anatomie eines modernen fussballstadions - Von Schwimmringen und Schlauchbooten
Verfasst: 05.08.2005, 09:51
SPIEGEL ONLINE - 05. August 2005, 05:55
URL: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 63,00.html
Bundesliga-Stadien
Von Schwimmringen und Schlauchbooten
Von Mike Glindmeier
Sie sind Einnahmequelle und Aushängeschild zugleich. Während der WM verwandeln sich Deutschlands Stadien in Hochsicherheitstrakte: Über eine Milliarde Euro wurde in die Spielstätten investiert. Doch nicht alle Fans finden Gefallen an den High-Tech-Tempeln. SPIEGEL ONLINE stellt die 18 Bundesliga-Stadien vor.
Die Zahlen sind gigantisch: Für die elf WM-Spielstätten, die im kommenden Jahr Besucher aus aller Welt faszinieren sollen, investierten Vereine, Banken und der Bund 1,379 Milliarden Euro. Der Krösus unter den Stadionbauern heißt - wen wundert es - FC Bayern München. Der Rekordmeister spendierte sich einen Fußballtempel für sportliche 340 Millionen Euro. Gegen die Münchner Allianz-Arena - Spitznamen unter anderem Schwimmring, Schlauchboot oder Kaiserklo - wirkt die Hamburger AOL-Arena mit 97 Millionen Euro wie ein Schnäppchen.
Die neuen Stadien stehen für Luxus und Komfort, sind zum größten Teil komplett überdacht und mit allerlei technischem Schickimicki ausgestattet. In der Arena AufSchalke beispielsweise, die ganz nach dem Geschmack von 04-Manager Assauer seit dieser Saison "Veltins-Arena" heißt, sitzen gut situierte Besucher auf edlem Leder und lassen die Arme auf die Sitzlehnen fallen. Wenn es regnet, wird einfach das Dach geschlossen. Damit der Rasen stets gut belüftet wird, kann er mitsamt dem Spielfeld ins Freie gefahren werden. Sogar ein eigenes Bezahlsystem wurde auf Schalke eingeführt: Fans berappen Wurst und Bier mit der Knappenkarte.
Viele, aber längst nicht alle Anhänger sind begeistert von den modernen Stadien. Spötter nennen die Veltins-Arena in Anspielung auf das ehemalige Parkstadion nur "Parkhaus", für die neu errichtete Düsseldorfer LTU-Arena kursierte kurz nach der Eröffnungsfeier der Begriff "Messehalle". Stefan Diener, Redaktionsleiter des Fachmagazins Stadionwelt, wird täglich mit der Kritik von Fußballanhängern der unterschiedlichsten Vereine konfrontiert.
Das Spektrum für die steigende Fanfrustration sei weitreichend: "Angefangen von den Eintrittspreisen, die in den letzten Jahren, meist nach dem Stadionneubau, völlig unverhältnismäßig gestiegen sind, über fehlende Stehplätze bis hin zur völligen Überwachung, die den Fans kaum Platz zum bewegen lässt", sagt Diener im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Saison der Fan-Proteste droht
Die Stimmung in den Fanszenen sei deshalb äußerst gereizt, so Diener. Das zeige auch eine Demonstration, die im Juni unter dem Motto "Fußballfans im Abseits" stattfand. "Es gab daraufhin ein Gespräch zwischen Fanvertretern und Innenminister Schily, danach hat sich aber erst mal nicht viel getan. Sollte es nicht bald zu deutlichen Verbesserungen kommen, steht eine Saison der Proteste bevor", erklärt Diener.
Der Stadion-Experte hält den Trend zur Arena allerdings für existenziell. Auf der ständigen Suche nach weiteren Einnahmequellen werde es sich kein Verein leisten können, auf Neuerungen zu verzichten, so Dieners Einschätzung. Die Clubs dürften die Schraube allerdings nicht überdrehen: "Derzeit sind vor allem die treuen und engagierten Fans verärgert. Wenden diese sich vom Fußball ab oder stellen ihr Engagement in den Kurven ein, gibt es für die Clubs auch keine Stimmung mehr, die sie vermarkten können", prophezeit Diener.
Weiterer Unmut scheint programmiert. Denn für einen Großteil der Fans bleibt die WM vor der eigenen Haustür ein unerreichbares Ereignis. Die frei erhältlichen Eintrittskarten sind längst vergriffen, ein Großteil der Tickets ging an Sponsoren. Zudem sorgen ausgerechnet die verschärften Sicherheitsvorkehrungen wie elektronische Einlasskontrollen und Videoüberwachung auf Schritt und Tritt für Angst unter den Anhängern. Die Organisatoren ersticken jegliche Diskussionen unter Verweis auf die globale Terrorgefahr im Keim.
Seit dem Konföderationen-Cup steht zudem ein weiteres Problem ganz oben auf den Listen der Sicherheitsbeauftragten: Flitzer. Die Spielfeldstürmer sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Diskutierte Lösungen, die unteren Reihen frei zu lassen, mehr Ordner am Spielfeldrand zu platzieren oder die verhassten Zäune wiederaufzubauen, kommen beim Publikum schlecht an. Selbst der Stadion-Experte ist in diesem Fall ratlos: "Ein Patentrezept für das Problem gibt es nicht", sagt Diener.
