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Giftige Töne aus dem Berner Oberland

Verfasst: 26.12.2004, 10:21
von smd
«SonntagsZeitung» vom 26.12.2004, Seite 41


Giftige Töne aus dem Berner Oberland
Thun- Präsident Kurt Weder übt harsche Kritik an den Grasshoppers

VON PETER M. BIRRER

ZÜRICH Kurt Weder sah keinen Grund, seinen Unmut für sich zu behalten. Der Präsident des FC Thun war irritiert, dass er am Mittwochabend um 20 Uhr vor die vollendete Tatsache gestellt wurde, Trainer Hanspeter Latour per sofort an die Grasshoppers zu verlieren. Also setzte sich Weder umgehend mit GC- Taskforce- Leiter Walter A. Brunner in Verbindung und schlug am Telefon offenbar nicht den diplomatischen Ton an. « Ich sagte Herrn Brunner direkt, dass ich solches Vorgehen nicht gewohnt bin » , berichtete Weder anderntags, « für mich ist das eine Stilfrage. » Befremdet hatte Weder, dass Latour ihn über seinen sofortigen Weggang orientierte, ein Gespräch mit Exponenten von GC aber nicht stattgefunden hatte. Weder war so weit, dass er sich die Frage stellte: « Wie definiert sich eigentlich ein Grossklub? » Brunner nahm die Kritik aus dem Berner Oberland zur Kenntnis, entschuldigte sich, aber er bemerkte auch: « Ein solcher Transfer geht selten ohne Rumoren über die Bühne. Im Moment haben wir vielleicht ein gestörtes Verhältnis zu Thun.

Aber ich gehe davon aus, dass sich das wieder normalisiert. » Dass der Thuner Weihnachtsfrieden beeinträchtigt wurde, tat Brunner ebenfalls Leid. Nur: « Der Zeitpunkt war sicher nicht absichtlich gewählt. Er hat sich so ergeben. »
Die Thuner Erfahrung machte der FC Aarau vor genau einem Jahr
Es ist nicht das erste Mal, dass GC in der Weihnachtszeit in der vermeintlichen Provinz seine Besetzung für den vakanten Trainerposten fand. 2003 lockten die Zürcher ( auch am 23. Dezember) Alain Geiger aus Aarau weg; er ersetzte Carlos Bernegger. Im Januar 2002 holten sie Marcel Koller aus St. Gallen; er wurde Nachfolger von Hans- Peter Zaugg. Im Dezember 1998 war der St. Galler Roger Hegi der geeignete Trainer; er kam an Stelle von Rolf Fringer.

Aaraus Präsident Michael Hunziker stört sich heute noch daran, dass GC Geiger unmittelbar vor den Festtagen abwarb. Aber er macht sich selber den Vorwurf, dass « wir Geiger ziehen liessen » . Gelernt hat Hunziker vor allem eins: « Ich würde den Trainer nicht mehr gehen lassen. Es ist mühsam, zwischen Weihnachten und Neujahr einen neuen zu finden. Und ich glaube, Alain Geiger wäre heute froh, wären wir vor einem Jahr hartnäckig geblieben. . . » Aber er bescheinigt GC, korrekte Mittel eingesetzt zu haben: « GC machte nur, was es durfte. Am Schluss schaut jeder Verein nur für sich, ob Gross- oder Kleinklub. » Auch für St. Gallens Ex- Präsidenten Thomas Müller sind es Vorgänge, die zum Geschäft gehören. « Natürlich beneide ich Kurt Weder nicht, dass er aus- gerechnet in diesen Tagen einen neuen Trainer suchen muss » , sagt Müller, « aber wenn einer gehen will, bringt es einfach nichts, ihn aufhalten zu wollen. » Müller spürte damals bei Koller, dass er unbedingt zu GC wollte. Und in seinen Anfängen als Präsident schloss er Bekanntschaft mit den Mechanismen des Geschäfts. Romano Spadaro, damals Präsident im Hardturm, rief Müller an und erklärte ihm, dass in zwei Tagen an einer Medienorientierung der neue GC- Trainer vorgestellt werde. Und das sei eben Roger Hegi, damals noch in St. Gallen unter Vertrag. Im Fall von Latour und Thun werden derzeit aber noch giftige Töne angeschlagen. « Die Grossvereine » , sagt Sportchef Werner Gerber, « halten sich an keine Regeln. Sie stossen uns vor den Kopf, und es gelingt ihnen, uns zu schwächen. » Nach Latours Weggang ist nun auch bekannt geworden, dass der bisherige Assistenztrainer und treue Weggefährte Thomas Binggeli seinen Vertrag ebenfalls aufgelöst hat und seinem Chef auf den Hardturm folgt. Und doch musste Gerber am Tag vor Heiligabend auf der Suche nach einem neuen Trainer nicht ganz bei null beginnen. Ende September, als es zwischen Latour und GC die ersten Kontakte gab, war das für Gerber ein untrügliches Signal. « Mein Bauch sagte mir, dass nicht alles läuft, wie es sollte » , sagt der Sportchef. Er stellte in Gedanken spontan eine Liste mit zwölf möglichen Nachfolgern zusammen u2013 für den Notfall quasi.
Thuns Sportchef Gerber möchte bis Silvester eine Lösung haben
Dieser Fall trat nun am Mittwoch ein, ab heute werden erste Gespräche mit Kandidaten geführt. Zum Kreis dürfte Dieter Münstermann ( YB U- 21) gehören, aber auch der frühere YB- Trainer Marco Schällibaum, der seit seiner Entlassung bei Servette ohne Anstellung ist. Marcel Koller, den Gerber angerufen hat, erteilte eine Absage. Der Neue muss ins Oberland passen, sowohl in finanzieller als auch in menschlicher Hinsicht. Weder sagt: « Wir können keinen aus Manhattan einfliegen. » Der ehrgeizige Zeitplan sieht vor, dass der Trainerposten bis Silvester wieder besetzt ist und die Thuner mit ihrer neuen Führung am 6. Januar in die Vorbereitung starten. Und Stunden nach Bekanntwerden von Latours Abgang haben sie im Berner Oberland die Kampflust wieder entdeckt. Wie sagte doch Sportchef Werner Gerber: « Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Diese Herausforderung nehmen wir an. Jetzt erst recht. »

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Provozierte die bösen Töne aus Thun: Hanspeter Latour, 57, wechselt per sofort zu den Grasshoppers FOTO: PATRIC SPAHNI/ EQ IMAGES

Verfasst: 26.12.2004, 14:02
von panda
Schällibaum sagte gemäss SonntagsBlick übrigens ab. Sein Herz hänge zu sehr an YB um zum Rivalen wechseln zu können... (ausserdem habe er noch einige Dinge mit Servette zu klären)

Verfasst: 26.12.2004, 18:21
von admirAL
panda hat geschrieben:Schällibaum sagte gemäss SonntagsBlick übrigens ab. Sein Herz hänge zu sehr an YB um zum Rivalen wechseln zu können... (ausserdem habe er noch einige Dinge mit Servette zu klären)
Endlich mal Einer der mit dem Verstand handelt! Respekt..

Verfasst: 26.12.2004, 21:17
von MMM
admirAL hat geschrieben:Endlich mal Einer der mit dem Verstand handelt! Respekt..
Mit Verstand schon - denn das Risiko, dass der FC Thun ein aus sportlicher Sicht sinkendes Schiff darstellt, ist vergleichsweise gross.

Dass mit dem Herz halte ich dagegen für glatt vorgeschoben...