich investiert. Geld, mit dem sie die Mentalität des Teams wieder ein Stück verändert haben.
u201EBin Hamburger, kein Problemu201C
Wie Daniel van Buyten, Khalid Boulahrouz oder van der Vaart hat auch Atouba Ansprüche und eine Klasse mitgebracht, die Mittelmaß auszuschließen scheinen. "Die Leute in Hamburg glauben, dass wir den hohen Level halten können, also müssen auch wir Spieler daran glauben", sagt er. Oder: "Wir müssen versuchen, Erster zu werden, auch wenn die Bayern eine eigene Klasse sind." Timothee Atouba lebt diesen Anspruch mit einer Lockerheit, die selbst die neuen Kollegen anfangs erstaunte. Etwa, als er vor einem Spiel noch in der Kabine Musik hörte und dazu tanzte, während die anderen sich angestrengt konzentrierten. Vielleicht trägt auch diese Leichtigkeit zum Höhenflug des HSV bei.
Ansonsten ist Timothee Atouba einer dieser modernen, anpassungsfähigen Fußball-Nomaden, die sich überall auf der Welt zurechtfinden, und sei es am Nordpol. "Ich bin jetzt Hamburger, kein Problem", sagt er. Selbst die Wünsche seines sicherheitsbewussten Trainers, der in ihm partout "in erster Linie" einen Abwehrspieler sehen will, erfüllt Atouba längst mit Augenmaß. "Schön, dass er nicht in jedem Spiel ein Kabinettstückchen zeigen muss", hat Thomas Doll zuletzt gelobt. Es klang ein kleines bisschen erleichtert.
Gopf!