URL: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 63,00.html
Bundesliga-Stadien
Von Schwimmringen und Schlauchbooten
Von Mike Glindmeier
Sie sind Einnahmequelle und Aushängeschild zugleich. Während der WM verwandeln sich Deutschlands Stadien in Hochsicherheitstrakte: Über eine Milliarde Euro wurde in die Spielstätten investiert. Doch nicht alle Fans finden Gefallen an den High-Tech-Tempeln. SPIEGEL ONLINE stellt die 18 Bundesliga-Stadien vor.
Die Zahlen sind gigantisch: Für die elf WM-Spielstätten, die im kommenden Jahr Besucher aus aller Welt faszinieren sollen, investierten Vereine, Banken und der Bund 1,379 Milliarden Euro. Der Krösus unter den Stadionbauern heißt - wen wundert es - FC Bayern München. Der Rekordmeister spendierte sich einen Fußballtempel für sportliche 340 Millionen Euro. Gegen die Münchner Allianz-Arena - Spitznamen unter anderem Schwimmring, Schlauchboot oder Kaiserklo - wirkt die Hamburger AOL-Arena mit 97 Millionen Euro wie ein Schnäppchen.
Die neuen Stadien stehen für Luxus und Komfort, sind zum größten Teil komplett überdacht und mit allerlei technischem Schickimicki ausgestattet. In der Arena AufSchalke beispielsweise, die ganz nach dem Geschmack von 04-Manager Assauer seit dieser Saison "Veltins-Arena" heißt, sitzen gut situierte Besucher auf edlem Leder und lassen die Arme auf die Sitzlehnen fallen. Wenn es regnet, wird einfach das Dach geschlossen. Damit der Rasen stets gut belüftet wird, kann er mitsamt dem Spielfeld ins Freie gefahren werden. Sogar ein eigenes Bezahlsystem wurde auf Schalke eingeführt: Fans berappen Wurst und Bier mit der Knappenkarte.
Viele, aber längst nicht alle Anhänger sind begeistert von den modernen Stadien. Spötter nennen die Veltins-Arena in Anspielung auf das ehemalige Parkstadion nur "Parkhaus", für die neu errichtete Düsseldorfer LTU-Arena kursierte kurz nach der Eröffnungsfeier der Begriff "Messehalle". Stefan Diener, Redaktionsleiter des Fachmagazins Stadionwelt, wird täglich mit der Kritik von Fußballanhängern der unterschiedlichsten Vereine konfrontiert.
Das Spektrum für die steigende Fanfrustration sei weitreichend: "Angefangen von den Eintrittspreisen, die in den letzten Jahren, meist nach dem Stadionneubau, völlig unverhältnismäßig gestiegen sind, über fehlende Stehplätze bis hin zur völligen Überwachung, die den Fans kaum Platz zum bewegen lässt", sagt Diener im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Saison der Fan-Proteste droht
Die Stimmung in den Fanszenen sei deshalb äußerst gereizt, so Diener. Das zeige auch eine Demonstration, die im Juni unter dem Motto "Fußballfans im Abseits" stattfand. "Es gab daraufhin ein Gespräch zwischen Fanvertretern und Innenminister Schily, danach hat sich aber erst mal nicht viel getan. Sollte es nicht bald zu deutlichen Verbesserungen kommen, steht eine Saison der Proteste bevor", erklärt Diener.
Der Stadion-Experte hält den Trend zur Arena allerdings für existenziell. Auf der ständigen Suche nach weiteren Einnahmequellen werde es sich kein Verein leisten können, auf Neuerungen zu verzichten, so Dieners Einschätzung. Die Clubs dürften die Schraube allerdings nicht überdrehen: "Derzeit sind vor allem die treuen und engagierten Fans verärgert. Wenden diese sich vom Fußball ab oder stellen ihr Engagement in den Kurven ein, gibt es für die Clubs auch keine Stimmung mehr, die sie vermarkten können", prophezeit Diener.
Weiterer Unmut scheint programmiert. Denn für einen Großteil der Fans bleibt die WM vor der eigenen Haustür ein unerreichbares Ereignis. Die frei erhältlichen Eintrittskarten sind längst vergriffen, ein Großteil der Tickets ging an Sponsoren. Zudem sorgen ausgerechnet die verschärften Sicherheitsvorkehrungen wie elektronische Einlasskontrollen und Videoüberwachung auf Schritt und Tritt für Angst unter den Anhängern. Die Organisatoren ersticken jegliche Diskussionen unter Verweis auf die globale Terrorgefahr im Keim.
Seit dem Konföderationen-Cup steht zudem ein weiteres Problem ganz oben auf den Listen der Sicherheitsbeauftragten: Flitzer. Die Spielfeldstürmer sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Diskutierte Lösungen, die unteren Reihen frei zu lassen, mehr Ordner am Spielfeldrand zu platzieren oder die verhassten Zäune wiederaufzubauen, kommen beim Publikum schlecht an. Selbst der Stadion-Experte ist in diesem Fall ratlos: "Ein Patentrezept für das Problem gibt es nicht", sagt Diener.

